Donnerstag, 25. März 2004
Ballschrank
Saison der Irrtümer und Peinlichkeiten
Bezüglich der Lage am Tabellenende stellt Philipp Selldorf (SZ 19.5.) fest, „dass sich die Dinge im Abstiegskampf in einer Art gewendet haben, als ob ihnen ein Meisterplan aus Leverkusen zugrunde läge. Ein Sieg noch, und eine Saison der Irrtümer und Peinlichkeiten würde in Freudentränen enden. Einige würden es dann wohl für ungerecht halten, dass all die Fehler, die Calmund Co begangen haben, nicht bestraft worden wären, und statt dessen (wieder mal) Arminia Bielefeld als Absteiger herhalten müsste. Aber die sportliche Gerechtigkeit folgt nicht der moralischen Gewichtung von Schuld und Unschuld. Punkte entscheiden. Basta (…) Am Samstag kommt Bayer nach Nürnberg und bringt dessen früheren Trainer Augenthaler mit. Als Augenthaler noch mit dem Club gegen den Abstieg kämpfte, bekam er ein Angebot für die nächste Saison – aus Leverkusen (das zuvor schon nach alter Bayern-Manier dem Konkurrenten Cottbus den besten Spieler abgeworben hatte). Nach der Trennung von Nürnberg erhielt Augenthaler im Handumdrehen die Freigabe für Bayer. Denn der Club ist dankbar, dass ihm eine halbe Million Euro Abfindung erspart bleibt. Hoffentlich hat die Dankbarkeit am Samstag ein Ende. In Spanien ist es übrigens verboten, dass ein Trainer innerhalb einer Saison zwei Teams betreut.“
Michael Horeni (FAZ 19.5.) analysiert die verbesserte Situation In Leverkusen. “Bayer Leverkusen kann sich glücklich schätzen: Der Klub des scheinbar unendlichen Niedergangs hat doch noch Freunde, viele sogar. In den Stunden der größten Not erschienen tatsächlich weit mehr wohlmeinende Helfer, als der in Auflösung begriffene Werksklub dies wohl selbst für möglich hielt. So ließ sich der eine vom Abstiegskampf schon ermüdete Weltmeister vor knapp einer Woche überreden, ein Kommando anzutreten, das erfolgversprechend zu nennen die Übertreibung der Saison wäre. Und dann kam am Samstag plötzlich auch noch ein anderer, von langen Bundesligajahren ermüdeter Weltmeister, der sich kurz vor seinem wohlverdienten Ruhestand dann als einziger auch ohne Erfolgsprämie um Leverkusen verdient machte. Als der neue Trainer Klaus Augenthaler in seiner achten Leverkusener Dienstminute sah, wie unbedarft sich Thomas Häßler, sein weltmeisterlicher Kollege von einst, als letzter Mann an der Seitenlinie im Zweikampf anstellte, da hätte man glauben können: Alte Weltmeister helfen sich immer. Das meinen Sie doch hoffentlich nicht ernst, sagte Teamchef Rudi Völler, selbst ehemaliger Weltmeister und Leverkusener, als er im Fernsehen auf die besondere gemeinsame Verbindung angesichts des amateurhaften Fehlers vor dem 1:0 zwischen dem Löwen Häßler sowie dem Leverkusener Trainer Augenthaler und Sportdirektor Jürgen Kohler angesprochen wurde. Daß schon eine Verschwörungstheorie herhalten mußte, um das 3:0 des Abstiegskandidaten gegen den TSV München 1860 zu erklären, kann als ein eindeutiger Beleg dafür gelten, wie verblüffend diese letzte Wendung im großen Bayer-Theater anmutet. Vor einer Woche nahm eine bemitleidenswerte Mannschaft mitsamt einem Trainer der traurigen Gestalt beim 1:4 in Hamburg direkten Kurs auf die zweite Liga. Sieben Tage später waren Kämpfertypen und der beherzte Nachfolger Hörsters von der ersten Minute an dabei, sich gegen den Absturz zu stemmen (…) Wie es sich im sportlichen Überlebenskampf gehört, versuchte Bayer das Mittelfeld mit hohen Zuspielen auf die Stürmer schnell und ohne mögliche Komplikation hinter sich zu lassen. Die Verunsicherung der Mannschaft war zwar in vielen Momenten noch zu erkennen, aber auch diesem Mangel versuchte Augenthaler mit regelmäßigen Interventionen an der Seitenlinie zu begegnen. Als er dann kurz vor Schluß mit Ulf Kirsten auch noch das Symbol der unbeschwerten Bayer-Tage einwechselte, schien das Abstiegsgespenst tatsächlich wie vertrieben. Dem schlotternden Manager Reiner Calmund wird es bis zum Endspiel in Nürnberg jedoch sicher wieder auflauern. Aber Augenthaler gibt sich demonstrativ unerschrocken vor der Begegnung mit dem Leverkusener Hausgeist und den Geistern seiner fränkischen Vergangenheit. Die eigentliche Gefahr in Nürnberg ist, daß ich in die falsche Kabine gehe. Da sitzen nämlich die Absteiger.“
Die Vorbereitung des nächsten großen Scheiterns?
