Bundesliga
Viktor Skripnik – Der erste Kofferpacker
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| Montag, 19. September 2016Werder Bremen zieht die Reißleine und trennt sich von Trainer Viktor Skripnik. Nach Ansicht der Presse kommt dieser Schritt viel zu spät
Bereits nach drei Spieltagen wird der erste Bundesliga-Trainer vom (Wiesen)Hof gejagt. Ulrich Hartmann (SZ) bringt den Ist-Zustand in Bremen auf den Punkt: „Am Samstag ist das Kartenhaus zusammengestürzt, das bei Werder mit zittrigen Händen aufgebaut worden war. Den Sportchef Rouven Schröder hat man im Sommer nach Mainz ziehen lassen, den Manager Thomas Eichin hat man wohl auch deshalb entlassen, weil er den Trainer Skripnik loswerden und offenbar Jos Luhukay verpflichten wollte. Jetzt hat Werder in Aufsichtsrat Bode und Sportchef Baumann zwar zwei langjährig verdiente Bremer in verantwortlichen Positionen, aber man hat ohne die Verletzten Claudio Pizarro und Max Kruse keine richtig wettbewerbsfähige Mannschaft, man hat keinen Trainer und für den Moment auch keine klare Vorstellung, wie es weitergehen soll.“
Mit Ansage ins Verderben
Hendrik Buchheister (Spiegel Online) hätte schon viel früher reagiert: „In der Sommerpause hätte der Klub ohne Probleme einen Schnitt machen können. Er hätte Skripnik zurück in die Jugendarbeit versetzen und einen Trainer verpflichten können, der glaubhaft für einen Neuaufbau steht. Doch die Bremer verabschiedeten lieber den unbequemen Manager Thomas Eichin, setzten den im eigenen Betrieb sozialisierten Frank Baumann an dessen Stelle und verlängerten den Vertrag des ehemaligen Werder-Profis Skripnik. Um jeden Preis sollte der sogenannte Werder-Weg beschritten werden. Dieser Weg führte mit Ansage ins Verderben.“
Marc Hagedorn (weser-kurier.de) schlägt die Hände vors Gesicht: „Die gelernten Stürmer Aron Johannsson und Lennart Thy auf die Bank zu setzen und stattdessen den Mittelfeldspieler Zlatko Junuzovic als Mittelstürmer zu bringen, oder den jungen Spieler Ulisses Garcia erst in die Reserve runterzuschicken und ihn nun plötzlich in die Startelf zu befördern – darauf muss man erstmal kommen. Genauso wie auf die Idee, den Torwart Felix Wiedwald öffentlich eine Woche lang stark zu reden, um ihn intern doch abzuservieren. Bei aller Liebe zum Herzens-Werderaner Skripnik: Er und sein Trainerteam wirkten nicht mehr wie diejenigen, die die Lösung für alle Werder-Probleme haben, sondern wie diejenigen, die längst die Richtung und Kontrolle verloren haben.
Nicht tragfähiges Fundament
Peter Penders (FAZ) blickt voller Sorge in die Zukunft: „Auf die Notbremsung bei laufender Busfahrt muss nun auch noch eine abrupte und rasche Kehrtwende folgen – ausgerechnet jetzt geht es auch noch gleich am Mittwoch im Heimspiel gegen Mainz weiter. Die Hoffnung der Vereinsführung und des Interimscoaches und U-23-Trainers Alexander Nouri kann nur sein, dass die Werder-Fans den Glauben an ihre Mannschaft auf die Schnelle wiederfinden und sie wie in der Schlussphase der vergangenen Saison quasi zum Erfolg brüllen. Doch solche psychologischen Effekte lassen sich nicht beliebig oft wiederholen, erst recht nicht, wenn das Fundament nicht tragfähig ist.“
Andreas Bellinger (ndr.de) überreicht zum Abschied keine Blumen: „Werder hat sich den Schlamassel selbst eingebrockt. Dass Spieler wie Claudio Pizarro, Max Kruse, Philipp Bargfrede, Santiago Garcia, Justin Eilers, Luca Caldirola und Fin Bartels verletzt sind, ist sicherlich Pech – oder stimmt auch da im Training etwas nicht? Schwierig ist auch, dass Skripnik auch nach 20 Jahren in Deutschland nicht übermäßig wortgewandt ist, was eine öffentliche Darstellung natürlich erschwert. Und was soll ein Spieler von einem Trainer halten, der teilnahmslos, fatalistisch gar, am Spielfeldrand steht, von Coaching offenbar wenig hält und bereits nach 15 Minuten offenkundig notwendige taktische Veränderungen erst in der Halbzeit angeht?“
Verquickungen unglücklicher Umstände
Carsten Sander (kreiszeitung.de) nimmt sich die Werder-Geschäftsführung zur Brust: „Bei Skripnik waren Niederlagen oft unabänderliche Launen des Schicksals, Verquickungen unglücklicher Umstände. Und jetzt erlebt er, wie Fußball auch noch ist: Wer so gar kein Spiel mehr gewinnt, muss gehen. Werder Bremen hat seinen Trainer nach dem schlechtesten Saisonstart der Vereinsgeschichte beurlaubt und damit einen großen, im Frühjahr gemachten Fehler korrigiert. Nach dem mit Ach und Krach geschafften Klassenerhalt an Skripnik festzuhalten und sogar seinen Vertrag mit einer Art trotzigen Treue zu verlängern, war die falsche Entscheidung der Geschäftsführung mit dem neuen Sportchef Frank Baumann gewesen. Das wissen die Bremer jetzt, das hätten sie aber auch damals schon ahnen können – nein, sogar müssen.“