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Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

Ballschrank

Das Auge David Beckhams

Die englischen Fußballfans interessierten sich nach dem Schlusspfiff dann auch wieder mehr für die kuriose Geschichte um die Augenverletzung von David Beckham, als für die Tabellensituation in der Champions-League, wenngleich Manchester mit der maximal Ausbeute von neun Punkten aus drei Zwischenrundenpartien einsamer Spitzenreiter ist und den Viertelfinaleinzug so gut wie in der Tasche hat. Nach der 0:2-Heimniederlage am vergangenen Samstag in der fünften Runde des FA-Cups gegen Arsenal London wäre es in der Kabine von Manchester United beinahe zu einem folgenschweren Unfall gekommen. Alex Ferguson hatte aus Wut über das Ausscheiden aus dem prestigeträchtigen Pokalwettbewerb einen Fussballschuh in Richtung seiner Spieler „geschossen“. Dabei wurde David Beckhams linkes Auge nur um Zentimeter vom spitzen Stollen des Schuhes verfehlt. Seit Samstag ist seine Narbe über der linken Augenbraue nun Hauptthema in den britischen Medien. Sogar die Aktien von Manchester United verloren über 2 Prozent ihres Wertes, aus Besorgnis um Beckhams Gesundheitszustand. Britische Finanzexperten schätzen den Imagewert von Beckham für seinen Club auf mindestens 200 Millionen Pfund. So zeigte sich Sir Alex Ferguson nach diesem Vorfall auch sehr nachdenklich und sagte auf der extra einberufenden Pressekonferenz:“ Es war ein Unfall. Wenn ich das hundert oder millionenmal versuchen würde, es würde nicht noch mal passieren“.

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Das Turiner Erfolgsrezpet – Finish der Premier League ohne Happy End für Liverpool – Rückblick auf die Wiener Saison

Faire circuler le ballon

Peter Hartmann (NZZ 13.5.) analysiert das Turiner Erfolgsrezept. „Die Konfrontation mit den Abtrünnigen Zidane und Ronaldo, die sich mit wenig schmeichelhaften Bemerkungen über den Fussball all‘italiana vom Stiefel verabschiedet haben, bedeutet eine doppelt reizvolle Herausforderung für die Juve, die nach dem 1:2 in Madrid auf Sieg spielen muss. Ausserhalb Italiens ist reichlich Häme über die Spielkünste und die Offensivkraft dieser Mannschaft gegossen worden. Gewiss ist die Serie A längst nicht mehr die „schönste Meisterschaft der Welt“, als die sie sich zu Zeiten von Maradona und Platini, Gullit und van Basten selber zelebrierte, aber es ist die härteste und schwierigste mit den vielen taktischen Fallenstellern, die auf den Trainerbänken sitzen. Marcello Lippi ist kein Catenaccio-Stratege, seine Abwehrmechanismen sind sehr viel raffinierter. Zwar zerstört auch Juventus das Spiel des Gegners durch Pressing und taktische Fouls auf dem ganzen Feld (darauf sind besonders Davids und Tacchinardi abgerichtet), schaltet aber oft auf kreative Defensive um, auf langes Ballhalten, ermüdet und erstickt gewissermassen den Gegner mit endlosen Ballstafetten, versteckt den Ball vor ihm, zwingt ihn zum planlosen Laufen, gewinnt Zeit, verschiebt den Schwerpunkt der eigenen Mannschaft, gruppiert sich neu, sucht Lücken zum Zuschlagen. Die Spielart war schon früher modern, in den sechziger Jahren, als sie die Franzosen (und unter ihrem Einfluss Servette) praktizierten. Das Geheimnis hiess „faire circuler le ballon“, den Ball laufen lassen. Die Deutschschweizer Kritiker missverstanden diesen Kombinationsfussball als brotlose Tändelei, als „l‘art pour l‘art“. Nur ein hervorragend besetztes, ausgeglichenes Team kann so spielen. Trainer Lippi versuchte, anders als etwa Ancelotti mit Milan oder Cúper mit Inter, die bis heute keine Kernstruktur fanden, das personelle Rotationsprinzip einzuschränken (…) Als Lippis Trouvaille der Saison erwies sich der Argentinier Camoranesi, der zur Hälfte noch dem Serie-B-Klub Verona gehört, ein in Italien selten gewordener Spielertyp, der mit seinen Dribblings bis zur Grundlinie vorstossen kann. Giovanni Trapattoni hat ihn zum italienischen Pass überredet und ins Nationalteam geholt. Die Energie, die Entschlossenheit, die Spielintelligenz dieser Meistermannschaft verkörpert ein Spieler: Pavel Nedved, die „tschechische Furie“, wie sie ihn nennen, der 31-jährige Spielmacher, der dauernd unter Strom zu vibrieren scheint.“

Comical Arsène

Raphael Honigstein (FR 13.5.) schreibt über das Finish der Premier League. „Jede Saison hat ihre Geschichte. Die von 2002/03 handelt von einem talentierten Team, das lange souverän die Tabelle anführte, dann aber in der Abwehr ungeahnte Schwächen offenbarte und spektakulär in sich zusammenfiel. Und am Ende machte der französische Trainer mit weit hergeholten Ausflüchten und wenig überzeugenden Erklärungen alles noch schlimmer. Man kann in England T-Shirts erwerben, die Arsenal-Coach Wenger mit der schwarzen Kappe des irakischen Informationsministers auf dem Kopf und einigen peinlichen Zitaten darunter als Comical Arsène verspotten. Liverpool-Fans werden aber nicht mitlachen. Was für die Gunners gilt, trifft nämlich auch exakt auf den Traditionsverein im Norden zu. Nur die Pointe ist noch böser: Liverpool, für viele Favorit auf den Titel, spielt nach dem kläglichen 1:2 beim FC Chelsea am Sonntag nächstes Jahr nicht einmal in der Champions League (…) Alles hatte ja gut angefangen. Zwölf Spieltage lang belegte Liverpool mit stoischem Konterfußball ungeschlagen Platz eins, doch im November folgten elf sieglose Spiele in Folge – die schlechteste Bilanz seit dem Krieg. Zum Saisonende kroch man mühsam aus dem Niemandsland zurück ins Spitzenfeld, doch es reichte nicht mehr. Warum, das zeigten die 90 Minuten im Londoner Regen: Die Mannschaft hat spielerische Defizite. Was an sich nicht neu ist an der Mersey, doch in den vergangenen Jahren konnte man sich zumindest immer auf die starke Abwehr verlassen. Diese Saison war Liverpool ohne den oft verletzten Stéphane Henchoz auch hier nur gehobener Durchschnitt. Es fällt schwer zu glauben, dass Markus Babbel nach seiner Krankheit keine bessere Figur abgegeben hätte als der ungelenke Djimi Traoré, doch der Deutsche ist bei Houllier in Ungnade gefallen. Vergangene Woche wurde der Ex-Bayer zum zweitenmal innerhalb von zwei Monaten wegen einer Tätlichkeit in einem Reservespiel vom Platz gestellt. Nach seiner Kopfnuss wäre er für die ersten drei Spiele der nächsten Saison gesperrt. Doch Babbel steht möglicherweise vor einer Rückkehr nach München. Er soll bereits erste Gespräche mit 1860 München geführt haben.“

Schachner-Tabelle

Zur Lage in Wien heißt es bei Werner Pietsch (NZZ 13.5.). „Ein besonderes Kapitel österreichischer Fussballgeschichte schrieb diese Saison auch der GAK, der mit dem Trainerwechsel einen fast märchenhaften Aufstieg vom letzten in den zweiten Tabellenrang schaffte. Walter Schachner wurde von Austria Wien trotz überlegener Tabellenführung entlassen, da Christoph Daum plötzlich als schillernde Figur am Markt zu haben war. Schachner übernahm gleichsam im fliegenden Wechsel die roten Teufel aus Graz. Der Stachel über den ungerechtfertigten Rauswurf in Wien sass beim ehrgeizigen Jungtrainer so tief, dass er bei Amtsantritt seinen Spielern eine neue Tabelle mit null Punkten für alle Teams zeigte. Der Psychotrick motivierte nicht nur seine Spieler, sondern verärgerte im gleichen Masse auch seinen Nachfolger Christoph Daum. Der wollte von der sogenannten Schachner-Tabelle nichts mehr hören, die bis anhin Austria Wien deutlich hinter dem GAK auswies (…) Christoph Daum, der mit grossen Erwartungen im Oktober seine Arbeit als 14.Austria- Coach innert 10 Jahre antrat, reagierte zuletzt nur noch frustriert und enerviert über die mangelnde Einsatzfreude seiner Stars. Noch im Oktober war die Rede von Champions League auf höchstem Niveau. Der Manager Svetits wurde auf Reisen geschickt, um Daum alle möglichen Spielerwünsche zu erfüllen. Inzwischen will auch der Selfmade-Millionär Stronach, der laut Eigendefinition nicht ärmer wird, wenn er einige Millionen Euro ausgibt, kleinere Brötchen backen. Es soll vermehrt auf heimischen Nachwuchs gesetzt werden. Christoph Daum, der in Wien einen Vertrag bis 2005 unterschrieben hat, liess bereits anklingen, dass er zahlreiche attraktive Angebote aus ganz Europa vorliegen habe. Diese Saison werde er noch in Wien beenden, danach müsse man reden. Schalke und Leverkusen dementierten vorerst noch, aber auch Klubs aus Spanien, England und der Türkei sind offenbar um Daum bemüht. Vieles deutet darauf hin, dass der Deutsche das Kapitel Austria vorzeitig beenden wird.“

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Die deutsche Nationalmannschaft, Ballacks Lieblings-Team – Tsp-Interview mit Günter Netzer über die Schmach in Albanien 1967 – FAZ-Interview mit Trapattoni

Schritt zum Weltstar nicht im Verein, sondern in der DFB-Auswahl gemacht

Michael Horeni (FAZ 9.10.) schreibt über die Prioritäten Michael Ballacks: „Daß für Ballack die Nationalmannschaft im Zweifelsfall Vorrang besitzt, ließ sich – nach einem gelungenen Doppelpaß mit Rudi Völler – unschwer erkennen. Der Teamchef hatte keineswegs zufällig erwähnt, daß Ballack den Schritt zum Weltstar eben nicht im Verein, sondern bei ihm in der DFB-Auswahl gemacht habe: bei den Spielen gegen die Ukraine und während der Weltmeisterschaft. Natürlich ist die Nationalmannschaft eine Stufe höher als der Verein, sagte dann auch der darauf angesprochene Münchner. Bei einer Welt- oder Europameisterschaft wird man als Spieler weltweit registriert. Da reift man nicht nur, sondern macht Sprünge. Das sei schon etwas anderes als Meisterschaft und Champions League.Etwas uneinig sind sich die Bayern und Ballack aber nicht nur in der Prioritätensetzung, sondern auch in der Aufarbeitung der jüngeren Wechselgeschichte. Rummenigge hatte rundweg bestritten, daß das FC-Deutschland-Konzept des FC Bayern für Ballack eine Rolle bei dessen Entscheidung gespielt habe. Das gehört ins Reich von Grimms Märchen, sagte Rummenigge. Natürlich war das ein Grund, entgegnete nun Ballack. Er habe das damals auch öffentlich gesagt. Ansonsten pries Ballack den FC Bayern weiter als erste Adresse des deutschen Fußballs und empfahl den jungen Kollegen seinen Arbeitgeber als lohnendes Ziel. Daß man sich dort nicht nur in sportlicher, sondern auch in sportpolitischer Hinsicht bestens entwickeln kann, ist nun auch bekannt.“

Philipp Selldorf (SZ 9.10.) teilt uns mit: „Seit der Reykjaviker Mist Käse-Rede weiß fast jeder deutsche Bürger, wie gefährlich es werden kann, wenn Rudi Völler wütend wird. Dieser Tage nun ist ihm erneut etwas Unseliges widerfahren, aber diesmal konnte er seinen Zorn nicht gegen Gurus und Ex-Gurus richten, sondern musste sich selbst beschuldigen. Folgendes Drama ist geschehen, wie Völler mit Verweis auf seine Locken berichtet: „Ich hab Zeitung gelesen beim Friseur und, wie das so ist, nicht aufgepasst. Und auf einmal hat er zu viel abgeschnitten.““

Lass doch mal den Merkel ran

Tsp-Interviewmit Günter Netzer

Tsp: Herr Netzer, welche Erinnerungen haben Sie an den 17. Dezember 1967?

GN: Oh, je! Sie meinen das 0:0 in Tirana. Wir wussten, dass uns dieser Tag ein Leben lang verfolgen würde. Und das völlig zu Recht!

Tsp: Etwas Unfassbares war geschehen: Deutschland qualifizierte sich nicht für die Fußball-Europameisterschaft 1968. Bis heute einzigartig.

GN: Sie sagen es. Es war eine einzigartige Katastrophe. Wir waren damals eine große Nation im Fußball und Albanien war ein Zwerg, ein wirklicher Zwerg. Ich meine, damals gab es im Fußball noch richtige Zwerge. Die Bedingungen dort, die auch heute noch reklamiert werden, waren damals viel schlimmer. Das Wort Fußballplatz möchte ich gar nicht benutzen. Das trifft es einfach nicht. In Tirana gab es nur ein einziges Hotel, wir hatten kaum etwas zu essen. Oh nein, ich muss aufpassen was ich sage, sonst bekomme ich böse Anrufe von den Albanern.

(…)

Tsp: Wie fiel damals bei der Rückkehr aus Tirana der Empfang in Deutschland aus?

GN: Empfang? Es gab keinen Empfang für uns. Niemand war da bis auf das Flughafenpersonal. Und von denen mussten wir uns noch beschimpfen lassen, rüde beschimpfen, so weit ich mich erinnere.

Tsp: Besser werden Sie sich an die Kritik der deutschen Medien erinnern.

GN: Das kann ich Ihnen sagen! Die Kritik war verheerend. Die Bild hatte eine Schlagzeile, sechs Cicero hoch: „Lass doch mal den Merkel ran!“ Helmut Schön, der damals unser Trainer war, hat das nach der Landung fast erschlagen. Schön war ein Schöngeist, der das nun wirklich nicht verdient hatte.

Tsp: Profitiert haben damals die Jugoslawen, die anstelle der Deutschen zur Europameisterschaft fahren durften.

GN: Eine Aufregung war das damals. Die Jugoslawen hatten die Teilnahme doch schon abgeschrieben, die wollten ihr spätes Glück erst gar nicht wahrhaben. Die haben dreimal den Hörer aufgelegt, als ihnen unser Ergebnis durchtelefoniert wurde.

Ein Streit mit Journalisten hat keinen Sinn, sie sind unsere Partner

FAZ-Interview mit Giovanni Trapattoni

Mailand Hauptbahnhof, Dienstag, acht Uhr. Italiens Nationaltrainer Giovanni Trapattoni steigt in den Zug nach Florenz. Am Nachmittag ist dort das erste Training seiner Squadra Azzurra angesetzt. Mit einem Sieg im letzten Gruppenspiel gegen Aserbaidschan wollen sich die Italiener am Samstag als Gruppenerster für die Europameisterschaft qualifizieren.