Christoph Biermann (SZ 19.5.) bleibt skeptisch, kommentiert den Einstand Augenthaler jedoch wohlwollend. „In der BayArena war wieder Zuversicht zu spüren. Das mag man als Schritt nach vorne interpretieren – oder als die Vorbereitung des nächsten großen Scheiterns. Oft genug hat Bayer in dieser Saison ordentlichen Leistungen verheerende folgen lassen. Am Samstag in Nürnberg wird es sich erweisen, wenn Klaus Augenthaler zu dem Klub zurückkehrt, den er in dieser Saison 30 Spieltage lang betreut hatte. Seine ehemaligen Spieler mögen es ihm dann zeigen wollen und vielleicht auch die Fans, weil er schon mit Bayer verhandelt hat, als er noch bei den Franken auf der Bank saß. Doch am Samstag vermittelte Augenthaler den Eindruck, dass er im hühnerhaufenartigen Gegacker, das Leverkusen zuletzt bestimmte, der ersehnte Ruhepol ist. Sein Auftreten strahlte eine Klarheit aus, wie sie lange gefehlt hatte. Das war am besten an einer Nebensächlichkeit in Halbzeit eins zu erkennen, als Augenthaler den aufgeregten Jürgen Kohler mit beruhigenden Gesten in den Unterstand der Trainerbank zurückwies. Immer wieder war der Sportdirektor von dort aufgesprungen, um selbst bei klarsten Abseitsentscheidungen noch mit den Schiedsrichtern zu debattieren. „Die sind hier alle ein bisschen aufgeregt, aber ich habe alles im Griff“, schien Augenthaler mit einem freundlichen Nicken in Richtung des vierten Offiziellen zu sagen. Auch im Umgang mit seiner neuen Mannschaft hatte Augenthaler offenbar den Ton getroffen.“
Erik Eggers (FTD 19.5.) fasst Leverkusener Reaktionen zusammen. „Eindeutig waren – nicht verwunderlich nach den Erfahrungen dieser Saison, die an neuen Übungsleitern und Sportdirektoren nicht eben arm gewesen ist – die Antworten der Spieler nach dem „Auge-Effekt“, der eigentlich nahe lag nach der Verpflichtung Augenthalers. „Ein Trainer“, legte Butt kurz und knapp dar, „kann nicht in vier Tagen das taktische System entscheidend verändern.“ Und auch das lange Zögern Ramelows in dieser Angelegenheit verriet, wie wenig der Kapitän von der Idee hält, allein der Trainer sei verantwortlich zu machen für den souveränen Sieg. Immerhin ließ er sich entlocken, dass die Mannschaft, „sehr, sehr gut eingestellt“ worden sei, zudem sei Augenthalers Ansprache „absolut verständlich“, das komme an bei der Mannschaft. „Wenn er etwas sagt, dann macht das Sinn“, meinte auch Routinier Ulf Kirsten, der sieben Minuten vor Schluss eingewechselt worden war und beinahe noch ein Tor erzielt hätte. Augenthaler selbst legte eine Unaufgeregtheit an den Tag, die wahrlich wenig gemein hat mit jener Hysterie, die diesen Klub so oft befallen hat in dieser Spielzeit. „Der erste Teil des Ziels ist erledigt“, begann er die Pressekonferenz, und daraus sprach nun wirklich kein Euphoriker, sondern eher die Nüchternheit eines Betriebswissenschaftlers. Auch die Fragen zum ach so pikanten Spiel, dass ihn ja nun bei seiner Rückkehr ins Frankenstadion erwarte, empfand Augenthaler eher als lästig. Viel wichtiger schien ihm die Feststellung, dass sein Team „keine Söldnertruppe“ sei und die Akteure keine „wohlhabenden Absteiger“, zu der die Medien sie bereits abgestempelt hatten. „Jeder Spieler hat eine gewisse Ehre“, und an die habe er einfach appelliert. Als Wunderheiler begreift sich Augenthaler aber ganz offenbar nicht. Der Weltmeister von 1990 weiß eben von der Vergänglichkeit eines solchen Tages. „Den Sieg werden wir nicht feiern, sondern verdauen“, so Augenthaler, „das Ding ist noch lange nicht vorbei.“ Das ist es erst in Nürnberg. So oder so.“
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Deutliche Kritik der Qualitätspresse an der Bayern-Führung wegen des Verbots dreier Fanklubs – nur die Sport-Bild protegiert ihre Lieblinge
