indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

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Sorgen in Dortmund – Verzagen in Schalke – Druck auf Hannovers Trainer Ralf Rangnick

Wertverlust der Ware Bundesliga

Roland Zorn (FAZ 31.10.) resümiert die Pokal-Runde und stellt der Bundesliga ein schlechtes Zeugnis aus: „Der gern zitierten eigenen Gesetze hat es gar nicht bedurft. Zum Vergnügen eines Großteils des Publikums und zum Entsetzen mancher Verantwortlicher reichte diesmal schon das Gesetz der Serie, um eine Reihe von renommierten Fußball-Bundesligaklubs im Pokalwettbewerb straucheln zu sehen. Daß Borussia Dortmund das Limit der personellen Belastbarkeit angesichts zwölf verletzter Stammspieler überschritten hat, wurde am Mittwoch in Mönchengladbach überdeutlich sichtbar; daß dem FC Schalke 04 auch unter dem Diktat des Privatdozenten Jupp Heynckes eine Lehrstunde wie die in Freiburg blühen konnte, war angesichts der saisonalen Lernschwächen mancher königsblauer Profis nicht undenkbar; daß Eintracht Frankfurt gegen einen Zweitligaverein wie den MSV Duisburg ähnlich erfolglos und zweitklassig wie eine Etage höher kicken würde, dürfte nur ganz betriebsblinde Fans des Traditionsklubs überrascht haben; daß ein Bundesliga-Durchschnittsteam wie der TSV München 1860 nach Elfmeterschießen bei Alemannia Aachen, dem Tabellenführer der zweiten Liga, ausschied, war Künstlerpech; daß schließlich der Drittligaverein Eintracht Braunschweig zum Nutznießer der Bundesliga-Krise von Hannover 96 würde, schlossen Kenner schon vor dem Niedersachsen-Derby nicht aus. Unter dem Strich bestätigte die zweite Runde im DFB-Pokal lediglich den derzeit galoppierenden Wertverlust der Ware Bundesliga – zur Abwechslung auf nationaler Ebene.“

Eintracht Braunschweig – Hannover 96 2:0

Jörg Marwedel (SZ 31.10.) schreibt: „Auf Rangnick kommen mal wieder schwere Zeiten zu. Seit fünf Pflichtspielen ist Hannover nun sieglos; Simak ist verschwunden, sein Landsmann Stajner nur ein Schatten schöner Sommertage, und der euphorisch begrüßte brasilianische Nationalspieler Kleber bislang eine einzige Enttäuschung. Aus dem nach kräftigen Investitionen und berauschenden Auftritten zu Saisonbeginn von manchen als heimlichem Uefa-Cup-Anwärter eingeschätzten Team droht wieder ein Abstiegskandidat zu werden – eine schlimme Vorstellung nicht nur für Präsident Martin Kind. Der sagte nach dem Spiel in Braunschweig nur zwei verbürgte Sätze: „Die Niederlage wird keine direkten Folgen haben. Wir warten erst mal das Spiel in Köln ab.““

Frank Heike (FAZ 31.10.) ergänzt: „Es war das fünfte Pflichtspiel ohne Sieg für die so gut, so schön in die Saison gestarteten Hannoveraner. Nun steht der bei 96 nie unumstrittene Rangnick wieder unter Druck. Die gern von Präsident Martin Kind entfachte Diskussion um den Coach könnte schon am Samstag nach der Partie beim 1. FC Köln aufs neue beginnen. Rangnick sagte: Damit beschäftige ich mich nicht. Auch wenn es in Hannover keiner wahrhaben möchte – der noch bis Anfang November wegen seines Erschöpfungssyndroms krank geschriebene Jan Simak fehlt als der Spieler, der aus dem Mittelfeld heraus Tempo und Takt vorgeben kann. Die Niederlage beim Drittligavertreter hatte aus Rangnicks Sicht andere Gründe. Bei uns haben vier oder fünf Spieler alles probiert, beim Gegner haben alle alles versucht, sagte er. Die Profis aus Hannover, von denen ja keiner auch nur annähernd aus der Region kommt, hatten Brisanz und Bedeutung dieses Derbys vor 23 000 Zuschauern im ausverkauften Stadion an der Hamburger Straße einfach unterschätzt. Die Braunschweiger nicht.“

SC Freiburg – Schalke 04 7:3 n.V.

Christoph Kieslich (FAZ 31.10.) berichtet Schalker Verzagen: „Aber ich muß mich wohl daran gewöhnen, in der Schießbude der Liga zu stehen. Während Rost gewohnt deutlich Stellung bezog, schien der bei anderen Gelegenheiten nahezu redselige Manager Rudi Assauer das Stadion des Bundesliga-Konkurrenten in Windeseile fliehen zu wollen. Kein Wort war dem Schalker am Mittwoch zu entlocken; erst tags darauf gab Assauer Durchhalteparolen aus: Dann machen wir halt mal eine Durststrecke durch. Vor ein paar Jahren hätte auch keiner geglaubt, daß wir Vizemeister werden und zweimal den Pokal gewinnen. So sprach der Verantwortliche eines Vereins, der zu Saisonbeginn mit der Verpflichtung von Heynckes den großen Coup gelandet zu haben glaubte. Im schönen Sommer vor Saisonbeginn in der Bundesliga blühten denn auch die Träume von der Champions League rund um die Arena Auf Schalke. Träume, die sich zumindest in dieser Spielzeit als Hirngespinste erweisen dürften (…) Die Folgewirkungen dieses Spiels könnten unterschiedlicher nicht sein. Hier die Freiburger, die sich den Frust von der Heimniederlage gegen Bremen lustvoll von der Seele spielten und sich damit selbst Mut machten für das baden-württembergische Bundesligaderby am Samstag in Stuttgart, dort die demoralisierten Schalker, die dem Besuch der Bayern entgegenzittern. Die Freiburger genossen ihr Fußballfest vier Tage nach dem deprimierenden 2:4 gegen Werder. Das war ein Spiel des Herzens, beschrieb der Schweizer Verteidiger Bruno Berner seine Hochgefühle. Für diese Momente des vollkommenen Glücks gehe man, sagte Trainer Volker Finke, monate-, manchmal sogar jahrelang vergeblich ins Stadion.“

Borussia Mönchengladbach – Borussia Dortmund 2:1

Roland Zorn (FAZ 31.10.) erlebt Matthias Sammer besorgt: „Nie hat man Sammer so alarmiert erlebt wie am Bökelberg. Es war nicht das schon traditionelle frühe Aus der Dortmunder im Pokalwettbewerb, das dem Sachsen zu schaffen machte; vielmehr befürchtet der Dortmunder Cheftrainer seit den beiden letzten personellen Rückschlägen, daß seine Mannschaft aus der wochenlang kämpferisch verteidigten Balance kippen könnte. Die nächsten vier Gegner haben es dazu in sich: In der Bundesliga geht es am Sonntag gegen den Hamburger SV, eine Woche später zu den Bayern nach München, zwei Wochen darauf gegen Bayer Leverkusen; dazu kommen die zwei schwierigen UEFA-Pokalspiele gegen den FC Sochaux. Spiele, für die Borussia Dortmund die letzten Reserven mobilisieren muß, da im Moment niemand aus dem Lädierten-Team sein Comeback in Aussicht gestellt hat. Ich glaube, viele sehen die Gefahr nicht, die auf uns zukommen kann, unkte Sammer, wir müssen höllisch aufpassen, und deshalb bin ich froh, daß wir schon 19 Punkte haben. Weil der Trainer weiß, wie abschüssig die Bahn sein kann, auf welche die Borussia zu geraten droht, nannte er immer wieder das warnende Beispiel Bayer Leverkusen und meinte damit die vergangene Fastabstiegssaison des derzeitigen Bundesliga-Primus.“

Eintracht – Frankfurt – MSV Duisburg 1:2 n.V.

Thomas Kilchenstein (FR 31.10.) teilt Ärger in Frankfurt mit: „Als hätte Eintracht Frankfurt nicht schon genug Probleme: Am Tag nach der peinlichen Niederlage ist bekannt geworden, dass Abwehrspieler Jean-Clotaire Tsoumou-Madza wegen sexueller Belästigung vom Amtsgericht Offenbach zu sechs Monaten auf Bewährung sowie zu einer Geldstrafe von 10 000 Euro verteilt wurde. Der 28-Jährige hat gestanden, im Januar dieses Jahres im Reha-Zentram Sporeg, wo alle Frankfurter Fußballer ihre Blessuren auskurieren, einer 19-Jährigen Schülerpraktikantin an die Bluse gegangen zu sein, wie Tsoumou-Madzas Anwalt Robin Fritz sagte. Es war die niedrigst mögliche Strafe, sagte Fritz. Tsoumou-Madza hat sich bei der Schülerin entschuldigt. Von Seiten von Eintracht Frankfurt hat der Spieler nichts mehr zu befürchten, er ist juristisch bestraft worden, damit ist für uns die Sache erledigt, sagte Vorstandssprecher Heko Beeck. Zu Spekulationen, Tsoumou-Madza möge sich einen neuen Verein suchen, wollte Beeck keinen Kommentar geben. Tsoumou-Madza gehöre weiter dem Kader an, sagte Trainer Willi Reimann, die Sache ist für uns erledigt. Gespräche mit dem Spieler habe es schon lange vor der Verurteilung gegeben. Die Nachricht ist nicht dazu geeignet, das Bild des als Skandalnudel hinlänglich bekannten Clubs zu verbessern. Ein Rückschlag für Beeck, der sein Amt im Bemühen um mehr Seriosität bei der Eintracht antrat.“

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Aufstand der Enttäuschten

Der bisher punktlose Aufsteiger siegt dank des Matchwinner Fredi Bobic 3:1 beim schwächelnden Team aus Leverkusen. Trainer Huub Stevens landet mit seinen Herthanern durch den 1:0-Auswärtserfolg in Bielefeld seinen ersten Saisonsieg, was die FAS vom ‚Aufstand der Enttäuschten‘ sprechen lässt. (mehr …)

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Effenberg hilft Wolfsburg

Martin Hägele (NZZ 19.11.). „Der Mann, der vier Jahre lang die Verantwortung übernommen hat im deutschen Rekordmeister, der im Champions-League-Final 2001 zwei Penaltys verwandelte, als sich keiner seiner Mitspieler in den Strafraum des FC Valencia traute, der würde seiner alten Firma ohne Zweifel noch immer gut tun. Gerade jetzt, wo sie immer noch in einer Krise steckt – trotz den luxuriösen Umständen, mit fünf Punkten Vorsprung vor der Konkurrenz die Bundesligatabelle anzuführen. Dies als Fazit jener Debatte, die über dem Wochenende geschwebt hatte, an welchem der Star mit seinem neuen Ensemble zum ersten Mal in die Vergangenheit zurückgereist war. Vor und erst recht nach dem Besuch bei den Bayern aber muss die generelle Frage lauten: Hat es sich rentiert, dass der grosse Blonde seine Karriere in der niedersächsischen Provinz fortgesetzt hat? Ja. Effenberg hilft Wolfsburg. Und zwar an allen Ecken und Enden der Stadt. In der VW- Stadt hat der Fussballprofessional sogar einen festen Wert. Bernd Sudholt, Vorstand im Autokonzern und stellvertretender Aufsichtsratschef der VfL Fussball GmbH, hat ihn sogar im Detail taxiert: zehn Millionen Euro Werbewert, zehn Millionen sportlicher Wert. Macht zusammen zwanzig Millionen Euro für den «absoluten Glücksgriff» (Sudholt). Viele, die geglaubt hatten, der alternde Ausnahmespieler benutze Wolfsburg vor allem deshalb, um auf seiner letzten Station als Professional noch einmal richtig Kasse zu machen und den nach mehr Image strebenden Klub abzuzocken – all diese Kritiker könnten nun Entschuldigungsschreiben nach Wolfsburg schicken. Effenberg mag zwar ein schwieriger und manchmal erschreckend egozentrischer Zeitgenosse sein; was seinen Beruf betrifft aber, besitzt er einen richtig guten Fussballcharakter. Er quält sich für den Erfolg und fühlt sich auch für seine Mitspieler verantwortlich; er ist alles andere als eine Diva (…)Effenberg zeigt mit jeder Geste und mit jedem Wort, dass man nur an Ziele glauben muss. Bevor sie in Wolfsburg eher zufällig auf ihre Frontfigur gestossen sind, hat die Volkswagen-Stiftung an der Universität Tübingen ein Forschungsprojekt unter dem Titel «Global Player – Local Hero» in Auftrag gegeben. Heute schon lässt sich sagen, dass am Ende dieser sportwissenschaftlichen Untersuchung ein ganz anderes Bild vom Fussballidol und Publikumsliebling der Zukunft stehen wird. Aber auch das wäre den Menschen in Wolfsburg, und ganz gewiss Stefan Effenberg, momentan absolut egal.“

