Deutsche Elf
Rücktritt von Mesut Özil – Die wahre Niederlage
| Montag, 23. Juli 2018Der Rücktritt von Mesut Özil schlägt in der Presse erwartungsgemäß hohe Wellen
Mesut Özil hat sich entschieden, nicht mehr für die deutsche Nationalmannschaft zu spielen. Martin Schneider (SZ) ist besorgt: „Dieses brutale Ende zwischen Özil und der deutschen Nationalmannschaft ist nun die wahre Niederlage dieses Sommers – nicht das Vorrundenaus der deutschen Elf. Nein, die Folgen, die diese Verwerfung mit sich bringt, werden viel schwerwiegender sein, als es Pleiten gegen Mexiko und Südkorea je hätten sein können. Verschiedene Seiten werden sich nun ihren Teil der Wahrheit raussuchen und für ihre Zwecke instrumentalisieren.“
Mit Özils Abgang haben die Populisten gewonnen
Christian Spiller (Zeit Online) schließt sich an: „Sein Rückzug ist ein fatales Symbol, in einer Zeit und in einem Land, in dem rechte Parteien immer lauter schreien und auf Marktplätzen gebrüllt wird, dass Flüchtlinge absaufen sollten. Die Folgen des Rücktritts eines Spielers, der für so viele türkischstämmige Jugendliche, und nicht nur die, ein Vorbild war, sind noch gar nicht abzuschätzen. Nur eines steht fest: Mit Özils Abgang haben die Populisten gewonnen.“
Christian Tretbar (Tagesspiegel) nimmt sich DFB-Chef Reinhard Grindel zur Brust: „Besonders schäbig wird es, wenn der ranghöchste DFB-Funktionär nach einer misslungenen WM auch noch in das populistische Horn bläst. Das ist ein Armutszeugnis, und das ist ein Rücktrittsgrund. Wer sich mit der politischen Vita des DFB-Präsidenten beschäftigt, erkennt, dass Grindel vom Modell Nationalmannschaft als Integrationsaushängeschild nicht viel halten kann. Und das vom Spitzenvertreter jenes Verbands, der historisch besonders sensibel beim Thema Rassismus sein sollte. Dass Özil den DFB-Präsidenten nun so frontal angreift, ist nachvollziehbar.“
Umgewendeter Chauvinismus
Joachim Frank (ksta.de) reagiert mit Unverständnis: „Özils Erklärung klingt einnehmend, wenn er auf die Hochachtung vor seinem familiären Erbe verweist. Er solle nie vergessen, wo er herkam, habe seine Mutter ihn gemahnt. Was aber hindert ihn, sich auch daran zu erinnern, wo er hingekommen ist? Dass von Deutschland nur der DFB und die Abrechnung mit dessen Präsidenten übrig bleiben, mag als Verweigerung gegenüber der Özil zugedachten Rolle des WM-Sündenbocks angehen. Aber als Signal an alle Deutschen, die nicht Reinhard Grindel sind, hat es etwas von umgewendetem Chauvinismus.“
Anno Hecker (FAZ) verbannt sein Özil-Trikot in den Keller: „Wer sich so haltungslos auf seine kleine Welt beruft und sich auf sie zurückzieht, verrät die Solidarität mit allen, die um Freiheit gekämpft haben – und im Land seiner Eltern darum kämpfen.“
Tilmann Mehl (Augsburger Allgemeine) wendet sich ebenfalls ab: „Mesut Özil hat einen krassen Fehler begangen. Dass er ihn nicht einsieht, ist schade. Dass er die Schuld für die verfahrene Situation ausschließlich an anderer Stelle sucht, ist mehr als nur bedauerlich. Es bedarf keiner außergewöhnlichen charakterlichen Voraussetzungen, um deutscher Nationalspieler zu sein. Auch ist kein aktives Bekenntnis zu Grundwerten notwendig. Einen De-facto-Diktator zu unterstützen, geht aber nicht.“
Jan Christian Müller (FR) verabschiedet sich: „Es gehört zu Özils persönlicher Tragik, dass ausgerechnet er zum Bolzball seiner türkischen Berater, der geglückten Wahlkampagne des Präsidenten Erdogan, des DFB bei dessen missratener Titelverteidigung und einer auch von enthemmter Bösartigkeit getriebenen Debatte auf dem Resonanzboden von Rassismus geworden ist, gegen den jeder mal treten durfte. Dabei wollte der Mesut doch immer nur gut Fußball spielen. Man darf für ihn hoffen, dass das unheilvolle Gezerre wenigstens bald ein Ende hat. Wenn auch ein wenig rühmliches.“
Kommentare
10 Kommentare zu “Rücktritt von Mesut Özil – Die wahre Niederlage”
Montag, 23. Juli 2018 um 10:21
mich hat nicht Präsenz beim Sultan
irritiert !