Selbstgefälligkeit, Arroganz, Medienmacht
Ralf Wiegand (SZ 10.7.) kritisiert das Verbot dreier Bayern-Fanklubs hart und sorgt sich um die Gewährleistung demokratischer Prinzipien. „Mal wieder spielt die oberste Moralinstanz des Fußballs mit ihrer Macht. Natürlich ist es ratsam, kleinste Anzeichen von Gewaltbereitschaft unter seinen Fans zu beobachten, und es ist gut, dass ein Verein rechtsradikale Gruppen nicht zu seinem Gefolge zählen möchte und recherchiert, ob sich da was zusammenbraut. Nur: Der FC Bayern beobachtet und recherchiert selten. Er explodiert. Der kleinste Kratzer auf dem blank polierten Lack des Weltklubs gilt als Totalschaden. Das Image ist heilig, verteidigt wird es notfalls durch Selbstjustiz. Bisher traf der Zorn andere. Die DFL, der die Bayern mitteilten, sie solle wegen der Kirch-Verträge ruhig ermitteln, aber man werde kein negatives Urteil akzeptieren. Den Sender RTL, dem Manager Hoeneß alles Schlechte wünscht, weil er die Champions-League-Rechte verschmäht. Real Madrid mit der Zirkusnummer Beckham. Lothar Matthäus, der die Bilanz seines Abschiedsspiels prüfen wollte und den die Bayern offen mit einer Kampagne bedrohten, ehe sich der erste Richter nur geräuspert hatte. Und so weiter, und so fort. Die Selbstherrlichkeit speist sich aus ungebremstem Zulauf. Sponsoren drängeln sich um Werbeplätze, Politiker auf der Ehrentribüne, Fans um Dauerkarten auf verregneten Plätzen. Die Bayern wähnen sich im Boom-Gebraus als Gegenentwurf zu Jammer-Deutschland. Die Bayern: ein Staat im Staat. Oberster Verfassungsgrundsatz im FC-Bayern-Land: Alles hat zum Wohle des Klubs zu geschehen. Die von so viel Selbstgefälligkeit überrollten Anhänger sprechen von ihrem Verein eingeschüchtert als „das System“ oder „die AG“, als handele es sich um eine Diktatur. Die ausgeschlossenen Fan-Klubs, die sich pauschal verunglimpft sehen, resignieren vor der Medienmacht FC Bayern. Bisher polarisierte der Verein nur die Lager, nun spaltet er die Basis seines Ruhms: das eigene Volk. Das ist noch selten einem Staat bekommen.“
Christoph Biermann (SZ 10.7.) verteidigt die Verantwortlichen der Bestraften vehement. „Die Selbstdarstellung von Gregor Weinreich, 26, hat seit Mittwoch einen verzweifelt sarkastischen Unterton. Der Vorsitzende des Club Nr. 12, eines Zusammenschlusses von Fans des FC Bayern, beschreibt sich als „mäßig intelligent, Bauingenieur, Wechselwähler (nicht zwischen DVU und NPD)“, trage „Anzug gern ohne Krawatte, im Moment keinen Mord planend“. Eine witzige Replik soll das sein auf den Bayern-Manager Uli Hoeneß. Nur ist Weinreich nicht nach Späßen zumute, unter Tränen sagt er: „Ich bin fix und fertig.“ Als Reaktion auf die Ausschlüsse, so wird Hoeneß in der Sport-Bild zitiert, hätte der Fanbeauftragte und ehemalige Bayern-Keeper Raimond Aumann Morddrohungen bekommen. Anonym per Internet und E-Mail geschah das zwar, doch ein Täterprofil hatte Hoeneß gleich parat: „hochintelligent, Betriebswirtschaftler, Anzug und Krawatte“. Die rechtsradikale Haltung glaubt der Manager auch zu kennen. „Sie sagen nein. Aber natürlich gibt es gewisse Elemente. Ob rechts oder nicht.“ Das ist schwammig formuliert, funktioniert aber als Rufmord gegenüber den Geschassten ganz prima und ist bisheriger Gipfel einer Debatte, die über die Klärung von Recht und Unrecht in München hinausgeht. „Solche Probleme gibt es vor allem dort, wo ehemalige Profis die Fanbetreuung übernommen haben“, sagt Thomas Weinmann, Fanbeauftragter bei Borussia Mönchengladbach. Denen würde oft ein tieferes Verständnis für das Gewusel in den Kurven fehlen. Ähnlich den popkulturellen Subkulturen hat es nämlich auch in den Fan-Kurven eine große Ausdifferenzierung gegeben. Der