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Hertha BSC – Abrupte Vollbremsung

Kai Butterweck | Montag, 25. Januar 2021 Kommentare deaktiviert für Hertha BSC – Abrupte Vollbremsung

Nach fußballerischen Peinlichkeiten in Serie und dem damit verbundenen Sturz in Richtung Tabellenkeller, spricht die Hertha-Führung den beiden leitenden Angestellten Michael Preetz und Bruno Labbadia die Kündigung aus

Nach der bitteren Heimpleite gegen Werder Bremen müssen Herthas Sportchef Michael Preetz und Trainer Bruno Labbadia ihren Hut nehmen. Javier Cáceres (SZ) fasst das Hauptstadt-Chaos zusammen: „Fast 300 Millionen Euro hat Windhorst in den Klub gesteckt, Erfolg zeitigte das bisher nicht. Als gut gemachtem Hauptstadtprojekt könnte der Hertha die Zukunft gehören, da sind sich alle einig – aber die Realität ist: Der Klub steht, wie schon vor einem Jahr, im Abstiegskampf. Trainer Bruno Labbadia musste gehen, weil er es nicht vermochte, die Mannschaft zu verbessern. Preetz wurde entlassen, weil er einen Kader zusammengestellt hatte, der strukturelle Mängel aufweist.“

Sebastian Stier (FAZ) zieht ein ernüchterndes Labbadia-Fazit: „Dem Trainer wurde neben der schwachen Punkteausbeute von 17 Zählern aus 18 Spielen zum Verhängnis, dass er nie einen Weg fand, aus den veranlagten, aber mitunter schwierig zu führenden Solisten eine funktionierende Mannschaft zu formen. So lief es gegen Bremen wie so oft in den vergangenen Wochen. Hertha hatte meist den Ball, wusste damit aber nur selten etwas anzufangen.“

Panik-Verpflichtungen

Peter Ahrens (spiegel.de) beschäftigt sich mit der blau-weißen Berg- und Talfahrt von Michael Preetz: „Nach dem Wiederaufstieg folgte die Horror-Saison 2011/12, als Preetz nach der Entlassung von Trainer Markus Babbel mit Michael Skibbe und dem Pensionär Otto Rehhagel zwei Panik-Verpflichtungen vornahm, die folgerichtig im nächsten Abstieg mündeten. Schon damals stand Preetz auf der Kippe, er hielt sich dann noch neun weitere Jahre.“

Benjamin Zurmühl (t-online.de) steckt Michael Preetz den Schwarzen Peter zu: „Der Manager kaufte zu wenig Spieler für Labbadias Spielstil ein. Labbadia wünschte sich einen Wandstürmer, mehrere Flügelspieler, einen neuen Torwart und einen spielstarken Rechtsverteidiger. Dazu Kreativität fürs Zentrum. Er bekam mit Jhón Córdoba einen guten Wandstürmer, mit Alexander Schwolow einen guten Torwart und mit Mattéo Guendouzi die Kreativität fürs Mittelfeld. Doch es kam nicht ein einziger Flügelspieler. Und so startete Labbadia einen Versuch, der kaum funktionieren konnte: Eine Mannschaft ohne viele Führungsspieler zu formen, die einen Fußball lernen soll, der nicht zu ihr passt.“

Jochen Tittmar (spox.com) runzelt sorgenvoll die Stirn: „Hertha-Boss Schmidt rief für den Sommer einen Neustart „in der Gesamtsituation des Klubs für die Zukunft“ aus, doch gerade dieses Unterfangen erscheint nach den Eindrücken der vergangenen eineinhalb Jahre sehr ambitioniert. Zahlreiche Indiskretionen, die den Weg in die Medien fanden, die weiter undurchsichtige Rolle von Investor Lars Windhorst, eine geringe Leistungskultur im sportlichen Bereich, eine fehlende übergeordnete Philosophie – das sind nur Auszüge der Unzulänglichkeiten, die bei Hertha im Argen liegen.Deren Aufarbeitung wird gewiss nicht im Hauruck-Verfahren vonstatten gehen können. Hertha BSC muss bald viele richtige Entscheidungen treffen, um mit Windhorst im Rücken die gewollte neue Ära einzuleiten und daraus eine langfristige Stabilität zu entwickeln. Aktuell ist der Verein nicht sexy und attraktiv, sondern nur reich und erfolglos.

Molle mit Korn

Claus Vetter (Tagesspiegel) blickt zurück: „Die Wurzeln von Hertha liegen tief im Westen: am Gesundbrunnen, in der Weddinger Eckkneipe, im Flair Westberlins der Nachkriegsjahre. Diesen Geruch von Mampe halb und halb und der Molle mit Korn hat Hertha auch nach dem Mauerfall nicht hinauswedeln können. Die wenigen Menschen, die den Klub durchlüften wollten, wurden vom Platz genommen. Zuletzt war das Jürgen Klinsmann, über den sich sicher auch viele negative Dinge sagen lassen. Aber mit seiner Kritik am Manager lag er nicht so sehr daneben, wie es zunächst den Anschein hatte.“

Guido Ringel (rbb24.de) ist guter Dinge: „Mal wieder steht Hertha BSC vor einem Neustart. Man könnte meinen, dieser Klub bekommt es einfach nicht hin. Seit Sonntagvormittag aber ist alles anders. Weil die Wurzel des Schlamassels entfernt worden ist. Ein neuer Baum kann wachsen. Aus solider und fruchtbarer Erde heraus. Das wird Zeit brauchen. Aber der Anfang ist gemacht. Der Halt mitten im Nirgendwo schockiert – aber er kann gut und gern der Start in eine wohlgewachsene Zukunft sein.“

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