FAZ: Signor Trapattoni, Sie fahren mit dem Zug in das Trainingslager Ihrer Mannschaft, das kann man sich bei deutschen Trainern kaum vorstellen. Wie begegnen Ihnen die anderen Fahrgäste?

GT: Wenn die Entfernung nicht allzu groß ist, nutze ich den Zug. Die Leute wollen sich immer über Fußball unterhalten. Italien ist ein Land mit Millionen Nationaltrainern, alle reden sie mit. Sie wünschen mir Erfolg, wollen Autogramme. Sie fragen aber auch immer nach der Aufstellung, wollen wissen, warum Inzaghi und nicht Del Piero spielt. Darauf antworte ich gern, denn ich denke, es ist besser, wenn die Fans die Nachrichten von mir und nicht aus der Zeitung erfahren.

FAZ: Setzen Sie sich auch nach Niederlagen in den Zug?

GT: Natürlich. Denn ich weiß, die Leute haben Respekt vor mir. Nach schlechten Spielen sind sie enttäuscht, das ist ja normal. Doch dann versuche ich, die Gründe dafür zu erklären.

FAZ: Auch Sie kennen den Ausbruch von Rudi Völler. Können Sie seine Medienschelte nachvollziehen?

GT: Der Umgang mit Kritik ist für uns Trainer nicht immer ganz leicht, dennoch muß man damit zurechtkommen. Es ist doch klar, daß nach schlechten Leistungen auch die Kritiken entsprechend schlecht sind. Rudi war sicher etwas nervös, aber da muß man versuchen, ein inneres Gleichgewicht zu finden. Ein Streit mit Journalisten hat keinen Sinn, sie sind unsere Partner. Ich versuche, möglichst sachlich mit ihnen zu analysieren, auch wenn das zugegeben nicht immer ganz leicht ist.

(…)

FAZ: Fehlen dem deutschen Fußball Persönlichkeiten? Italien scheint kein Interesse mehr an deutschen Spielern zu haben.

GT: Generationen wechseln sich ab, und nicht immer hat man eine so große Mannschaft wie die 1990. Auch jetzt gibt es gute Spieler, eben nur weniger. Große Namen wie Matthäus kann man nicht herzaubern, auf die muß man warten. Dennoch finde ich, die Nationalmannschaft hat eine gute Mentalität, sie spielt im entscheidenden Moment mit Herz. Ballack hat internationale Klasse, auch Kahn und Frings sind in Italien gefragt. Der Schritt ins Ausland könnte sie noch besser machen.

FAZ: Welcher Verein müßte Ihnen ein Angebot machen, damit Sie noch einmal nach Deutschland zurückkommen?

GT: Noch oft denke ich an meine schöne Zeit in der Bundesliga, doch im Moment glaube ich nicht, daß ich noch einmal zurückkommen werde.

Thomas Seibert (Tsp 9.10.) berichtet aus Istanbul vor dem Spiel Türkei gegen England: „Wichtiger als Tore sind am Samstag aber die Fans. Engländer und Türken müssen mit harten Strafen des europäischen Fußballverbandes Uefa bis hin zur Disqualifikation für die EM rechnen, wenn sich ihre Schlachtenbummler nicht benehmen. Beim Hinspiel in England im April gab es Schlägereien und rassistische Schmäh-Gesänge der englischen Fans. Die Verbände beider Länder einigten sich deshalb darauf, englische Fans beim Rückspiel in Kadiköy im asiatischen Teil Istanbuls nicht ins Stadion zu lassen. Obwohl der englische Verband vor Reisen an den Bosporus warnt, wollen Hartgesottene trotzdem versuchen, ihre Elf zu sehen. Der Albtraum der Behörden ist eine Wiederholung der schweren Krawalle, die sich 2000 im Stadtzentrum von Istanbul ereigneten. Damals erstachen Türken vor einem Spiel von Galatasaray Istanbul gegen Leeds United zwei englische Fans. Spannungen zwischen beiden Fangruppen gibt es bis heute. Von Vorfreude auf ein Fußballfest kann bei den Behörden keine Rede sein. Alle Verantwortlichen werden froh sein, wenn das historische Spiel vorbei ist.“

NZZ: „Wieder aufflackernde Gewalt im spanischen Fußball“

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Woher haben sie nur soviel Geld?

Woher hat Schalke eigentlich so viel Geld? – Heynckes wandelt den Schalker Fußballstil – SZ-Interview mit Ailton – Spiegel-Portrait Felix Magath u.a.

Richard Leipold (FAZ 16.10.) recherchiert ökonomische Hintergründe auf Schalke: “Haben die Schalker nicht vor kurzem erst für fast 200 Millionen Euro ein hochmodernes Stadion gebaut, das noch abbezahlt werden muß? Woher haben sie nur soviel Geld? Assauer schiebt solche Fragen beiseite und versucht sich den Anstrich des seriösen Kaufmanns zu geben. Über Geld rede ich nicht mehr, sagt er – und macht manchmal eine Ausnahme. Natürlich leben wir auf Pump. Aber das sei nicht weiter schlimm. Zins und Tilgung für das Stadion bestreite Schalke quasi aus der Portokasse. Geschäftsführer Peter Peters erläutert den Posten Portokasse mit Zahlen. Der Verein zahle fünfzehn Millionen Euro Pacht, inklusive Nebenkosten an eine zum Schalkekonzern gehörende Kommanditgesellschaft. Von diesem Geld wende die KG etwa elf Millionen Euro für Zins und Tilgung auf. Die hohe Pacht eröffne dem Verein die Möglichkeit, das Stadion allein zu vermarkten, ohne strategische Partner, Vermarkter oder sonstige Beteiligte. Diese Eigenständigkeit sichere Schalke auf Dauer einen stabilen Umsatz. 120 Millionen Euro sind immer drin. Im vergangenen Geschäftsjahr erlösten der eingetragene Verein und seine Töchter fast 134 Millionen Euro. Wenn andere Klubs von großen Teilen ihrer (Werbe-)Einnahmen zehn bis zwanzig Prozent an ihre Vermarkter abgeben müßten, schmälerten diese Kosten auch das Ergebnis, sagt Peters. Schalke gebe lieber Geld für Zinsen aus, damit der Klub unabhängig bleibe.“

Stilwandel auf dem Rasen

Christoph Biermann (SZ 16.10.) befasst sich mit der sportlichen Renovierung Schalkes: „Auch Frank Neubarth hatte im letzten Jahr schon darauf hingewiesen, dass eine Kur nötig wäre, doch erst Jupp Heynckes hat den Klub davon überzeugt. Assauer spricht nun beharrlich vom Umbruch und hat dieser Tage zugegeben, dass Schalke in den vergangenen Jahren viel in Steine und zu wenig in Beine investiert hätte. Das betrifft jedoch nicht nur Ausgaben für Transfers, der Betrieb der neuen Arena hat viel seiner Energie absorbiert. So kam es zu einer Fehleinschätzung der Möglichkeiten des Kaders, die auch mit den Sentimentalitäten des Managers gegenüber verdienten Spielern zu tun haben mag. Inzwischen jedoch ist Konsens im Klub, dass die Mannschaft in jetziger Zusammenstellung ihre Ziele nur sehr schwer wird erreichen können (…) Coach Heynckes versucht einen Stilwandel auf dem Rasen, nachdem in Schalke jahrelang das Primat des Kämpfens galt. Zum Image der ehrlichen Malocher mochte das passen, die Grundformel für Spitzenfußball von heute ist es aber nicht. „Der fußballerische Aspekt steht immer mehr im Vordergrund“, sagt Heynckes, denn von der Physis her unterscheiden sich die Mannschaften kaum noch. Nun versucht Schalke in dieser Saison zwar ein kultiviertes, geduldiges Passspiel, doch wirkt es mitunter schal, weil individuelle Klasse und damit Überraschungsmomente fehlen. Heynckes ist das klar, aber er ist sich sicher, dass die Sehnsucht nach neuen Eurofightern auf den Rängen vergehen wird. „Ein anderer Stil wird beim Publikum ankommen, wenn wir erfolgreich sind“, sagt er. Der Stilwandel ist jedoch nur ein Element eines großen Dazwischen: Es ist nicht mehr das alte Schalke und noch nicht das neue. Durch die beiden Transfers und die Ankündigungen, dass noch namhafte folgen werden, führt Schalke zudem ein gefährliches Leben zwischen den Zeitzonen. Da ist eine vermeintlich goldene Zukunft irgendwann ab nächster Saison und eine eher bleierne Gegenwart mäßiger Spiele und mittelmäßiger Platzierungen, und die Fans werden sich nicht über Monate mit der Aussicht auf schöne Spiele übermorgen über müde Partien von heute hinwegtrösten lassen.“

Ich werde viel mehr verdienen

SZ-Interview mit Ailton

SZ: Ist Ihnen der Boden unter den Füßen zu heiß geworden? In einer Zeitung heißt es, Sie seien am Wochenende aus Bremen „geflohen“ und hätten ihre Telefonnummer geändert.

Ailton: Die Situation ist tatsächlich etwas hitzig geworden, mehr als ich gedacht hätte. Die Presse hat die Fans gegen mich aufgebracht. Ich hoffe, dass wir gegen Stuttgart gewinnen und dass sich dann alles beruhigt. Schließlich habe ich noch einige Spiele mit Werder vor mir.

SZ: Was bekommen Sie aus den Presseberichten mit? Was wirft man Ihnen vor?

Ailton: Alles mögliche. Dass ich nur des Geldes wegen wechsle, dass ich mit Werder früher hätte reden müssen, dass ich bei Schalke nicht ohne das Wissen Werders hätte unterschreiben dürfen . . .

SZ: Sie fühlen sich unverstanden?

Ailton: Ja. Ich habe hier fünf Jahre gespielt, viele Tore erzielt. Die Fans sind meine Zeugen. Jetzt tut man so, als sei das nie da gewesen, als wäre ich ein schlechter Mensch . . . Aber egal. Ich bin ruhig. Ich bin jetzt 30 Jahre alt und kann damit umgehen. Das wird schon wieder ins Gleichgewicht kommen.

SZ: Muss man die Reaktionen nicht auch verstehen? Etwa als Beweis von Zuneigung und enttäuschter Liebe?

Ailton: Kein Spieler bleibt doch heutzutage ewig im gleichen Verein. Keiner. Ich war jetzt fünf Jahre hier, es war an der Zeit, Bremen zu verlassen. Es geht dabei nicht nur ums Geld. Aber natürlich ist das ein wichtiger Faktor. Meine Familie ist von meiner Arbeit abhängig. Jetzt geht es mir beruflich hervorragend: Ich schieße Tore, bin die Attraktion der Bundesliga. Aber das kann sich alles schnell ändern. Also muss ich jetzt das Beste für meine Familie rausholen. Vermutlich ist das mein letzter Vertrag in Europa. Wer weiß, vielleicht kann ich irgendwann mal in Mexiko, Japan oder Katar spielen.

SZ: Wenn Sie von Familie reden, meinen Sie ihre Frau, ihre Kinder . . .

Ailton: Und meine Brüder in Brasilien. Sie haben dort ein gutes Leben, Gottseidank, sie haben Arbeit. Aber die Lage in Brasilien ist ja generell nicht gut. Ich hab’ einen kleinen Bruder, dem ich die Ausbildung zahle, die Kleidung. Ich bin für ihn wie ein Vater. Am Wichtigsten ist mir aber natürlich, meinen eigenen Töchtern eine gute Zukunft zu geben.

SZ: Weil Sie an ihre eigene Kindheit zurückdenken?

Ailton: Ich habe nie Hunger gelitten. Meine Eltern haben für uns sorgen können. Aber wenn ich nicht Fußballer geworden wäre, würde meine Familie jetzt bestimmt Probleme haben. Glücklicherweise habe ich eine Karriere eingeschlagen, die einem viel Geld bringt – wenn man die Dinge richtig macht.

SZ: Angeblich werden Sie in Schalke doppelt so viel verdienen wie in Bremen.

Ailton: Ich werde viel mehr verdienen.

SZ: Das Doppelte?

Ailton: Ja.

Wenn ich länger quatsche, kann ich zuschauen, wie die Ersten vor mir wegnicken

Michael Wulzinger (Spiegel 13.10.) stellt das Wirken Felix Magahts dar: „Magath, der ewige Mahner und Forderer, wundert sich dieser Tage über sich selbst. Seltsam milde gab er sich sogar nach dem 0:0 gegen den dumpf bolzenden 1. FC Köln drei Tage nach der Manchester-Gala, das den Club die Tabellenführung kostete. Ich kann meiner Mannschaft keinen Vorwurf machen. Sie hat alles versucht. Öffentliches Lob: Das hat es früher bei ihm nicht gegeben. Und so beschleicht den Coach mit etwas Abstand die Sorge, seine Spieler könnten schon bald einen Gang zurückschalten, wenn er sich häufiger derart gnädig gibt. Deshalb sagt Magath nun auch: Dass die Medien das 2:1 gegen Manchester zu einem historischen Ereignis gemacht haben, zeigt mir, dass man in Stuttgart und Umgebung noch nicht selbstbewusst genug ist. So kennen ihn seine Spieler schon eher: bissig, grimmig, vergnatzt. Schließlich beruht die Autorität Magaths beim VfB auch auf der Distanz, die der Coach zu seinem Kader hält – und die bisweilen in Sarkasmus umschlägt. In Hamburg, Nürnberg, Bremen und Frankfurt, wo der Schachliebhaber zuvor als Trainer gearbeitet hatte, war Magath an seinen teils zynischen Kommentaren noch gescheitert. Er hatte es übertrieben mit seiner ätzenden Art, erinnert sich ein früherer Eintracht-Profi. Beim VfB Stuttgart hingegen nimmt sich Magath jetzt etwas zurück. Seitenhiebe, die verletzen, meidet er. Ich kann mich besser als früher in die Spieler hineinversetzen, sagt der Mann, dessen Tor gegen Juventus Turin dem Hamburger SV im Finale um den Landesmeisterpokal vor 20 Jahren den bedeutendsten Titel der Vereinsgeschichte brachte. Gleichwohl: Es kann vorkommen, dass Magath, wie der Berater eines Jungprofis amüsiert berichtet, eine Woche lang mit keinem der Spieler ein Wort wechselt. Dann steht der Trainer schon mal wie der Nato-Oberbefehlshaber auf dem Rasen hinter dem Gottlieb-Daimler-Stadion, die Hände hinter dem Rücken verschränkt, und überlässt seinen Assistenten die Regie. Magath redet selten, und noch seltener debattiert er. Selbst bei den Sitzungen vor Heimspielen im Hotel Am Schlossgarten sind seine Ansprachen kurz. Das habe ich von Ernst Happel übernommen, erläutert Magath, denn eines ist mir klar geworden: Wenn ich länger quatsche, kann ich zuschauen, wie die Ersten vor mir wegnicken. Damit es so weit nicht kommt, lässt der Coach seine Spieler gern zappeln. Wenn er als Letzter den Konferenzraum des Fünf-Sterne-Hauses betritt, beenden die Spieler schlagartig ihre Unterhaltungen. Magath setzt sich vorn an einen Tisch. Er rührt seinen Tee um und schweigt: eine Minute, zwei Minuten, fünf Minuten. Die meisten Spieler meiden seinen Blick. Magath schaut von einem zum anderen, nippt an seinem Tee und stellt die Tasse wieder ab. Dann pickt er sich einen Spieler heraus, der seine Fragen beantworten muss: Aufstellung des Gegners, Taktik, Stärken und Schwächen. Wer darauf nichts erwidern kann, sagt ein VfB-Profi, der hat ein Problem. Magath nennt das Spielchen drei Stunden vor dem Anpfiff Reize setzen.“