Fankultur letzte Wendung sind die Ultras, die seit rund vier Jahren in Deutschland ungeheuren Zulauf haben. Als „total intelligente, hochmotivierte Leute“ beschreibt sie Thomas Schneider von der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) in Frankfurt. Die Ultras, zu denen sich auch die vom FC Bayern ausgeschlossene Schickeria München zählt, orientieren sich nicht mehr am Vorbild englischer, sondern an dem italienischer Fans. Im Mittelpunkt steht eine möglichst opulente Selbstinszenierung durch große Schwenkfahnen oder Kurvenchoreographien mit Papptäfelchen im Stil nordkoreanischer Jubelfeiern. Das gefällt auch vielen Fußballverantwortlichen. Uli Hoeneß hat ein großes Foto von der Choreografie beim Champions-League-Finale 2001 in seinem Büro hängen. „Heute ist ein guter Tag, um Geschichte zu schreiben“, hatten die Fans ihrer Mannschaft auf einem riesigen Transparent mitgeteilt und die Kurve in Rot und Weiß getaucht – organisiert vom nun verbannten Club Nr. 12. Einerseits sind die Ultras mit ihrem Sinn für Inszenierungen also durchaus geschäftskompatibel, unkritisch aber sind sie nicht (…) Die Aktion Pro Fans, aus Pro15:30Uhr hervorgegangen, hat eine Reihe nur noch bizarr zu nennender Beispiele dafür gesammelt, wie schnell inzwischen bundesweite Stadionverbote ausgesprochen werden. Schon ein wegen eines Gegentores wütend weggeworfener Bierbecher kann dazu reichen. Immer häufiger wird mit Kanonen auf Spatzen geschossen, und man könnte den Eindruck gewinnen, dass System dahinter steckt. „Es ist doch verlockend, wenn man das wirtschaftlich sieht“, sagt Weinreich vom Club Nr. 12. Er meint damit, dass fordernde, manchmal vielleicht auch für nervend gehaltene Fans durch solche ersetzt werden, die brav zahlen und dann gehen. Und Stimmung kann man auch anders machen. Der FC Bayern überlegt, das akustische Loch in der Südkurve im kommenden Jahr mit einer Blaskapelle aufzufüllen.“
Die Fankultur beim FC Bayern hat einen massiven Schaden erlitten
Markus Schäflein (SZ 10.7.) berichtet Hintergründe und referiert die anmaßenden Äußerungen des Bayernmanagers. „Uli Hoeneß machte den ausgeschlossenen Klubs schwere Vorwürfe: „Mitglieder, die bei Aktionen nicht mitmachen wollen, werden geschlagen, bedroht oder mit Alkohol gefügig gemacht.“ Weinreich bezeichnet dies als „lächerlich“ und wehrt sich auch gegen den Verdacht des Rechtsradikalismus. Am Wochenende wollten Mitglieder seines Vereins nach Italien zu einem Fußballturnier gegen Rassismus fahren. Der Club Nr. 12 bezeichnet sich selbst als „Zusammenschluss aktiver Bayernfans“. Ihm gehören auch Mitglieder der ebenfalls ausgeschlossenen Gruppierungen Red Sharks und Schickeria an. Über 500 Anhänger sind laut Weinreich bei seiner Organisation Mitglied, darunter fast 100 Vorsitzende anderer Fanklubs. Dadurch ist der Club Nr. 12 kein gewöhnlicher Fanklub mehr, sondern eher eine inoffizielle Dachorganisation vieler Fanklubs. Dementsprechend viel Einfluss hat die Vereinigung in der Südkurve. Diesen Einfluss nutzte der Club Nr. 12 zu zahlreichen Aktionen. Er organisierte immer wieder Choreographien auf den Rängen und wurde dafür vor zwei Jahren im Stadionheft auf einer ganzen Seite gelobt. Von Hoeneß. Aber längst nicht alle Aktionen lagen im Interesse der Vorstandschaft des FC Bayern. Bereits 1998 unterstützte der Club Nr. 12 eine Faninitiative für Stehplätze. Während der ersten Halbzeit des Spiels gegen den Hamburger SV organisierte er eine Blocksperre. Der Block V unter der Anzeigentafel blieb menschenleer, statt Anfeuerung war nur die Forderung „Sitzplätze raus!“ zu hören. Außerdem mischte sich der Klub in die Stadiondebatte ein. Fast alle Anhänger in der Südkurve hielten Wahlzettel in die Höhe, auf Transparenten stand: „Umbau? Wir wählen den Neubau!