NEIN, die Aussage : Mein Präsident war der „unzulässige Ausspruch “ überhaupt ; d e n
hätte man sich verkneifen müssen.
DA schreibt keine Presse mehr etwas dazu.
Glückauf
Montag, 23. Juli 2018 um 16:02
Sehr geehrter Herr Schneider, mit großem Interesse habe ich Ihren Artikel „Ein Rücktritt mit Millionen Verlierern“ gelesen. Ich stimme auch in einem Großteil Ihrer Analysen zu. Trotzdem möchte ich in diesem Zusammenhang grundsätzliche Kritik an der seit Monaten andauernden Hype um den sogenannten Fall „Mesut Özil“ anmerken. Hier wird eine – zugegeben schlecht inszenierte – Schmierenkomödie zwischen einem überbezahlten Fußballprofi und einem von ihm offensichtlich bewunderten Despoten bis zum Erbrechen als Beispiel für mangelnde Toleranz der Deutschen gegenüber Einwohnern mit Migrationshintergrund verwendet. Fakt ist, dass die vielen Kommentare, die inzwischen zu diesem Thema von Menschen in den unterschiedlichsten gesellschaftlichen Positionen abgegeben wurden, ein schales Süppchen am Kochen halten, dass unter anderen Voraussetzungen und bei anderen handelnden Figuren nicht einmal eine Randnotiz in der Presse wert gewesen wären. Ich finde, dass man dieser ganzen Sache mehr Bedeutung beimißt als der gesamte Schaden, der durch diese übertriebene „Laberei“ letztendlich tatsächlich
angerichtet wird, wert ist.
Mittwoch, 1. August 2018 um 12:50
Özil stellt sich durch sein Schweigen nach dem Foto mit „seinem“ Präsidenten selbst in die Schusslinie und damit in den Fokus der Bürger und Fans. Danach liefert er sportlich (wie ein Großteil „der Mannschaft“) nichts was erwähnenswert wäre ab. Die berechtigte Kritik an seiner sportlichen Leistung und der vorangegangen „Affäre“ stellen ihn mit dem Rücken an die Wand und dann macht er das was viele Menschen machen, er packt die Rassismuskeule aus und macht damit unweigerlich auch selbst deutlich das er weder in der Lage ist sachlich zu argumentieren und zu seinen Fehlern zu stehen und noch mehr das er selbst ein Rassist ist.
Als für ihn alles nach Plan und gut lief und er für seine Leistungen gefeiert wurde hörte man nichts von Rassismus, erst jetzt wo er kritisiert wird und das zu Recht, sind die Deutschen auf einmal Rassisten.
Charakterlich ganz schwach und seiner eigentlich unwürdig.
Donnerstag, 2. August 2018 um 08:20
@ Christopher: es gab Ende 2011 ebenfalls ein Treffen zwischen den beiden, als Özil bei RM spielte. Er überreichte Erdogan ein Trikot mit den Unterschriften seiner Mitspieler. Das hat niemanden gejuckt. Warum also sollte er 2018 anders verfahren?
Özil kann sich ablichten lassen mit wem immer er will und hat niemandem Rechenschaft abzulegen.
Was daran eine ‚Affäre‘ sein soll und warum er sich auf einmal in einer ‚Schußlinie‘ befand: ?
Und wenn du schreibst, er habe behauptet, dass alle Deutschen auf einmal Rassisten seien, dann zeigt das vor allem, dass du entweder gegen ihn voreingenommen bist oder seine Antwort nicht gelesen oder nicht verstanden hast.
Würde ist manchmal nur ein Konjunktiv.