SZ-Interviewmit Falko Götz

Himmel, hilf! Frank Hellmann (FR 16.10.) meldet Schlimmes. „Darauf hat Rudi Völler nur gewartet. Der Teamchef der Fußball-Nationalmannschaft erhält jetzt gute Ratschläge von Lothar Matthäus: Der Rekordnationalspieler verbreitet sich künftig als Kolumnist der Sport-Bild (…) Matthäus leidet darunter, in der deutschen Öffentlichkeit kaum noch wahrgenommen zu werden. Nun kommen ihm beste Kontakte zu Sport-Bild-Autor Raimund Hinko zupass. Zusammen mit Chefredakteur Gottschalk flog Hinko nach Belgrad und machte mit Matthäus den Deal perfekt. Er hat beste sportliche Reputation und kann Hintergründe erklären, lobt Gottschalk seinen neuen Mann. Beide Seiten wollen profitieren: Matthäus hofft, sich so als Bundesliga-Trainer empfehlen zu können, das Blatt setzt auf die kernigen Sprüche des Dampfplauderers. Der haut gerne mal einen raus, heißt es. Jetzt schreibe ich, titelt Sport-Bild in seiner neuen Ausgabe mit Matthäus-Konterfei. Und verkauft über drei Seiten die Ansichten des Schreiner-Sohnes aus Herzogenaurach. Geredet hat Matthäus schon immer gern. Davon lebt der Boulevard und auch Matthäus gut. Ergüsse wie diese sind großen Zeitschriften locker sechsstellige Euro-Beträge pro Jahr wert. Dafür darf Matthäus gar sein wirkliches Anliegen zu Papier bringen. Ich versuche irgendwann mal in einer Liga zu trainieren, in der Fußball einen höheren Stellenwert hat als in Serbien-Montenegro.“

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Mit der Königsklasse beginnt der Alltag

„Mag sie hochgestochen „Königsklasse“ oder mit tiefer Verachtung „Zasterliga“ genannt werden: Erst mit dem Beginn der Champions League rundet sich der Alltag im großen europäischen Fußball“, lesen wir in der FAZ anlässlich des heutigen Startschusses. Weitere Themen: die Sonntagsspiele der Fußball-Bundesliga in Hamburg und Bochum – Auslandsfußball vom Wochenende – Zweite Liga – eine nahezu unglaubliche Geschichte von den Färöer-Inseln u.v.a.

Champions League

Vor dem heutigen Start der europäischen Beletage wirft Felix Reidhaar (NZZ 17.9.) ein. „Es wird wieder einmal die letzte Champions League in diesem Format sein. Mitte Juli kam die Exekutive der Europäischen Fußball-Union zum Schluss, die kritisierte Zwischenrunde ab 2003/04 abzuschaffen und direkt zum KO-Modus überzugehen. Vom sportlichen Standpunkt begrüßt man diese Änderung. Kernelemente dieses Wettbewerbes werden das öffentliche Interesse, die Beliebtheit und Passion für das Spiel bleiben. Sie wurden durch die kommerzielle Entwicklung beeinträchtigt, was zuletzt zu einem deutlichen Zuschauerrückgang führte. Auf einem anderen Blatt stehen die Vorstellungen der Inhaber der Fernseh- und Marketingrechte. Weniger Spiele ergeben weniger Sendezeiten und weniger Werbeflächen. Das könnte auf die Preise drücken, wie die Hautevolee der Klubs fürchtet. Für sie gehören die Champions-League-Einnahmen längst zu den fixen Rechnungsinhalten.“

Den „Schrumpfungsprozess“ der Champions League beschreibt Wolfgang Hettfleisch (FR 17.9.). „Noch, so scheint es auf den ersten Blick, hat die in Europas besten Nationalligen grassierende Finanzkrise den Überbau nicht erfasst. Tatsächlich aber ist die „lean production“ vom kommenden Jahr an nicht nur dem Überdruss von Fernsehzuschauern angesichts der Fußball-Dauerberieselung geschuldet, sondern zugleich Ausdruck von Realitätssinn bei der Uefa. Die wundersame Geldvermehrung war einmal. Die Fernsehverträge laufen nächstes Jahr aus. In der Spielzeit 2003/2004 werden, da sind sich die Beobachter einig, die Einnahmen deutlich sinken.“

Roland Zorn (FAZ 17.9.) zum selben Thema. „Dass sich die Uefa allen Widerreden aus den geld- und schuldenüberfluteten Ligen Spaniens und Italiens zum Trotz zu einer sportlich attraktiveren und das wertvollste Kapital, die Spieler, pfleglicher schützenden Lösung durchgerungen hat, war eine löbliche Sommerentscheidung. Die Weltmeisterschaft in Korea und Japan lieferte auch den härtesten Fußball-Materialisten einen vorzüglichen Anschauungsunterricht, wie nachhaltig ein Produkt unter Formschwäche und Verletzungsanfälligkeit seiner Stars leiden kann. Damit war der Weg zur besseren Erkenntnis geebnet (…) Gesundungs- und Normalisierungstendenzen können dem in den vergangenen Jahren aufgedonnerten Geschäft rund um die Champions League nur gut tun. Andererseits hat sich die Marke so weit etabliert, dass sich nostalgische Rufe nach dem alten Europapokal der Landesmeister und dessen grundsätzlich verankertem KO-System inzwischen eigentlich verbieten müssten.“

Interview mit Marcel Reif SpOn

Philipp Selldorf (SZ 17.9.) hat einen Favoriten. „Wenn heute die nächste Saison in der Champions League startet, dann richtet sich der Blick zwangsläufig auf Real Madrid, den Titelverteidiger, der zum zehnten Mal den Europacup gewinnen soll und mit dem Einkauf des WM- Torjägers Ronaldo wie üblich den spektakulärsten Sommerhandel auf dem Transfermarkt abgeschlossen hat. Mit Stars wie Ronaldo, Figo, Zidane, Raul und Roberto Carlos scheint Real für Europas Krone prädestiniert wie kein zweiter Klub (…) Real Madrid wird oft der Vorwurf gemacht, dass der Verein eine unsympathische, fantasielose Scheckbuchpolitik verfolgt, indem er einfach die besten Spieler der Welt unter Vertrag nimmt und sich dabei um die Kosten kaum schert. Doch so schlicht verhält es sich nicht, „dahinter steckt sogar eine Philosophie: Sie holen immer nur einen Spieler – aber der hat’s in sich“, erkennt Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge an, auch wenn er sich darüber ärgert, dass Vereine wie Real mit ihrer verschwenderischen Personalwahl „die Unglaubwürdigkeit des Fußballgeschäfts“ provozieren. Die Transfers von Figo, Zidane und nun Ronaldo waren jedoch ausgewählte Operationen, die strategischen Absichten dienten. Außerdem erfreut sich Real an der Eifersucht des Erzrivalen FC Barcelona.“

Wolfgang Hettfleisch (FR 17.9.) kommentiert die Papst-Audienz des Real-Teams. „Falls die Würdenträger der religionsähnlichen Sportgemeinschaft Real aber gedacht hatten, der alte Herr werde ihnen nur rasch seinen Segen erteilen, auf dass die Gegner noch ehrfürchtiger den Blick senken als ohnedies zu erwarten, waren sie schief gewickelt. Denn der nahm sich die Besucher aus Madrid ordentlich zur papalen Brust. Nachdem er auf die völkerverbindende Kraft des Fußballs hingewiesen hatte, prangerte der Papst dessen Ausverkauf „an sportfremde Interessen“ an. Womöglich hatte sich Karol Wojtyla von seinen Beratern noch mal die Summen der Transfers von Zidane, Figo und zuletzt Ronaldo nennen lassen. Der Papst, erzkonservativ in Glaubensfragen, gilt als beinharter Kritiker des Turbo-Kapitalismus. Da knieten gerade die Richtigen vor ihm.“

Zu den internationalen Ambitionen des Deutschen Meisters bemerkt Richard Leipold (FAZ 17.9.). „In dem Bemühen, ihre internationale Reputation zu stärken, geben die Dortmunder sich selbstbewusster als gewohnt. Sportmanager Michael Zorc verlangt von einem Deutschen Meister, „ohne Wenn und Aber die Zwischenrunde zu erreichen“. Mindestens. Mancher in Dortmund ist der Zeit schon voraus. Es gehe nicht nur darum, die Zwischenrunde zu erreichen, „wir müssen sie auch überstehen“, sagt Verteidiger Christian Wörns, der am Samstag gegen Schalke einen Schlag gegen das Knie bekommen hatte, voraussichtlich aber in London spielen kann. Auch Meier proklamiert dieses Ziel. Es würde eine deutliche Ergebnisverbesserung bedeuten. Im Vorjahr war die Borussia als Gruppendritter der Vorrunde in den Uefa-Pokal abgestiegen und hatte den finanziellen Schaden mit dem Erreichen des Endspiels teilweise wettgemacht. Nirgendwo ist der Zusammenhang zwischen sportlichem und wirtschaftlichem Erfolg so eng wie in der Champions League.“

Interview mit Christoph Metzelder SpOn

Interview mit Uli Hoeneß FAS

Raphael Honigstein (SZ 17.9.) über Arsène Wenger, Trainer von Arsenal London, heutiger Gegner Dortmunds. „Der Franzose am Schaltpult von Raumschiff Arsenal sieht sich nach dem vierten Sieg im sechsten Spiel zunehmend in seiner These bestätigt, dass sich mit dem Gewinn des Doubles im vergangenen Jahr die Machtverhältnisse im englischen Fußball dauerhaft zu Gunsten der Londoner verschoben haben. Während sein Lieblingsfeind Alex Ferguson in den Niederungen der Tabelle mit dem Untergang der ManU-Dynastie konfrontiert wird, schießen die Kanoniere die Konkurrenz aus luftiger Höhe scheinbar mühelos in Grund und Boden (…) Auf der Insel ist zurzeit weit und breit kein ebenbürtiger Gegner zu erkennen, doch um im Kreis der ganz Großen anzukommen, muss Wenger auch in der Champions League endlich Erfolg haben – ähnlich wie der heutige Gegner Borussia Dortmund haben die Londoner in Europa nach eigenem Selbstverständnis in den letzten Jahren viel zu wenig erreicht. Seitdem sie nach Gastauftritten im größeren Wembley-Stadion wieder in Highbury spielen, sind sie zu Hause ungeschlagen, doch eine unerklärliche Auswärtsschwäche bringt Arsenal in schöner Regelmäßigkeit zu Fall.“

Raphael Honigstein (SZ 16.9.) diagnostiziert eine sportliche Dekadenzphase beim Champions-League-Sieger von 1999. „Manchester United ist eine Spitzen-Mannschaft, die seit eineinhalb Jahren auf hohem Niveau stagniert, während die anderen Fortschritte machen. Sicher, die Verletztenliste ist lang. Doch dass aus der Krise der Mannschaft im vergangenen Jahr eine dauerhafte Schwäche geworden ist, hat andere Gründe. Fergusons Kader ist zum einen im Vergleich mit anderen Titelaspiranten viel zu dünn – eine Folge der Einkaufspolitik des Schotten, der in den vergangenen beiden Jahren für 90 Millionen Pfund mit Van Nistelrooy, Forlan, Veron und Ferdinand vier neue Spieler nach Old Trafford holte, während sich die Konkurrenz für weitaus weniger in der Breite verstärkte. Das System der punktuellen Verstärkungen hat bis jetzt nur in Person von Van Nistelrooy Dividenden abgeworfen. Veron sucht nach 14 Monaten in Manchester immer noch seine Position und seine Form, der Uruguayer Forlan hat noch kein Tor erzielt; ob der sehr starke, aber limitierte Innenverteidiger Ferdinand allein die notorisch unsichere Abwehr zusammenhalten kann, ist fraglich. Nicht einmal auf altbewährte Kräfte ist Verlass. Beckham, der mit seiner Synthese aus Glamour und Effizienz jahrelang das Spiel von Manchester personifizierte, verrichtet seit vielen Monaten Dienst nach Vorschrift; die Kollegen Giggs und Scholes haben ob der vielen Positionswechsel, die Ferguson nach Verons Verpflichtung probierte, ihren Rhythmus verloren. United ist kein Team mehr, dass spielerische Überlegenheit zwingend in Tore ummünzt; Niederlagen gegen Vereine wie Zalaegerszegi und Bolton haben Fergusons Truppe dazu um dem Nimbus gebracht, unschlagbar zu sein. Angst vor den Red Devils braucht auf der Insel im Moment niemand zu haben.“

George Best dachte an Selbstmord FR

Über die Vermarktungsaktivitäten David Beckhams schreibt Timm Schröder (FR 17.9.). „Richtig Geld aber verdient der Kapitän der englischen Nationalmannschaft in seinen Nebenrollen. Etwa als Repräsentant des deutschen Sportartikelherstellers adidas. Der verewigte ihn zur WM auf einem riesigen Plakat, das an der Autobahn in Birmingham mit einem 20 mal 20 Meter großen Beckham-Kopf für den designierten WM-Helden und auch ein bisschen für sich selbst warb.“

Jean-Marie Lanoë (NZZ17.9.) porträtiert den Trainer des Champions-League- Teilnehmers AJ Auxerre. „Was Roux seit 1961, dem Jahr, in dem er als Trainer in Auxerre seine Tätigkeit aufnahm, erreicht hat, lässt sich ohne Einschränkung sehen. Er schuf in dem verschlafenen 40.000-Einwohner-Städtchen an der Yonne einen der erfolgreichsten Klubs. Er baute ein Centre de formation auf, das im Hexagone neben demjenigen von Nantes als erste Adresse gilt. Er entdeckte und förderte Spieler wie Bats, Ferreri, Cantona, Charbonnier oder Cissé und hauchte den Karrieren von Scifo, Roche oder Blanc nochmals neues Leben ein. 1970 gelang ihm der Aufstieg in die dritthöchste Liga, 1974 in die zweithöchste und 1980 schliesslich in die Eliteklasse, der Auxerre seither angehört. Als Titelgewinne kann er den Cup-Sieg 1994 und das Double Cup/Meisterschaft 1996 vorweisen.“