“ Als der Fanklub diese Aktionen begann, favorisierte der Verein noch einen Umbau des Olympiastadions. Im Moment engagieren sich die Mitglieder des Club Nr. 12 gegen die Einführung einer Europaliga, gegen einen Börsengang des FC Bayern und für fanfreundliche Anstoßzeiten (…) Der FC Bayern weiß, dass die Anführer des Club Nr. 12 nicht den Klischees tumber Gewaltverbrecher entsprechen. „Diese Leute sind sehr geschickt, hochintelligent“, sagt Manager Hoeneß, „aber das Gefährliche ist, wenn sie irgendwann in Anzug und Krawatte einen totschlagen.“ Gregor Weinreich sagt: „Wir werden mit einem riesigen Schmutzkübel überzogen, aber wir sind trotzdem noch gesprächsbereit.“ Weil er sich trotz allem noch als Teil des FC Bayern fühlt, „so unverständlich das sein mag.“ Er ist sich aber sicher: „Egal, wie die Sache endet, die Fankultur beim FC Bayern hat einen massiven Schaden erlitten.““
Kriechereien
Die Qualitätspresse geht mit den Handlungen und Äußerungen der Verantwortlichen von Bayern München also kritisch ins Gericht. Dahingegen kann sich Uli Hoeneß auf die Linientreue der Sport-Bild verlassen. Auf der aktuellen Titelseite (9.7.) blickt das Opfer Hoeneß nachdenklich drein undenthüllt „Morddrohungen“ und „Erpressungen“. Im Innenteil werden die Vorwürfe gegenüber den verbotenen Fanclubs konkretisiert: „Bei der Meisterfeier sollen Fans den Autokorso durch München am Durchfahren gehindert haben. Tausende von Bayern-Anhängern konnten daraufhin ihre Stars nicht sehen.“ Welch ein Vergehen! „Die Rowdys sind radikal!“ Hoeneß´ schreibender Erfüllungsgehilfe und treu ergebener Diener Raimund Hinko vergleicht sodann David Beckham mit Bayernstar Michael Ballack; zu klaren Gunsten des letzteren versteht sich. „Hier der pure Fußballer Ballack, dort das ferngesteuerte Kunstprodukt Beckham.“ Nach rhetorischen Klimmzügen („Wer die Frage stellt, wie viel Beckham denn schon in Ballack steckt, der muss sich auch der Gegenfrage stellen: Wie viel Ballack steckt denn in Beckham?“) wählt Hinko eine Analogie, die seinen Lesern sicherlich verständlich sein wird. „In der Showbranche ist Superstar Alexander Klaws im Vergleich zu Daniel Küblböck eher ein blasser Typ wie Ballack. Er lebt wie Ballack mehr von seinen fachlichen Kriterien.“ Danke für die Übersetzung!! Sport-Bild-Autor Jörg Althoff kriecht noch tiefer rein: Was habe Beckham denn schon geleistet, „abgesehen von sechs englischen Meistertiteln und einem glücklichen Champions-League-Sieg 1999“ fragt Althoff ironiefrei. Abgesehen von sechs englischen Meistertiteln und einem glücklichen (sic!) Champions-League-Sieg 1999!! In der Tat: Lappalien. Worin ist diese gewollte (und lächerliche) Abwertung Beckhams motiviert? Uli Hoeneß hatte sich kürzlich über den Trubel mokiert, der in Madrid bei der Präsentation des englischen Superstars veranstaltet wurde. Damit wollte er zwischen den Zeilen mitteilen, dass der FC Bayern seine Spieler wohl ausschließlich nach sportlichen Kriterien auswähle und die Vereinsführung nach anderen Spielregeln agiere als das spanische „Affentheater“– sprich: nach denen der ehrenwerten Sportkaufmannsethik. Mit der armseligen Kritik am Showfaktor Beckham hat er sich nicht nur als Neider zu erkennen gegeben, sondern gleichzeitig seinen Vasallen von der Sport-Bild einen unmöglichen Spagat abverlangt. Diese kennen eigentlich keine Berührungsängste mit dem Boulevard. Schließlich hält uns Europas größte Fachzeitschrift in der Rubrik „Verbotene Liebesspiele im Bayern-Pool“ (Ausgabe vom 9.7., S. 8) u.ä. auf dem Laufenden. Außerdem wissen wir nach jahrelanger Lektüre, bei welcher Wassertemperatur Mehmet Scholl duscht und welchen Italiener Giovane Elber favorisiert.