Thomas Kilchenstein (FR 16.11.). „Einer wie Effenberg, Paradebuhmann der Bundesliga, Typ neureicher Flegel, kann nicht aus seiner Haut. Ob der gelernte Briefträger aus Hamburg-Bramfeld nun in Mönchengladbach, Florenz, München oder jetzt in Wolfsburg den Strategen (VfL-Manager Peter Pander) gibt, einer wie er eckt an. Weil er, die Fleisch gewordene Ich-AG, nicht anders kann, inzwischen auch nicht mehr anders will. Ich bin der Effenberg, und das muss reichen. Das ist die eine Seite des Stefan Effenberg, die unangenehme, die den Verantwortlichen des VfL und mehr noch den Herren vom VW-Werk, arge Kopfschmerzen bereitet hat, damals, als sie im August diesen Coup ausheckten. Größer konnte der Widerspruch nicht sein – hier die Diva Effenberg, die seiner Ex-Ehefrau zum Geburtstag einen Ferrari vor die Tür gestellt hat, dort der kreuzbrave Verein für Leibesübungen Wolfsburg, Provinz in Reinkultur (…) Effenberg geht, das ist die andere Seite, vorne weg und macht das, was er am liebsten tut: da sein und dazwischen fegen. Es ist ja nicht so, dass der mittlerweile 34-Jahre alte Mittelfeldspieler die meisten Ballkontakte hätte. Er läuft auch nicht mehr viel, aber richtig. Er dirigiert, er zeigt Flagge und ist einfach eine Persönlichkeit (Franz Beckenbauer), mit ihm, sagt Wolf, hat ein anderer Geist Einzug gehalten, vor allem ist er auch kritischen Situationen gewachsen, findet Pander. Und seine permanente Präsenz, sein Charisma strahlt auf die anderen, deutlich blasseren Typen im Team ab. Effenberg hilft den grauen Wölfen allein durch seine Anwesenheit. Bislang also ist das Konzept mit Effenberg aufgegangen.“

Jörg Marwedel (SZ 16.11.). „Anlass, eine erste Bilanz zu ziehen nach Effenbergs nun knapp dreimonatigem Wirken in der niedersächsischen Provinz. Und die fällt so aus, dass bereits jetzt jeder des Irrtums überführt ist, der dem alternden Ausnahmespieler unterstellte, er wolle auf seiner wohl letzten Profistation vor allem noch einmal abzocken. Effenberg ist noch immer ein Selbstdarsteller, zuweilen bis zur Schmerzgrenze, doch er ist keine Diva. Er hat beim 1:0 gegen Hansa Rostock trotz arger Rückenschmerzen bei Sturm und peitschendem Regen im Matsch malocht, er hat mehr Tore erzielt als die Stürmer Petrov und Maric, nämlich drei. Auch in anderen Disziplinen weist ihn die Statistik als einen aus, der voran geht: Die meisten Pässe (480), die meisten Torschuss-Vorlagen (20), die meisten Tacklings (43) – keiner im Wolfsburger Team hat ihn in den bislang zehn Bundesliga-Spielen übertroffen. Natürlich ist Effenberg auch der Chef, weil es bislang keine starken Führungsfiguren gab im VfL-Team, doch als die Spieler merkten, dass der berühmte Kollege nicht nur gekommen war, um ein bisschen Medienzauber in der grauen Stadt zu veranstalten, ordneten sich selbst Kapitän Karhan, Regisseur Munteanu oder der wortgewandte Abwehrchef Schnoor schnell unter (…) So oder so ist Effenberg in Wolfsburg längst ein Wirtschaftsfaktor. Bernd Sudholt, VW-Mann und stellvertretender Aufsichtsratschef der VfL Fußball GmbH, hat ihn neulich gegenüber Sport-Bild beziffert: Zehn Millionen Euro Werbewert, zehn Millionen sportlicher Wert.“

Uwe Marx (FAZ 16.11.). „Zuletzt sahen vor allem die Schlagzeilen in Deutschlands größter Boulevardzeitung anders aus, als sie es hier gewöhnt sind. Es kam noch nicht vor, daß ein Wolfsburger Spieler in der Bild-Zeitung einem Bundesfinanzminister vorgezogen wurde. Effenberg schafft das. Seine Freundin ist aus dem gemeinsamen Haus ausgezogen, um in Hamburg beruflich vorwärtszukommen. Und das ausgerechnet vor dem Spiel an diesem Samstag in München gegen den FC Bayern, Effenbergs früheren Verein. Vor der Umkleidekabine warten schon drei Fernsehkameras auf ihn. Effenberg kommt als letzter aus der Kabine, an seiner Seite Trainer Wolfgang Wolf. Er läuft sich allein warm, fällt im Trainingsspielchen nicht weiter auf, ermutigt den jungen Tobias Rau nach einem Fehlschuß (egal, immer probieren) und läuft allein wieder aus. Das war’s. Effenberg will hier keine Freunde finden, er hat einen Job zu erledigen. In Wolfsburg ist er, weil der Verein ihn wollte und bezahlen konnte. Zuvor waren Transfers nach England, in die Türkei und nach Österreich gescheitert. Jetzt will der Mann im Zentrum des Mittelfelds den VfL nach oben bringen. Und er möchte den Bayern zeigen, daß es falsch war, ihn wegzuschicken (…) Der VfL ohne Effenberg, das war ein Klub mit begrenztem Nachrichtenwert in einer Stadt mit dem Ruf eines bewohnten Industriegebiets. Er soll den zaudernden Niedersachsen die bayerischeMiasan mia-Mentalität vermitteln. Effenberg ist ein Platzhirsch des Fußballs, bedächtig, beobachtend, immer auf dem Sprung, sein Revier zu verteidigen. Keiner, der vom Kilometergeld leben könnte, aber einer, vor dem sich Konkurrenten wegducken. In Wolfsburg ist er nicht von Konkurrenten umgeben, sondern von lernbereiten Kollegen, heißt es. Der Kader vertritt – zumindest nach außen – die Meinung der Verantwortlichen: Effenberg pusht die Mannschaft, er nimmt Druck von ihr, indem er die Aufmerksamkeit auf sich zieht, er orientiert sich an großen Zielen. Bei dieser Omnipräsenz wirkt es allerdings wie ein frommer Wunsch, daß aus dem VfL Wolfsburg kein VfL Effenberg werden soll.“

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Karl-Heinz Rummenigge, „der bayerische Karl Marx“ – Juri Schlünz, Rostocks Wunschlösung

Der bayrische Karl Marx

Martin Hattrup (11 Freunde) kommentiert die Drohungen und Worthülsen Karl-Heinz Rummenigges: „Kaum ein Funktionär ist in diesen Tagen öfter in den Schlagzeilen als Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender des FC Bayern München. Und kaum einer gefällt sich im Moment mehr in der Rolle des Revolutionärs als der Kalle. Der ehemalige Weltklassespieler wird immer mehr zum größten Nörgler der deutschen Fußball-Landschaft. Denn wer musste in den vergangenen Wochen nicht schon alles Kritik einstecken? (…) Er hat einen neuen Klassenfeind ausgemacht – die FIFA. Was da stattfindet, ist eine Diktatur, empörte sich der bayrische Karl Marx am Mittwoch und meinte nicht Sepp Blatters Quasi-Alleinherrschaft, sondern nur das System der Spielerabstellungen für Länderspiele. Mit seinen Gequengele wird Kalle Rummenigge unseren Politikern immer ähnlicher. Was uns gleich auf eine Idee bringt: Wie wäre es, wenn Rummenigge die große Revolution wagt und in die Politik geht? Arnold Schwarzenegger hat es gerade vorgemacht, und der Posten des Ministerpräsidenten wird in Bayern im Jahr 2006 frei – Edmund wird dann wohl aus dem Kanzleramt grüßen. Als Landespatriarch kann Rummenigge dann auch wieder so schöne Sätze sagen wie Ich bin ein Freund des Konsenses und hoffe auf eine vernünftige und faire Lösung. Auch ein schlüssiges Konzept für den Weg aus der Krise hat er schon parat: Wir wollen den Aufwärtstrend positiv gestalten… nach oben!““

FR-Portrait Zlatan Bajramovic, bosnischer Nationalspieler des SC Freiburg

Wunschlösung und keine Billigvariante

Ronny Blaschke (BLZ 10.10.) stellt Rückendeckung für Juri Schlünz fest: „Bei den Vereinsoberen ist Schlünz die Wunschlösung und keine Billigvariante, wie der Vorstandsvorsitzende Manfred Wimmer sagte. Der 42 Jahre alte Diplom-Sportlehrer habe sich vom Feuerwehrmann zum Facharbeiter entwickelt, meinte Aufsichtsrats-Chef Horst Klinkmann. Dutzende Bewerbungen waren in der Geschäftsstelle des Klubs eingegangen. Mit keinem anderen Kandidaten, so Wimmer, seien Verhandlungen aufgenommen worden. Ohnehin genießt Schlünz beim FC Hansa eine Art Immunität. Seit 35 Jahren gehört er dem Verein an, er kennt das sensible Umfeld wie kein Zweiter. 328 Punktspiele bestritt er für die Rostocker, als Kapitän führte er sie 1991 in die Bundesliga. Er galt als Feingeist auf dem Rasen, als Kreativer im Mittelfeld. Er will das offensive Spielsystem, das Veh hinterlassen hat, bis zur Perfektion weiterentwickeln. So geht die Woche der Überraschungen in Rostock mit einer Neuigkeit zu Ende, die längst jeder zu wissen glaubte. Schlünz selbst hat seine Schüchternheit abgelegt, verschwunden ist die Wortarmut, die ihn einst gekennzeichnet hatte. Er hat das Rampenlicht für sich entdeckt und freut sich auf investigative Fragen wie diese: Bleiben Sie auf der Bank Ihrem Trainingsanzug treu? Vielleicht trage ich einen Schal, vielleicht eine Pudelmütze. Lassen Sie sich überraschen.““

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Eine nicht nachvollziehbare Unverschämtheit

Christoph Biermann (SZ 7.4.) kommentiert die lebhaften Äußerungen des Bochumer Trainers. „Es gibt Tage, an denen Fußballspiele nicht aufzuhören scheinen und die Zeit stehen bleibt, wenn endlich abgepfiffen ist. So redete Bochums Trainer Peter Neururer nach der Partie gegen Kaiserslautern immer von der 94.Minute, in der das Unglaubliche geschehen wäre. Er räsonierte darüber, warum so lange nachgespielt worden war, obwohl doch nur zwei Minuten zusätzlicher Zeit angekündigt worden waren. Neururer tat das, weil ihm jede Sekunde unerträglich lang gewesen war bis es passierte. Sein Zeitempfinden mochte ihn getrogen haben, denn der Schock kam in Wirklichkeit in der 92. Minute. Sein gequältes Gerechtigkeitsempfinden aber war zu verstehen. „Eine nicht nachvollziehbare Unverschämtheit“ jaulte er auf über „die Riesensauerei“, als Schiedsrichter Hermann Albrecht auf Freistoß für die Gäste entschied, der zum 1:1-Endstand führte. Bochums Verteidiger Sergej Mandreko hatte zuvor „alles richtig gemacht“ (Neururer) und den Ball an der eigenen Eckfahne gegen Lauterns Christian Timm abgeschirmt. Doch plötzlich winkte der Linienrichter, der Referee pfiff, und Mandreko wunderte sich: „Wahrscheinlich wurde eine neue Regel erfunden.“ Schiedsrichter Albrecht hingegen sah sich im Einklang mit dem Regelwerk: „Der Gegner wurde weggesperrt, ohne den Ball spielen zu wollen.“ Das war eine bizarre Interpretation der Situation und sie hatte ihre Vorgeschichte. Ständig hatte Albrecht das Spiel unterbrochen. Eigentlich gehört der 41-jährige Referee aus Kaufbeuren zu den erfahrensten der Liga, am Samstag jedoch pfiff er zu viele Kleinigkeiten ab und ließ grobe Fouls durchgehen. Für die Spieler war in dem dissonanten Gepfeife schließlich keine Linie mehr auszumachen. Allerdings kaprizierten sich die Bochumer in ihrer Not zu sehr darauf, ihr Schicksal am Unparteiischen festzumachen. „Das war der schlechteste Schiedsrichter, den ich je erlebt hatte“, übertrieb Sunday Oliseh. Verständlich war diese Frustration nach sieben Spielen ohne Sieg, wo zwei zusätzliche Punkte den Sprung auf den zehnten Tabellenplatz bedeutet hätten. Doch gegen Kaiserslautern war der Aufsteiger immer noch weit von dem entfernt, was er in dieser Saison schon gezeigt haben.“

