Am Grünen Tisch
Fifa – Der Fisch stinkt vom Kopf her
| Donnerstag, 28. Mai 2015Korruptionsverdacht: Zwei Tage vor der Wahl des Fifa-Präsidenten hat die Schweizer Polizei neun Funktionäre des Fußball-Weltverbandes festgenommen
Die Festnahmen hoher Fifa-Funktionäre schlagen in der Presse hohe Wellen. Michael Ashelm (FAZ) klopft an die Bürotür von Sepp Blatter: „Obwohl Blatter bei Ermittlungen in der Vergangenheit und auch jetzt offenbar kein Beschuldigter ist, müsste er sofort die Konsequenzen ziehen und abtreten. Jahrzehnte wirkte er in entscheidenden Positionen des Weltverbandes und arbeitete dabei mit vielen dubiosen und inzwischen sogar abgeurteilten Funktionären eng zusammen. Gerade jetzt müsste der fast achtzig Jahre alte Blatter ein Zeichen für den personellen Neuanfang setzen, die Verantwortung ziehen und den Weg freimachen. Alles andere würde den Schaden für die Fifa noch vergrößern.“
Weg mit dem ganzen Laden!
Stefan Nestler (dw.de) reckt die Fäuste in die Höhe: „In einem korrekt geführten Unternehmen hätte Blatter längst seinen Hut nehmen müssen. Und hätte er ein wenig Anstand, würde er es aus freien Stücken tun. Aber die FIFA ist eben nicht sauber. Was muss eigentlich noch geschehen, damit der Stall endlich ausgemistet wird? Eine Selbstreinigung findet nicht statt – trotz FIFA-Ethikkommission. Wahrscheinlich hilft nur eine Revolution. Weg mit dem ganzen Laden!“
Oliver Fritsch (Zeit Online) ist gespannt wie ein Flitzebogen: „Der heutige Mittwoch könnte der Tag sein, auf den alle der Millionen Gegner Blatters gewartet haben. Die Uefa forderte am Abend, die Präsidentenwahl zu verschieben und droht, den Kongress zu boykottieren. Das ist ein Novum, ein starkes Zeichen. Die wahre Gefahr für Blatter aber kommt von außen: von Polizisten und Staatsanwälten, von Kronzeugen und Insidern. Was die Ermittler herausgefunden haben wollen, könnte das Fifa-System ins Kippen bringen. Das US-Justizministerium hat große und deutliche Worte gefunden und offensichtlich großen Ehrgeiz entwickelt. Die Schweizer schlagen leisere Töne an, mit sich spaßen lassen sie aber auch nicht.“
Tim Röhn (Welt) schüttelt fassungslos den Kopf: „Dass die Ermittler nun ein Strafverfahren einleiteten, ohne Sepp Blatter, den Kämpfer für Aufklärung und Korruption, wäre das nicht möglich gewesen – so sieht das Selbstverständnis der Fifa aus. Blatter ist, nach eigener Auffassung, kein Verlierer in diesem Skandal, sondern ein Gewinner. „Wir sind die Geschädigten“, sagte de Gregorio und erinnerte daran, dass gegen Blatter selbst nicht ermittelt wird. Angesichts seiner sich selbst zugeschriebenen Opferrolle sieht der Verband auch keinen Grund, an der Planung für Freitag zu rütteln: Der alljährliche Kongress findet genauso statt wie die Wahl zum Fifa-Anführer.“
Staatliche Behörden haben einfach ihren Job gemacht
Christoph Biermann (11Freunde) verschickt Dankeskarten: „Die Fifa gehört seit Jahren zu den korruptesten Organisationen der Welt, und hat spätestens mit der Vergabe der Weltmeisterschaften 2018 nach Russland und 2022 nach Katar ihre komplette Schamlosigkeit bewiesen. Doch so offensichtlich all diese Machenschaften immer waren, hatten irgendwann auch die eifrigsten Kritiker der Schattenwelt des Joseph S. Blatter keine Phantasie mehr, wie dieses System noch reformiert werden könnte. Plötzlich ist die Antwort ganz einfach: Staatliche Behörden in den USA und der Schweiz haben einfach ihren Job gemacht.“
Andreas Rüttenauer (taz) fordert mehr: „Die Fifa ist in der Schweiz als gemeinnütziger Verein registriert. Darüber wird schon lange gelacht. Und doch verbinden immer noch viel zu viele Menschen mit dem Fußball ein Heilsversprechen und träumen von einer gerechten und demokratischen Weltorganisation, angeführt von einem weisen Manager, der nur dem Sport dient. Es ist ein naiver Traum. So naiv wie die Vorstellung, die Deutsche Bank könne zu einer wohltätigen Organisation werden. Das System von Geben und Nehmen, das die Fifa etabliert hat, ist durch ein paar Verhaftungen und die Sicherstellung von Akten so schnell nicht zu erschüttern.“
Kommentare
3 Kommentare zu “Fifa – Der Fisch stinkt vom Kopf her”
Donnerstag, 28. Mai 2015 um 09:21
tja,
die Europäer könnten ja , wenn Sie nen Arsch in der Hose hätten
wirklich boykottieren !!
Aber tun sie’s ?
Warten wir ab !
Donnerstag, 28. Mai 2015 um 22:46
Es wäre weise, wenn Blatter bei diesem Gegenwind aufhört, statt wie ein trotziger Büffel weiter zu kämpfen. Ich bin dennoch überzeugt, dass er nicht nur des Geldes wegen, sondern tatsächlich auch mit Herz für den Weltfußball tätig war, dort viel gute, ehrliche Arbeit geleistet hat. Ohne echte visionäre Leidenschaft brennst du früher aus… das sollte bei aller berechtigter Kritik nicht unterschlagen werden. Und ich finde, man sollte aus menschlichen Gründen nicht im Schutz der Gruppe auch noch feige draufschlagen, wenn einer bereits am Boden liegt.
Freitag, 29. Mai 2015 um 12:20
[…] Thema FIFA: Steigen wir ein mit der Presseschau von Indirekter Freistoß. […]