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Bundesliga

Bayern jubelt, Paderborn weint

Kai Butterweck | Mittwoch, 17. Juni 2020 2 Kommentare

Bayern ist Meister und Paderborn steigt ab: Die Presse gratuliert und tröstet

Zum achten Mal in Folge holt sich der FC Bayern die Meisterschale. Tobias Nordmann (n-tv.de) gratuliert dem FCB-Coach: „Flick hat den Bayern ihr Selbstverständnis zurückgeben. Das Selbstverständnis, jedes Spiel gewinnen zu können – was sie bis auf eine kleine Schwäche kurz vor Weihnachten ja auch getan haben. Er hat das mit dem Fußball getan, der die Bosse verzückt und die Spieler begeistert. Flick lässt sein Team weit in die Hälfte des Gegners aufrücken; geht der Ball verloren, greift sofort ein aggressives Pressing, das den Ball im besten aller Fälle direkt zurückbringt. Es ist der größte Unterschied zur Idee von Kovac, der auf eine tiefe Abwehr setzte. Wenn das schnelle Attackieren richtig greift, enthemmt sich zusammen mit den technischen Qualitäten der Spieler die brutale Dominanz, mit der die Guardiola-Bayern einst die Liga verzweifeln ließen.“

Eine Mischung aus Pressing und Ballbesitzfußball

Jörg Strohschein (dw.com) schließt sich an: „Flick hat es geschafft, Thomas Müller zu alter Form zu führen. Flick hat eine neue Hierarchie im Team hergestellt, mit der sich alle Spieler augenscheinlich anfreunden können. Vor allem hat Flick mit einer Mischung aus Pressing und Ballbesitzfußball aus seiner Mannschaft eine echte Tormaschine geformt. Unter seiner Leitung erzielte der FCB vor der Partie gegen die Bremer 3,19 Tore im Durchschnitt pro Spiel. Unter Kovac waren es auch bereits stattliche 2,5 Tore im Schnitt. Diese Entwicklung führte zu einer Aufholjagd in der Tabelle, die im erneuten nationalen Triumph enden musste.“

Christof Kneer (SZ) verneigt sich vor dem großen Ganzen: „Die Bayern haben Corona nicht gebraucht für diesen Titel, sie haben sich weder vom Virus anstecken lassen noch von den Ungewissheiten. Natürlich hat diese historisch einmalige Pause die Liga verändert, manche Teams haben ihren Lauf vom März im Mai nicht mehr wiedergefunden, auch der Heimvorteil hat sich ohne Zuschauer mancherorts fast in einen Heimnachteil verwandelt – den Bayern war das alles wurscht. Sie waren zu gut für die Geister, sie haben ungerührt weitergesiegt.“

Heiko Ostendorp (sportbuzzer.de) bringt es auf den Punkt: „Die Herausforderer aus Dortmund, Leipzig, Mönchengladbach oder Leverkusen müssen sich nicht schämen, sondern sollten sich viel mehr mit der Realität befassen: Spielen die Bayern eine einigermaßen solide Saison, geht es nur noch um Platz zwei – für viele traurig, aber nun mal wahr.“

Wie ein Marathonläufer, der…

Auch Christian Spiller (Zeit Online) sieht nur noch rot: „Die Münchner sind so weit enteilt, dass sie selbst eine Krisensaison mit deutlichem Abstand vor allen anderen beenden. Wie ein Marathonläufer, der es sich leisten kann, auf halber Strecke anzuhalten und die Schuhe zu wechseln, weil er weiß, er wird trotzdem gewinnen. Wir können an dieser Stelle auch schon mal zur nächsten und übernächsten Meisterschaft gratulieren.“

Nach der Niederlage gegen Union Berlin steht der FC Paderborn als erster Absteiger fest. Johannes Nedo (Tagesspiegel) spendet zum Abschied Beifall: „Vor der Saison wurde der Verein von vielen Fans und Experten als kleiner chancenloser Aufsteiger belächelt, der ein seltsames Kasten-Stadion habe und sogenannten großen Traditionsklubs doch einen Platz in der Bundesliga wegnehme. Aber dann wurde schnell klar: Mit der Art, wie Baumgarts Mannschaft Fußball spielt, ist sie ein Gewinn für die Bundesliga. Auf die Offensive orientiert und mit einem großen Laufpensum trotzte Paderborn auch den Branchenführern der Liga nicht nur Respekt, sondern auch Punkte ab.“

Matthias Reichstein (westfalen-blatt.de) richtet den Blick voraus: „Über weite Strecken dieser Spielzeit stand die Marke SCP für Mut, Moral, Leidenschaft. Dafür gab es zwar viel Lob, aber keine Punkte. Deshalb bleibt am Ende nur dieses Urteil: Der SC Paderborn war nicht erstligareif. Erstklassig muss nun aber die Vorbereitung auf die 2. Liga sein. Denn sollte ein zweiter Absturz wie nach dem Abstieg 2015 folgen, wäre der Profifußball in Paderborn Geschichte.“

Die alte Bretterbude Alm

Der erste Auftsteiger steht auch schon fest. Es ist die Arminia aus Bielefeld. Philipp Köster (stern.de) freut sich. Erinnerungen werden wach: „Für betagtere Anhänger ist die Arminia ein alter Bekannter, der in den siebziger und achtziger Jahren ein Dauergast in der ersten Liga war. Gekickt wurde damals in der alten Bretterbude Alm, einem wilden aus Rohren und Holz zusammengeschraubten Verhau. Die Stürmer wie Gerd-Volker Schock oder Ewald Lienen trugen wuchernde Schnauzbärte, hinten traten entschlossene Verteidiger auf alles, was sich bewegte, und wenn doch mal einer durchkam, hielt ein langer Lulatsch namens Wolfgang Kneib mit stoischer Ruhe und ausgeleierter Joggingbuchse den Kasten sauber. Die Herren sind alle längst in Rente, etwas vom ungestümen Geist der Schnauzbart-Ära hat jedoch bis heute überdauert.“

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Kommentare

2 Kommentare zu “Bayern jubelt, Paderborn weint”

  1. Van Kuchen
    Samstag, 4. Juli 2020 um 12:23

    die Spannende Antwort auf die Frage, wer dieses Jahr hinter Bayern 2. wird, ist beantwortet:
    Dortmund.
    naja, vielleicht nicht ganz überraschend und nur ein bißchen spannend.
    die beiden wichtigsten Titel sind fast jedes Jahr vergeben und Bayern hat es geschafft aufgrund jahrzehntelange Politik des Gegners kleinhaltens, sich eine absolut unangreifbare Position zu erarbeiten.
    Toll (?) für Bayern weniger für den Fußball und die daran ingteressierten.
    Es bleibt die Frage, warum man den Menschen verbieten muß, diesem unglaublich spannenden Wettbewerb (gähn) vor Ort beizuwohnen…

  2. Van Kuchen
    Samstag, 4. Juli 2020 um 12:30

    es heißt:
    “ sie haben ungerührt weitergesiegt.“
    genau das trifft mein Empfinden sehr gut:
    Die Bayern haben ein Verhalten, daß jede Menschlichkeit vermissen läßt.
    Sehr traurig.
    Es ging ja ursprünglich um einen fairen Wettbewerb zur Erheiterung der Zuschauer…
    Konkurrenz macht am Ende alles kaputt.

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