Zu lautes Lamento

Richard Leipold (FAZ 7.4.) meint dazu. “Der späte Ausgleich mitsamt seiner Entstehungsgeschichte schien dem Trainer körperliche Qualen zu bereiten. Als ihm auch noch jemand einen Kaffee reichen wollte, lehnte er ab. Och, um Gottes willen! Auch ohne Kaffee war er aufgeregt genug. Er brauchte nur auf einen der Bildschirme im Presseraum zu schauen, und voilà: da war die Szene wieder lebendig, die ihn noch wütender machte als die Zeitüberschreitung. Verteidiger Sergej Mandreko stellte sich in voller Breite zwischen Ball und Gegner. Als das Spiel still stand, bestrafte der Schiedsrichter die vermeintliche Blockade mit jenem Freistoß, der den letzten Versuch der Pfälzer einleitete. Neururer war außer sich vor Wut. Unverschämtheit, Sauerei. Auf einen Dialog mit Albrecht verzichtete der sonst so kommunikative Trainer lieber. Wenn ich mit ihm gesprochen hätte, wäre ich strafrechtlich verfolgt worden. Obwohl Neururer sich arg in die Opferrolle hineinsteigerte, verlor er nicht ganz den Blick für die Wirklichkeit. Sportlich geht die Punkteteilung in Ordnung. Aber die lange Nachspielzeit und die eigenartige Freistoßentscheidung hätten seine Mannschaft um zwei Punkte gebracht und um den Lohn für ihre große Leidenschaft. Gemessen an der nur kämpferisch überzeugenden Leistung des VfL fiel das Lamento am Ende zu laut aus. Auch die Pfälzer hätten Grund zur Klage gehabt. In der ersten Halbzeit hatte der Unparteiische ihnen nach Vriesdes Foul an Dominguez einen Strafstoß verwehrt, den sogar Neururer dem Gegner zugestanden hätte, es war ein klarer Elfmeter. Der Schiedsrichter hat den Bochumern einmal geholfen und einmal geschadet, seine Bilanz war letztlich so ausgeglichen wie das Ergebnis.“

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Lexikon der Fuballmythen

aus: C.E. (2000). Lexikon der Fuballmythen. Frankfurt/Main: Eichborn.

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Auszüge aus einem FAS-Interview mit Erwin Staudt (VfB-Präsident und IBM-Aufsichtsratsvorsitzender)

FAS: Der VfB Stuttgart ist wieder positiv im Gespräch. Welche Story hören Sie als Mann der Wirtschaft am liebsten über das schwäbische Fußballprodukt?

ES: Ich möchte gerne Präsident eines Sportvereins sein, der erfolgreich ist und schönen Sport abliefert. Das mit den jungen Wilden gefällt mir sehr gut, damit kann ich mich selbst sehr stark motivieren. Jungen Leuten eine Chance geben, etwas bewegen und Begeisterung wecken, das macht Spaß.

FAS: Der VfB hat Schulden und muß sparen. Da stößt man schnell an die Grenzen.

ES: Auch für uns gilt der Grundsatz, daß man nicht mehr ausgeben kann, als man einnimmt. Genau das ist die Maxime, von der wir uns leiten lassen.

FAS: Was ist mit Verbindlichkeiten in Höhe von 15,7 Millionen Euro überhaupt möglich?

ES: Damit gehören wir zu den Vereinen, die unter dem Durchschnitt der Bundesliga liegen.

FAS: Das beruhigt Sie?

ES: Wir haben im letzten Jahr eine deutliche Steigerung des Zuschauerschnitts und einen leichten Anstieg im Merchandising zu verzeichnen gehabt.

FAS: Und Ihr neuester Coup ist ein Leasingmodell, mit dem Sie gerade den Argentinier Centurion an die Angel genommen haben.

ES: Wenn wir das Geld gehabt hätten, den Spieler abzulösen, hätten wir das direkt gemacht. Weil wir das Geld nicht haben und nicht einfach zur Bank gehen können, haben wir eine Art Leasingmodell über fünf Jahre kreiert. Wir können keine Millionen an Ablöse zahlen. Wir backen kleine Brötchen und versuchen bei den Gehältern möglichst viel in den variablen Bereich zu stecken.

FAS: Ihrem Trainer haben Sie alle Macht in die Hände gelegt. Das Gehalt verdoppelt und ihm zusätzlich das Amt des Managers gegeben. Keine Angst vor dem Szenario des sportlichen Mißerfolgs?

ES: Erstens haben wir das Gehalt nicht verdoppelt. Zweitens braucht Herr Magath keinen Manager an seiner Seite. Drittens funktioniert dieses Modell doch in England auch.

FAS: Die Fachleute Hoeneß und Calmund haben da ihre Zweifel.

ES: Ich fühle mich für meinen Verein sehr geehrt, daß sich andere Gedanken um uns machen. Ich glaube aber, daß wir uns in einer speziellen Situation befinden, die mit der von Bayern oder Leverkusen nicht vergleichbar ist.

FAS: Die wäre?

ES: Die hängt immer mit Menschen zusammen. Wir haben mit Herrn Magath einen sehr strategisch denkenden Kopf, der sowohl das Training als auch die Planung der Mannschaft sehr überzeugend vertritt. Den möchten wir nicht in seinen Kreisen einengen, sondern zur freien Entfaltung kommen lassen. Er versteht etwas von seinem Geschäft und ist ein ausgezeichneter Kenner der menschlichen Psyche (…) Der VfB hat sich auf den Weg gemacht, im deutschen Fußball wieder etwas darzustellen. Wir haben sehr hohe Sympathiewerte und durch unsere hohe Wirtschaftskompetenz, die wir angesammelt haben, können wir ein Geschäftsmodell auf die Beine stellen, das auch für Kapitalgeber interessant sein dürfte.

FAS: Das wäre eine Überraschung. Wie soll das gehen?

ES: Wir brauchen nachhaltigen sportlichen Erfolg, daran arbeiten wir hart. Wir brauchen ein Geschäftsmodell, das glaubhaft ist und seriös gemanagt wird. Da sind wir ebenfalls dran.

FAS: Planen Sie mit einem größeren Investor?

ES: Für mich ist es unheimlich wichtig, daß sich viele Menschen mit unserem Verein identifizieren. Wie, das werden wir sehen. Ich will die Chance bieten, sich einzubringen. Aber ich möchte auch ein Modell haben, an dem sich unsere Wirtschaft im Raum Württemberg beteiligen kann. Um zu demonstrieren, daß man in den Kulturfaktor Fußball investiert. Wir brauchen Patriotismus.

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Seelendoktoren sind gefragte Leute

Frank Schneller (FTD 9.4.) blickt voraus. „Das Prädikat „Perspektivspieler 2006“ entpuppte sich nicht für alle Auserwählten als Segen. Auch nicht für den Stürmer Benjamin Auer. Der trifft zwar in der U-21-Auswahl des DFB regelmäßig, in Gladbach wurde er aber links liegen gelassen und wechselte deshalb zum Zweitligisten Mainz 05. Dort ist er nur „geparkt“, weil er angeblich bereits einen Vertrag von Bayer Leverkusen in der Tasche hat. Doch selbst in der zweiten Spielklasse ist Auer kein Stammspieler. Die Chancen des 22-Jährigen, sich bei der WM im eigenen Land als der „neue Ulf Kirsten“, als der er einst gehandelt wurde, in den Vordergrund spielen zu können, sind gesunken. Stattdessen feierte der 31-jährige Fredi Bobic sein Comeback im Nationaltrikot. Drei Jahre vor der WM in Deutschland teilt sich die Garde der Nachwuchskicker in zwei Lager. Christoph Metzelder, 23-jähriger Abwehrspieler von Borussia Dortmund, ist mittlerweile im Verein und in der Nationalelf gesetzt, auch die Leistungskurven von Tobias Rau (21, noch Wolfsburg, bald Bayern), Arne Friedrich (23) und Thorben Marx (21, beide Hertha BSC Berlin) zeigen weiter nach oben. Dazu die Erfolge Benjamin Lauths (21, 1860 München) sowie der drei 21 Jahre alten Stuttgarter Kevin Kurany, Andreas Hinkel und Christian Tiffert. Doch die Problemkinder der nächsten Generation werden gerne übersehen. DFB-Teamchef Völler und sein Kollege Michael Skibbe sind als Seelendoktoren gefragte Leute. So quält sich Christian Timm, 24 Jahre alt, nach seinem Wechsel von Köln nach Kaiserslautern nur langsam aus seinem Tief heraus. Die Rolle des Jokers ist aus Sicht des lange Zeit verletzten Stürmers schon ein Aufwärtstrend.“

Einer der merkwürdigsten Fälle des Jahres

Ronald Reng (FR 9.4.) besuchte einen Deutschen in Schottland. “Christian Nerlinger, der acht Jahre lang für die besten deutschen Clubs Bayern München und Borussia Dortmund ein verlässlicher Mittelfelddynamo war und am Ende sogar Nationalspieler, versucht, die hellen Momente zu genießen. Er will die Dinge positiv sehen, er zwingt sich, optimistisch zu sein. Manchmal gelingt es. Manchmal. Was mit ihm in dieser Saison beim 49-maligen schottischen Meister Glasgow Rangers passiert, ist einer der merkwürdigsten Fälle des Jahres; aus seiner Sicht ist es vor allem bitter. Er ist 30, ein gutes Alter, um Fußball zu spielen, er ist fit, seit Oktober hat er keine Trainingseinheit verpasst, er könnte auf der Höhe seiner Karriere sein – und kam gerade dreimal als Auswechselspieler zum Einsatz. Seit dem 29. Januar wurde er noch nicht einmal mehr als Ersatzmann berufen. Wer noch Bilder von Nerlinger im Bayern-Trikot im Kopf hat, mit welcher Energie er durchs Mittelfeld fegte, wer dann sieht, dass am vergangenen Samstag bei den Rangers Spieler mit überschaubaren Qualitäten wie der Niederländer Bert Konterman und Stephen Hughes den Vorzug bekamen, der kommt zu dem Schluss: Da kann doch was nicht stimmen; entweder muss sich Nerlinger mit dem Trainer verkracht haben oder er ist nach einigen Verletzungen nicht mehr der alte. Doch die Wahrheit ist viel unspektakulärer; und deswegen umso härter. Christian ist ein guter Junge, er ist absolut fit – und ich sehe andere Spieler vor ihm, das ist die ganze Wahrheit in einer Nussschale, sagt Trainer Alex McLeish. Und er hat Recht, denn er hat Erfolg. Mit acht Punkten vor dem Uefa-Cup-Halbfinalisten Celtic ist Rangers derzeit Tabellenführer in Schottland (…) Früher habe ich immer gesagt: Leistung setzt sich durch. Jetzt weiß ich, es gibt Sachen, die du nicht beeinflussen kannst: ein blöde Verletzung, ein Trainerwechsel. Und das war dann in Kurzform auch schon seine Geschichte in Glasgow. Eine blöde Verletzung. Im Spätsommer 2001 schießt Nerlinger in seinen ersten drei Partien für Rangers drei Tore. Ich war im Paradies, und als eine Sehne im Fuß reißt, will er sofort wieder zurück ins gelobte Land. Er beginnt zu früh mit dem Training, nicht einmal, sondern zweimal. Eine Verletzung, die nicht länger als vier Wochen dauern sollte, setzt ihn fünf Monate matt. Ein Trainerwechsel. Während Nerlinger in der Reha schwitzt, trennen sich die Rangers von Dick Advocaat, seinem Mentor, dem Mann, der alle Welt in Bewegung gesetzt hatte, ihn aus Dortmund zu holen. McLeish übernimmt, der Rest ist Geschichte.“

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Bundestagswahl

Die Bundestagswahl verdrängt den Fußball aus der öffentlichen Aufmerksamkeit. Nur die gestern ausverkaufte (!) Arena AufSchalke blieb ein „politikfreier Raum“, wie die SZ feststellt. „Gut, dass der DFB so dermaßen unpolitisch ist. Sonst hätte er am Tag vor der Bundestagswahl selbstverständlich Hannover 96 auf einen der beiden Vereine aus München treffen lassen müssen, und das Ergebnis des Stellvertreterduells hätte für die eine oder andere Glosse getaugt“, bemerkt die taz augenzwinkernd hinsichtlich der gestrigen politischen Entscheidung mit sportlichem Duellcharakter.