Zur Stimmung des kauzigen Barça-Coaches van Gaal lesen wir in der NZZ (17.9.). „Waren Aufregung und Betroffenheit echt oder nur dem Anhang vorgespielt? Er habe das Spiel nicht gesehen, aber die Nacht kein Auge zugetan, erklärte Joan Gaspart, nachdem Barça in der ersten Cup-Runde ausgeschieden war. Den Präsidenten verstehen konnte sicher Frau van Gaal; auch sie habe, so ihr Ehemann Louis vor TV-Kameras, eine schlaflose Nacht verbracht. Der Trainer selber schläft immer gut, nach dem Fauxpas beim drittklassigen Klub Novelda in der Provinz Alicante sei er allerdings mit Kopfschmerzen aufgewacht. Um den Cules zu zeigen, dass er nicht nur ein cooler Analytiker ist, sondern auch aufzeichnen kann, was seine Spieler auf dem Rasen veranstaltet bzw. falsch gemacht haben? Angesichts des vollen Spielkalenders wäre es längst angebracht gewesen, die Copa del Rey, liebstes Kind von Verband und Nostalgikern, zu entmythologisieren. Cup-Runden werden ab dieser Saison zwar nicht mehr in Hin- und Rückspielen abgewickelt, der unterklassige Verein genießt generell Heimrecht. Ob aber ein größerer Anreiz für die Topklubs besteht, sich ins Zeug zu legen, steht auf einem anderen Blatt.“

Christof Franzen (NZZaS 15.9.) porträtiert einen Champions-League-Teilnehmer. „Spartak Moskau ist der Verein des Volkes, der Proletarier und Gewerkschafter. Der Spitzname des Klubs lautet „Fleisch“ – weil es eine Lebensmittel-Gewerkschaft war, die ihn 1922 gegründet hatte. Spartak galt immer als unabhängig – im Gegensatz zu allen anderen Moskauer Klubs.“

Bundesliga vom Sonntag

Hamburger SV – 1. FC Kaiserslautern 2:0

Über den Auftritt der Gästeelf schreibt Jörg Marwedel (SZ 17.9.). „Gerets trug zum eisgrauen Bart einen schwarzen Trainingsanzug. Manche finden das schick, andere sehen darin vor allem den Bezug zur düsteren Lage, für die der belgische Meistercoach einen weiteren Grund gefunden hat: „Die wichtigen Spieler sollen Vorbild sein. Das ist momentan nicht so.“ Gerets meinte Kapitän Thomas Hengen, Altstar Mario Basler, Miroslav Klose und vor allem Ciriaco Sforza als Libero – sie hatten sich gegen die Hamburger versteckt wie Leichtmatrosen bei einem Piratenangriff (…) Es ehrt Sforza, dass er beschwörend bat: “Gebt mir die Schuld, aber lasst die anderen in Ruhe.” Gleichwohl droht der einstige „Spiritus Rector“ (Otto Rehhagel), dem es neben Spielpraxis auch an Tempo mangelt, als jüngste Altlast der entmachteten Klubführung in die FCK-Historie einzugehen. Vielleicht wäre es hilfreich, würde er seinen Anschlussvertrag als Sportdirektor sofort statt erst 2004 antreten. Andererseits, lästern seine Gegner im Umfeld, könne man dann gleich den Brandstifter zum Feuerwehrmann befördern.“

Frank Heike (FAS 15.9.) bemerkte vor dem Spiel. „Es gibt sichere Anzeichen dafür, dass ein Trainer beginnt, vor allem seinen eigenen Arbeitsplatz zu sichern. Geschickt werden die vielen kleinen Bühnen des Fußballspiels genutzt, um von den eigenen Regieschwächen in der großen Inszenierung abzulenken. Spieler werden nicht mehr aufgestellt, die Schiedsrichter werden ebenso kritisiert wie die Einkäufe des ehemaligen Trainers. Und wenn trotz all dieser Ablenkungsmanöver weiterhin verloren wird, bleiben nur noch die Hauptdarsteller auf der Bühne, auf die man mit dem Finger zeigen kann, um nicht plötzlich selbst im Mittelpunkt der Kritik zu stehen. Kurt Jara hat darin in den vergangenen drei Wochen eine gewisse Meisterschaft entwickelt (…) Nun also geht es wieder einmal um einen Neuaufbau. Den wievielten eigentlich seit 1999? Allen Ernstes hatte Jara zuletzt gesagt, eigentlich müsste man jetzt schon mit dem Zusammenstellen einer Mannschaft für die Serie 2003/04 beginnen, spätestens in der Winterpause. Und das nach drei Spielen (…) Ach ja, der Hamburger SV. Kaum ist das Sommertheater um beleidigte Vorstandsvorsitzende, selbstherrliche Aufsichtsräte, alte und neue Sportdirektoren beendet, wird die sportliche Misere so deutlich, dass man sich fast ein bisschen unterhaltsamen Trubel aus der Führungsetage zurück wünscht.“

VfL Bochum – Hansa Rostock 0:1

Christoph Biermann (SZ 17.9.) spendet den Verlierern Trost. „Der VfL Bochum verlor zum vierten Mal daheim gegen seinen Angstgegner und wird diese Niederlage als eine der kuriosesten in 28 Jahren Bundesliga noch lange in Erinnerung behalten. Denn die Spieler hatten wenig falsch gemacht – außer halt den Ball nicht ins Tor zu schießen. Daher war Peter Neururer zufrieden mit seinem Team (…) Die schöne Tabellenführung ist damit aber erst einmal dahin – jedenfalls die in der Bundesligatabelle. Geblieben ist eine andere, die von den Zählmeistern des kicker ermittelt wurde. Demnach hat der VfL Bochum in den ersten fünf Spielen bereits 50 Torchancen herausgespielt hat, mehr als alle anderen Teams und etwa doppelt so viel wie Nachbar Schalke. Trost spendet diese Statistik kaum.“

Zu den der Niederlage zum Trotz Zufriedenheit signalisierenden Reaktionen von Trainer Neururer heißt es bei Michael Ashelm (FAZ 17.9.). „Sollte hier etwas schöngeredet werden? Etwa ein Psychotrick des Trainers? Weil die Fußball-Branche unter dem Strich andere Bewertungskriterien für die Leistung heranzieht, besteht immer höchste Gefahr, plötzlich das Ziel aus den Augen zu verlieren. Ein Schock dieser Art, also trotz starker Leistung als Verlierer gescheitert zu sein, hat schon den einen oder anderen aus dem Gleichgewicht gebracht (…) Dass ihnen trotz des Auswärtssieges an diesem Abend nur die Nebenrolle zustand, störte unterdessen die Rostocker überhaupt nicht. Es reichte ihnen, das entscheidende Tor geschossen und mit einigen gewieften Kontern den zum Teil anwesenden Dortmunder Trainerstab (nächster Gegner ist der Meister) beunruhigt zu haben.“

Zur Lage bei Aufsteiger Hannover 96 lesen wir von Martin Hägele (NZZ 17.9.). „Ein Sieg am Wahlwochenende und die Mannschaft aus der Stadt von Bundeskanzler Schröder könnte schon schnell wieder zu jenem Kurs zurückkehren, den man sich in der niedersächsischen Metropole nach der perfekt geplanten Rückkehr ins Oberhaus ausgemalt hat: offensiver und taktisch ordentlicher Fußball, mit Abstiegskampf sollten Rangnicks Leute eigentlich nichts zu tun haben. Wer ein solch souveräner Meister der Zweiten Liga war, sollte eigentlich in der Bundesliga nichts zu befürchten haben. Erst aus dieser Gemengelage von Begeisterung, Boom und Selbstbewusstsein konnte sich das gefährliche Klima entwickeln, das dann die Leistungsträger des Vorjahres ergriff und selbst vor der Symbolfigur Rangnick nicht Halt machte.“

Auslandsfußball am Wochenende

Martin Pütter (NZZ 17.9.) sah den 1:0-Sieg von Leeds United über Manchester United. „Wer die alte Weisheit erfunden hat, dass Fußball eine Fortsetzung des Krieges mit anderen Mitteln ist, muss unter anderem sowohl die Partien zwischen Leeds United und Manchester United als auch die Berichterstattung in den englischen Medien vor Augen gehabt haben. Wenn diese beiden Teams aus den größten Städten der Grafschaften Yorkshire und Lancashire aufeinander treffen, gehen die Gemüter hoch – auf dem Spielfeld und auf den Zuschauerrängen. Der Match vom Samstag an der Elland Road bildete keine Ausnahme (…) Wer über die Pennines (die Hügelkette, die Manchester und Leeds trennt) zum Rivalen wechselte, wurde und wird als Verräter betrachtet. Allerdings gilt das nur für die Spieler, die von der Elland Road in Richtung Old Trafford gehen. Der größte Verräter für die Fans von Leeds United war dabei Eric Cantona. Der Franzose hatte in der Saison 1991/92 Leeds United zum Gewinn der Meisterschaft verholfen, hatte aber nach wenigen Wochen der folgenden Saison zu Manchester United gewechselt, wo er mithalf, den Grundstein für die Dominanz der Equipe von Alex Ferguson in den folgenden Jahren zu legen.“

Birgit Schönau (SZ 16.9.) bemerkt zum Auftakt der Serie A. „Der Ball rollt wieder, nach vier Monaten, nach dramatischen Pleiten, wilden Drohungen und endlosem Gezerre – und damit ist, wie Adriano Galliani behauptet, die Normalität wieder hergestellt.“

Sammelbericht vom ersten Spieltag der Serie A 1. SZ 2. NZZ

Zum 3:2-Sieg des Bierhoff-Klub Chievo über Lazio heißt es bei Peter Hartmann (NZZ17.9.). „Manchmal ist Fußball ein einfaches Spiel, und es siegt, wie im Märchen, das Gute. So wie im Römer Stadio Olimpico unter der milden Herbstsonne der italienischen Krise. Elf, die irgendwie das Böse, all die Großkotzigkeit und die Aufgeblasenheit des Calcio vertreten müssen, die Himmelblauen von Lazio, gegen die elf aus der Idylle, aus Chievo, und das Resultat ist: Das Wunder, das letzte Saison Italien verblüffte und beschämte, scheint weiterzugehen, Chievo gewann 3:2. Ein Ergebnis wie höhere Gerechtigkeit, wie eine Bestrafung des Verlierers. Denn hier trafen Kulturen aufeinander, vielleicht auch die Vergangenheit und die Zukunft.“

Birgit Schönau (SZ 17.9.) über das Debüt von Oliver Bierhoff. „Chievo gewann die Partie in Rom 3:2, Bierhoff wurde zum besten Akteur auf dem Platz gekürt – ein perfektes Comeback. Es sah aus, als hätte der lange Deutsche schon immer für den Stadtteilklub des viertgrößten Kuchenbäckers von ganz Verona gespielt, und vor allem wirkte es so, als hätte Bierhoff dabei auch noch Spaß.“

Ivica Osim schmeißt nach acht erfolgreichen Jahren Trainerfunktion bei Sturm Graz das Handtuch. Werner Pietsch (NZZ 17.9.) dazu. „Die lockeren Sprüche, die ihm besonders in Wien viel Ablehnung und Unverständnis eintrugen, wurden in den letzten beiden Jahren immer seltener. Der Umbau der Mannschaft verlief nicht nach Wunsch.“

Europäischer Fußball – Ergebnisse, Torschützen, Tabellen NZZ

Kritik an Vogts FR

Zweite Liga

Thomas Kilchenstein (FR 16.9.) schreibt zur Frankfurter 0:2-Heimniederlage gegen Wacker Burghausen. „Spiele wie das gegen Wacker Burghausen hat Eintracht Frankfurt noch nie geliebt. Schon immer hat der Klub gerne in Not befindlichen Teams mit einer Drei-Punkte-Gabe auf die Beine geholfen, bevorzugt Tabellenletzten oder Mannschaften wie den zuvor sieglosen Burghausenern. So auch diesmal. 0:2 unterlagen die Hessen dem Zweitliga-Neuling von der bayerisch-österreichischen Grenze. Sie verloren ein Spiel, in dem sie klar feldüberlegen waren, aber keine Idee hatten, wie sie eine gut formierte Hintermannschaft ausspielen können. Gegen allenfalls brave Bayern fanden die Frankfurter nie ein Mittel. Hilf- und harmlos kombinierten sie vor dem mit allerlei Verteidigern verstellten Strafraum der Gäste. Selbst als sie, wie der junge Bakari Diakité in der Schlussphase, einen Meter vor der Torlinie nur noch den Fuß hinzuhalten brauchten, scheiterten sie. Mit dieser Niederlage, der zweiten hintereinander, ist der schöne Höhenflug von Eintracht Frankfurt erst einmal beendet. Die Frankfurter sind am fünften Spieltag der Zweiten Liga auf dem Boden der Tatsachen angekommen, haben eine prima Chance ungenutzt verstreichen lassen, sich mittels eines Sieges ganz oben im Klassement zu etablieren.“

Thomas Kilchenstein (FR 17.9.) einen Tag später. „Warum soll ausgerechnet ihm gelingen, was praktisch noch keinem so richtig gelungen ist? Dass die Eintracht nämlich just dann, wenn sie gegen einen vermeintlich leichten Gegner die ganz große Gelegenheit hat, sich ganz oben in der Tabelle einzunisten, mal gewinnt. Schon immer waren die Hessen berühmt dafür, beladene, schwachen und krisengeschüttelten Teams mit einer eigenen großmütigen Niederlage auf die Beine zu helfen. Ob nun Hölzenbein und Grabowski spielten, Möller, Yeboah oder Bein oder jetzt Keller, Guie-Mien oder Kryszalowicz – diese Mentalität, diese Charakterschwäche, gegen die so genannten Kleinen zu patzen, ist allen Eintracht-Spielern, einerlei woher sie kamen, eigen (…) Ruhe hinter den Kulissen wird es bei diesem Klub wohl nie geben. Egal, wer die Fäden in der Hand zu halten scheint. Und Kulissenschieberei wirkt sich immer auch auf die Leistung auf dem Rasen aus. Eintracht Frankfurt steht – zum wievielten Mal eigentlich? – wieder am Scheideweg.“

Thomas Becker (FR 14.9.) über den Zweitligisten Wacker Burghausen. „Dass das lauschige Städtchen an der österreichischen Grenze in den Medien derzeit so präsent ist, liegt vor allem an zwei Herren, die fast nur noch im Doppelpack zu erreichen sind: Manager Kurt Gaugler und Trainer Rudi Bommer, der am Sonntag mit seinem Team zu seinem früheren Arbeitgeber Eintracht Frankfurt reist. In weniger als zwei Jahren haben sie mit ihrer Mannschaft erreicht, dass man mit dem Namen Burghausen nicht nur „Jazzwoche“ oder „längste Burg Europas (1036 Meter)“ verbindet, sondern auch mit Fußball, Profi-Fußball sogar. Zwar arbeiten immer noch einige Spieler halbtags im an den Sportpark grenzenden Wacker-Werk, aber ansonsten kann Gaugler, einst selbst Landesliga-Keeper beim SV, alles aufzählen, was einem Klub im bezahlten Fußball ansteht: frische Homepage, neuer Rasen, aufgerüstete Flutlichtanlage für die Fernseh-Spiele am Montag, eine mobile Zusatztribüne, Arbeitsplätze für die Presse, Fan-Shop („80, 90 Trikots sind schon vorbestellt“), und auch um das weitgehende Desinteresse in der souverän bestrittenen Regionalliga-Spielzeit macht er sich kaum Sorgen.“

