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Der Impf-Fall Kimmich

Kai Butterweck | Dienstag, 26. Oktober 2021 1 Kommentar

Gefährdet ein angesehener Fußballprofi seinen Vorbildstatus, wenn er sich nicht impfen lässt? Der Fall Kimmich schlägt in der Presse hohe Wellen

Bayerns Nationalspieler Joshua Kimmich ist noch nicht geimpft. Noch halten den Ausnahmekicker „zu viele Zweifel“ von einer Corona-Impfung ab. Jan Wochner (sportschau.de) klärt auf: „Angesprochen auf die Gründe für seine Entscheidung, äußerte Kimmich Bedenken, die ganz offensichtlich Unsinn sind. Kimmich argumentiert nämlich, er habe sich nicht impfen lassen, weil er Langzeitstudien abwarten wolle. Und genau hier liegt sein grundlegender Irrtum. Denn bei Impfstoffen gibt es keine Nebenwirkungen, die erst spät auftreten. Wenn, dann geschieht das zeitnah, also binnen weniger Stunden, weniger Tage, im Zweifel binnen weniger Wochen nach der Impfung. Verspätet erkannte Nebenwirkungen, die im Rahmen von Langzeitstudien festgestellt werden, gibt es bei Impfungen nicht.“

Peter Ahrens (spiegel.de) warnt: „Der zu erwartende Effekt scheint klar: Wenn schon so einer wie der Kimmich Bedenken hat, der sich doch so umfassend um Corona kümmert, warum soll ich mich dann impfen lassen? Das wäre dann zwar wiederum eine Vorbildfunktion, diesmal aber in umgekehrter Richtung. Was der Promifaktor bei den ohnehin schon erhitzten Corona-Diskussionen ausmacht, hat das Beispiel von Tatort-Star Jan Josef Liefers zur Genüge bewiesen.“

Vorbild für Querdenker

Maximilian Rieger (deutschlandfunk.de) schüttelt den Kopf: „Kimmich hätte in dieser gesellschaftlichen Lage ein Vorbild sein können für junge, aufgeklärte Menschen, die auf wissenschaftliche Fakten vertrauen und sich solidarisch verhalten. Stattdessen ist er jetzt ein Vorbild für die Menschen, die lieber auf ihren Bauch hören als auf Fakten, die nicht solidarisch genug sind, sich zu informieren, und ja, er ist auch Vorbild für Querdenker, die ihn als neuesten Freiheitskämpfer für ihre Zwecke instrumentalisieren. Kimmich kann sich nicht aussuchen, wer ihn als Vorbild ansieht. Er kann sich aber aussuchen, für wen er Vorbild sein möchte. Und er hat sich für die Wissenschafts-Ignoranten und –Leugner entschieden.“

Lars Albrecht (mopo.de) kommt mit dem verbalen Knüppel um die Ecke: „Wie denken Fans darüber, wenn auf den Rängen die 2G-Regelung gilt und auf dem Rasen Ungeimpfte kicken? Was ist ein Impfbus des DFB bei Länderspielen noch wert? Und warum sollten sich Unentschlossene impfen lassen, wenn die in der Corona-Krise über alle Maßen privilegierten Fußball-Profis die Möglichkeit nicht wahrnehmen? Für mich ist klar: So lange Joshua Kimmich nicht geimpft ist, sollte er das Trikot des DFB nicht tragen – und am besten auch nicht das von Bayern München.“

Fatal und grotesk

Auch Thomas Kilchenstein (FR) ist besorgt: „Fatal ist, dass diese Impfskepsis ja nicht irgendein 08/15-Fußballer artikuliert. Joshua Kimmich ist der stellvertretende Kapitän der deutsche Nationalmannschaft, er nimmt dort und bei seinem Klub FC Bayern eine tragende Rolle ein, er ist einer, der im Rampenlicht steht, noch dazu sympathisch und intelligent, einer, dem man zuhört. Er ist einer der wenigen, dem man noch eine seriöse Vorbildfunktion abnimmt. Und der Familienvater, auch schon 26 Jahre alt, hat eine Verantwortung, und zwar nicht nur für sich und den Ball, den er treten muss, sondern eben für andere. Er ist eine Person des öffentlichen Interesses. Welche Botschaft geht nun von seinem Bekenntnis aus? Eine fatale, eine groteske.“

Justin Kraft (focus.de) wundert sich: „Er handelt unsolidarisch der Gesellschaft und auch seinen Teamkollegen gegenüber. Vor allem aus einer Angst, die aus der falschen Gewichtung von Fakten resultiert. Im Oktober 2021 kann auch ein Joshua Kimmich langsam wissen, wie Impfstoffe funktionieren.“

Es wäre ein starkes Signal

Thomas Fuhrmann (zdf.de) gibt die Hoffnung nicht auf: „Sein Verein, der FC Bayern München, wird sein wichtigstes Kapital, seine Spieler, über die Zusammenhänge aufgeklärt haben. Wenn ihm das nicht reicht, hat Kimmich alle Möglichkeiten, weitere Fachleute zu kontaktieren, um mehr zu erfahren. Vor allem aber: Sein Verhalten in dieser Frage passt nicht zu seinem selbst gesetzten Anspruch der Gradlinigkeit, er duckt sich weg. Noch kann Joshua Kimmich das Vorbild sein, das er für viele bisher war, und sich impfen lassen: Es wäre ein starkes Signal.“

Patrick Strasser (sportbuzzer.de) schlägt die Hände vors Gesicht: „Mit seinem Verhalten und seiner Erklärung hat Kimmich nun all den Impf-Zweiflern, all den Zauderern und Zögerern Argumente geliefert und Schwurblern wie Verschwörungstheoretikern ein prominentes Gesicht („Na, wenn der schon nicht…!“) und damit eine Steilvorlage gegeben. Kimmich scheut den kleinen, zweimaligen Piks. All die großen Einschläge des Shitstorms muss er nun aushalten. Vermeidbare Nebenwirkungen eines Eigentors.“

Michael Horeni (FAZ) hat das letzte Wort: „Der Druck, den die Regierung nicht ausüben wollte, wurde in die Gesellschaft verlagert. Auch dieses Dilemma wird beim Aufschrei im Fall Kimmich offensichtlich. Man muss sich nicht wundern, wenn viele Menschen, die sich aus solidarischen Gründen impfen ließen, in Kimmich nun einen verwöhnten Fußballprofi sehen, der sich für etwas Besseres hält. Der glaubt, es besser zu wissen – gegen die Mehrheit der Fachwelt. Nach allem, was man medizinisch über Impffolgen und medial über Images sagen kann, ergibt sich dieses Bild: Der Imageschaden für Kimmich wird deutlich größer sein als jeder Impfschaden, der ihm droht.“

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Kommentare

1 Kommentar zu “Der Impf-Fall Kimmich”

  1. Charly
    Mittwoch, 27. Oktober 2021 um 19:45

    Das allerletzte Wort gebührt Markus Völker (TAZ) im hier nicht verlinkten Artikel.
    https://taz.de/Der-Fall-Kimmich/!5806555/

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