An dieser Stelle wirft die NZZ ein: „Am Tag, an dem Deutschland Wahl hielt, wurde im DSF über die Zukunft eines Schweizers in der Pfalz abgestimmt. Nur 4,7 Prozent vertraten dabei die Meinung, dass Ciriaco Sforza dem 1. FC Kaiserslautern noch helfen könne“, heißt es dort in Anspielung auf die Weigerung des „Ruheständler Sforza“ (FAZ), sich auf die Ersatzbank zu setzen. Angesichts der heiklen sportlichen und wirtschaftlichen Situation des Tabellenletzten hat die FAZ ein “medizinisches” Vokabular bei den dortigen Vereinsverantwortlichen ausgemacht: vermutlich ein Signal dafür, dass die Herren Jäggi und Gerets den “Krankheitstand” des “Patienten” korrekt diagnostiziert haben und die passende Therapie verordnen werden.

Weitere Themen: Die FAZ schreibt zur Stimmung in München (die trotz des Heimsiegs über Cottbus noch vom spanischen Schock in der Champions League getrübt ist): “Die ruhigen Zeiten sind wohl erst einmal wieder vorbei beim FC Bayern. Ein untrügliches Zeichen dafür ist, wenn die jüngsten Wehwehchen und das schöne Wetter keine große Rolle bei den Gesprächen zwischen dem Manager und der Mannschaft mehr spielen.” Und: „verzweifelter Optimismus“ (FAZ) in Leverkusen nach der erneuten sowie als unglücklich empfundenen Niederlage in Bremen.

Roland Zorn (FAZ 23.9.) meint zur Lage. „Einer wählte das „Ohne mich“-Programm: Ciriaco Sforza, die Kaiserslauterer Einmannfraktion. Damit aber stellte sich der Schweizer am Samstag ausgerechnet in dem Moment in die neutrale Ecke, da auf dem Betzenberg Männer gefragt waren. Memmen kann der abstiegsbedrohte Traditionsklub der Fußball-Bundesliga in dieser für ihn schwierigen Saison nicht gebrauchen. Dabei hat der am Samstag zwischen Wohnung und VIP-Raum pendelnde Freizeitanhänger des 1. FC Kaiserslautern einen Bundesliga-Spieltag wie aus der Villa Kunterbunt verpasst, an dem weniger von den kleinen Siegen der Großen als vom großen Scheitern der Erfolglosen die Rede war (…) Während die Lauterer und die Hannoveraner immerhin schon darauf gefasst sind, auf Dauer in den Abstiegskampf verwickelt zu bleiben, herrscht in Leverkusen vor den Spielen gegen Manchester United in der Champions League und gegen Bayern München in der Bundesliga so etwas wie Ratlosigkeit. Der nach der vergangenen Spielzeit umjubelte „unglückliche Zweite“ vom Dienst ist nur noch unglücklich. Schaffte er allem Anschein zum Trotz den Umschwung und wäre am Ende noch Zweiter, wären sie bei Bayer diesmal überglücklich. Pessimisten erinnern sich mit Schaudern an das Jahr 1996, als Bayer beinahe abgestiegen wäre. Damals erwischte es die Lauterer, die vorher genau so wenig damit gerechnet hatten. Es wird doch kein Revival drohen?“

Wolfgang Gärner (SZ 23.9.). „Was tun mit den Gebeutelten aus der Champions League? Nichts wie rein in das Rehabilitations-Zentrum Bundesliga mit dem Therapieplan: gegen Cottbus Abstand gewinnen von La Coruña, nach Arsenal Selbstvertrauen tanken gegen Rostock. In Bremen das Trauma von Piräus überwinden – das ging gründlich schief für die Leverkusener, die stattdessen ihr Trauma verdoppelten. Kaum war Klaus Toppmöllers härteste Stunde als Trainer am griechischen Gestade vorüber, erreichen uns wieder Bilder, die nichts als die reinste Herbst-Depression ausdrücken.“

Bayern München – Energie Cottbus 3:1

Detlef Dresslein (FAS 22.9.) sah den 3:1-Erfolg der Münchner über das Lausitzer Ballett. „Noch bis vor einer Woche bezeichnete man sie überschwänglich als „weißes Ballett“. Derzeit agiert der FC Bayern München aber eher wie eine solide Volkstanzgruppe. Was immerhin zum derzeit stattfindenden Oktoberfest passt.“

Frank Ketterer (taz 23.9.) ist angetan. „Ein Wort des Dankes, so schwer es auch fällt, muss freilich auch nach München versendet werden, wo Michael Ballack derzeit noch besser zaubert als einst in Asien – und mit seinem Zuckerpass nicht nur jeden Gegner nass macht, sondern fortwährend daran erinnert, wie er sich heldenhaft aufgeopfert hat mit seinem Foul im Halbfinale, von dem es hernach hieß, es sei ein taktisches gewesen – und habe den Deutschen erst das Finale beschert. Dass Ballack jetzt den Bayern hilft, Titel zu gewinnen, trübt die Freude, ihn spielen sehen zu dürfen, zwar erheblich, ist nun aber auch nicht mehr zu ändern. Hauptsache, Ballack spielt überhaupt in der Bundesliga.“

1. FC Kaiserslautern – 1860 München 0:0

Die Lage in Kaiserslautern kommentiert Gerald Kleffmann (SZ 23.9.). „Der Klub ist momentan in einer derart zerrütteten Lage, sportlich wie wirtschaftlich, dass jedes noch so kleine Zeichen für eine bessere Zukunft wie eine Wundermedizin aufgesaugt wird – selbst wenn es sich um ein 0:0 gegen den TSV 1860 München handelt.“

Martin Hägele (NZZ 23.9.). „Wie will der 79fache ehemalige Internationale Führungsansprüche anmelden, wenn ihn schon die persönliche Bilanz der Bild psychisch aus der Bahn wirft? Ausgerechnet der Leader ist vor der Verantwortung weggelaufen, unter dem Vorwand, es handle sich um eine Kampagne gegen ihn. Dabei lassen sich Auseinandersetzungen mit dem Boulevard nur gewinnen, wenn man sich den vermeintlichen Anfeindungen öffentlich, und in diesem Fall auf dem Rasen des Betzenbergs, der Volksjury stellt (…) Viel belastender für Sforza aber sind die Hintergründe des Transfers. Dieser stellt praktisch die Krönung jener Naivität und Selbstbedienungsmentalität dar, welche die letzten Jahre in der Amtsführung der Vorstände Friedrich und Wieschemann geprägt hat. Der Umstand, dass Sforza im Kader des Rekordmeisters sogar von seinem Mentor Ottmar Hitzfeld aussortiert wurde, hat bei dessen zweiter Rückkehr ins Fritz-Walter- Stadion keine Rolle gespielt. Hauptsache Ciri, der Mann, der ein Fußballspiel lesen kann, war wieder da. Das Risiko, einen 32-Jährigen ohne Matchpraxis zu kaufen, übernahmen die blauäugigen Klubvertreter ganz allein. Statt eines auf Leistungen basierenden Kontrakts schenkten sie Sforza zur Rente auch noch eine Lebensversicherung.“

Oliver Trust (Tsp 23.9.). „Vielleicht war nicht alles ganz fair, aber Sforza hatte ein großes Mundwerk gehabt, als er zu den Pfälzern gekommen war. Der Schweizer hatte sich als „erfolgreicher Führungsspieler“ angekündigt. Aber was er bot, war gemessen an diesen Worten erbärmlich. Da stieg dann wohl auch die Wut in der Mannschaft auf die selbst ernannte Führungsfigur. Am Samstag, während des Spiels, verkroch sich Sforza im VIP-Raum, kam 20 Minuten zu spät auf die Tribüne und ging 15 Minuten vor Abpfiff. Am Sonntag war er beim Training dabei, begleitet vom Vorwurf, ein Feigling zu sein.“

Werder Bremen – Bayer Leverkusen 3:2

Raimund Witkop (FAZ 23.9.). „Spieler und Verantwortliche von Bayer Leverkusen entschieden sich überraschend einstimmig für eine Art psychologischer Vorwärtsverteidigung. „Das war unser bestes Saisonspiel“, lobte Toppmöller, und auch Manager Reiner Calmund fand es „deutlich besser als bei unserem Sieg in Rostock“. Dabei handelte es sich immerhin um den einzigen Saisonerfolg des Meisterschaftszweiten der Vorsaison, der sich bisher 13 Tore einfing und die Champions League mit einem 2:6 in Piräus eröffnet hat. Auch die Leverkusener Spieler hielten ihre Leistung bei der vierten Niederlage im sechsten Ligaspiel für gar nicht so übel. Man könnte das als Zeichen deuten, dass bei Bayer die Verzweiflung wirklich groß sein muss. Das ist sie, aber zum einen muss man vor Spielen gegen Manchester United (Dienstag) und Bayern München (Samstag) irgendwo etwas Zuversicht schöpfen, zum anderen hatte das Spiel wirklich einige positive Aspekte für den Verlierer (…) Leverkusen kombinierte nicht schlecht und hatte zahllose Chancen, manchmal erinnerte das entfernt an das zwingende und inspirierte Spiel der vergangenen Saison.“

Zu den Reaktionen der Leverkusener Funktionäre nach der Niederlage lesen wir von Jörg Marwedel (SZ 23.9.). „So war es nicht in Bremen, auch wenn man den Leverkusenern eine ordentliche Arbeitsmoral, mehr Spielanteile, zwei Lattentreffer und beiden Teams zusammen eine höchst unterhaltsame Vorstellung bescheinigen muss (…) Jedes Mal sah die Leverkusener Defensive so naiv aus, wie man es dem Zweitliga-Aufsteiger Wacker Burghausen zugestanden hätte, nicht aber einem Champions-League-Finalisten.“

Über die Ursachen der Leverkusener Krise schreibt Christoph Albrecht-Heider (FR 23.9.). „Bei Werder hat Leverkusen fast wie in alten Zeiten gespielt, flüssig, schön, nach vorn – und doch verloren. Bayer hat in Piräus zwei Tore geschossen und in Bremen zwei. Von einer Angriffsabteilung ist auf fremden Plätzen nicht mehr zu erwarten. Zwei eigene Treffer reichen den Leverkusenern derzeit aber nicht mal mehr für drei Punkte in der BayArena. Verlorene Zweikämpfe, verlorene Laufduelle, aufgelöste Verteidigungsstrukturen: Bayer lädt, die Bremer haben’s aufgezeigt und ausgenutzt, zum Sturm auf die eigene Festung ein. Fast möchte man meinen, Leverkusen greift an aus lauter Angst, sich auf die eigene Verteidigung verlassen zu müssen.“

Martin Breutigam (Tsp 23.9.). „Gewiss, Hochs und Tiefs gehören zum Leistungssport wie ein gewaltiger Bauch zu Reiner Calmund. Doch die Leverkusener Berg- und Talfahrt der vergangenen zwölf Monate hat womöglich auch mit dem Trainer Klaus Toppmöller zu tun. Ob in Frankfurt, Bochum, Saarbrücken oder Leverkusen – Toppmöllers Sachverstand und Charisma fruchteten zunächst bei all seinen Trainerstationen rasch. Manchmal griff er auch zu ungewöhnlichen Motivationstricks, um die in seinen Spielern schlummernden Kräfte zu wecken. Unvergessen, wie er als Trainer von Eintracht Frankfurt in der Saison 93/94 einen Adler mit in die Kabine brachte. Die Magie des Raubvogels sollte den Spielern Flügel verleihen. Tatsächlich befand sich die Eintracht lange auf Meisterschaftskurs, später aber blieben die Erfolge aus und Toppmöller wurde entlassen. Dass sich die Geschichte auch in diesem Punkt wiederholt, ist nicht abzusehen, wenngleich der 51-Jährige nach wie vor ein Faible für ungewöhnliche Maßnahmen besitzt. Die wichtigsten der vergangenen Woche waren jedoch unwirksam und unpopulär.“

Spielbericht FR

Hansa Rostock – Borussia Dortmund 0:1

Zum Dortmunder Auswärtssieg bei Hansa Rostock heißt es bei Javier Cáceres (SZ 23.9.). „Bei Licht betrachtet hat Borussia Dortmund durch den Sieg einen reichlich übertriebenen Preis davongetragen. Der Wille, Fußball zu spielen , war anfangs nur bei den Gastgebern zu erkennen; die Borussen fielen in der ersten Halbzeit vor allem durch eine Überbetonung destruktiver Elemente auf.“