Man will immer mehr
Philipp Selldorf (SZ 9.7.) analysiert das dargestellte Leitbild des FC Bayern. „Der Geist des FC Bayern München ist bekanntlich ein Mythos ersten Ranges im deutschen Fußball, und im Trainingslager in Leipzig ist dieser Tage wieder häufig die Rede davon. Uli Hoeneß hatte damit angefangen, als er Michael Ballack bescheinigte, „eine unglaublich tolle persönliche Entwicklung hinter sich“ zu haben, nachdem er „vollkommen verinnerlicht hat, was den FC Bayern ausmacht“. Ein größeres Lob kann es eigentlich nicht geben im Wertekosmos des Managers, das weiß Michael Ballack. Was er nicht weiß: WAS er da angeblich verinnerlicht hat. Um eine Erklärung gebeten, suchte der Nationalspieler mit vielen Worten nach einer klugen Definition, bis er auf eine Formel von bestechender Klarheit stieß: „Man will immer mehr“ (…) In diesem Jahr wollen die Münchner mehr gewinnen als nur den nationalen Meistertitel und den Pokal, was auch Michael Ballack zum Ziel erhoben hat. Mit der sachte neuformierten und reifenden Mannschaft glaubt der Mittelfeldstratege, jede Herausforderung bestehen zu können, auch internationale, die Champions League und Real Madrid inklusive. „Wenn wir Normalform haben, brauchen wir uns vor niemandem zu verstecken in Europa“, behauptet er und offenbart damit auf ein Neues, dass er über ihn gekommen ist, der stets etwas überhebliche Geist des FC Bayern München. Uli Hoeneß definiert ihn folgendermaßen: „Es ist etwas, das man selbst nicht spürt. Es sind eher Automatismen, Verhaltensweisen, Ausstrahlung auf dem Platz, selbstbewusst zu sein, ohne arrogant zu werden.“ Was die Arroganz angeht, ist der umtriebige Manager wohl ein bisschen bescheiden. Noch sind die Tiraden von Uli Hoeneß nicht verklungen, die er nach der Heimkehr aus dem Urlaub den diversen deutschen Privatfernsehmachern und den Bossen des großen Rivalen Real Madrid gewidmet hatte, und deren Folgewirkung bleibt zweifelhaft. Hoeneß spricht von einem „Herzensbedürfnis“, das er sich erfüllt habe, da ist es ihm einerlei, dass es eines Tages ein Wiedersehen geben könnte, nicht nur mit Real Madrid. Doch Konfrontationen und harte Worte vor Publikum gehören zum Selbstverständnis und zur Politik der Vereinsführung.“
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Spekulationen um Toppmöller
Themen heute: die Sonntagsspiele der Bundesliga in Leverkusen und München – Spekulationen um Toppmöller – René Jäggis (zu) schwere Aufgabe in Kaiserslautern – gelungenes Lorant-Debüt in Liga Zwei – Auslandsfußball am Dienstag (mehr …)
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Kuscheltreffen
Christoph Biermann (SZ 14.4.) beschreibt das Aufeinandertreffen zweier „anderer“ Vereine. „So viel Harmonie ist selten in deutschen Fußballstadien. Beim großen Kuscheltreffen zwischen dem SC Freiburg und dem FC St. Pauli überschütteten sich die beiden Klubs und ihre Fans gestern im Dreisam-Stadion mit Liebe und Zuneigung wie nie. Mit Beifall der Zuschauer wurden die Gäste begrüßt, die zur Vorstellung ihrer Mannschaft „Hells Bells“ hören durften, wie sie es vom Millerntor gewöhnt sind. „Gute Freunde kann niemand trennen“, behauptete Heimspiel, die Stadionzeitung des SC Freiburg und widmete den größten Teil ihrer Ausgabe den Querverweisen zwischen den beiden Klubs, die in Deutschland das Etikett „anders“ gepachtet haben. Künstler, Autoren und Fußballprofis durften erklären, warum sie beide Klubs so lieb haben. Der Cartoonist Guido Schröter verstieg sich sogar zu der Behauptung, dass Freiburgs Keeper Richard Golz eigentlich ein Paulianer sei. Das passende Ergebnis lieferten die Fußballer selbst – ein 1:1. Dabei sind beide Vereine in Wirklichkeit ganz anders. Der SC Freiburg ist ein durch und durch bürgerlicher Klub, während St. Pauli bei aller studentischen Durchwirktheit doch immer ein Proleten-Verein geblieben ist. Entsprechend vernünftig geht es hie und turbulent da zu. Trotzdem umspannen beide Vereine wirklich das kleine Eckchen Anderssein, das im deutschen Fußball möglich ist und wohl mit Post-68er-Korrektheit und Nettigkeit umschrieben werden kann. Besonders die Freiburger scheinen sich dem Charme des struppigen Underdogs vom Kiez so gar nicht erwehren zu können. Sportclub-Coach Volker Finke outete sich vor der Partie sogar als „bekennender Fan“ des FC St. Pauli: „Klubs, die etwas Besonderes haben, tun dem Geschäft gut.“ Fast hätte man glauben können, dass die Teams am liebsten bunt gemischt angetreten wären, um zumindest nominell für sportliche Ausgewogenheit zu sorgen. Oder vor Abpfiff gerne ein Peace-Zeichen geformt hätten. Schade eigentlich, dass noch Fußball unter Bedingungen verschärfter Ernsthaftigkeit gespielt werden musste.“
Wir haben regelrecht um den Ausgleich gebettelt