Anlässlich des 100-jährigen Bestehens kramt Richard Leipold (FAZ 17.9.) in den Annalen des MSV Duisburgs. „Im Wedau-Stadion hat der Klub seine wenigen fetten Jahre in der Bundesliga gefeiert. Den größten Erfolg erreichte die Mannschaft in der Premierensaison 1963/64, als sie unter Trainer Gutendorf, der seiner Taktik wegen „Riegel-Rudi“ hieß, Meisterschaftszweiter wurde. Es folgten zumeist graue Jahre, mit einigen Ausnahmen: 1978 etwa qualifizierte der MSV sich als Tabellensechster für den Uefa-Pokal, im Halbfinale des europäischen Wettbewerbs scheiterten die „Zebras“ am späteren Cupsieger Borussia Mönchengladbach. Dieser Erfolg fiel wie die erste Europapokalteilnahme (1975) in die von 1970 bis 1982 dauernde Ära, die in der Vereinschronik mit „MSV Dietzburg“ betitelt ist. Dietz, einst Kapitän der Nationalelf, ist die wichtigste Identifikationsfigur des Duisburger Fußballs. Den ersten Abstieg nach neunzehn Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zur Bundesliga vermochte aber auch der bodenständige Libero nicht zu verhindern. Dieses Missgeschick, das sich noch dreimal wiederholen sollte, geschah im Jahr des achtzigjährigen Bestehens.“

Weiteres

Felix Reidhaar (NZZaS 15.9.) über Fifa-Personalien. „Gut zwei Monate ist es her seit der Rückverlegung des temporären Fifa-WM-Betriebs von Seoul und Tokio nach Zürich. In dieser Zeit ist in der Direktion kaum ein Stein auf dem andern geblieben. Der aufmüpfige Generalsekretär Zen-Ruffinen wurde durch den Stellvertreter, Finanzchef Urs Linsi, ersetzt. Der Leiter Wettbewerbe (Michael Black) ging schon früher im Jahr, seine nachgezogenen Assistenten (Kneubühler und Rupf) wurden hierarchisch schnell wieder zurückgestuft. Der Entwicklungschef George Cumming hat sein Büro ebenso geräumt wie der Kommunikationsdirektor Keith Cooper oder der Fernsehdirektor Roger Feiner. Eine direktoriale Chefsekretärin mit Unterschrift gibt es auch nicht mehr im Vorzimmer des Geschäftsführers. Daneben haben einige weitere Personen den Zürichberg verlassen, die Zen-Ruffinen nahe standen.“

Uwe Marx (FAS 15.9.) ironisiert. „Natürlich kennt auch der Fußball den Spieler als PR-Instrument. Der VfL Wolfsburg holte sich Stefan Effenberg in die VW-Stadt, dessen Ferrari obendrein und viele Kameras, die erst vor dem Wohnzimmerfenster des Neuen halt machen müssen. Es ist, als gehe ein Scheinwerfer über dem Verein an, der zwar auch vor Effenberg Spiele gewonnen hat, sich aber offenbar arg unterbelichtet vorkam. Wie langlebig solche Marketingmaßnahmen sein können, zeigte sich dieser Tage in einer anderen großen Stadt: Wien. Dort kam der Fußballverein Rapid einmal auf die Idee, Lothar Matthäus auf seine Trainerbank zu lassen. Der sollte für einen Hauch von großer weiter Fußball-Welt, für zusätzliche Sponsoren, am besten weltweite Schlagzeilen und Punkte für die Tabelle sorgen – so ungefähr in dieser Reihenfolge. Von Matthäus ist noch heute die Rede, auch wenn er längst entlassen ist. Der Torwart von Rapid nannte ihn gerade erst den „größten Tölpel“, der ihm je als Trainer untergekommen sei. Was unbestritten immer noch eine Schlagzeile ist. Insofern verbietet es sich, die Unternehmensstrategie der Wiener erfolglos zu nennen.“

Christian Eichler (FAS 15.9.) erzählt eine (fast) unglaubliche Geschichte. „Färöer: Nicht mal viele Europäer wissen, wo und wie das ist. Brasilianer schon gar nicht. Sie wissen nur: Es ist Europa. Der gelobte Kontinent. Brasiliens Fußball ist korrupt, das Geld verdienen die Funktionäre. Neunzig Prozent der über 20.000 Profis bekommen Hungerlöhne, weniger als 150 Euro im Monat. Wer kann, geht. Rund 5.000 Brasilianer spielen in fast hundert Ländern. Verdienen Geld, träumen von zu Hause. Frieren auf Färöer: Weiter weg von zu Hause kann ein Brasilianer nicht sein. Der Fischhändler von Toftir hatte gute Geschäfte gemacht, nun wollte er auch gerne mal einen Brasilianer für seinen Klub, und als der frühere Nationalcoach, inzwischen Klubtrainer in Island, anrief, dass er sich gerade ein paar ordern wolle, sagte der Fischhändler, bring mir vier mit und zwei noch für einen Kollegen (…) So einfach ist das. Es hört sich zwar ein wenig nach Sklavenhandel an. Doch für die neun Burschen, die im März 1999 in die nördliche Nordsee kamen, sechs nach Färöer, drei nach Island, war es die große Chance – die Chance, genug zu verdienen, um nicht ins Armenviertel zurück zu müssen. Färöer als Ausweg aus den Favelas (…) Toftir ist eine Reihe von Häusern an der Straße am Fjord. Kein Kino, keine Kneipe; nur eine Kirche, eine Fischfabrik und ein Stadion. Außer Arbeiten kann man hier nicht viel tun. Die Menschen sind von herber Schönheit, das Licht manchmal überwältigend – aber das sind ehr Trümpfe für europäische Wandertouristen als für brasilianische Wanderarbeiter (…) Frieren, Fußball holzen, Fische puhlen und Fernsehen in färöerischen Sprache – um das nicht auszuhalten, muss man kein Brasilianer sein.“

Hans-Jochen Waldbröl (FAZ 16.9.). „Unverhofft kommt gar nicht mehr so oft – was die Weltrekorde der Leichtathleten angeht. Weil unverhofft, oder jedenfalls unangemeldet, ja auch die Besuche der Leistungskontrolleure in aller Welt sein sollen. Vielleicht haben die immer noch sparsam ausgedehnten Überraschungsvisiten tatsächlich peu à peu zu größerer Transparenz der Trainingslager geführt. Und womöglich ist die Effektivität der Trainingsmethoden, die Plausibilität der Trainingserfolge durch die andauernd drohende Präsenz der pharmakologischen Fahnder wirklich wahrhaftiger geworden. Wer könnte sich mehr darüber freuen als die Dopingbekämpfer, dass erstaunliche Leistungssteigerungen inzwischen länger auf sich warten lassen oder unerklärliche Leistungssprünge heutzutage kürzer geraten? Was ist schon eine Hundertstelsekunde? Nach 100 Metern und drei Jahren Anlauf nicht gerade ein sensationeller Fortschritt; mithin die kleinste Steigerungsrate, von der die Statistiker Notiz nehmen. Mit seinen 9,78 Sekunden, in denen er die Vorgabe seines Vorläufers und Landsmannes Maurice Greene unterboten hat, ist Tim Montgomery als Amerikaner in Paris zu Beginn des neuen Jahrtausends nicht gerade einen Jahrhundertweltrekord gerannt.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Die Vertragsverlängerung von Michael Skibbe (bis 2006) erreicht nicht annähernd so viel Resonanz wie die Völlers

Roland Zorn (FAZ 18.12.) begrüßt die Vertragsverlängerung des Bundestrainers. DFB und Michael Skibbe einigten sich darauf, die gemeinsame Zusammenarbeit mit Teamchef Völler bis ins Jahr 2006 fortzusetzen. Im Vergleich mit seinen Vorgängern schneide das Duo Völler/Skibbe sehr gut ab und lasse berechtigte Erfolgsaussichten erkennen. Während Erich Ribbecks Helfer Uli Stielike „zu eigenmächtig“ und seinem Chef „fachlich überlegen“ gewesen sei, habe Berti Vogts´ Co-Trainer Rainer Bonhof als „zu unselbstständig“ und „brav ergeben“ gegolten. Vom aktuellen „Bündnis unter fast Gleichen“ dürfe man sich eine fruchtbarere Kooperation versprechen, da es beiden gelinge, sich „offen, aufgeklärt, selbstständig und loyal zugleich“ zu begegnen. „Der eine spielt nicht den Chef, der andere nicht den Besserwisser.“ Zudem habe das Gespann in letzter Zeit die Fähigkeit gezeigt, aus Fehlern lernen zu können und wollen. Skibbe teile mit Völler die Haltung eines wissbegierigen „Studierenden und nicht vermeintlichen Alleswissers wie Vogts“ (alle Zitate Zorn).

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Uefa-Generaldirektor Gerhard Aigner rügt „G14“ – Wacker Burghausen hätte mehr Unterstützung verdient – SpOn-Interview mit Jürgen Klopp, Trainer das FSV Mainz 05 – taz-Interview mit Mehmet Scholl über Musik

Die großen Vereine stärken ein System, das Ungleichheit hervorruft

Bei der kritischen Rede des Uefa-Generaldirektors Gerhard Aigner vor dem DFB-Beirat führt Michael Horeni (FAZ 27.10.) Protokoll: “Der Fußball wird in eine gefährliche Richtung getrieben, sagte Aigner. Die übermäßigen Summen der Fernsehanstalten, der große Einfluß von Medienunternehmen zersetze die traditionellen Strukturen ebenso wie die Politik der EU, die Klubvereinigung G 14 sowie immer zahlreichere Juristen und Agenten, die im Profifußball ein lukratives Feld gefunden hätten. Aus einer Bringkultur ist eine Nimmkultur geworden, beklagte Aigner einen Paradigmenwechsel. Die Folgen ließen sich klar erkennen. Die astronomischen Gehälter der Spieler lösten die Loyalitäten zu den Klubs, die ,player power‘ wird immer mehr zur Realität. Die Vereine bildeten immer weniger Nachwuchs aus, investierten immer stärker auf dem Spielermarkt und gefährden damit ihre wirtschaftliche Stabilität und ihre Selbständigkeit. Als große Gefahr für den Fußball sieht Aigner die europäischen Elitevereine, die sich zur sogenannten G 14, bald G 18 zusammengeschlossen haben. Sie betreiben im Verbund eine Hegemoniestrategie sagte der UEFA-Generaldirektor über eine Vereinigung, die nach den Statuten von UEFA und FIFA eigentlich gar nicht zulässig sei. Die Eliteklubs haben zusammen mehr als zweihundert Nationalspieler unter Vertrag genommen und können die Europapokalwettbewerbe unter sich ausmachen. Wir erleben derzeit in vielen Ländern die Spaltung zwischen Großvereinen und dem Rest der Liga: Zudem benutzten die großen Klubs die Europäische Union als Plattform, um die traditionellen Verbandsstrukturen zu ihrem Vorteil zu verändern. Sie verheimlichten auch nicht ihre Absicht, demnächst eine supranationale Liga zu errichten. Von der Europäischen Fußball-Union verlangten die Klubs, zu denen unter andern Bayern München, Real Madrid, AC Mailand und Manchester United gehören, Transparenz und Fair play. Aber sie praktizieren das Gegenteil. Jetzt wollten diese Vereine, wie dies zuletzt der Bayern-Vorstandsvorsitzende Karl-Heinz Rummenigge mit der Forderung nach 70 bis 80 Millionen Euro getan hat, auch noch an den Einnahmen von Welt- und Europameisterschaften partizipieren – obwohl die Vereine genau wüßten, daß mit diesem Geld traditionelle Strukturen gestärkt würden. Leisteten die Verbände eine Ausgleichszahlung für die Nationalspieler bei WM- oder EM-Endrunden, würden sie dazu beitragen ein System zu stärken, das Ungleichheit hervorruft.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 28.10.) wundert sich über die geringen Zuschauerzahlen bei Wacker Burghausen, Gegner des VfB Stuttgart: „Vielleicht ist der sportliche Aufstieg von Wacker den Leuten im beschaulichen Burghausen einfach zu schnell gegangen. Im Oktober 2000 hat der frühere Bundesligaprofi Bommer die Mannschaft als Tabellenletzter der Regionalliga übernommen, am Saisonende war der Klub vor dem Abstieg gerettet, ein Jahr später wurde Burghausen Meister und stieg in die zweite Liga auf. Die erste Saison im Profifußball beendete Wacker als Zehnter. Daß es weiter so rasant nach oben geht, ist aber nicht zu erwarten. Da das zweite Jahr in einer Liga oft viel schwerer ist als das erste, wäre für Trainer Bommer eine Wiederholung des Vorjahresergebnisses schon ein Erfolg. Im Moment liegt die Mannschaft auf Rang sieben der Tabelle, da wollen wir uns festsetzen, dann sind wir in Lauerstellung. Das klingt so, als ob Bommer den Blick weiter nach oben richtete. Natürlich hat man die Vision, irgendwann einmal in der Bundesliga zu spielen, gibt der 46 Jahre alte Trainer zu, aber erst einmal müssen wir uns in der zweiten Liga festsetzen. Im Moment, hebt Bommer hervor, sei das genau die richtige Spielklasse für Burghausen. Auch wirtschaftlich, da sich der Etat zum großen Teil über regionale Sponsoren finanzieren ließ. Aber in Zukunft, sagt Bommer, brauchen wir auch ein paar überregionale Firmen im Pool. Anders als Bayer in Leverkusen unterstützt Wacker die Fußballmannschaft kaum mit Geld – nur zwei Prozent des Etats stammen von dem ortsansässigen Chemieunternehmen –, dafür stellt der Konzern die Sportanlagen und Ausbildungsplätze für junge Spieler zur Verfügung.“

Volker Kreisl (SZ 27.10.) schildert die Probleme Unterhachings: „Für Unterhaching aber stellte sich später die Frage, welches die wirklichen Ursachen für die Sorgen der vergangenen fünf Spiele sind: Ob es tatsächlich nur Konzentrationsmängel sind, die sich mit klärenden Gesprächen und intensiveren Trainingseinheiten beheben lassen, oder ob es die Kehrseite des Systems Copado ist. Von der Klasse des Kapitäns ist kein Gegner mehr überrascht, auch gegen Osnabrück wurde Francisco Copado meist von zwei Verteidigern in die Mitte genommen und von sauberer Ballannahme abgehalten. Setzt er sich durch, hat die SpVgg einen ungeheuren Vorteil, bleibt Copado aber hängen, ist der gesamte Spielfluss des Aufsteigers blockiert. Frank hatte während der Woche erkannt, dass Copados Mit-Angreifer die Lücken mehr nutzen müssen, die der Techniker in den Abwehrverbund des Gegners reißt. In Osnabrück war davon nichts zu sehen.“

Wir haben genug junge Talente, man muss sich nur um sie kümmern.