Spielbericht FR

Schalke 04 – Borussia Mönchengladbach 2:1

Christoph Biermann (SZ 23.9.). „„Bundestachswahl oder Schalke gegen Gladbach?“, fragte die Vereinszeitung des FC Schalke 04. Erwin Koslowski rätselte dort in seinem „Nord-kurwen-Kommentar“: „Gerhard Schröder oder Ebbe Sand? Wahlkabine oder Nordkurwe? Die Grünen oder die Blauen? Fünf-Prozent- Hürde oder drei Punkte?“ Für die 60.601 Zuschauer in der ausverkauften Arena AufSchalke waren das am Sonntag Abend, als die ersten Hochrechnungen bekannt wurden, waren das aber nicht die am meisten bewegenden Fragen. Vielmehr sorgten sie sich, ob die Schalker ihre wacklige 2:1-Führung gegen Borussia Mönchengladbach ins Ziel retten würde. Zum munteren Zeitvertreib bis zur Wahlentscheidung taugte das Match allemal. Die beiden Mannschaften mit den – bis zu diesem Spieltag – wenigsten Gegentoren der Liga lieferten sich ein gutes, zügiges, hart umkämpftes und mitunter aufregendes Spiel.“

Hannover 96 – VfL Bochum 2:2

Dietrich zur Nedden (taz 23.9.). „Dieser Bobic! Was waren wir skeptisch gewesen. Niemand wollte ihn mehr haben, sogar Gladbach kaufte lieber einen jungen Dänen als den Zeter-Zampano, der auf die Dortmunder Tribüne abgeschoben war (…) Das Fazit einer Zusammenfassung im Agentur-Jargon müsste lauten: In dieser Form werden beide Mannschaften den Klassenerhalt ganz sicher schaffen. Aber Voraussagen wie diese sind natürlich im Fußball wie Wahlprophezeiungen in der Politik: mit Vorsicht zu genießen.“

Peter Hess (FAZ 23.9.). „Wäre der Profifußball ein reiner Unterhaltungsbetrieb wie ein Varieté oder ein Zirkus, Hannover 96 hätte überhaupt keine Probleme. Artisten und Schausteller aus aller Herren Ländern bilden ein Ensemble, das das Publikum neunzig Minuten lang in Staunen und Aufregung versetzt oder im ehrlichen Bemühen zumindest tiefe Anteilnahme auslöst. Dummerweise wird eine Bundesligatabelle immer noch durch Punkte ermittelt und nicht nach der Phonstärke des Beifalls. Und damit wären wir bei den Schwierigkeiten, die den Aufsteiger plagen. Vier Punkte nach sechs Spielen reichen nur für Rang 16, das ist ein Abstiegsplatz (… ) Dass Inspiration und Engagement nicht zum Triumph, sondern nur zu einem Teilerfolg führten, ist mit Künstlerpech unzureichend erklärt. Erst blieb über all der Begeisterung die Effizienz auf der Strecke.“

Spielbericht SZ

VfL Wolfsburg – 1. FC Nürnberg 0:2

Achim Lierchert (FAZ 23.9.). „Sicher konnten die Franken zur Halbzeit froh sein, nicht schon aussichtslos zurückzuliegen. Doch was sie schließlich im zweiten Durchgang aus dieser glücklichen Fügung machten, war ordentlich und für viele Betrachter die beste Halbzeit des Clubs in der bisherigen Saison.“

Spielbericht SZ

VfB Stuttgart-Arminia Bielefeld 3:0

Spielbericht Tsp

Hertha Berlin – Hamburger SV 2:0

Katrin Weber-Klüver (SZ 23.9.). „Wenn alle Spiele nur drei Minuten dauern und alle Gegner sich aufgeben würden wie der HSV, könnte sich Gemäkel an Herthas spielerischen Mängel wirklich in der Berliner Luft auflösen. Da das nicht der Fall ist, werden die Tribünen des Olympiastadions bald wieder unter Wutanfällen zittern. Das ist so sicher wie die Voraussage für den Hamburger Herbst: Das welke Laub fällt, und die Trainerfrage kommt in die heiße Phase.“

Spielbericht Tsp

Fußball aus Europa: Ergebnisse, Tabellen, Torschützen NZZ

Josef Kelnberger (SZ 23.9.) hat einen feinen, aber entscheidenden, Unterschied ausgemacht. „Diese Lederhosen, diese Trachten, diese vom Oktoberfest abkommandierte Blasmusik, dieses mit Händen zu greifende Mir-san-mir, diese Siegesgewissheit im Lodengewand, das ist sein Bayern in Reinform. Mit einem 3:1 gegen Cottbus und der Tabellenführung mit vier Punkten Vorsprung im Rücken machte er sich am Samstag um kurz vor halb sechs auf den Weg zum Ausgang. „Sie müssen morgen unbedingt gewinnen, bitte“, rief ihm eine Anhängerin mittleren Alters hinterher, schmachtend in ihrem Dirndl. Edmund Stoiber hielt inne, deutete mit dem Daumen zurück aufs Spielfeld und rang sich den Scherz ab: „Es wird genau so ausgehen wie hier.“ Seine Frau kommentierte den Spruch mit einem Lächeln, das irgendwann im Wahlkampf festgefroren sein muss. Gnadenlos zuversichtlich, als wollte sie allerletzte Zweifel weglächeln. Auch der Sachse Michael Ballack gehört jetzt zu dieser bayerischen Familie der Stoibers. Er hat sich in Lederhosen fotografieren lassen, das ist so etwas wie ein Initiationsritus. Ballack zieht die Blicke auf sich, die Herzen fliegen ihm zu. Er schießt entscheidende Tore.“

Michael Horeni (FAZ 21.9.) erkennt eine Analogie. „Tatsächlich haben sich die beiden bekennenden Fußballfans aus Niedersachsen und Bayern in den letzten Wochen ja auch wie Topsportler in einem Trainingslager in Form zu bringen versucht, um bei den beiden politischen Schaukämpfen, Fernsehduelle genannt, entscheidende Punkte zu machen – oder zumindest nicht alle Chancen zu verspielen. Dabei kommt es, wie immer im Fernsehen, weniger auf die Kraft des Arguments noch die konkrete Leistungsbilanz an. Was vor allem zählt, ist der Auftritt, der Star-Appeal, der Sympathiewert. Die Bundestagswahl ist einer Sportlerwahl ähnlich wie selten, und wenn nicht alles täuscht, wird sie sich ihr in Zukunft noch weiter annähern. In den letzten Tagen entledigten sich die Wahlplakate des letzten kleinen Rests an Inhalts und hängen an Bäumen und Laternen wie überdimensionale Autogrammkarten von Sportstars. Wer aber glaubt, im Sport würden, anders als in der Politik, bei den Wahlen allein die objektive Leistung zum Maßstab für die größte Ehre genommen, der erlebt seit vielen Jahren Überraschungen.”

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

1:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft über Serbien und Montenegro

Dem 1:0-Sieg der deutschen Nationalmannschaft über Serbien und Montenegro können die Experten aus der Fußballpresse keine bedeutenden Erkenntnisse entnehmen, war Völlers Equipe schließlich stark ersatzgeschwächt, oder wie Matti Lieske (taz) sie beschreibt: „eine Ansammlung zufällig vorbeigekommener Durchschnittsfußballer, die gerade ein bisschen Zeit hatten, einigermaßen gesund waren und von Völler hinterrücks ein Adlertrikot übergestülpt bekamen? Geschanghaite Matrosen des runden Leders sozusagen.“ Allerdings schlossen sich die Beobachter weitgehend dem Fazit des Teamchefs an, wonach die Nachrücker um Michael Hartmann (Hertha BSC) und Frank Rost (Schalke 04) ihre Tauglichkeit unter Beweis gestellt hätten. Das war nicht immer so, ruft Matti Lieske in Erinnerung. „Seit den chaotischen Zeiten von Erich Ribbeck, als die Spieler sofort alles vergaßen, was sie jemals über Fußball gewusst hatten, sobald sie den Mannschaftsbus des DFB sahen, hat sich in der Bundesliga eine große Menge von begabten Fußballern etabliert, die alle ungefähr gleich gut sind und genau wissen, was sie zu tun haben. Absagen von einem runden Dutzend vermeintlicher Stammkräfte? Pah!“ Auf dem Rasen tat sich allerdings wenig. Der Tagesspiegel notiert: „In den Strafraum kamen die Deutschen selten, sodass die Begegnung als das erste Länderspiel in die Geschichte eingeht, das Deutschland gewonnen hat, ohne sich eine einzige Torchance erarbeitet zu haben.“

In Anbetracht zahlreicher Ausfälle ist Roland Zorn (FAZ 2.5.) mit dem deutschen Spiel zufrieden. „Dem Spielverlauf nach war diese Niederlage nicht verdient, hob deren Trainer Dejan Savicevic hervor und machte sich mit dieser Bemerkung keineswegs einer Sehschwäche verdächtig. Die überaus zweikampforientierten und stets am Rand der Fußball-Legalität ihren Vorteil suchenden Profis aus dem früheren Jugoslawien hatten zweifellos die besseren Torgelegenheiten. Ihr Pech war nur, daß die Deutschen in Frank Rost den besseren Torwart hatten (…) Der Torschütze Kehl, sein Dortmunder Freund und Kollege Torsten Frings und der im Leverkusener Abstiegskampf zum giftigen Fighter mutierte Carsten Ramelow bildeten in der besseren zweiten Halbzeit die stabile Mittelfeldachse des deutschen Spätberufenen- und Debütantenteams. Der Berliner Michael Hartmann feierte mit 28 Jahren eine von ihm selbst kaum für möglich gehaltene Premiere; der Stuttgarter Andreas Hinkel, 21, durfte erwartungsgemäß das erste Mal ran; der Schalker Rost, 29, bekam erst seine zweite Chance wie auch der Stuttgarter Kevin Kuranyi, 21, und der Münchner Löwe Benjamin Lauth, 21. Daran gemessen, kamen sich der vor dem Wechsel beste Deutsche, Arne Friedrich, 23, mit seinen sieben Länderspielen und der Bochumer Paul Freier, 23, mit jetzt acht internationalen Einsätzen schon wie Routiniers vor. Rudi Völler hatte jedenfalls Spaß an diesem Not- und Tugendaufgebot. Das war eine würdige deutsche Nationalmannschaft, lobte er sein engagiertes, couragiertes Team. Völler hatte zuvor nach vielen Absagen nicht mit einer Silbe gejammert und statt dessen darauf gehofft, daß gegen die Serben jugendlicher Eifer fehlende Erfahrung überspielen könne. Der Teamchef behielt mit seiner Einschätzung recht.“

Christof Kneer (FTD 2.5.) hat sich gelangweilt und bezweifelt die Ambitionen des goldenen Torschützen. “ In Bremen hat man ja schon immer gewusst, dass Willi Lemke ein rechter Gutmensch ist. Hat der einstige Manager des SV Werder nicht immer gepredigt, dass die bösen Spieler zu viel Geld verdienen (bevor er ihnen im stillen Kämmerlein bessere Verträge aufdrängte)? Hat er Deutschland nicht gelehrt, wo Gut und Böse sind (Gut ist im Norden und trägt Grün; Böse ist im Süden und spricht Bayerisch)? Wahrscheinlich war es wieder einmal nur Willi Lemke zu verdanken, dass das Land ein bisschen Spaß haben durfte am Mittwoch in Bremen. Alle Schüler, die er finden konnte, hatte Lemke ins Weserstadion bringen lassen, wo die Nachwuchsbremer beim Testländerspielchen folgsam jeden unfallfreien Einwurf von Michael Hartmann hochleben ließen. Man mochte sich lieber nicht vorstellen, was das als brummig bekannte Werder-Publikum mit diesem Spiel gemacht hätte (…) Sebastian Kehl gehörte zur ersten Generation der Superstars 2006, wie Gerald Asamoah, der damals in Bremen ebenfalls als künftiger Weltmeister vom Podium strahlte. Zwei Jahre später gelten beide höchstens noch als bedingt heldentauglich. Längst sind sie zurück aus der Zukunft, längst sind sie wieder in der Gegenwart gelandet. Nur weil ein Dutzend Spieler vom Sport befreit waren, rutschte Kehl in die erste Elf und Asamoah in den Kader. Wahrscheinlich ist dies der Sinn, der in diesem Abend von Bremen steckt. Für ein Spiel hat es Sebastian Kehl noch mal ins Heldenkostüm geschafft, aber gleichzeitig lehrt seine Biografie ein wenig Demut. Niemand kann wissen, ob die zweite Generation der Superstars 2006 – die Kuranyis, Lauths, Raus, Hinkels – tatsächlich in der Zukunft ankommen wird.“