Thomas Kilchenstein (FR 14.4.) berichtet den 3:1-Erfolg der Eintracht über den VfB lübeck. „Es bedurfte aber einiger besonderer Maßnahmen, um diesen unheimlich wichtigen Erfolg (Ervin Skela) unter Dach und Fach zu bekommen. Nach 45 Minuten nämlich sah es nicht sehr gut aus, 1:1 hatte es da gestanden, und die überwiegende Mehrheit der 14.500 Zuschauern im Sonnen überfluteten Waldstadion hatte gepflegt auf das Gebotene gepfiffen. Wie schon in den vergangenen Spielen auch waren die Frankfurter, dieses Mal mit den drei Stürmern Bakary Diakité, Jermaine Jones und Markus Beierle ungewohnt angriffslustig, eigentlich ganz gut aus den Startlöchern gekommen. Nach kurzem Abtasten war bereits die erste gelungene Kombination über Skela, Schur, Beierle und Jones mit einem frühen Tor gekrönt worden: Jones ließ es sich nicht nehmen, alleine vor dem Tor zu treffen. Es lief also eigentlich alles nach Plan. Was dann aber passierte, kann so recht niemand erklären. Wir haben regelrecht um den Ausgleich gebettelt, versuchte es schließlich Jones. Seltsam passiv hatte sich plötzlich die Eintracht verhalten, wie abgeschnitten war der Faden, kein Biss war mehr zu sehen. Wir waren zu weit von den Leuten weg, schimpfte Reimann, er kritisierte die fehlende Zweikampfstärke und musste plötzlich Schwerstarbeit innerhalb und außerhalb der Coaching-Zone verrichten. Da wurde er zeitweise zum eingangs erwähnten HB-Männchen, ich musste der Mannschaft doch versuchen zu helfen. Es nutzte nichts: Der Aufsteiger Lübeck, nicht gerade brillant spielend, wurde von immer schlapper werdenden Frankfurtern förmlich aufgebaut. Schon spazierte Scharping gemütlich durchs Mittelfeld, dann flog sein platzierter Linksschuss ins untere Eck, 1:. Es war fast eine Kopie des Ausgleichstreffers im letzten Heimspiel gegen Eintracht Trier. Darüber, sagte Reimann später, habe ich mich furchtbar geärgert. Dann war Halbzeit und es kam der große Auftritt von Kapitän Jens Keller: Ich habe die Mannschaft gefragt, was sie wolle: weiter so rumkicken oder aufsteigen? Offenbar wollte sie aufsteigen.“
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Themen
Themen: die wirtschaftlichen und menschlichen Folgen und Ursachen eines möglichen Wechsel David Beckhams ins Ausland – Menschenhandel in der Bundesliga – 1. FFC Frankfurt erneut Deutscher Frauenmeister – Querelen bei der Eintracht – rätselhatfe Krankheitsfälle in Italien
Im Rahmen der Transferspekulationen um Manchesters Star Beckham analysiert Ronald Reng (FR 14.6.) das inzwischen gestörte Verhältnis zwischen Spieler und Trainer. “David Beckham und Alex Ferguson hatten schon immer alle Voraussetzungen, um sich aufs Bitterste zu verkrachen. Sie mochten sich mehr, als Trainer und Spieler sich gewöhnlich schätzen. Ohne ihn wäre ich niemals, was ich bin, sagte Beckham. David ist ein liebenswerter Sohn, ich denke oft an seine Eltern und was sie alles für ihn taten, schrieb Ferguson in seiner Autobiographie. Mit 15 war Beckham auf Wunsch von Manchester Uniteds Trainer Ferguson allein aus London in den Nordwesten gezogen, um in Uniteds Fußballakademie zu lernen. Mit 18 gab ihm Ferguson sein Debüt im Profifußball. Der Rest ist Geschichte. Die Entfremdung zwischen Ferguson und Beckham ist der Kern der Trennung. Als Madrids Sportdirektor Jorge Valdano Ende März Reals Interesse an Beckham öffentlich machte, war der Mittelfeldspieler geehrt, sich aber sicher, dass er bei United bleiben würde, dessen Trikot er schon als Zehnjähriger getragen hatte, wenn er in London zum Kindertraining bei Tottenham Hotspur ging. Ferguson dachte nicht daran, eine seiner Schlüsselfiguren zu verlieren, und für Uniteds Vorstand schien es undenkbar, einen Fußballer, der alleine mehr Werbung und Aufmerksamkeit garantiert als die meisten Teams zusammen, an den größten internationalen Konkurrenten abzugeben. Doch seitdem verging kein Tag, an dem nicht in den Medien über einen möglichen Wechsel Beckhams spekuliert wird, und dabei entwickelte der Prozess eine solche Eigendynamik, dass Beckham, Ferguson und United nun wohl kriegen, was keiner wollte: die Scheidung (…)In ihrer Sturheit sind die beiden sich sehr ähnlich, so unterschiedlich sie in ihrer Lebensauffassung auch sein mögen. Ferguson hält mit 62 noch immer die Werte für die wichtigsten, die man ihm als Werkzeugmacher in den fünfziger Jahren in Glasgow lehrte: Hart sein, diszipliniert arbeiten. Beckham lebt nach denselben Werten, doch in einer modernen Version. Sein Faible für ausgefallene Kleidung und wechselnde Frisuren, seine Frau, Popsängerin Victoria, sein Spaß daran, Star zu sein, war Ferguson von jeher verdächtig. Es war der klassische Generationenkonflikt. Oft stauchte der Trainer Beckham zusammen, je älter er wurde, desto schwerer fiel es dem heute 28-Jährigen, die Schreierei zu ertragen.“
Wie lange behält der Mensch Beckham die Kontrolle in dieser Traumwelt?
