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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

EM 2016

EM 2016 – Sensationsson!

Kai Butterweck | Dienstag, 28. Juni 2016 Kommentare deaktiviert für EM 2016 – Sensationsson!

Mit Herz und Leidenschaft räumen die Isländer auch die hochgelobten Engländer aus dem Weg. Nun wartet der Gastgeber im Viertelfinale. Geht da noch mehr?

Die Isländer lassen sich auch nicht von Wayne Rooney und Co aufhalten. Christian Gödecke (Spiegel Online) fasst die zweite Halbzeit treffend zusammen: „Noch immer war die Wahrscheinlichkeit eines englischen Ausgleichstreffers höher als die einer unglaublichen Sensation. Aber dann schoss Harry Kane einen Freistoß eine Einfamilienhausbreite rechts an der Mauer vorbei und kurz darauf flankte Wayne Rooney in den Vorgarten des selbigen. In der 62. ging nochmal so etwas wie ein Ruck durch die englische Mannschaft, als Stürmer Jamie Vardy eingewechselt wurde. Aber der Ruck war dann doch nur ein Rückchen, so als ziehe man Sie gaaanz sanft an Ihrer Jacke. Und dann war es aus.“

Größenwahn meets Selbsterniedrigung

Nur wenige Minuten nach dem frühen Führungstreffer der Engländer tanzt Eike Kühl (Zeit Online) bereits auf dem Tisch: „England ist das Land, in dem Größenwahn und Selbsterniedrigung traditionell zusammengehören wie Scones und Konfitüre. Und so dauerte es genau zwei Minuten, bis der isländische Kapitän Aron Gunnarsson einen Einwurf in den englischen Strafraum katapultierte und Ragnar Sigurðsson die Kopfballverlängerung über die Linie bugsierte. 1:1 stand es nach gerade einmal sechs Minuten, schon jetzt war es das beste Achtelfinalspiel dieser EM.“

Sven Goldmann (Tagesspiegel) staunt nicht schlecht: „Irritiert sahen sich die Engländer an – wie konnte das passieren? Und nicht mal eine Viertelstunde später offenbarte sich ihnen das Unfassbare in noch dramatischerem Ausmaß. Mit einer schnellen Passstafette spielten sich die Isländer durch das, was auf dem Spielberichtsbogen als englische Abwehr angekündigt war. Kolbeinn Sigthorsson wartete mit seinem Schuss denkbar lange, aber kein Engländer störte ihn, Hart ließ den Ball unter der Hand rutschen und dann lag er im Tor.“

Was war los in Paris?

Auch in Italien wird gefeiert. Nach dem hochverdienten Sieg gegen Spanien freut sich die Squadra Azzura nun auf die Mannen von Jogi Löw. Christoph Ruf (Spiegel Online) nennt den Vater des Erfolgs beim Namen: „Was war los in Paris? Hätte es nicht eigentlich so sein müssen, dass die spanische Kombinationsmaschine anrennt und Italien in den Tiefen des eigenen Strafraums darauf hofft, dass möglichst lange nichts passiert? So wäre es möglicherweise tatsächlich gewesen, wenn 2014 ein anderer Trainer die Squadra übernommen hätte. Einer, der auf Nummer sicher gegangen wäre. Doch das hätte wohl nicht zu Antonio Conte gepasst.“

Claudio Rizzello (Zeit Online) trägt eine Ära zu Grabe: „Als der grobschlächtige Daniele De Rossi mit dem Barbaren-Bart den zarten Andrés Iniesta kurz vor Ende der ersten Halbzeit mit einem Beinschuss par exellence in die Kabine schickt, beerdigt er damit insgeheim eine gesamte Fußballära. Tiki-Taka ist tot.“

Thomas Hummel (SZ) nimmt nach dem Schlusspfiff zwischen den beiden Trainerbänken Platz: „Man kann Del Bosque seinen zurückhaltenden, ruhigen Charakter nicht vorwerfen. Aber jetzt, im Stade de France, musste er den Vergleich mit seinem Kollegen Antonio Conte aushalten, und der ließ sich wie eine Blaupause auf das Spiel ihrer Mannschaften übertragen. 20 Meter neben dem Spanier stand ein vollständig nassgeregneter Conte, der im Anorak und mit Kappe trotz des Unwetters wie ein Derwisch seine Mannschaft antrieb. Die folgte mit enormem Einsatz, mit starken Zweikämpfen und taktischer Disziplin. Und die Spanier? Sahen lange Zeit so aus, als wollten sie nicht nass werden. Weder vom Regen noch vom Schweiß.“

Verspielt Götze seine Karriere?

Italien trifft nun im Viertelfinale auf Deutschland. Tim Schulze (stern.de) beschäftigt sich mit Löws Sorgenkind Mario Götze: „In der Nationalelf muss sich Götze hinten anstellen. Löw wird ihm vielleicht wieder eine Chance geben. Wann das sein wird, ist offen. Bei den Bayern will er unter dem neuen Trainer Carlo Ancelotti um einen Stammplatz kämpfen, obwohl der ihm deutlich gemacht hat, dass er auf andere Spieler setzt. Dass Götze sich bei den Bayern durchsetzt, ist im Moment schwer vorzustellen. Warum er in dieser Situation einen Wechsel zum FC Liverpool und zu seinem früheren Förderer Jürgen Klopp ablehnte, und das bei höherem Gehalt, ist rätselhaft. Klopp wollte ihn, der Wechsel war schon fix. In letzter Minute sagte Götze ab. Vielleicht hat er noch nicht verstanden, dass er dabei ist, seine Karriere zu verspielen.“

Der eine oder andere Experte hätte sich im Spiel gegen die Slowakei die Einwechslung eines hungrigen Newcomers gewünscht. Jogi Löw schickte jedoch Lukas Podolski und Bastian Schweinsteiger aufs Feld. Pit Gottschalk (reviersport.de) zeigt Verständnis: „Nicht jeder ist ein Höwedes, der selbstlos seinen Platz räumt, weil ein anderer (Kimmich) den Job auf der Außenbahn besser kann. Wäre Neuling Sané reingekommen, bevor ein Altstar seine Spielminuten sammelt – die Hierarchie hätte in der Wahrnehmung wackeln können. Stichwort: Generationswechsel. Also kommt Podolski für Draxler. Eine nicht immer sportliche und zukunftsgerichtete Entscheidung. Aber eine kluge des Trainerstabs. Niemand verliert sein Gesicht. Von Sané und Weigl ist keine Unruhe zu erwarten. Ihre Zeit kommt noch.“

Ein Pfund, mit dem sich wunderbar wuchern lässt

Jan Christian Müller (FR) schwärmt von der deutschen Defensive: „Wenn sich für die Gegner doch mal Lücken auftun, haben sich Manuel Neuer, Jerome Boateng und Mats Hummels allesamt als Instanzen von Weltklasseformat präsentiert. Zudem sind ihre Fertigkeiten am Ball eine Benchmark. Das ist ein Pfund, mit dem sich wunderbar wuchern lässt. Es gibt derzeit nirgendwo ein Dreigestirn, das auch nur annähernd in dieser Qualität gemeinsam verteidigt und ebenso souverän die Spieleröffnung betreibt. Wenn Boateng und Hummels, der gegen die Slowakei zu Unrecht nach einer sauberen Grätsche verwarnt wurde, mit ihren jeweils 90 Kilo heranrauschen, möchte man kein Gegenspieler sein, sondern lieber ein Baumstumpf.“

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