Ralf Wiegand (SZ 2.5.) beleuchtet die Stimmung nach dem Spiel. „Erleichterung war das vorherrschende Gefühl nach Abpfiff einer Partie, die für die Entwicklung des deutschen Fußballs auf dem Weg zur nächsten EM oder WM nicht einmal so wertvoll war wie ein kleines Steak. Eher schon war der anstrengende Pflichttermin ein weiterer Beleg dafür, dass Freundschaftsspiele mitten in der Saison nur noch eine Gefahr für das Image der Auswahl darstellen. Das Publikum rennt dem Verband schon lange nicht mehr die Bude ein für Gegner wie Serbien und Montenegro; die von Abstiegskampf oder Uefa-Cup-Rennen geplagten Spieler verlangen nach Regeneration, weswegen Völler die Trainingsintensität auf das Minimum von zwei leichten Einheiten in zwei Tagen runterfahren musste; und die Vereine möchten ihre Spieler gefälligst gesund zurück, um sie in die diversen Existenzkämpfe der Liga schicken zu können. Die Erwartung aber an die derart gefesselte Nationalelf bleibt immer die gleiche: gefälligst zu gewinnen, wenn möglich entfesselt schön.“

Jan Christian Müller (FR 2.5.) fasst die Reaktionen des Teamchefs zusammen. „Rudi Völler, nach Niederlagen gegen die Niederlande und Spanien und kargen Vorstellungen in Bosnien, gegen die Färöer und Litauen, unversehens in die Defensive geraten, nutzte den bestimmt nicht leicht erkämpften Erfolg zur PR-Offensive für den zwangsweise runderneuerten Vize-Weltmeister. Sehr, sehr zufrieden sei er, eine würdige deutsche Nationalmannschaft und gute Kombinationen habe er gesehen, mit den beiden Neulingen Michael Hartmann (abgezockter Hase) und Andreas Hinkel (tolles Debüt). Wahrscheinlich muss man Verständnis für den Überschwang des Teamchefs haben, der vor lauter Absagen kaum dazu gekommen war, Christian Wörns mitzuteilen, er sei ausnahmsweise mal Mannschaftskapitän. Natürlich hätten die zwecks Auffüllung des Weserstadions in Massen in die Arena gelockten Schulkinder lieber Kahn und Ballack gesehen als Rost und Kehl. Aber, sagte Völler ohne Groll, die Zeiten hätten sich eben gewandelt. Ein Bundestrainer besitzt schon längst nicht mehr die Macht, in der Endphase der Saison für Testspiele Anspruch auf einen proppevollen Kader anmelden zu dürfen. Berti Vogts hatte das nie verinnerlichen können, auch Erich Ribbeck hatte regelmäßig gestöhnt, er habe zu wenig Zeit zum Üben mit den Nationalspielern. Völler dagegen ist schlau genug, sich angesichts der angespannten Haushaltslage bei vielen Clubs auch mal klaglos zu unterwerfen.“

Matti Lieske (taz 2.5.) teilt dazu mit. “Man hatte Rudi Völler seit der leicht märchenhaften WM glücklich gesehen nach Niederlagen (gegen Holland), grantig nach Siegen (gegen Färöer) und vergrätzt nach Unentschieden (gegen Litauen). Diesmal war er ausnahmsweise mal richtig zufrieden nach einem Sieg, auch wenn das Match wahrlich kein berauschendes war. Der Gegner präsentierte sich sehr defensiv, technisch stark, robust in der Abwehr und einigermaßen ungefährlich vor dem Tor – typisch jugoslawisch, hätte man früher wohl gesagt (und Völler auch heute noch gern). Gemessen am letzten Treffen 1998 in Lens bei der WM, wo die Jugoslawen das Vogts-Team eine Stunde lang schwurbelig spielten, um dann noch einen 2:0-Vorsprung zu verplempern, wirkte dieses Match jedoch wie ein Federgewichtsboxkampf gegen einen Schwergewichtsfight. Saubere, schnelle Aktionen, solide Fußarbeit, gute Deckung, aber kaum Höhepunkte, null Schlagwirkung und kein Grund, irgend jemanden anzuzählen. Nicht einmal die zaghaften Versuche von Ramelow und Frings, den Nickligkeitsfaktor etwas in die Höhe zu treiben, waren von Erfolg gekrönt, wohl, weil auf der Gegenseite Altekel Sinisa Mihajlovic nicht mit von der Partie war. Beim Boxen hätte es ein Remis geben, weil es aber Fußball war, reichte es zu einem 1:0-Punktsieg.“

Jörg Marwedel (SZ 2.5.) gratuliert Michael Hartmann zu seinem ersten (und letzten?) Länderspiel. „Hartmann, Michael, geboren am 11.7. 1974, Verein: Hertha BSC Berlin, 1 A-Länderspiel. So wird es fortan und mutmaßlich für immer in den Annalen des Deutschen Fußball-Bundes stehen. Michael Hartmann durfte gegen Serbien und Montenegro dabei sein, weil DFB- Teamchef Rudi Völler ihn für einen „abgezockten Hasen im Fußballgeschäft“ hält, sein stärkerer Fuß der linke ist, womit er einer Minderheit unter den Bundesbürgern angehört (…) Es gab schon viele Nutznießer nutzloser Länderspiele, schneller und unverhoffter als Hartmann aber sind nur wenige ins Adler-Trikot geschlüpft. Allerdings hat das Kuriositätenkabinett des DFB noch andere Schnell-Karrieren zu bieten. 1971 etwa kam der bis dato wackere Amateur-Auswahlspieler Hartwig Bleidick beim 2:0 gegen Albanien zu seinem Debüt – Sekunden vor dem Schlusspfiff löste er seinen Gladbacher Kollegen Berti Vogts ab und wurde Nationalspieler, ohne nur einmal den Ball berührt zu haben. Oder Frank Ordenewitz, später bekannter als „Otze“. Weil sich kein anderer fand, begab sich der nachnominierte Stürmer für seine beiden einzigen Einsätze auf eine 84 Stunden dauernde Odyssee – von Bremen via Tiflis (wo sein Klub Werder Bremen noch ein Uefa-Cup-Spiel hatte) über Constanza, Hannover, Bremen, Frankfurt, Rio de Janeiro bis Brasilia, wo er dann neun Minuten mithelfen durfte, ein 1:1 gegen Brasilien zu erkämpfen. In Rio hatte Ordenewitz übrigens wegen eines Fluglotsenstreiks noch übernachten müssen. Lustig auch die Nationalelf-Vita des Bremers Günter Hermann, des Weltmeisters von 1990, der nie spielte. Nein, falsch: Zweimal durfte er, zuletzt vor der WM in Italien bei der legendärsten Auswechselorgie, die je im Namen des DFB veranstaltet wurde, dem 1:0 gegen Dänemark in Gelsenkirchen. Inklusive Hermann gewährte der Teamchef Franz Beckenbauer 21 Profis Länderspielehren. Zu denen kam schließlich vor zwölf Monaten, im gesegneten Alter von 33 Lenzen, auch noch Martin Max. Der Bundesliga-Torschützenkönig der Münchner Löwen, von einigen Medien vehement gefordert, durfte sich beim WM- Test gegen Argentinien (0:1) sieben Minuten vergeblich als Torjäger versuchen, dann sah sich Teamchef Völler in seinem Vorurteil bestätigt und schickte ihn wieder heim.“

„Uli Stielike ist neuer Trainer der U 21 und feiert mit dem 3:2 gegen Serbien und Montenegro einen prächtigen Einstand“ SZ

(30.4.)

Vor dem Spiel

Frings unersetzlich

Roland Zorn (FAZ 30.4.) porträtiert einen Rückkehrer an alte Wirkungsstätte. „Wenn Rudi Völler dieser Tage über Torsten Frings spricht, wird er zum Schwärmer. Er ist in der Nationalmannschaft und bei Borussia Dortmund fast nicht zu ersetzen, sagt der Teamchef des Deutschen Fußball-Bundes, ohne sich der Lobhudelei verdächtig zu machen. Und dann beschreibt Völler das Besondere an diesem flächendeckend agierenden Mittelfeldspieler. Torsten ist auf vielen Positionen einsetzbar und ist auf diesen vielen Positionen richtig gut. (…) Frings hat zeit seiner Karriere anstehen und Geduld beweisen müssen. Der Junge aus der Gegend von Aachen – dort ist er noch immer als Präsident und Trainingsgast des Kreisligavereins SSG Zopp aktiv – wurde nie in eine deutsche Jugendauswahl berufen und brachte es nur bis in die Mittelrheinmannschaft. Leistung setzt sich am Ende immer durch, sagt Frings heute um so überzeugter. Der früher leichtgläubige Spieler mußte seinen größten Rückschlag in seiner sonst schönen Zeit bei Werder Bremen ertragen, als Felix Magath sein Trainer war. Mit ihm hatte ich riesige menschliche Probleme, weil er mir das Vertrauen entzog und mir sagte, ich könne nicht Fußball spielen. Inzwischen haben sich die beiden, auch weil sich jeder auf seine Weise bemerkenswert weiterentwickelt hat, ausgesprochen und versöhnt. Der vielseitige Frings, der am liebsten aus dem zentralen defensiven Mittelfeld agiert, war damals, im Frühjahr 1999, tief getroffen. Erst als Magath gehen mußte und Thomas Schaaf kam, blühte er so auf, daß er auch für Völler und Dortmund zu einem Spieler mit überaus reizvollen Perspektiven wurde. Gerade weil der emotionale und introvertierte Frings ohne Allüren Schritt für Schritt Karriere machte, hat er nur wenig Verständnis für die Blitzkarrieren so mancher Jungnationalspieler. Im Moment ist es viel zu leicht, in die Nationalmannschaft zu kommen, sagt der auf dem Platz aggressive Lebensgeduldsspieler.“

Ralf Wiegand (SZ 30.4.) wundert sich über den Berliner Neuling Hartmann. „Manchmal glaubt man, alles zu wissen über den deutschen Fußball. Kennt jeden Stammspieler für jede Position und auch deren Ersatz. Denkt, nicht mehr überrascht werden zu können. Und dann meldet sich Christian Ziege, die Nummer eins für die linke Außenbahn der Nationalmannschaft, für Monate in den Krankenstand ab, fällt Tobias Rau, die mögliche Nummer zwei, einer Hüftprellung zum Opfer, können die Masseure bei der Nummer drei, Jörg Böhme, einen Bluterguss nicht mehr rechtzeitig aus der Wade streicheln – und schon ist Fußball wieder ein großes Rätsel: Warum nur sind Spieler mit einem linken Fuß, der zu mehr taugt als einer ordentlichen Statik des Zwei-Säulen-Bauwerks Mensch, in Deutschland so selten wie Orchideen auf einer Giftmülldeponie? Bis zur Beantwortung dieser Frage behilft sich Rudi Völler mal wieder mit dem Griff in die Wundertüte und zaubert Michael Hartmann hervor, der als 21. Neuling seiner Ära am heutigen Mittwoch gegen Serbien und Montenegro zum Einsatz kommen wird. Der Berliner, als 28-Jähriger ein Sehr-Spät-Berufener, komplettiert ein Mosaik, das Teamchef Völler mühsam um die traurigen Reste seines furiosen WM-Kaders anno 2002 gelegt hat. „Wie viele sind denn morgen noch dabei, die im WM-Finale standen?“ fragte sich Torsten Frings gestern und zählte nach: er selbst, Carsten Ramelow, Miroslav Klose und Gerald Asamoah. Der Wandel ist scheinbar die einzige Konstante des DFB-Teams.“

Gemma Pörzgen (Tsp 30.4.) beschäftigt sich mit dem Gegner der DFB-Equipe. „Fußball ist neben Basketball der populärste Sport, doch über lange Zeit blieben die Erfolge aus. Schuld daran ist vor allem der wirtschaftliche Abstieg des Landes. Begabte junge Spieler wandern ins Ausland ab, wo sie mehr Geld verdienen. Wegen der Sanktionspolitik in den Neunzigerjahren fehlte es an ernst zu nehmenden Gegnern. Auswärtsspiele fanden lange nicht mehr statt – und wenn, dann nur gegen China oder Rumänien. Bis heute konnte sich der serbische Fußball nicht so recht vom Negativ-Image befreien. Immer wieder gab es Randale. Im Parlament wird demnächst ein neues Sportgesetz verabschiedet, das härtere Strafen gegen Hooligans vorsieht. Im August vergangenen Jahres waren die Spieler von Bayern München in der Qualifikation zur Champions League gegen Partizan Belgrad noch mit Gegenständen beworfen worden. Zur Strafe mussten die Serben ihr nächstes Heimspiel vor leeren Rängen austragen.“

Stefan Osterhaus (BLZ 30.4.) ruft in Erinnerung. „Es war in den Jahren von 1986 bis 1992, und Jugoslawien galt Anfang der neunziger Jahre als das Team mit den stärksten Individualisten des Erdballs, jene wunderbaren Fußballer, die 1987 in Chile Junioren-Weltmeister wurden, von denen manche in der Mannschaft Roter Stern Belgrads spielten, die 1991 den Europapokal der Landesmeister gewann. Bald wurden sie nur als die Goldene Generation etikettiert – eine plakative, aber treffende Umschreibung, denn beinahe alle vermochten ihr Können in lukrative Vertäge umzuwandeln. Der Dribbler Savicevic, in seinen Aktionen intuitiv wie kaum ein Zweiter, ging ebenso wie der Organisator Zvonimir Boban zum AC Milan; der Gestalter Robert Prosinecki wechselte zu Real Madrid, der Kunstschütze Dragan Stojkovic zu Olympique Marseille. Die Möglichkeit, einen Welt- oder Europameistertitel zu gewinnen. wurde ihnen genommen. 1992, nach dem Ausbruch des Bürgerkrieges, bannte der europäische Fußballverband Uefa den Jugoslawien von der EM in Schweden.“

(29.4.)