SpOn-Interview mit Jürgen Klopp, Trainer des FSV Mainz 05

SpOn: Bei fast jeder Trainerdiskussion in der Bundesliga taucht aber Ihr Name auf. Reizt Sie nicht die Chance zum persönlichen Aufstieg?

JK: Ich habe gar keine Zeit, mir über diese Gerüchte Gedanken zu machen. Das, was wir hier in Mainz machen, ist viel zu spannend, als dass ich mich mit so was auseinandersetzen könnte. Außer wenn man mich rausschmeißt, werde ich diese Saison den Verein mit hundertprozentiger Sicherheit nicht verlassen.

SpOn: Reizt Sie die Bundesliga so wenig?

JK: Ich habe in keiner Weise das Gefühl, dass ich im Moment etwas verpasse. Ich bin hier bei Mainz 05 genau an der richtigen Stelle. Hier kann ich etwas bewegen, das Gefühl gibt mir die Mannschaft und auch das Umfeld.

SpOn: Sehnen Sie sich denn nicht nach 13 Jahren als Spieler und Trainer bei Mainz mal nach einer neuen Umgebung?

JK: Mich beschäftigt überhaupt nicht, dass ich schon so lange in Mainz bin. Mich fasziniert diese Entwicklung in den vergangenen zwei Jahren, die niemand diesem Verein zugetraut hätte. Wir alle, vom Präsidenten über das Management bis zum Trainerstab, haben uns getraut, was ganz Neues zu wagen. Das hat funktioniert, wenn auch nicht ganz perfekt. Denn dann wären wir in der Bundesliga.

SpOn: Was ist dieses Neue, das Mainz 05 gewagt hat?

JK: Wir haben einen Weg gesucht, der uns von anderen kleineren Vereinen unterscheidet. Wir wollen den Leuten 90 Minuten attraktiven Fußball bieten. Wir wollen gute Laune im Stadion verbreiten und eine außergewöhnliche Identifikation der Fans mit Mannschaft und Verein schaffen. Als wir am Mittwoch mit der Mannschaft im Wunder von Bern waren, wurden wir im Kino trotz der letzten Niederlagen wie ein Tabellenführer empfangen. Die Zuschauerzahl hat sich in drei Jahren mehr als verdoppelt, mittlerweile kann jeder in der Stadt die Anfangsformation vom letzten Sonntag aufsagen. Außer Freiburg hat sich keine Stadt in den letzten zehn Jahren so sehr zu einer Fußballstadt entwickelt wie Mainz. Wir sind im Moment dabei, Tradition zu schaffen. Das ist das wahnwitzig Spannende. Bei dieser Sache dabei zu sein, das ist mit Geld nicht zu bezahlen.

SpOn: Vielleicht ist Mainz 05 dann ja ganz gut aufgehoben als ewige Spitzenmannschaft der zweiten Liga. Im Oberhaus wäre der Verein schließlich nur eine graue Maus

JK: Wenn wir da oben wären, würden wir unsere eigene Rolle finden und unseren Weg gehen.

SpOn: Mainz 05 versteht sich als Ausbildungsverein. Begrüßen Sie deshalb die Vorschläge von DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder, der kürzlich laut über eine Ausländerbeschränkung zum Schutz deutscher Nachwuchsspieler nachdachte?

JK: Das könnte, wenn man maßvoll handelt, eventuell Sinn machen. Ich halte das aber aus politischen Gründen für problematisch. Wenn so etwas passiert, dann muss das auf jeden Fall so vor sich gehen, dass wir hier keine ausländischen Spieler von heute auf morgen vor die Tür setzen, nur weil der deutsche Fußball seine Talente schützen will.

SpOn: Gibt es überhaupt ein Nachwuchsproblem in Deutschland?

JK: Nein, wir haben meines Erachtens genug junge Talente, man muss sich nur um sie kümmern.

taz-Interview mit Mehmet Scholl über Musik

taz: Herr Scholl, wie kam es überhaupt dazu, dass Sie einen eigenen Sampler rausgebracht haben?

MS: Das war eigentlich Zufall. Marc Liebscher, dem das kleine Musiklabel Blickpunkt-Pop gehört, legt ab und zu im Münchner Atomic-Café auf. Dort bin ich auch öfter gewesen, und außerdem ist er ein Freund und der Manager von den Sportfreunden Stiller. Da ich die Sportfreunde schon immer gut fand und sie alle große Fußballfans sind, haben wir uns schnell kennen gelernt. Außerdem hat es mich schon immer gereizt, etwas Persönliches auf den Markt zu bringen.

taz: Sind Sie auch jemand, der zu Hause Mix-Tapes oder CDs für Freunde aufnimmt?

MS: Natürlich. Ich verschenke die beispielsweise zu Geburtstagen, ich finde das wesentlich persönlicher, als wenn man irgendetwas kauft. Ich versuche den Geschmack der jeweiligen Person abzuschätzen und stelle für jeden individuell eine Platte zusammen, um etwas, das mir selbst am Herzen liegt, weiterzugeben. Ich mache das auch für bestimmte Situationen, wie Autofahren oder so. Musik ist immer dabei.

taz: Was für Musik ist auf Mehmet Scholl Kompiliert 2?

MS Es handelt sich um eher schwere und melancholische Musik, die einen aber nicht herunterzieht, sondern Hoffnung gibt. Ich kann mir gut vorstellen, sie in Situationen zu hören, wenn es draußen regnet und ich in Gedanken bin. Die rockigen Songs wecken einen dann aber wieder auf.

taz: Sie hören Musik auch, um sich auf ein Spiel einzustimmen.

MS: Jeder Spieler hat seine eigene Art und Weise, sich auf ein Spiel vorzubereiten. Ich bin im Bus immer ganz still und habe einen Walkman auf. Auch in der Kabine höre ich noch etwa eine Viertelstunde Musik, eigentlich genau die Sachen, die jetzt auch auf der CD drauf sind: Brit-Pop und Independent hauptsächlich. So gibt es immer Bands, die mich einige Zeit begleiten. Momentan höre ich sehr gerne REM, Tim Burgess oder die Stone Roses. Musik ist immer auch ein Teil der Erinnerung an alte Zeiten.

taz: Dann verknüpfen Sie mit Songs ein bestimmtes Gefühl oder Erlebnis?

MS: Ja, speziell an Three Lions habe ich sehr positive Erinnerungen. Das war ja der Titelsong der EM 1996 im englischen Fernsehen und auch in Deutschland ein Hit. Aber mir hätte es auch gefallen, wenn es kein Hit geworden wäre, einfach weil die Erinnerung an das Turnier so schön ist.

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Valencia wieder obenauf – Rivaldo, Mailands Seifenopern-Held

Krieg in Valencia

Georg Bucher (NZZ 30.9.) kommentiert die Situation beim spanischen Tabellenführer FC Valencia nach dem 2:0 über Real Madrid: „Unter der Woche hatten Valencia-Ultras die für Reals Reservisten bestimmte Bank in Flammen gesteckt. Ein Provisorium stand zur Verfügung, allerdings konnte man den Eindruck gewinnen, die „Galaktischen“ liefen auf glühenden Kohlen. Das zum Titanenkampf hochstilisierte Duell der Spielmacher Aimar und Zidane entschied Aimar, obwohl er nach einer halben Stunde angeschlagen den Platz verlassen musste, klar zu seinen Gunsten. Der Brasilianer Ricardo Oliveira trat ein und erzielte nach der Pause den längst überfälligen Treffer zum 2:0-Endstand. Wie schon Mistas Führungstor wurde er über die rechte Seite eingeleitet, wo Jorge Lopez und Rufete Roberto Carlos wie einen Anfänger aussehen liessen. Figo hatte sich gegen den Abgesang aufgelehnt, stand aber allein auf weiter Flur, zumal seine Kollegen auch in den Zweikämpfen regelmässig den Kürzeren zogen. Allein die Absenzen von Raul und Helguera vermögen die miserable Vorstellung nicht hinreichend zu erklären. Real traf allerdings auf einen glänzend positionierten, im zentralen Bereich aggressiven und auf den Seiten kreativen Gegner ohne Schwachpunkt, der sich nun vor Deportivo an die Tabellenspitze gesetzt hat. Davon wagten Ende August nicht einmal Berufsoptimisten zu träumen. „Krieg in Valencia“ hatten die Medien gewittert, das Verhältnis zwischen Sportdirektor Garcia Pitarch und Benitez war aufs Äusserste gespannt und veranlasste den Präsidenten Jaime Orti, einen Schulterschluss zu diktieren.“

Rivaldo, der unglückliche, gedemütigte, unverstandene Held

Peter Hartmann (NZZ 30.9.) erzählt das Hin und Her zwischen Rivaldo und dem AC Milan: „Der hochgewachsene, spindeldürre Melancholiker, der sich im dunklen Strassenanzug vor dem Publikum im Stadion San Siro verbeugte, war an einem einzigen Tag um 6 Millionen Euro reicher geworden, aber für Borba Ferreira Rivaldo Vitor, kurz Rivaldo, bedeutete diese noble Abfindung noch nicht den endgültigen Abschied aus Mailand. Denn am Abend kündigte der Milan-Geschäftsführer Adriano Galliani überraschend an, der 31-jährige brasilianische Weltmeister von 2002 und Fussballer des Jahres 1999 werde nun doch noch bis Ende Jahr beim Champions-League-Sieger in Mailand ausharren. Wie in einer Telenovela, den beliebten Endlos-Fernsehserien in seiner Heimat, spielt Rivaldo den unglücklichen, gedemütigten, unverstandenen Helden in diesem Trennungs-Melodrama. Der Klubboss und Mäzen Silvio Berlusconi hatte den Star vor einem Jahr in einem vermeintlichen Geniestreich ohne Ablösesumme aus den Fesseln des sanierungsbedürftigen FC Barcelona und des systemzwangbesessenen Trainers van Gaal befreit. Doch Milan-Trainer Carlo Ancelotti verwendete Rivaldo nur als Teilzeitarbeiter: 22 Einsätze und 5 Tore in der Serie A, 13 Spiele und 2 Treffer in der Champions League (den Final sah er als Zuschauer) wogen zu wenig gegen ein bleischweres Nettogehalt von 6 Millionen Euro, brutto 12 Millionen. Rivaldo nutzte auch rege das Freiflug-Kontingent, das ihm vertraglich zugesichert war, für Besuche in São Paulo: Er litt nicht nur an Saudade, dem unauslöschlichen Heimweh der Brasilianer, sondern versuchte auch verzweifelt seine Ehe zu retten und seine Frau zur Rückkehr nach Europa zu bewegen. Die Scheidung von seinem Bewunderer Berlusconi begann sich abzuzeichnen, als Milan in einem Blitztransfer zum Saisonstart den zehn Jahre jüngeren Landsmann Ricardo Kakà engagierte, der in einer vergleichbaren Rolle wie Rivaldo spielt und auf Anhieb das Vertrauen Ancelottis gewann. Kakà widerlegte auch das Klischee, Brasilianer könnten sich in der angeblich „schönsten Liga der Welt“, die in Wirklichkeit die härteste ist, nur schwer akklimatisieren. Gerade die AC Milan hat, mit Erfolg, eine kleine brasilianische Kolonie integriert: Torhüter Dida, Serginho, Cafù (der neu von der AS Roma kam), Kakà und als weiteres portugiesischsprachiges Mitglied Rui Costa, und die ganze Fraktion wird betreut vom früheren Spieler Leonardo, der auch für die Rekrutierung junger brasilianischer Talente verantwortlich ist.“

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Fußball war mal der Proletensport

sehr lesenswert! Zeit-Interview mit Peter Neururer u.a.

Fußball war mal der Proletensport

Sehr lesenswert! Zeit-Interview mit Peter Neururer

Zeit: Ist es schön, wieder ein gefragter Mann zu sein?

PN: Wieso wieder? Ich war seit 1986 immer gefragt.

Zeit: Na ja, Sie waren während Ihrer Trainerkarriere insgesamt drei Jahre lang arbeitslos.

PN: Aber auch, als ich zu Hause gesessen habe, war ich gefragt. Nur habe ich da – aus Überheblichkeit – zu lange meine Situation verkannt. Als der erste, zweite, dritte in arger Not befindliche Erstligist anrief, war das nicht mein Ding. Da war Peter Neururer zu Höherem berufen! Als dann nur noch Zweitligisten anriefen, war ich erst recht zu Höherem berufen. Irgendwann rief leider keiner mehr an. Da bin ich in ein verdammtes Loch gefallen.

Zeit: Und was war in diesem Loch?

PN: Stille. Das Telefon klingelt nicht mehr. Es klingelt einfach nicht mehr. Ich dachte: „Was ist hier los? Jetzt muss was passieren!“ Wenn es dann doch mal klingelt, hofft man natürlich, dass Berlusconi vom AC Mailand dran ist – aber es ist nur die eigene Mutter.

Zeit: Auch ein Grund zur Freude.

PN: Aber nicht in diesem Moment! Und dann fragt sich die Mutter: „Was ist bloß mit dem Jungen los? Ich habe dem doch nichts getan!“ Da war ich oft ungerecht.

Zeit: Kaum ein anderer Trainer hat eine solche Achterbahnkarriere hinter sich wie Sie: Ihre Mannschaften scheinen immer entweder einen „Lauf“ oder eine „Krise“ zu haben – wie schmal ist der Grat dazwischen?

PN: Superschmal. Das ist manchmal ein Lattenschuss, ein Eigentor, eine Fehlentscheidung des Schiedsrichters. Ereignisse, die ich als Trainer teilweise nicht beeinflussen oder sogar nicht beurteilen kann.

Zeit: Kann man eigentlich sehr blöd sein und trotzdem ein überragender Fußballer werden?

PN: Man kann vom Intelligenzquotienten her recht eingeschränkt sein, wenn man eine spezifische Fußballintelligenz besitzt.

Zeit: Also haben Intelligenz und Spielintelligenz nichts miteinander zu tun?

PN: Die fußballerische Intelligenz ist die Grundlage, um einen sportartspezifischen Intellekt aufzubauen.

Zeit: Ähm, das haben wir jetzt intellektuell nicht ganz durchdrungen.

PN: Je intelligenter ich bin, desto mehr Möglichkeiten habe ich, um mir Kapazitäten aufzubauen, an Intellekt dazuzugewinnen. Ist doch klar.

Zeit: Gibt es Spieler, die zu klug für den Fußball sind?