Freitag, 3. August 2018 um 11:43
@Manfred: Natürlich hat er alles Recht der Welt sich mit jedem ablichten zu lassen aber als Person die in der Öffentlichkeit steht muss er dann auch damit rechnen das es nicht gut ankommt. Und das man von jemandem der Vorbild sein soll auch erwarten kann dazu was zu sagen ist auch nicht sehr weit hergeholt, was z.B. Gündogan ja gemacht hat. „Affäre“ in dem Sinne das es einfach tierisch aufgebauscht wird.
Das seine Vorwürfe gegen den DFB bzw gegen Grindel den Weg in die Gesellschaft finden war doch vorher schon abzusehen. Ich könnte dir von einigen interessanten Situationen berichten die wir mitbekommen haben, sind zwar nicht viele aber sie zeigen auf das ich nicht falsch liege. Ja ich bin Özil gegenüber voreingenommen. Nicht auf Grund seines Migrationshintergrundes oder sonst was, sondern rein aus sportlicher Sicht. Özil hat definitiv seine Leistungen, auch in der Nationalmannschaft, gebracht aber er hat meiner Meinung nach seinen Zenit überschritten und bringt seit längerem nicht mehr das was er eigentlich kann. Für mich war es, rein aus sportlicher Sicht, ein Fehler ihn mitzunehmen und nach dem schlechten Auftaktspiel war es ein Fehler ihn im entscheidenden Spiel wieder einzusetzen. Genauso denke ich das es ein Fehler war Sané und Wagner zu Hause zu lassen.
Samstag, 4. August 2018 um 12:28
Man stelle sich doch einfach mal vor das ein Spieler der Nationalmannschaft sich mit einem Mitglied der AfD hätte ablichten lassen. Klar hat er das Recht dazu, wie Manfred gesagt hat, aber über die Reaktionen hätte man sich auch nicht wundern dürfen. Und Erdogan ist mit seiner Politik ja nicht unumstritten. Ich vertsehe aber sowohl Manfreds als auch Christophers Argumente und zeigt am Ende wie sehr der Rücktritt und die Aussagen in der Gesellschaft unterschiedlich aufgenommen werden.
Samstag, 4. August 2018 um 20:52
Ob man die Wählerstimmen für Erdogan oder die AfD für demokratisch statthaft hält, mag jeder mit Seinesgleichen und der UNO erörtern.
Aber dass Fotos, Selfies oder Trikotübergaben mit den Protagonisten nun mal zulässig sind, deckt das Grundgesetz. Oder?
Auch gemeinsame Bilderchen mit Donald Trump und
Kim Jong-un liegen im erlaubten Rahmen.
Hier gibt es weder Spielraum noch Diskussionsbedarf, außer man möchte stänkern oder fehlende Freunde oder Leser gewinnen.
Montag, 6. August 2018 um 14:23
Oder Merkel. Wo war die eigentlich? Seit 2006 streunt das Klatschäffchen um die Fußballnationalmannschaft rum, dass man meinen kontte, die sei läufig, aber im Vorfeld der grad beendeten WM? Einmal kurz im Trainingslager, oder war da noch mehr? Und die hat so ziemlich jedem ihrer ‚Kollegen‘ die Hand gegeben und sich dabei ablichten lassen, obwohl man doch grade dort erwarten sollte, dass sowas wie das oft von Özil verlangte politische Bewußtsein wenigstens existent ist.
Hätte mal einer der Spieler ihr den Handschlag verweigert, was da wohl losgewesen wär…
‚Ich wollte das nicht, weil ich mit ihrer Politik im Bereich Ditundat absolut nicht einverstanden bin.‘
‚Ich reiche Kriegstreiberinnen nie die Hand.‘
Schöner Gedanke, oder?
Dienstag, 7. August 2018 um 12:23
Ach Leute, giftet euch doch nicht gegenseitig an 🙂
Jeder hat seine Meinung und das ist auch gut so. Ich persönlich halte auch nicht viel von Erdogan und seiner Politik, genauso wenig wie der Politik von Merkel. Der Zeitpunkt des Fotos war vielleicht nicht gerade optimal, anders als es 2011 gewesen ist. Es ist am Ende auch nicht wichtig, ich finde nur die Art und Weise des Abgangs von Özil nicht ok und ganz interessant dazu finde ich die Aussage von Manuel Neuer.
Dienstag, 25. September 2018 um 10:18
Zufaellig bin ich auf eurem Portal gelandet und muss
feststellen, dass mir diese vom Design und den Informationen richtig gut gefaelt.