Torwartwechsel

Im morgigen Spiel gegen Serbien-Montenegro (Bremen 20.45h) steht ein Torwartwechsel bevor. Nicht weil Oliver Kahn noch immer Kopfhörer trägt, sondern wegen einer Verletzung wird er fehlen. Da auch Jens Lehmann nicht spielen kann, wird der Schalker Frank Rost sein Debüt geben. Jan Christian Müller (FR 29.4.) kommentiert. “Rost, ganz bestimmt nicht auf den Mund gefallen, will aber partout nicht sagen, ob er die Entwicklung als Beförderung ansieht, nachdem er sich doch mächtig geärgert hatte, nicht mit nach Japan düsen zu dürfen. Das Finale hat er sich an seinem 30. Geburtstag mit Kumpels in seiner alten Heimat Leipzig in einer Kneipe angeschaut und kurz danach im kicker-Interview mitgeteilt, der Kahn-Hype sei ja wohl ein wenig übertrieben, es gebe noch ein paar andere gute Torhüter in Deutschland. Worauf Bundestorwart-Trainer Sepp Maier öffentlich entgegnete, die Bratwurst Rost solle, bitte schön, die Klappe halten und Bild tags darauf eine frisch gegrillte Rostbratwurst im Naturdarm abbildete. Wenn ich gewusst hätte, was daraus wird…, sagte Rost gestern, ich sage zwar gerne meine Meinung, ich bin aber beileibe kein Masochist. Also sagt er jetzt brav Dinge wie ich freue mich, dabei zu sein oder ich will diese Einladung rechtfertigen. Kein Nachkarten, dass der nette Herr Butt bei der WM dabei war und nicht der aufbrausende Rost. Obwohl, ich wäre gern dabei gewesen. Ganz schön frech. Für einen wie Rost, der nach zehn weitgehend gemächlichen Jahren in Bremen eigener Auskunft zufolge noch immer staunend mit offenem Mund durch das extrovertierte Schalker Gefühlsleben taumelt, ist Serbien-Montenegro eine Chance, wenn auch im mächtigen Schatten von Kahn eine weitaus kleinere als jene, die vor zwölf Monaten Torsten Frings wahrgenommen hat. Frings galt damals als gut-durchschnittlicher Bundesligaspieler mit Ambitionen für die Zeit nach der WM und durfte beim 4:2 gegen die USA nur mitspielen, weil – zufällig im April – 14 andere abgesagt hatten. Seitdem ist er Stammspieler bei Völler. April, April. Der Teamchef zieht solche tugendhaften Beispiele gern heran, um die alle Jahre wiederkehrende Diskussion über Sinn und Unsinn solcher internationaler Freundschaftsspiele im April abzumildern.“

Bundessprücheklopfer

Ralf Wiegand (SZ 29.4.) schreibt zum selben Thema. „Sogar dem grundsätzlich gut gelaunten Rudi Völler („schönen guten Tag erst mal alle miteinander“) fehlte der richtige Zugang zu einem Spiel, das keiner braucht. Die Bundesliga hat ihre schwerwiegendste Entscheidung, die über den Deutschen Meister, gerade getroffen, andere existenzielle Weichenstellungen sind in vollem Gange, die Spieler dementsprechend von Glückshormonen bis in die Ellbogen überschwemmt (FC Bayern), von Angst gepeinigt (Leverkusen) oder einfach nur müde. Sogar Frank Rost versicherte glaubhaft, sein Einsatz überrasche ihn „total“ – trotz einer gewissen Logik nach den Absagen von Kahn und Jens Lehmann. Der Torwart gab an, seine Nominierung für die erste Elf habe jäh den Prozess der Spielverarbeitung unterbrochen – Schalke unterlag Bochum 1:2 –, „das dauert normalerweise eine ganze Woche“. Wo ist da Platz im Kopf für Serben und Montenegriner (…) Die Heimkehr des Frank Rost, vor seinem Wechsel nach Schalke zehn Jahre lang bei Werder Bremen beschäftigt, ist eine andere. Der Torwart steht geradezu exemplarisch für jene zweite Garde, die nur in solchen Spielen eine Chance erhält, in denen das Establishment pausiert. Rosts letzte Schlagzeilen im Zusammenhang mit dem DFB-Team waren daher auch keine sportlichen, sondern eher kulinarische. Als „Rost-Bratwurst“ hatte Bild den nicht für die WM berücksichtigten Keeper gegrillt, nachdem BTT (Bundestorwarttrainer) und BSK (Bundessprücheklopfer) Sepp Maier den Rat an Rost übermittelt hatte, „die Bratwurst soll den Mund halten“. Rost hatte nach der WM kritisiert, die Glorifizierung von Oliver Kahn setze das Leistungsvermögen der anderen Torsteher ungebührend herab. Rost hat sich mit Kahn inzwischen ausgesprochen, mit Maier „kein Problem“, und überhaupt: Die Rostbratwürste im Weserstadion gehören zu den leckersten der Bundesliga.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Perspektiven des 1. FC Kaiserslautern

Zu den Perspektiven des 1. FC Kaiserslautern heißt es bei Peter Heß (FAZ 28.11.). „Die Pfälzer Institution kann als Fallbeispiel dafür dienen, wie sich in Rekordzeit ein funktionierendes Unternehmen der Unterhaltungsindustrie selbst hinrichtet. Vor einem halben Jahr galt der FCK noch als Vorzeigeklub: Dann verspielte die Mannschaft die Beteiligung am internationalen Fußballgeschäft, und die Vereinsführung entwickelte zu ehrgeizige Pläne bei der Stadionerweiterung für die WM 2006. Dazu kamen Einnahmeausfälle durch die Kirch-Krise – und fertig waren die Rahmenbedingungen für den Untergang. Zunächst schien die Entwicklung aufzuhalten zu sein. Ministerpräsident Kurt Beck gewährte indirekt Finanzhilfe, ganz direkt schlichtete er den Streit im Verein. Mit Jäggi wurde ein neuer starker Mann gefunden, des weiteren ein unbelasteter Aufsichtsrat und mit Erik Gerets ein Trainer von hoher Reputation. Nach der Mitgliederversammlung vor einigen Wochen fehlten nur noch ein paar Siege, und alles wäre gut geworden. Doch nein, die Mannschaft verlor weiter, rutschte ab bis zum letzten Platz. Die so mühsam geschaffene Basis für die Zukunft brach in sich zusammen.

Interview mit Giovane Elber SZ

Interview mit Thomas Hitzlsperger, deutscher U-21-Nationalspieler von Aston Villa SZ

Klaus Allofs, Sportdirektor Werder Bremen Welt

Wolfgang Hettfleisch (FR 29.11.) bemerkt zur Finanzkrise in Italiens Fußball. „Die ansteckende Krankheit, die Italiens Profifußball auszuzehren droht, wäre eigentlich mit einer simplen Rosskur zu beheben: Die Kosten müssen runter. Fast alle Klubs leben über ihre Verhältnisse, leisten sich Spieler, die sie sich in Wahrheit nicht leisten können. Zuletzt kamen die Klubchefs, die zuvor – im Wortsinn ohne Rücksicht auf Verluste – am Millionenkarussell gedreht hatten, um die Wahrheit nicht mehr herum: Nur wenn die Spielergehälter dramatisch gekürzt würden, gestand Serie A-Boss und Berlusconi-Intimus Adriano Galliani ein, sei ein finanzielles Desaster noch abzuwenden (…) Sicher, die Abkehr von der Großmannssucht wird kein Vergnügen. Topstars könnten nach Spanien oder England abwandern, wo Klubs wie Real Madrid oder Manchester United weiterhin willens und in der Lage sind, fast jeder Gagenforderung nachzukommen. Aber es gibt auch ermutigende Hinweise, dass, wer kleinere Brötchen backt, nicht zwangsläufig den sportlichen Untergang heraufbeschwört. Chievo Verona hat in der vorigen Spielzeit als Aufsteiger die Serie A mit bescheidenem Etat aufgemischt. Und die Totenglöckchen, die Lazio Rom vor dieser Saison geläutet worden waren, weil der ruinierte Hauptstadtklub die Stars Nesta, Crespo und Mendieta verkaufen musste, sind inzwischen verstummt. Die Mannschaft, deren Spieler seit Monaten kein Geld bekommen, ist seit 14 Spielen ungeschlagen und rangiert auf dem dritten Tabellenplatz.“

Zweite Liga

Christoph Biermann (SZ 27.11.) porträtiert den 1. FC Köln. „Immer mehr hat sich das Team in den letzten Monaten zu einem Abbild seines Trainers entwickelt. Vor dem Spiel gegen Freiburg stilisierte Funkel den 1.FC Köln zum Außenseiter und hielt neunzig Minuten lang an einer Underdog- Taktik fest. Tief gestaffelt ließen sie kaum eine Chance der Gäste zu und brachten den frühen Führungstreffer über die Zeit. Schön anzusehen war das nicht, aber darüber braucht man mit Funkel nicht zu debattieren. Mit allem Recht kann er auf die Tabellenführung verweisen (…) Ob daraus Liebe wird, ist fraglich. Stets hat man das Gefühl, als gäbe es zwischen Klub und Trainer nach wie vor ein kulturelles Missverständnis. Funkel hat als Spieler in Kaiserslautern und Uerdingen sowie später als Coach in Uerdingen, Duisburg und Rostock stets Arbeit und Kampf in den Mittelpunkt seiner Weltsicht gestellt. Auf diese Weise hat er aus wenig mehr herausgeholt. In Köln ist das nicht anders. Das honoriert auch das Publikum in Müngersdorf, doch anders als in Uerdingen oder Duisburg gibt es eine tief verwurzelte Sehnsucht nach Eleganz, Glamour und dem Besonderen. Auch Ewald Lienen predigte einen unkölschen Arbeitsethos, erreichte durch seine Exzentrik aber das Herz der rheinischen Fans. Das hat Funkel noch nicht geschafft, und es widerstrebt ihm offensichtlich, darum zu buhlen. Friedhelm Funkel glaubt aus Überzeugung, dass gute Arbeit und Erfolge ausreichen – doch in Köln ist das nur die halbe Wahrheit. Vielleicht war auch deshalb vom DSF ein zutiefst symbolischer Akt inszeniert worden. Udo Lattek überreichte Funkel den blauen Pullover, den er vor 15 Jahren als Sportdirektor beim 1. FC Köln zum Glücksbringer geadelt hatte. Zehn Spiele lang war die Mannschaft damals ohne Niederlage geblieben, und der Pulli hatte sogar einen Platz in der großen Fußballausstellung zum hundertsten Geburtstag des DFB gefunden. Funkel nahm höflich dankend an, machte aber den Eindruck, als könne er noch hundert Spieleungeschlagen bleiben, ohne ein historisches Textil zu hinterlassen.“

Erik Eggers (taz 27.11.) berichtet vom hart erkämpften 1:0-Heimsieg der Kölner über Konkurrent Freiburg. „Obwohl der sofortige Wiederaufstieg in die Eliteklasse winkt, sind die Kölner Fans, wie nicht nur die zweite Halbzeit gegen das spielstarke Freiburg zeigte, mit vielen Details unzufrieden. Zum Beispiel mit der für ihren Geschmack zu destruktiv-defensiven Spielweise der Mannschaft. Die taktische Marschroute nach dem frühen 1:0, hat Trainer Friedhelm Funkel hinterher erklärt, sei schlicht nötig gewesen, um den schnellen Freiburger Stürmern keinen Platz zu bieten. Auch war Funkel sichtlich stolz darauf, den Gästen aus dem Spiel heraus nicht eine einzige Chance zugestanden zu haben. Beachtlich, fand er das. Die Kölner Fans aber hassen derlei kühle, professionelle Analysen. Viel lieber zelebrieren sie eine fast schon beängstigende Ästhetik des Niedergangs, so wie am vorletzten Spieltag der letzten Saison, als der FC trotz des 2:0-Sieges gegen den SC Freiburg abgestiegen war. Der Kölner an sich, und speziell der Fußballfan, besitzt eben einen ausgeprägten Hang zur systematischen Selbstdemontage, und er verabscheut jegliche Verbissenheit. Deswegen wird auch Trainer Funkel seit seinem Amtsantritt im Frühjahr mehr als argwöhnisch beobachtet: Weil er wie kein anderer diese verachtete protestantische Arbeitsethik im Sinne Max Webers verkörpert. Weil er Arbeit als Grundlage allen Erfolgs betrachtet. Weil er, um es kurz zu machen, kein Messias ist.“

