indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

EM 2016

EM 2016 – Im Tal der Tränen

Kai Butterweck | Mittwoch, 29. Juni 2016 Kommentare deaktiviert für EM 2016 – Im Tal der Tränen

Während ganz Italien feiert, fließen in Spanien die Tränen. Die Fußballwelt fragt sich nun: Ist das Tiki-Taka am Ende?  

Das überraschende Ausscheiden der Spanier schlägt immer noch hohe Wellen. Oliver Fritsch (Zeit Online) kratzt sich fragend am Kopf: „Was die Spanier gegen Italien boten, war für ihre Fans eine sehr große Enttäuschung. Kein Tempo, keine Präzision, schwaches Abwehrverhalten – Spanien war nur noch eine Hülle. Erst als die alten Italiener müder wurden, tauchten die Spanier gefährlich vor deren Tor auf. Ihre Leistung war schwächer als vor zwei Jahren, als sie in der Vorrunde ausschieden. Schwer zu erklären.“

Die Iberer traten auf der Stelle

Frank Oschwald (spox.com) parkt den Mannschaftsbus der Spanier auf dem Standstreifen: „Gegen diese taktisch brillanten Italiener kann ein Topteam ausscheiden, keine Frage. Doch das Achtelfinal-Aus der Spanier steht sinnbildlich für ein grundlegendes Problem in den letzten Jahren. Die Iberer verbreiteten Anfang des Jahrzehnts mit ihrem Spielstil Angst und Schrecken – seitdem passierte wenig bis gar nichts. Viel zu lange badeten die Spanier im Ruhm vergangener Tage. Während sich zahlreiche Top-Teams in den letzten Jahren kontinuierlich weiterentwickelten, traten die Iberer auf der Stelle.“

Martin Volkmar (sport1.de) fordert frisches Blut: „Der entthronte Europameister ließ sich von den Italienern in Sachen Taktik, Einsatzbereitschaft und Spielidee komplett den Schneid abkaufen, wirkte uninspiriert, überspielt und unmotiviert. Die Seleccion braucht offensichtlich dringend frisches Blut und wohl auch einen neuen Nationaltrainer, Vicente del Bosque sollte mit 65 Jahren in die wohl verdiente Rente gehen.“

Es hat seit Maradona nicht mehr funktioniert

Der französische Elite-Kicker Paul Pogba sollte nach dieser EM zum Weltstar gekürt werden. Noch tut sich der Stürmer aber schwer. Christian Eichler (FAZ) kommt mit einem interessanten Vorschlag um die Ecke: „Pogba, der Mann, der Frankreich zum Titel „führen“ sollte, wurde bei der EM mal ausgewechselt, mal eingewechselt, spielte auf verschiedenen Positionen. Vielleicht ist das eine gute Schule für die zukünftige, die veränderte Rolle des Stars im Fußball: als flexibler, teamfähiger Könner. Dass ein Team um einen einzigen Spieler herum gebaut wird, wie es Argentinien und Portugal versucht haben, funktioniert nicht mehr – es hat seit Maradona nicht mehr funktioniert.“

Nach dem überzeugenden Auftritt im Achtelfinale herrscht im deutschen Quartier beste Stimmung. Peter Ahrens und Rafael Buschmann (Spiegel Online) adeln den Vater des Erfolges: „Löw ist ruhig geblieben, als es am Anfang des Turniers gegen die Ukraine und Polen nicht besonders gut lief. Er hat insbesondere jedoch die Fehler, die seine Mannschaft in diesen Spielen gemacht hat, erkannt, analysiert, und er hat sie abgestellt. Wenn das etwas ist, das große Trainer ausmacht, dann ist Löw wohl einer.“

Jan Christian Müller (FR) tröstet Emre Can: „Er hatte auf Einsätze als rechter Verteidiger gehofft wie bei seinem Debüt vor zehn Monaten in Frankfurt gegen Polen, aber auf der Position ist Joshua Kimmich nun erste Wahl. Als die anderen sich nach dem Achtelfinalsieg gegen die Slowakei alle miteinander vor der deutschen Fankurve feiern ließen, stand Can im schwarzen Pullover mit einem goldenen Leibchen darüber dahinter. Weiter vorn fassten sie sich an den Händen und rissen sie ein paarmal hoch. Can war nicht nach Arme hochreißen. Als die rituelle Feierminute vorbei war, schleppte er sich in Richtung Kabine. Sami Khedira erkannte die Nöte seines Mitspielers und nahm ihn in den Arm. Khedira musste nicht viel sagen. Es reichte schon die kleine Geste. Khedira hat das sehr gut gemacht: Empathie für denjenigen, dem es persönlich schlecht geht im Angesicht des Erfolges.“

Das ist widerlich

Richard Rother (taz) stellt sich mit grimmiger Miene vor die Coach-Cam: „Es geht uns einen feuchten Kehricht an, ob und wie oft Löw sich selber riechen will. Er ist Trainer und soll sein Team richtig auf den Gegner einstellen. Dass er bei jedem Spiel mitfiebert, ist das Normalste der Welt. Wie er in Stresssituationen reagiert, ist so lange seine Privatsache, solange er niemanden dabei schädigt. Löw ist zwar eine öffentliche Figur, aber er ist kein Schauspieler auf der Bühne, der sich immer im Griff haben muss. Die Coach-Cam klärt nicht auf; sie liefert nur voyeuristische Bilder für voyeuristische (Online)-Medien, die mit voyeuristischen Zuschauern Quote machen wollen, um mehr Werbung zu verkaufen. Das ist widerlich.“

Alex Raack (Tagesspiegel) hievt Oliver Kahn auf den TV-Experten-Thron: „Weniger überraschend, aber angenehm zu beobachten, ist Kahns Fähigkeit, klug und unterhaltsam über Fußball zu sprechen. Anders als ARD-Konkurrent Mehmet Scholl, der mit seiner Meckerrentner-Poesie als Erbe von Günter Netzer auftritt, dabei aber wenig Eloquentes zu bieten hat, ist Kahn als Experte wie schon als Torwart: Er weiß, was er tut. Und das auf verschiedenen Ebenen.“

freistoss des tages

 

Kommentare

Comments are closed.

  • Quellen

  • Blogroll

  • Kategorien

  • Ballschrank

110 queries. 0,591 seconds.