EM 2020
Euro 2020 – Adieu les Bleus!
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| Dienstag, 29. Juni 2021Spannender Elfmeterkrimi: Die Schweiz setzt sich gegen Frankreich durch. Nach Europameister Portugal muss nun auch der Weltmeister vorzeitig die Koffer packen
Nach einer wilden Achtelfinalpartie gegen leidenschaftlich kämpfende Schweizer müssen die erfolgsverwöhnten Franzosen vorzeitig die Heimreise antreten. Luca Füllgraf (Tagesspiegel) zeigt mit dem Finger in Richtung Didier Deschamps: „Der französische Trainer tat mit der Rückholaktion das, was er am Besten kann: auf einzelne Stars vertrauen. Anstatt seine Spielidee an den überragenden Kader anzupassen stellte er einfach Weltklassestürmer Benzema gemeinsam mit den anderen Ausnahmespielern Antonie Griezmann und Kylian Mbappe in den Sturm und hoffte, dass die individuelle Klasse schon reichen wird.“
Jan Sägert (stern.de) beobachtet die tragische Figur des Abends: „Ex-Bayern-Stürmer Wagner wollte gar divenhafte Züge an Mbappe erkannt haben. 23 Zweikämpfe bestritt der in den 120 Minuten. Ganze sieben entschied er gegen die bissigen Schweizer für sich. Sechs Mal zielte er aufs Tor von Sommer. Der musste kein einziges Mal eingreifen. Die 22 Akteure hätten noch zwei Stunden weiterspielen können. Mbappe wäre an diesem Abend wohl ohne Tor geblieben. Wahrlich nicht die besten Voraussetzungen, um vor Selbstvertrauen strotzend zum Elfmeterpunkt zu schreiten. Und genau das sah man Mbappe irgendwie schon auf dem Weg zum Strafraum an.“
Claudio Catuogno (SZ) gratuliert dem Siegerteam: „Nie zuvor (seit 67 Jahren) hatte die Schweiz das Viertelfinale eines großen Turniers erreicht, mehrmals war nach einem leidenschaftlichen Achtelfinale Schluss. Aber diesmal, ausgerechnet gegen den Weltmeister, kam es anders.“
Die nächste Bewährungsprobe wartet schon
Philipp Köster (11Freunde) schließt sich an: „Für die Schweizer geht es am Freitag weiter – mit einer weiteren Bewährungsprobe. Es geht nämlich gegen Spanien. Aber das Spiel gegen die Franzosen hat bewiesen, dass diese Mannschaft, so kompakt und begeisterungsfähig sie sich präsentierte, jeden Gegner schlagen kann. Ganz eventuell sogar die Spanier.“
Spanien ringt Kroatien nieder. Sven Scharf (spiegel.de) wundert sich über schlappe Kroaten: „Die Kicker von Coach Zlatko Dalic müssen sich trotz der am Ende knappen Niederlage fragen lassen, warum sie Spanien über 70 der ersten 90 Minuten nichts entgegenzusetzen hatten. Zwar haben mit Ivan Perišić (Coronainfektion) und Dejan Lovren (gelbgesperrt) zwei Stützen des Teams gefehlt. Dennoch war über weite Strecken zu erkennen, warum die Kroaten erst mit einem Sieg am letzten Spieltag gegen Schottland das Achtelfinale sichern konnten.“
Das große Comeback
Adrian Rehling (Welt) macht große Augen: „Die Spanier kamen wütend zurück, schafften die Wende und sahen mit dem 3:1 bis zur 84. Minute wie der sichere Sieger aus. Doch dann zeigten die Kroaten, warum sie es bei der WM vor drei Jahren sogar bis ins Endspiel geschafft hatten. Aufgrund ihres unbändigen Willens und einer großen Moral. Und so kam es dann tatsächlich zum großen Comeback: Orsic traf in der 85. Minute zum 2:3-Anschluss – die Torlinientechnik bestätigte den Treffer um wenige Zentimeter –, wenig später schaffte Pasalic in der sechsminütigen Nachspielzeit tatsächlich sogar den Ausgleich. Das Stadion in Kopenhagen verwandelte sich in ein Tollhaus.“
Am Abend treffen die Mannen von Joachim Löw auf Mitfavorit England. Ex-Bundestrainer Berti Vogts (t-online.de) erhöht den Druck: „Unsere aktuellen Nationalspieler müssen begreifen, welch ganz besonderes Privileg ihnen da zuteilwird. Das Wembley ist neben dem Maracanã in Rio de Janeiro der größte Fußballtempel dieses Planeten. Wer dort aufläuft, ist dazu verpflichtet, bis zum bitteren Ende zu kämpfen und alles dafür zu geben, um zu gewinnen. Noch mehr als sonst. Und England gegen Deutschland ist kein normales Fußballspiel, das ist ein echter Klassiker.“
Wo sind all die Eins-gegen-eins-Spezialisten?
Dietrich Schulze-Marmeling (n-tv.de) vermisst Tempospieler auf den Außenbahnen: „Das Problem ist, und es ist nicht neu: Einem Überangebot an Mittelfeldspielern steht ein Mangel an Flügelspielern gegenüber. Das konnten wir schon bei der EM 2016 beobachten. Bereits damals wurde deutlich, woran es dem deutschen Fußball fehlte. Und wo es in der Ausbildung haperte: Es fehlten Außenverteidiger, Eins-gegen-eins-Spezialisten. Der Fokus lag einige Jahre lang extrem auf den Zentrumspositionen und dem „One touch“-Fußball.“
Isabel Wetzel (FR) nimmt Wackelkandidat Leroy Sané in Schutz: „Trotz seiner Fehler sollte sich die Kritik von Fans und Experten nicht zu sehr auf Leroy Sané konzentrieren. Dass der Achtelfinaleinzug der Deutschen Nationalmannschaft gegen Ungarn zur Zitterpartie wurde, lag nicht allein an Sané. Die anderen 10 DFB-Kicker blieben in der letzten Vorrunden-Partie ebenfalls weit hinter ihren Leistungen gegen Portugal zurück. So wurde beim 2:1-Treffer der Ungarn häufig kritisiert, dass Sané das Laufduell verlor – dass Schlussmann Manuel Neuer aber ebenfalls wenig entschlossen handelte und zu zaghaft aus dem Tor kam, bleibt unerwähnt.“
Was war noch wichtig? Ach ja: Inga Hofmann (Tagesspiegel) sägt am goldenen Thron von Nachhausefahrer Cristiano Ronaldo: „Auch wenn wir nicht wissen, was tatsächlich in Las Vegas passiert ist, sagt der Umgang mit dem Fall viel über die Welt des Männer-Fußballs aus. Jemand, der Steuern in Millionenhöhe hinterzogen hat und gegen den der Vorwurf der Vergewaltigung im Raum stehen, wird völlig unkritisch als portugiesischer Torheld, als Superstar und Fußballkönig abgefeiert. Die diesjährige EM und die Beweihräucherung Ronaldos haben das erneut deutlich gemacht.“