PN: Einen hatte ich mal. Ein ganz wunderbarer Typ! Aber er hat sich über seine eigene Situation, über die Situation seines Gegenspielers, über die Sozialstrukturen in seiner Mannschaft so viele Gedanken gemacht, er hat mitten im Spiel alles so bilateral und multilateral behandelt – da war immer der Ball weg.

Zeit: Sollte der Intellektuellste in der Mannschaft stets Kapitän sein?

PN: Um Gottes willen! Ich habe mal einen Spieler gehabt, einen Kapitän, der war so was von dumm, der war dumm wie…dumm wie…

Zeit: …Brot?

PN: Ach, der hatte einen IQ, der so einzuordnen war wie die Temperaturen, die wir im Moment draußen haben, der war fast schon debil. Aber ein ü-ber-ra-gen-der Fußballer! Dem musste ich nichts erklären, der hat alles immer richtig gemacht. Intuitiv. Seine Fußballintelligenz war sensationell. Aber vom normalen Intellekt: katastrophal. Der hat gehupt, wenn er gegen einen Baum gefahren ist.

Zeit: Das gibt es in keinem anderen hoch bezahlten Job.

PN: Wir reden hier aber von einem Einzelnen. Die Gesamtheit hat sich ja viel weiter entwickelt. Fußball war mal der Proletensport. Was das Bildungsniveau angeht, sind die Spieler von heute denen aus den sechziger und siebziger Jahren klar überlegen.

Zeit: Ist es die Tragödie Ihrer Karriere, dass ein Verein immer tief sinken musste, um sich für Peter Neururer zu interessieren?

PN: Das trifft doch auf fast alle Trainer zu.

Zeit: Was war in Imagefragen Ihr größter Fehler?

PN: Dass ich zu ehrlich bin, nach wie vor. Dass ich mich für den diplomatischen Dienst überhaupt nicht eigne. Einmal habe ich die Mitglieder eines Vereinspräsidiums vor Hunderten Zuschauern als „Vollidioten“ bezeichnet. Das war nicht so schlau.

Zeit: Und die Sache mit Maradona?

PN: Ach, das: Vor Jahren hat mich ein Journalist gefragt, was für ein Spielertyp ich in meiner aktiven Zeit gewesen sei. Da habe ich geantwortet: „Warm gemacht hab ich mich wie Maradona, aber gespielt hab ich wie Katsche Schwarzenbeck.“ Eigentlich sollte das bescheiden sein – aber dass der Fußballer Neururer, der über die Amateuroberliga nie hinausgekommen ist, sich mit dem Weltmeister Schwarzenbeck vergleicht, war nicht so ganz angebracht.

Zeit: Als Sie noch Spieler waren, nannte man Sie „Blutgrätsche“.

PN: Nach den heutigen Regeln hätte ich damals schon beim Aufwärmen eine Gelbe Karte gekriegt.

Zeit: Seit Sie die jüngsten Trainerentlassungen in der Bundesliga öffentlich kritisiert haben, gelten Sie als Sprachrohr Ihrer Zunft.

PN: Das macht man ganz gerne aus mir, weil viele meiner Kollegen überhaupt kein Rückgrat haben. Die denken zwar so wie ich, aber die trauen sich nicht, etwas laut zu sagen. Wenn ich, wie neulich, den Rausschmiss des Trainers Ewald Lienen in Mönchengladbach kritisiere, rufen acht Kollegen bei mir zu Hause an und gratulieren mir. Aber nur einer hat sich öffentlich dazu bekannt: Berti Vogts, zu dem ich das schlechteste Verhältnis von allen habe.

Zeit: Berti Vogts hat einmal in einem „Tatort“ einen freundlichen Hobbygärtner gespielt. Wäre das auch etwas für Sie?

PN: Tatort? Ich habe schon als Schüler in einem Film mitgespielt! Der hieß Die Hupe und lief im WDR. Ich war Statist, mit einem Ball auf dem Arm, und musste „Guten Morgen, Herr Direktor“ sagen.

Zeit: Genau wie heute auch…

PN: …und dann hatte ich mal eine Dreiminutenrolle in dem legendären Monumentalfilm Gib mich die Kirsche. Nee, das ist nie mein Ding gewesen.

Zeit: Danke, das war ein aufschlussreicher Nachmittag, Herr Neururer.

PN: Okay, und wenn ich erwachsen werde, lese ich auch mal Ihre Zeitung.

Tim Bartz (FTD 12.12.) schreibt: „Bremer sind komisch, Bremer sind seltsam, Bremer sind irgendwie anders. Bösartige Menschen aus Süddeutschland behaupten sogar, dass Bremer Hunde essen. Nun ja, man muss nicht alles glauben, was die Leute sagen, aber klar ist: Es gehen merkwürdige Dinge vor in der Stadt, die mit Straßennamen wie „Schlachte“ und „Schnoor“ aufwartet, von einem Bürgermeister regiert wird, der mit dem Fahrrad ins Büro fährt, in Nicaragua Kaffee erntete und mit seinem CDU-Pendant – einem ehemaligen Berufsoffizier – in trauter Harmonie die Geschicke lenkt. Ganz zu schweigen davon, dass sich das Mini-Bundesland gleichsam kolonial eine Enklave mit Zugang zum Meer leistet (…) Und das Dollste daran? Die Bremer erlauben sich, guten Fußball zu spielen, womit sie den dünnhäutigen Uli Hoeneß auf die Palme bringen. Hat doch der Manager des FC Bayern tatsächlich gemeckert, dass ihn die Bremer im Spiel gegen seine Truppe „total enttäuscht“ hätten, nur weil die Münchener dank eines sehbehinderten Schiedsrichtergespanns ein Unentschieden über die Zeit gemauert haben. Dabei sind Hoeneß‘ Aussagen verständlich, muss er sich doch maßlos ärgern, dass der Klassenfeind aus dem Norden attraktiveren Sport bietet, als es den Bayern je möglich war.“

NZZ-Bericht von der Junioren-WM in den Vereinigten Arabischen Emiraten

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Neuzugang beim FC Bayern

Frank Thomsen (Stern 5.4.) vermeldet einen prominenten Neuzugang beim FC Bayern. „Der zuletzt wegen seiner Geschäftspraktiken in die Kritik geratene Fußballclub hat still und leise einen prominenten Unterstützer aus dem Journalismus an sich gebunden: Auch Focus-Chefredakteur Helmut Markwort wurde einstimmig zum Aufsichtsrat der Bayern AG gewählt. Der Journalist kontrolliert damit die Geschicke eines Unternehmens mit 176 Millionen Euro Umsatz. Bisher gehörte er lediglich dem Beirat des Vereins an, einer Art Kaffeekränzchen für Promis von Boris Becker bis Edmund Stoiber, der nicht in Geschäftsgeheimnisse eingeweiht wird. Bei Aufsichtsräten ist das anders. Markworts Wahl fiel in unruhige Zeiten: Am Tag zuvor war der Vertrag mit Ex-TV-Mogul Leo Kirch bekannt geworden, der den Bayern 97 Millionen Euro bescheren sollte als Gegenleistung für Lobbyarbeit zugunsten Kirchs. Auch Focus berichtete am 24. Februar unter der Überschrift So läuft’s Business über den Geheimvertrag. Das Blatt machte aus dem Deal eine angebliche Geheimbündelei und verharmloste: Es handle sich um einen Mosaikstein im Ränkespiel der Medienkonzerne, das einst unter dem Kürzel Bertelsmann contra Kirch firmierte. Fast schon Mitleid regte sich für Bayern-Vorstand Hoeneß: Der müsse kämpfen, um einen Schwarzen Peter loszuwerden, den ihm andere aufdrücken wollten. Beckenbauer durfte im Interview seine Sicht darstellen: Es war keine Geldgier. Alles Zufall? Es gibt keine Interessenkollisionen, teilt Markwort dem stern mit. Über die Berichterstattung entschieden Fakten, nicht mein Fußballhobby. Er habe zu dem Bericht keine Weisungen erteilt. Der Nebenjob bei Bayern lohnt sich. Die Hauptversammlung beschloss, Aufsichtsräten eine jährliche Vergütung zu zahlen: 20.000 Euro. Markwort will davon noch nicht das Geringste gehört haben.“

Zur Beruhigung der freistoss-Leser. Wir sind noch unabhängig! Doch, je laenger ich darueber nachdenke: Vielleicht bin ich moralisch dazu verpflichtet, Sie von meiner noch immer andauernden aktiven Laufbahn beim Gießener Bezirksoberligisten FC Großen-Buseck wissen lassen, wo ich mittlerweile auf die Liberoposition abgeschoben worden bin. Bin auch somit in einen Interessenkonflikt verwickelt?

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Kerner und Beckenbauer, „die intellektuelle Sparversion des Duos Delling/Netzer“

Weiteres Thema in der Presse: der Kaiser spricht im Fernsehen – Zeit der Welt den Hintern zuzudrehen. „Der angebliche Fußball-Weise Beckenbauer“ (taz) hat viel zu melden und wenig zu sagen. Das ZDF stellt ihm nun einen Diener zur Seite: Johannes Kerner; was dabei herauskommt ist „die intellektuelle Sparversion des ARD-Duos Delling/Netzer“ (taz). „Einen Gedanken zu Ende zu denken, zählte noch nie zu seinen Stärken“, vermutete der Spiegel schon vor 20 Jahren, und das SZ-Magazin veranschaulicht die Wirkung von Kaiserworten: „Franzeln klingt wie Blubbern. Vielleicht trägt das zum Gefühl bei, man könnte versinken in lauter Beckenbauer.“ (mehr …)

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Auslandsfußball

„Gewalt-Spektakel“ (NZZ) in Rom; „Rom 22 Uhr. Ende des Fußballs. Und Beginn der Revolte“ (SZ); „wenn wir spielen, bringen die uns um“; welche Rolle spielen Berlusconi und die Politik?; welche Macht haben die Fans? „Schaden für Italiens Fußball ist kaum zu überschätzen“ (FAZ); „eine Atmosphäre fast wie in Serbien“ – in Beveren stößt der Versuch, mit Afrikanern Erfolg zu erlangen, auf dicke Köpfe von Chauvinisten (Spiegel) – Le Mans, Aufschwung schon am Ende? (NZZ) u.v.m.

Schaden für Italiens Fußball ist kaum zu überschätzen

Dirk Schümer (FAZ 23.3.) kommentiert den Spielabbruch im Römer Derby: „Der Schaden für Italiens Fußball, der noch in der vorigen Saison die Champions League dominiert hatte, ist gerade in diesen Tagen kaum zu überschätzen. Mit Roma und Lazio standen sich die beiden höchstverschuldeten Klubs der Serie A gegenüber, wobei die nahezu bankrotte Roma nur bei einem Sieg der letzte ernstzunehmende Verfolger des Tabellenführers AC Mailand geblieben wäre. Ministerpräsident Berlusconi – selber als Eigner des AC Mailand betroffen – kündigte erst vor einigen Tagen einen umstrittenen Steuererlaß an, um die maroden italienischen Profiklubs irgendwie zu retten. Diese Sparmaßnahmen auf Kosten der Steuerzahler zugunsten von Fußballmillionären und verschwenderischen Präsidenten dominiert ohnehin seit Tagen die öffentliche Debatte und hat bereits zu einer Koalitionskrise geführt. Daß Roms einziger Weltstar Francesco Totti angesichts nicht gezahlter Gehälter, Übernahmegerüchten und riesigen Schuldenbergen unter der Woche öffentlich mit einem Wechsel zu Real Madrid geliebäugelt hatte, mag die Atmosphäre noch weiter vergiftet haben. Der Calcio mit seinem ökonomischen und moralischen Bankrott droht auf diese Weise zum Spiegelbild der Ära Berlusconi zu werden und liefert der Welt nun auch noch die unansehnliche Tragödie eines Spielabbruchs ohne ersichtlichen Grund, provoziert von Hooligans. Dieser Fußball ohne Werte gebiert andauernd neue Monstren, kommentierte die Turiner Stampa. Beobachter erinnerten die Bilder aus Rom dermaßen an die Alltagsgewalt von Bagdad, daß man nun eine Spielwiederholung vor leeren Rängen erwägt. Noch vor dem Spiel, das an dem makabren Gerücht eines getöteten Kindes scheiterte, hatte man den Sohn eines im Irak getöteten Carabiniere im Stadion geehrt. Der Junge konnte inmitten all der Gewalt froh sein, heil nach Hause zu kommen.“

Rom 22 Uhr. Ende des Fußballs. Und Beginn der Revolte

Birgit Schönau (SZ 23.3.) fügt hinzu: „Der Fußball als Geisel gewaltbereiter Tifosi, das verbirgt sich hinter dem unfassbaren Geschehen in Rom, bei dem Spieler, Funktionäre und zehntausende friedliche Fans nur entsetzte Zuschauer blieben. Das Pulverfass sozialer Spannungen, auf dem der italienische Calcio seit Jahren sitzt, ist explodiert. Dort, wo die Krise am tiefsten ist. „Wenn wir den römischen Klubs nicht helfen, riskieren wir eine Revolte, hat vor Tagen der italienische Ministerpräsident Silvio Berlusconi gesagt, der nebenberuflich auch Präsident des AC Mailand ist. Berlusconi plant eine Steueramnestie für die tief verschuldeten Klubs der Serie A, und in Rom ist die Not am größten. Für den Tabellenzweiten AS Rom und den Vierten Lazio stehen die Lizenzen für die nächsten Europapokal-Wettbewerbe auf dem Spiel. Um wirtschaftlich zu überleben, müssen sie ihre Stars verkaufen. Womöglich auch Francesco Totti, den Kapitän des AS Rom. In Rom ist Totti populär wie ein Volkstribun, und vor dem Match am Sonntag hatte er gesagt, es könnte sein letztes Derby werden. Ein solcher Satz reicht, um die Ultràs zum Ausrasten zu bringen. Dutzende von Lokalradios, die sich nur mit Fußball befassen, heizen das Klima täglich an. Wenn es wahr ist, dass sich die Fans beider Seiten abgesprochen haben, um das Derby zu blockieren – und alles spricht dafür – dann gilt der lakonische Titel der Gazzetta dello Sport von diesem Montag: „Rom 22 Uhr. Ende des Fußballs. Und Beginn der Revolte.“

Peter Hartmann (NZZ 23.3.) spekuliert über die Rolle Berlusconis: „Am Ende des römischen Gewalt-Spektakels, das sich ausserhalb der Stadionmauern noch eine Stunde lang fortsetzte als übliches Stadtguerilla- Ritual zwischen Ultras und Ordnungskräften, feierten die Randalierer einen fragwürdigen statistischen Sieg mit 155 Verletzten auf der feindlichen Seite der Polizei gegenüber nur 21 Blessierten in den eigenen Reihen. Verhaftet wurden 13 Ultras. Und tatsächlich war ein kleiner Knabe mit der Ambulanz ins Spital gefahren worden: Er hatte im Petardenrauch einen Asthmaanfall erlitten. Die Polizei untersucht jetzt auch die Komplott- Version: War das Tamtam eine Inszenierung der Hooligans in ihrer Untergangs-Paranoia? Denn wo sollen die Ultras sonntags hin, wenn ihr Schlachtfeld geschlossen, wenn ihre Identität sinnentleert wird, wenn die beiden Römer Klubs in die Bedeutungslosigkeit relegiert werden? Am Samstag hatte sich Ministerpräsident Berlusconi auf dem Schirm von Sky-TV wieder zum Retter der bedrohten Klubs aufgeschwungen, „sonst könnte ich mir vorstellen, dass eine Revolution ausbricht“. Berlusconis Beliebtheitswerte sind im Vorfeld der Europawahl erheblich gesunken. Nachträglich lesen sich seine Worte wie eine verdeckte Aufforderung: Versuchte der „Cavaliere“ die Massen zu instrumentalisieren für sein geplantes Steuererlass-Dekret?“

