Bundesliga
Hertha BSC – Eine alte Dame mischt die Liga auf
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| Montag, 14. Dezember 2015In Berlin herrscht nach dem ungefährdeten Sieg gegen Aufsteiger Darmstadt Partystimmung. Außerdem: Abschiedstränen in Leverkusen, fehlender Schalker Biss und ein Hamburger, der ungern Schach spielt
Vor dem letzten Spieltag der Hinrunde grüßt die Mannschaft von Hertha BSC vom dritten Tabellenplatz. Uwe Bremer (Berliner Morgenpost) weiß warum: „Beim Sieg gegen Leverkusen bewies die Mannschaft, dass sie sich mittlerweile sogar innerhalb eines Spiels aus einer Zwischenkrise befreien kann. In Darmstadt war eine neue Qualität zu beobachten. Hertha erzielte mit den ersten fünf Torschüssen vier Treffer – und konnte in den letzten 30 Minuten erstmals seit Jahren in Ruhe einen Vorsprung verwalten. Grundlage dieser Entwicklung ist die defensive Stabilität. Seit Anfang Februar hat nur der FC Bayern weniger Gegentore kassiert als Hertha. Zudem fällt die taktische Flexibilität auf. Hertha kann sich in harten, körperbetonten Partien ebenso behaupten wie gegen technisch versierte Gegner.“
Christian Siepmann (Berliner Zeitung) hockt in Darmstadt vor dem Berliner Gästeblock und beobachtet bereits nach wenigen Minuten viele zufriedene Gesichter: „Schon die erste Spielhälfte hatte Hertha nach einer kurzen Phase des gegenseitigen Taxierens der beiden Mannschaften recht souverän kontrolliert. Geholfen hatte ihr dabei der frühe erste Treffer von Ibisevic. Die Darmstädter liefen, kämpften und grätschten, aber regelgerecht ins Tor schossen sie nicht. Berlins Abwehr unterband ihre Angriffsbemühungen zuverlässig, zugleich baute Hertha im Spiel nach vorne gut auf.“
Kein Bundesligist braucht so wenige Schüsse für einen Treffer wie Hertha
Stefan Hermanns (Tagesspiegel) lobt die Berliner Offensivabteilung: „Ein bisschen ist es wie mit der Frage nach der Henne und dem Ei. Hat Hertha in der Vorsaison so defensiv gespielt, weil der Offensive nicht über den Weg zu trauen war? Oder hat die Offensive darunter gelitten, dass sich alle Mann um die Sicherung des eigenen Tores kümmern mussten? Egal! Die Frage stellt sich nicht mehr. Kein Bundesligist braucht so wenige Schüsse für einen Treffer wie Hertha. Am Samstag kamen fünf Bälle aufs Darmstädter Tor – vier waren drin.“
Tobias Ahrens (11Freunde) schließt sich an: „Spätestens seit dem 4:0 in Darmstadt dürfte auch dem pessimistischsten Hertha-Fan klar sein: Es wird wieder besser. Erst bugsierte Vedad Ibisevic den Ball nach schöner Vorarbeit von Salomon Kalou und Mitchel Weiser zum über die Linie. Dann legte Marvin Plattenhardt einen Freistoß dermaßen passgenau in den Darmstädter Winkel, dass der Mann ab Montag nicht mehr zum Training kommen wird. Er muss Geometrieunterricht in Berlins Grundschulen geben. Gut, dass die Hertha den letzten gemeinsamen Moment festzuhalten versuchte. Beim Torjubel stellte sich fast die gesamte Mannschaft auf, um mit einem imaginären Selfie zu jubeln. Sah nicht sonderlich gut aus, sprach aber Bände.“
Die Fans haben Stefan Kießling nicht abgeschrieben
Beim Kantersieg gegen Borussia Mönchengladbach trifft Leverkusens Stürmer Stefan Kießling doppelt. Seine letzten beiden Heimtore für den Werksklub? Ulrich Hartmann (SZ) deutet Zeichen: „Die Fans haben ihn nicht abgeschrieben. Sie lockten ihn mit minutenlangen Sprechchören aus den Katakomben und feierten ihn. Fast liebevoll verabschiedete sich der gerührte Kießling von den Zuschauern. Auch dieses Bild nehmen Beobachter als Indiz dafür, dass Kießling den Klub verlässt. Sollte dies so eintreffen, hätte er in seinem letzten Heimspiel für Leverkusen mit vier Scorerpunkten noch einmal eine persönliche Bestmarke aufgestellt.“
Daniel Theweleit (Spiegel Online) serviert die Vorzüge des siebenfachen Nationalspielers auf dem Silbertablett: „Kießlings Anwesenheit verschafft der Mannschaft andere Möglichkeiten. Der siebenmalige Nationalspieler kann lange Bälle verarbeiten, ist auch wertvoll bei gegnerischen Ecken und Freistößen, die in dieser Hinrunde so häufig zu Gegentreffern führten. Und er ist ein Typ, der den Charakter des Teams prägen kann.“
Zu viele Schalker blieben deutlich unter ihrem Leistungsvermögen
Nach der Niederlage gegen Augsburg regen sich viele Schalker Verantwortliche über die Schiedsrichterleistung auf. Manfred Hendriock (derwesten.de) hält dagegen: „Es hätte gar nicht soweit kommen müssen, wenn Schalke in der ersten Halbzeit mit mehr Biss gespielt hätte. Die Blauen ließen sich aber zu sehr den Schneid abkaufen, zu viele Spieler blieben deutlich unter ihrem Leistungsvermögen . Gegen eine solche Mannschaft wie Augsburg hätte Schalke vor der Pause mehr investieren müssen, um den Gegner gar nicht erst aufzubauen. Dann wäre eine Fehlentscheidung in der Nachspielzeit vermutlich gar nicht mehr so sehr ins Gewicht gefallen.“
Wo waren die Menschen, die im Auftrag des HSV an dessen Außendarstellung herumtüfteln?
In Wolfsburg mäht Pierre-Michel Lasogga seinen Gegenspieler Dante rotwürdig um. Nach dem Match spielt der HSV-Stürmer die Situation runter. Christian Otto (Welt) ist fassungslos: „Fußball sei doch kein Schach, sagte Lasogga, als er nach dem Spiel auf seine böse Grätsche gegen Dante angesprochen wurde. Auf diesem Niveau ging es noch eine ganze Weile weiter. Wo waren in diesem Moment die Menschen, die im Auftrag des HSV an dessen Außendarstellung herumtüfteln? Zwischen Lasoggas Auswechslung und seinen verwegenen Interviews lag ein ausreichend großes Zeitfenster, um ihm ins Ohr zu flüstern, was angemessen wäre, und was er besser nicht hätte sagen sollen.“