Wolfgang Brück (FR 27.11.) über die geplatzte Mannheimer Fusion. „Im Grunde war das geplante Bündnis von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Über die Köpfe der Mitglieder hinweg hatten die Vorstände und der Stromversorger MVV Energie AG als Sponsor die Ehe beschlossen, um die Kräfte im seit Jahren Not leidenden Mannheimer Fußball zu bündeln. Ein Kurzschluss. Denn die Vereine passen nicht zusammen und piesackten sich auch als Brautleute gewaltig. Der VfR ist 1949 nur Deutscher Meister geworden, weil die anderen alle in Kriegsgefangenschaft waren, spottete ein Waldhöfer. Der SV Waldhof hat verloren, der Tag ist gerettet, war am Rande eines VfR-Spiels zu hören – der Ex-Regionalligist ist inzwischen in der A-Klasse gelandet. Da half auch die Millionen-Spritze der MVV nichts, die den VfR vor dem Konkurs und den Waldhof vor dem Lizenzentzug bewahrt hatte. Nach dem Scheitern will der Sponsor nun aussteigen. Wie bei rund elf Millionen Euro an Verbindlichkeiten die Waldhöfer eine neue Lizenz kriegen wollen, ist schleierhaft. Bei einem Abstieg ist der Absturz in die Oberliga wahrscheinlich.“

Peter Schmitt (SZ 27.11.). „Der FC Schweinfurt 05 ist eine fränkische Fußballinstitution wie sonst nur noch der 1. FC Nürnberg. Von 1933 bis 1963 spielte der FC 05 in der höchsten deutschen Liga.“

Peter Ehrenberg (Welt 27.11.) schreibt. „Leider gehört die Klage über eine Dominanz ausländischer Sportler zur stetig wiederkehrenden Stammtischparole, die Chancenlosigkeit deutscher Nachwuchshoffnungen zu erklären. Sie ist nicht nur falsch, sondern dazu ärgerlich, weil gefährlich; bestätigt sie doch scheinbar die bei vielen vorhandenen Ressentiments. Den Fehler machen nicht Ausländer, die mit Toren ihre deutschen Kollegen weder um Gestaltungsmöglichkeiten noch Arbeitsplätze bringen. Wer sich mit 24 noch nicht gegen seine Konkurrenten durchsetzen konnte, hat in der Bundesliga kaum etwas verloren. Den Fehler machen auch nicht die Trainer oder Manager, die schließlich im Profigeschäft zum Erfolg verpflichtet sind und darum nur die besten Spieler einsetzen und holen. Den Fehler machen auch nicht die Klubs. Wenn sich dort nicht die vielen ehrenamtlichen Helfer intensiv um die Jugend kümmern würden, sähe die Zukunft noch viel ärmer aus. Den Fehler macht auch nicht der Deutsche Fußball-Bund, der vielmehr zehn Millionen Euro in die Nachwuchsförderung investiert, um den eigentlichen Fehler auszugleichen, den die Politik zu verantworten hat: die Misere im Schulsport, wo schließlich immer noch die Grundlage jeder Karriere gelegt werden sollte.“

ARD zahlt trotz großer Bedenken für Radio-Reportagen von der Bundesliga SZ

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Borussia Dortmund – Real Madrid 1:1

Martin Hägele (NZZ 26.2.) berichtet von einem hinreißenden Spiel. „Die Dortmunder schienen ihre Lektion aus dem Hinspiel gelernt zu haben: Man darf den Harlem Globetrotters des Fussballs keinen Platz lassen – eine Order, die vor allem Metzelder gegen Roberto Carlos, Reuter gegen Zidane und der junge Franzose Madouni gegen Raul, das Schreckgespenst des deutschen Fussballs, höchst konzentriert befolgten. Und da sich auch der grosse Figo nicht entscheidend in Szene setzen konnte, schien das Konzept von Coach Matthias Sammer aufzugehen: „Lasst sie nicht zaubern, setzt sie selber unter Druck.“ Wobei sich besonders Frings hervortat. Der deutsche Nationalspieler, der sonst immer die Drecksarbeit für den jungen, genialen Regisseur Rosicky erledigen muss, durfte wegen einer Oberschenkelverletzung des Tschechen selbst an die zentrale Schaltstelle – er erledigte seinen Wunschjob mit Bravour. – Wahrscheinlich werden sie im Westfalenstadion noch lange von dieser Partie träumen, endlich einmal ein Spiel mit K.-o.-Charakter. Und für Jens Lehmann, am vergangenen Wochenende im Revier- Derby mit Schalke 04 wegen seiner Unbeherrschtheit noch der Buhmann, nun die Gelegenheit zu zeigen, dass er zu den weltbesten Keepern gehört. Dreimal kam es zum Duell zwischen dem „Weltfussballer des Jahres“ und dem Dortmunder Goalie – jedes Mal bewies der Kerl in dem orangen Sweater die besseren Nerven. Lehmanns Kollegen aber passierte im Finish das, was sie schon in Madrid erlebt und was Metzelder damals mit „Puls 200“ beschrieben hatte. Die „Königlichen“ bekamen die Partie unter Kontrolle, Zidane und Co. nahmen die gelb-schwarzen Kämpfer in den „Schwitzkasten“, und denen ging zusehends die Luft aus. Lediglich Ewerthon und Koller besassen noch die Kraft, ein paar entlastende und obendrein gefährliche Konter zu starten. So war es am Ende eines phantastischen Fussballspiels und eines offenen Schlagabtauschs eine reine Glaubenssache. Hatten die Deutschen dank ihrer Moral, Kampfkraft und Geschlossenheit diesen Sieg verdient, oder wäre auf Grund der Steigerung Reals im zweiten Abschnitt nicht ein Remis gerecht gewesen? Ein 20-Jähriger namens Portillo beendete alle theoretischen Gedankenspiele.“

Roland Zorn (FAZ 27.2.) beschreibt die entscheidende Szene. „Da hatten sich die spielenden Borussen am Dienstag abend bis in die Nachspielzeit darauf verlassen können, daß ihnen Torhüter Jens Lehmann mit einer nicht anders als sensationell zu bezeichnenden Paradenpalette den Rücken frei hielt, während der Torwart sicher sein konnte, daß seine Vorderleute mit einer in dieser Saison nie gesehenen Inbrunst ihren schmalen Vorsprung verteidigen und behalten würden. Und dann passierte es doch: Eine Verquickung ärgerlicher Fehler und vielleicht auch folgenschwerer Fehlentscheidungen brachte die Dortmunder um einen hohen Lohn. Ein Sieg, und sie wären dem Erreichen des Viertelfinales sehr nah gewesen. Zurück zur zweiten Minute der Nachspielzeit, als das Verhängnis für den BVB seinen Lauf nahm. Amoroso, in der 90. Minute für den mit Wadenkrämpfen ausgeschiedenen Dédé eingewechselt, lief sich wie immer in den vergangenen Wochen bei dem Versuch eines Dribblings fest. Reina, in der 87. Minute für Ewerthon gekommen, versuchte dem unglückseligen Brasilianer auch noch zu helfen, obwohl der bisher nur als Stürmer bekannte Deutsch-Italiener von Sammer zum Verteidiger der linken Seite bestimmt worden war. Damit war endlich freie Bahn für Real. Amoroso, mehr noch Reina hatten sich in ihrer Arglosigkeit wie zwei ballhungrige Schüler angestellt und dabei die Gefahr, die von einer Weltklasseauswahl wie Real Madrid jederzeit ausgeht, glatt übersehen. Aber auch der Trainer selbst dürfte sich im nachhinein gefragt haben, warum er den davor unerschütterlich konzentrierten Dédé trotz dessen Wadenkrämpfen herausnahm oder ihn nicht durch dessen Bruder Leandro, der auf Dédés Position spielen kann, ersetzte. Statt dessen kam der zuletzt zum laufenden Dortmunder Ärgernis gewordene Amoroso, während der als Stürmer zu unvorhersehbaren Solotouren neigende Reina auf der linken Abwehrseite dicht machen sollte. Das Thema Amoroso bleibt auf der Dortmunder Tagesordnung, das Thema Champions League könnte schon bald eine Episode von gestern sein.“

Felix Meininghaus (FTD 27.2.) ist vom Dortmunder Spiel angetan. „Dabei hatten die Dortmunder über weite Strecken agiert wie Sieger: Vor allem in der ersten Hälfte, als sie Real mit aggressivem Pressing überfielen und zum Führungstor durch den in diesen Wochen stets überragenden Jan Koller kamen. Die Männer in Schwarz-Gelb umschwirrten das weiße Ballett wie ein wild gewordener Bienenschwarm. Wo immer ein Spieler von Real angespielt wurde, waren schon ein, zwei oder auch drei Dortmund der zur Stelle, um zu stören. Der BVB betrieb sein Spiel mit einer Intensität, wie sie in Fußballarenen nur ganz selten zu sehen ist. Als BVB-Kapitän Stefan Reuter kurz nach Anpfiff den Weltstar Ronaldo abgrätschte und die tobende Südtribüne nach dem Tackling mit geballter Faust grüßte, war das wie ein Fanal: Heute Abend gibt es nur Vollgas. Die Befürchtungen, solch eine Gangart sei nicht über die gesamte Spieldauer durchzuhalten, bestätigten sich nach dem Seitenwechsel. Immer größer wurde der Druck durch die außergewöhnlichen Individualisten in den Reihen Real Madrids, immer schwieriger das Unterfangen der Gastgeber, das Spiel vom eigenen Tor fern zu halten. In der letzten halben Stunde geriet die Partie für den BVB zur reinen Abwehrschlacht. Die hätte Borussia mit großem Kämpferherzen und Torwart Jens Lehmann in Weltklasseform beinahe erfolgreich bewältigt.“

Freddie Röckenhaus (SZ 27.2.) meint dazu. „Die Leidenschaft des Spiels hatte freilich schon vor der Schlüsselszene ihren Tribut gefordert. Mit Blick auf die Tabellen-Konstellation und das Führungstor des erneut grandiosen Jan Koller war Madrids Ensemble gezwungen, bedingungslos alles zu mobilisieren. „Es war das schwerste Spiel der Saison“, adelte Zidane später die Leistung der Borussen. Reals Mannschaft spielte am Limit ihrer eigenen Möglichkeiten – und immer noch mit einer bemerkenswerten Abgeklärtheit. Dortmund dagegen rieb sich am Gegner auf, die größeren spielerischen Möglichkeiten der Madrilenen auf zahllosen Laufwegen kompensierend. Stefan Reuter und Frings wüteten geradezu, um das gnadenlos rasante Pass-Spiel von Real zu stören. Doch Dortmund gelang es nicht, die sich mehrenden Blößen in Madrids Abwehr für den einen, entscheidenden Konter zu nutzen.“

vor dem Spiel Hinspiel

Weitere Spiele

Die NZZ (27.2.) berichtet das Remis in Mailand. “Keine Tore, kaum Torchancen, viele Fehler – nein, berauschend war der Schlager der Gruppe A zwischen Internazionale und Barcelona beileibe nicht. Erstmals in der Fussballgeschichte trennten sich ein spanischer und ein italienischer Klub torlos, kein Ruhmesblatt im 56.Vergleich dieser beiden Fussballtraditionsländer. Die Statistik besagt auch, dass Barcelona nunmehr seit zwölf Europacup-Partien in Folge ungeschlagen bleibt, den angestrebten, noch von keinem Team erreichten 12.Sieg de suite aber verpasste. Dennoch überzeugten die Spanier im Gegensatz zu den ungestüm angreifenden, zur Gala forcierten Mailändern wie schon im Hinspiel punkto Technik, Spielkultur und Dynamik und standen im Finish auch dem Sieg näher. Im Gegensatz zum Fussball als Spektakel gab es wenigstens im Hinblick auf die Viertelfinal-Qualifikation keinen Verlierer. Innert dreier Wochen ist die Stimmung in Barcelona völlig umgeschlagen. Der neue Besen, der serbische Trainer Antic, hat den vielen Staub beseitigt. Ein Haufen von Versagern scheint sich aus dem Nichts in ein strahlendes Ensemble verwandelt zu haben.“

Spielbericht Deportivo La Coruna – FC Basel (1:0) NZZ

Weltenbummler auf der Trainerbank führt Wisla Krakau zum Uefa-Cup-Höhenflug NZZ

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