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EM 2016

EM 2016 – Geht’s jetzt endlich los?

Kai Butterweck | Dienstag, 21. Juni 2016 Kommentare deaktiviert für EM 2016 – Geht’s jetzt endlich los?

Kurz vor Beginn der K.o.-Phase wechseln die ersten Teams auf die Überholspur. Fängt die EM jetzt richtig Feuer? Nicht wirklich…

In Frankreich hält sich die EM-Euphorie in Grenzen. Frank Hellmann (FR) kennt die Gründe: „Der Eindruck verstärkt sich mit jedem Turniertag, dass kein französisches Sommermärchen mehr entsteht. Neben latenter Terrorgefahr, erhöhter Sicherheitsstufe und sozialen Konflikten tut das meteorologische Kontrastprogramm sein Übriges. Das Wetter ist unberechenbar. Aber selbst wenn bald öfter die Sonne scheinen soll, wird nicht alles wieder gut.“

Der Modus ist in Funktionärsköpfen ausgeheckt worden

Christof Kneer (SZ) beschäftigt sich mit dem Turniermodus: „Das Problem am neuen Modus ist nicht, dass nach knapp zwei Wochen Spielzeit gerade mal acht Teams ausscheiden werden. Diese kleine sportliche Verwässerung wird man im Sinne der Solidarität alle vier Jahre aushalten können. Ein Problem ist aber, dass dem neuen Modus gar keine solidarische Idee zugrunde liegt. Der Modus ist in Funktionärsköpfen ausgeheckt worden, was grundsätzlich zu jedem Anfangsverdacht berechtigt.“

Jan Feddersen (taz) fordert ein noch größeres Teilnehmerfeld: „Diese EM ist zu klein. Sonntag begann der Spieltag um 21 Uhr. 21 Uhr, man muss es wiederholen: Spät begann das Turnier an diesem Tag, zäh rann der Tag an einem vorbei. Es war wie früher. Graue Sechziger, schlimm. Deutsche Sonntage bleiern schwer, steif die Konventionen, alles Leben lähmend. Die Lücken hätte man füllen können, aber natürlich müssen sich Mannschaften auch mal ausruhen. In Wahrheit dauert diese EM vier Wochen und drei Tage, vom Eröffnungsspiel bis zum Finale am 10. Juli. Die WM geht auch nicht länger, aber bei ihr machen 32 Teams mit. Heißt: Damit es keine beinahe-spielfreien Tage bei der EM gibt, keine unausgefüllten Sonntage sollte die EM auf 32 Mannschaften ausgeweitet werden.“

Transpiration schlägt Inspiration

Christian Eichler (FAZ) weiß, warum so wenig Tore fallen: „Durch die Ausweitung der EM sind Teams hinzugekommen, denen oft die offensive Top-Klasse fehlt, die im Fußball sehr selten ist, und die das durch die im Kollektiv leichter erreichbare defensive Ordnung zu kompensieren versuchen. Und durch einen Kampfgeist, der jeden Einzelnen „die Drecksmeter gehen“ lässt, wie es Österreichs Teamchef Marcel Koller nannte. Zugleich fehlen den wenigen Top-Teams am Ende einer harten Saison die Frische und Leichtigkeit im Offensivspiel. Transpiration schlägt Inspiration, so fallen viele Tore erst durch Müdigkeit, am Ende eines langen Abnutzungskampfes.“

Im Letzten Gruppenspiel geht es für die Mannschaft von Jogi Löw um den Einzug ins Achtelfinale. Julien Wolff und Lars Gartenschläger (Welt) machen den irischen Fans nur wenig Hoffnung: „Kein Schuss auf das Tor der Polen, sieben Versuche gegen die Ukraine – die Offensive ist vergleichsweise harmlos. In der ersten Partie blieb Spitze Kyle Lafferty ohne Wirkung, im zweiten durfte Conor Washington ran, erzielte aber ebenfalls kein Tor. Jérôme Boateng, Deutschlands Abwehrchef, ist bislang einer der besten Spieler des Turniers und wird weder am Boden noch in Luftduellen Probleme mit ihnen haben.“

Man möchte ihn Feder-Boa taufen

Apropos Boateng: Nach seinen beiden Glanzauftritten gegen die Ukraine und die Polen verneigt sich ganz Fußball-Deutschland vor dem Bayern-Verteidiger. Auch Peter Ahrens und Rafael Buschmann (Spiegel Online): „Wer gesehen hat, wie er in seinem Revier grätscht, fliegt, seine langen Beine ausfährt und alles so leicht und selbstverständlich aussehen lässt, der möchte ihn Feder-Boa taufen. Wer gesehen hat, wie er gleichzeitig mit seinen langen Diagonalschlägen auf die Flügel das Offensivspiel ankurbelt, wie er mit dem Ball am Fuß über die Mittellinie stürmt und das Spiel vor sich hertreibt, der hat den kompletten modernen Abwehrspieler gesehen. Eine bessere Abwehrarbeit als gegen Polens Mittelstürmer Robert Lewandowski beim 0:0 von Paris ist schwer vorstellbar.“

Michael Horeni (FAZ) hört genau zu: „Als Mensch und Fußballspieler mit dunkler Haut repräsentiert einer immer mehr als nur sich selbst. Aber erst in den vergangenen Jahren ist sich Boateng seiner selbst so sicher geworden, dass er auch in der Nationalmannschaft und beim FC Bayern mit einer Klarheit und Selbstverständlichkeit auftritt, die den beiden größten Mannschaften des Landes gut tut. Es reichte in Paris ein einziger Satz, eine Warnung ohne Alarmismus, die das deutsche Team nun mindestens bis zum letzten Gruppenspiel begleiten wird – und aufrütteln soll: „Sonst kommen wir nicht weit“, sagte Boateng mit der Sicherheit eines nun 27 Jahre alten Profis, der eine Menge erlebt hat, nicht nur auf den Spielfeldern dieser Welt.“

Fiel er als Kind in einen Kessel Zaubertrank?

Oliver Fritsch (Zeit Online) macht große Augen: „Boateng rennt allen davon, ob Gegnern oder Mitspielern. In manchen Kopfballduellen springt er so hoch, dass er sich in der Luft bücken muss, um den Ball zu erreichen, während irgendwo unter ihm der Stürmer zu ihm hochlugt. Wie kommt dieses Naturwunder zustande, wie macht er das? Ist Boateng auf einem unsichtbaren Laufband unterwegs? Ist der Boden, auf dem die anderen rennen, mit Honig bestrichen, der sie zu tapsigen Bären macht? Trägt Boateng Sprungfedern? Fiel er als Kind in einen Kessel Zaubertrank?“

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