Wenn wir spielen, bringen die uns um

Martín Hiller Paul Kreiner (Tsp 23.3.) berichten das Ereignis: „Die Polizei ist sich sicher: Der Ausbruch der Gewalt, das war ein abgekartetes Spiel. Die eigentlich verfeindeten Ultras von Roma und Lazio wollten „das Lokalderby in die Luft jagen“. Und zum Entsetzen aller Kommentatoren ist es ihnen gelungen: „Francesco Totti kapituliert vor der Südkurve“, lauten die beschämenden Schlagzeilen, und Romas Kapitän verteidigt sich: „Hätten wir nicht abgebrochen, hätte es ein Blutbad gegeben.“ Das Stadtduell beginnt regulär um 20.30 Uhr: Gegen Ende der ersten Halbzeit verbreitet sich unter den Fans via Handy die Nachricht, dass ein jugendlicher Anhänger der Roma auf dem Weg zum Stadion von einem Polizeiwagen angefahren und tödlich verletzt worden sei – totgeschlagen, behaupten manche dreist.Es sollte ein Gerücht bleiben, der Junge hatte lediglich einen Asthma-Anfall, doch den Tifosi, die sich in Rom traditionell lieber mit der Polizei als mit der Konkurrenz anlegen, ist es gleich. Sie reagieren mit der ihnen eigenen Mischung aus Zorn und Aggressivität. „Assassini, Assassini“ – Mörder, Mörder, skandieren sie zu Beginn der zweiten Halbzeit immer lauter, bis auch die Spieler verstehen, dass etwas passiert sein muss. Schiedsrichter Rosetti unterbricht die Partie. Ratlos und eingeschüchtert versammeln sich die Spieler um Schiedsrichter Rosetti, schicken Fernsehteams und Journalisten barsch zur Seite, beraten sich. „Wenn das mit dem toten Jungen stimmt und wir weiterspielen, geben wir hier eine Scheiß-Figur ab“, sagte einer, der nicht genannt werden will. Ein anderer: „Wenn wir spielen, bringen die uns um.“ Leuchtraketen fliegen aufs Spielfeld. Vertreter des harten Kerns der Roma-Anhänger dringen in den Innenraum vor und verlangen ein Gespräch mit Romas Kapitän Francesco Totti. Die Forderung der Fans an Totti ist eindeutig. „Ihr müsst sofort aufhören, einer von uns ist tot. Ihr werdet nicht weiterspielen.“ Totti entgegnet: „Vielleicht wäre es noch schlimmer, wenn wir nicht weiterspielen?“ – „Nein, es wird schlimmer, wenn ihr nicht aufhört. Dann stürmen wir das Spielfeld und machen alles platt. Wir haben mit den Lazio-Fans gesprochen, sie sind derselben Meinung.“ Totti verlässt die Fans, um sich mit Lazios Kapitän Sinisa Mihajlovic und Schiedsrichter Rosetti zu besprechen. Die Spieler haben Angst, sie wollen nur raus aus dem Stadion. Schiedsrichter Rosetti telefoniert mit Ligachef Adriano Galliani und bricht das Spiel ab.“

Eine Atmosphäre fast wie zu Hause, in Serbien

In der SZ (23.3.) liest man: „Schockierend, fand Sinisa Mihajlovic, der sonst so rabiate Lazio-Kapitän: „Eine Atmosphäre fast wie zu Hause, in Serbien. Demnächst müssen wir uns alle kugelsichere Westen anlegen, bevor wir zum Fußball gehen. Im allgemeinen Chaos leeren sich die Tribünen. 70 000 Menschen wollen das Stadion verlassen, so schnell wie möglich. Alle ahnen, dass es ein gewalttätiges Nachspiel geben wird zwischen den Ultràs, den organisierten Tifosi beider Kurven mit rechtsextremen Tendenzen, und den Ordnungskräften. Hinter der Südkurve quillt schwarzer Rauch in den Nachthimmel, Polizeisirenen heulen, die Augen brennen schon vom Tränengas, einigen wird übel. Die Ordner des gastgebenden Klubs Lazio Rom sind ebenso konfus und verängstigt wie die Zuschauer, aber geistesgegenwärtig genug, schnell sämtliche Tore zu öffnen und einem Teil der Menge sogar die Flucht durch die Korridore zwischen den Umkleidekabinen zu ermöglichen. Ja, Flucht. Denn draußen schlägt jetzt der Sturm los. Wer das Stadion schon verlassen hatte, drängt in Panik zurück. „Bleibt drinnen, bleibt drinnen! rufen sie. „Die stecken draußen alles in Brand. Alle bearbeiten ihre Handys, aber das Netz ist längst zusammengebrochen. Vor dem Stadion, zwischen dem Mussolini-Obelisken auf dem Foro Italico und der Viale dei Gladiatori explodiert die Gewalt. Die Menge rennt, um dem Tränengas der Polizei zu entkommen und trifft auf Ultràs des AS Rom, die in die Gegenrichtung laufen. Mit Schals in den Vereinsfarben, vermummt und mit Stöcken bewaffnet, eilen sie ins Zentrum der Schlacht, während entsetzte Väter versuchen, ihre weinenden Kinder zu beruhigen, heulende Mädchen ins Handy schniefen: „Ich bin draußen, Mamma, mach dir keine Sorgen! und andere einfach nur ihre Wut herausschreien. Nie wieder. Nie wieder Derby. Für alle wird es eine lange Nacht. Für diejenigen, die herausgekommen sind aus der Arena, rechtzeitig, um Stunden im Stau zu stehen und bis in den Morgen nach Erklärungen zu suchen. Für 153 verletzte Polizisten, verprügelt und mit Steinen beworfen. Für Dutzende verletzter Fans, Ultràs aber auch Unbeteiligte, die nicht schnell genug waren und die Schlagstöcke der Polizisten zu spüren bekamen. Für die Ärzte und Schwestern im Ospedale San Giacomo – das Krankenhaus im Zentrum hat gegen Mitternacht kein Bett, keine Trage mehr frei. Francesco Totti und Sinisa Mihajlovic wurden bis um drei Uhr morgens von der Polizei vernommen. Und 15 Tifosi verbrachten die Nacht in Haft. Gegen weitere 23 wurde Anzeige erstattet. Der Sachschaden beträgt mindestens eine Million Euro. Nebenbei wurden die Büros des Nationalen Olympischen Komitees verwüstet. War es eine Verschwörung, gar ein „Erpressungsversuch der Tifosi, wie Arbeitsminister Roberto Maroni am Morgen nach den Ausschreitungen vermutet? Die Polizei vermutet, dass sich die radikalen Gruppen in der Nord- wie der Südkurve abgesprochen hatten, um den vorzeitigen Abpfiff zu erzwingen.“

In Beveren (Belgien) stößt der Versuch, mit Afrikanern Erfolg zu erlangen, auf Chauvinismus und dicke Köpfe. Maik Großekathöfer (Spiegel 22.3.) recherchiert: „Jean-Marc Guillou ist ein Mann, der im Berufsfußball immer eine Nische für sich gefunden hat. Er spielte in Angers und Nizza, war Frankreichs Fußballer des Jahres und trug bei der Weltmeisterschaft 1978 die Farben der Equipe Tricolore. Er trainierte Clubs in der Schweiz, gründete eine Fußballschule an der Elfenbeinküste und stieg vor drei Jahren beim belgischen Erstligisten KSK Beveren ein. Guillou, 58, hat eine große, hagere Statur und dichtes, graues Haar. Betont sachlich tritt der Manager auf, kühl und vorsichtig. Denn er ist sehr umstritten. Beim letzten Meisterschaftsspiel in Beveren standen zehn Afrikaner und nur ein Belgier im Trikot des KSK auf dem Platz. Das ist Guillous Interpretation von der Globalisierung des Fußballs. Aktuell gehören 25 Spieler zum Kader, 17 stammen von der Elfenbeinküste, und die nächsten Neuzugänge kommen ebenfalls aus der westafrikanischen Republik. Ohne Ivorianer hätte das Team kein Niveau, sagt Guillou. Sie sind athletisch und technisch versiert. Je mehr Schwarze spielen, umso besser. Es ist ein Feldversuch. Mehr als tausend afrikanische Fußballer sind in den letzten zehn Jahren nach Europa eingewandert, und fast jeder Club hat mindestens einen dieser Immigranten im Team. Aber kein Verein hat es so auf die Spitze getrieben wie der KSK Beveren unter Guillou. Das Geschäft mit dem Fußball, das dämmert inzwischen auch importfreudigen Bundesligaclubs wie Cottbus oder Kaiserslautern, funktioniert zu einem Großteil über Identifikation. Insofern stellt Guillou die Treue und Toleranz der KSK-Fans auf eine harte Probe. Beveren hat 45 000 Einwohner, es gibt eine Kirche, aber kein Kino, und die Arbeitslosenquote liegt knapp über vier Prozent. Die Häuser sind zweistöckig und aus rotem Backstein. Die Stadt ist eine behagliche Zuflucht für Seekaufleute und Hafenarbeiter. Der Stolz der Menschen hier ist der KSK, zweimaliger belgischer Meister und Pokalsieger. Zum Spiel gegen Westerlo beispielsweise kommen 7000 Fans ins Freethiel-Stadion. Blechern wie auf deutschen Bezirksligaplätzen dröhnt die Stimme des Stadionsprechers durch die zugige Arena. Als er die Elf aus Beveren präsentiert, hapert es mit der Aussprache der Spielernamen: Mit der Nummer 23 – Abdoul … Abdoulaye Junior Djiré. Kurz vor dem Anstoß halten sich oben im VIP-Raum ergraute Herren in dunklen Anzügen am Bier fest. Sie schwärmen von alten Zeiten: 1979, als sie im Europapokal-Viertelfinale Inter Mailand rauswarfen, da standen nur Jungs aus Beveren auf dem Platz, sagt ein Ehrengast. Jetzt holt dieser Franzose nur noch Neger. (…) Auf den ersten Blick ist der Vertriebsweg über den KSK Beveren eine feine Idee. Den afrikanischen Talenten, die mit 68 000 Euro pro Jahr entlohnt werden, dient der Provinzclub als Sprungbrett. Das Problem ist nur: Die Stadt scheint nicht prädestiniert für die Philosophie vom Sport, der die Völker verbindet. Als im Mai das Parlament gewählt wurde, ging der Vlaams Blok mit 25,3 Prozent der Stimmen als stärkste Kraft hervor. Die fremdenfeindliche Partei warnt vor einer multikulturellen Diktatur und fordert einen sofortigen Zuwanderungsstopp. Sie sollen gefälligst verschwinden, raus, ab nach Hause. Bruno Stevenheydens, 36, spricht anfangs langsam und leise. Aber dann redet sich der Fraktionschef im Gemeinderat von Beveren in Rage. Über die Asylbewerber aus Ex-Jugoslawien, die in seine schöne Stadt gekommen sind, über die Türken und über die Marokkaner, die in Antwerpen ganze Straßenzüge in Arabien verwandeln. Die Afrikaner nehmen unseren Spielern die Arbeitsplätze weg. Die Invasion muss aufhören. Wenn der Club in die Abstiegszone rutsche, ahnt Stevenheydens, werden alle nach belgischen Profis rufen. Er klingt, als könne er es nicht erwarten. Im Moment aber steht Beveren auf dem achten Tabellenplatz und im Halbfinale des Pokals.“

Jean-Marie Lenoë (NZZ 23.3.) teilt den gedämpften Aufstieg in Le Mans mit: „Als man vor knapp zehn Jahren mit dem Zug im Bahnhof eintraf, schepperte es aus den Lautsprechern: „Le Mans, Le Mans, trois minutes d‘arrêt! Correspondance pour Sablé, Mamers, Alençon, veuillez prendre le passage souterrain!“ Kurzum, „La France profonde“ war erreicht, 200 km südöstlich von Paris. Heute gelangt der Pariser vom Gare Montparnasse aus innert 54 Minuten in den Hauptort des Département Sarthe. Und viele der 150000 Manceaux sind zu Pendlern geworden, die in der Kapitale arbeiten, aber ihren Wohnort sehr schätzen. Le Mans ist in Frankreich bekannt als Stadt mit einer pittoresken Altstadt (in der heute noch Mantel-und-Degen- Filme gedreht werden), einer angesehenen Universität, dem 24-Stunden-Autorennen, den Yoplait-Fabriken (Milchprodukte), den Poulets, den Rillettes (Schweinefleischspezialität), aber auch mit einem hervorragenden Basketballteam (derzeit Leader) und, in jüngerer Zeit, mit einem Fussballklub der Ligue 1. Dem als Gesellschaft konstituierten Le Mans Union Club 72 („72“ ist die Kennnummer des Département Sarthe) gelang letzte Saison die erstmalige Promotion in die Ligue 1. Von der Struktur und der Klubphilosophie her erinnern die Manceaux stark an den bretonischen Aussenseiter aus Guingamp: Auch in Le Mans konzentrierte sich der Hauptaktionär und Präsident Henri Legarda bei der Sponsorensuche auf lokale Ressourcen. Selber PDG zweier Lokalunternehmungen im Bereich Tierfutter und Mikrobiologie, hat er nicht nur zusammen mit drei weiteren Aktionären im Jahre 2001 die 610000 Euro Schulden getilgt, sondern es sind ausschliesslich Sarthois als Geldgeber in seinem ambitiösen Fünfjahresplan vorgesehen. Der Fokus auf einheimisches Schaffen schlägt sich auch im Kader nieder, in dem die Hälfte etwa aus dem eigenen Centre de Formation hervorgegangen ist. Mit einem im Vergleich mit der letzten Saison verdreifachten Budget von 16 Millionen Euro gehören die Manceaux mit Guingamp, Ajaccio und Nizza zu den finanziellen Leichtgewichten der Liga. Nach 29 Runden mit 22 Punkten (lediglich 4 Siege) und einem Rückstand von 6 Punkten auf den ersten Nichtabstiegsplatz hat Le Mans aber auch in sportlicher Sicht die Aussenseiterrolle schmerzlich bestätigt erhalten, und das Abenteuer in der Eliteklasse scheint sich bereits langsam dem Ende zuzuneigen.“

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Torschützen – Tabellen – Zuschauer NZZ

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