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Scholl und die ARD – Das Ende einer komplizierten Beziehung
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| Freitag, 11. August 2017Mehmet Scholl hat keine Lust über Doping im Fußball zu reden. Die Folge: Die ARD und der Rundleder-Experte gehen ab sofort getrennte Wege. Die Presse applaudiert
Die Zusammenarbeit zwischen ARD und Mehmet Scholl ist Geschichte. Lars Wallrodt (Welt) begrüßt die Entscheidung: „Dass ein TV-Experte sich erdreistet, in den Programmablauf einer Sendung einzugreifen, ist das eine. Dass Scholl durch seine kindische Abreise signalisierte, dass ihn die Dopingthematik denkbar wenig tangiert, ist das andere. Beides zusammen machte die Trennung unausweichlich. Dass die ARD diesen Schritt nicht früher forciert hat, statt sich öffentlich von ihrem Fachmann auf der Nase herumtanzen zu lassen, lässt auch den Sender in einem schlechten Licht dastehen.“
Thomas Kilchenstein (FR) überreicht Mehmet Scholl eine Hundeleine: „Mehmet Scholl hatte zu allem und jedem etwas zu sagen. Dass er jetzt von der ARD vor die Tür gesetzt wurde, weil er just zum Thema Doping („überhaupt keine Relevanz“) mal nichts sagen wollte, ist eine ganz besonders schöne Volte, hat geradezu scholleske Dimensionen. Die Trennung von Scholl war für die ARD zwingend, ein öffentlich-rechtlicher Sender, im Grunde jedes Medium, darf sich von Angestellten, auch prominenten, nicht die Inhalte vorschreiben lassen. Das konnte sich der Sender nicht bieten lassen, ohne komplett das Gesicht zu verlieren. Nun könnte Scholl das machen, was er einst auf die Frage geantwortet hatte, was er in seinem nächsten Leben sein wolle: „Hund bei Hoeneß.“
Eigenmächtiger Entertainer
Johannes Kopp (taz) hätte schon früher die Reißleine gezogen: „Die Verbindung zwischen der ARD und Scholl scheiterte auch daran, dass Letzterer seine ihm zugewiesene Rolle als Entertainer zu eigenmächtig interpretierte. Er glaubte, er könne auch jenseits aktueller sich aufdrängender Fragen sein eigenes Programm fahren. Kein Wunder, dass er im Juni das Studio verließ, weil ihm das Dopingthema beim Confed Cup nicht schmeckte. Die ARD verpasste es, Signale zu setzten, dass ihr die kritische Auseinandersetzung mit dem aktuellen sportlichen Zeitgeschehen, dass ihr also Journalismus etwas wert ist.“
Oliver Fritsch (Zeit Online) wundert sich: „Die Dopingstory sei ihm an diesem schönen Tag zu negativ gewesen, sagte Mehmet Scholl. Doch der Fußball ist nicht mehr nur schön. Eigentlich war er das noch nie, im Moment ist er aber besonders unschön. Man denke an die Skandale der Fifa, des DFB, den vulgärkapitalistischen Neymar-Transfer, die Vereinnahmung dieses Sports durch Neureiche und Autokraten. Man denke natürlich auch an Doping. In dem fünfminütigen Beitrag, der laut Scholl angeblich keine Relevanz gehabt habe, ging es unter anderem um eine positive Probe aus Russland von 2015. Sie sollte vertuscht werden, diesen Verdacht legen E-Mails aus dem russischen Sportapparat nahe. Der Fall betrifft einen aktuellen russischen Nationalspieler. Wenn das keine Relevanz in einer Fußballsendung hat, was dann?“
Der Rock’n’Roller im Land der Mainstream-Experten
Frank Ziemke (hna.de) ist traurig: „Scholl war der Rock´n´Roller im Land der Mainstream-Experten. Dass er dabei auch übers Ziel hinausgeschossen ist, steht außer Frage. Und dass ausgerechnet ein Bericht über Doping im russischen Fußball zum Zerwürfnis führte, verwundert. Trotzdem bleibt am Ende: Ohne Scholl droht die Fußball-TV-Landschaft zu veröden. Schade, dass der Spaß ein Ende hat.“
Christoph Becker (FAZ) ist neugierig: „Gerne wüsste man nun von Scholl, wie ein Tag sein muss, um über Doping sprechen zu dürfen. Regnerisch, aber nicht zu sehr? Bedeckt oder brüllend heiß? Windig oder eher windstill, aber schwül? Womöglich ein Tag ohne Live-Fußball im Fernsehen, wobei das während der Fußball-Saison eher schwierig ist.“