Michael Ashelm (FAS 15.6.) referiert die ökonomischen Folgen des möglichen Transfers. „Bei allen Überlegungen wird dabei für ManU am wichtigsten sein, wie Beckhams Weggang das Unternehmen wirtschaftlich treffen würde.Kein Spieler kann mächtiger sein als der Verein, heißt es so schön. Der Verkauf des Stars könnte die Gültigkeit der Fußball-Weisheit beweisen. Natürlich gibt es in Manchester Befürchtungen, ohne Beckham könnte der Verein seinen Glanz und die Attraktivität für Sponsoren verlieren. Der hochdotierte Vertrag mit dem Mobilfunkanbieter Vodafone als Hauptsponsor läuft im nächsten Jahr aus. Ob das Unternehmen, das vor allem mit der Person Beckham für die neue Generation der Mobilfunkgeräte wirbt, im Fall eines Weggangs noch einmal mehr als zwölf Millionen Euro pro Jahr bei ManU investiert, ist offen. Auf der anderen Seite glauben Insider, Beckhams Wechsel mit einer angemessenen Ablösesumme als Gegenleistung könnte für ManU eine neue Chance bedeuten – auch sportlich. Schließlich ist es vier Jahre her, daß man den Titel in der Champions League gewinnen konnte. Außerdem: Der englische Meister erzielt über das Merchandising – ein wichtiger Ansatzpunkt bei der Vermarktung des Produktes Beckham – nur noch sieben Prozent seiner Einkünfte. Ein maßgebender Manager von ManU soll intern schon länger darauf hingewiesen haben, daß der Spieler im Produktportfolio des Vereins auf dem absteigenden Ast sei.Warum also sollte Manchester United nicht den Versuch wagen, sich jetzt von seinem Protagonisten zu trennen? (…) Eine Werbeagentur in London hat dieser Tage den Wert der Marke Beckham auf 90 Millionen Euro festgelegt – bei optimaler Ausschlachtung der Cash Cow. Eine Kaufsumme um die 40 bis 50 Millionen Euro plus Gehalt könnte also ein ganz gutes Geschäft werden, wenn man den Zahlen glauben darf. Kein Wunder, daß Beckham neben allen Gerüchten aus Barcelona oder Mailand vor allem mit Real Madrid in Verbindung gebracht wird. Geschäftlich würde schon jetzt einiges zusammenpassen: Verein wie Spieler haben enge Beziehungen zu den Weltmarken Pepsi und Adidas. Zudem ist der traditionell im Merchandising auf Europa sowie Mittel- und Südamerika ausgerichtete Klub daran interessiert, auf dem asiatischen Markt Fuß zu fassen. Türöffner soll Beckham sein, der zusammen mit ManU in Fernost eine Fangemeinde von bald 17 Millionen Fans hat. Als Real vor zwei Jahren Zinedine Zidane unter Vertrag nahm, verkaufte der Klub innerhalb von zwölf Monaten 480.000 Trikots mit dem Namen des französischen Nationalspielers auf dem Rücken. Das brachte den Königlichen gleich zu Anfang um die 20 Millionen Euro ein. Mit dem Engländer, seit Samstag auch noch Offizier des British Empire, könnte noch viel mehr möglich sein, rechnen Manager in Madrid und anderswo. Bleibt nur noch die Frage: Wie lange behält der Mensch Beckham die Kontrolle in dieser Traumwelt?“
Der Typ lügt
Matthias Wolf (BLZ 14.6.) schildert Menschenhandel hinter Bundesliga-Kulissen. „Er träumte von einer Karriere als Profi in Deutschland. Jetzt sitzt William Amos, 22 Jahre alt, aus Kamerun, untätig in einem Heim für Asylbewerber am Rande von Berlin. Neunzehn Quadratmeter teilt er sich mit einem anderen Afrikaner. Seit seinem fünften Lebensjahr jagt er dem Ball nach, hat es in den Kader eines Schweizer Nationalliga-A-Clubs geschafft. Bis Dezember spielte er in der zweiten französischen Liga. Sein Vater, ein Holzhändler, war stolz auf ihn. Jetzt schämt sich William Amos so sehr, dass er ihn nicht anrufen und um Geld für den Heimflug bitten will. Er grübelt oft, warum er diesem Mann, der ihn in das fremde Land gelockt hat, so sehr vertrauen konnte. Naiv sei er gewesen, sagt er. Doch andererseits hat ihm Nino Gomes, ein 33-jähriger Portugiese, der nach eigenen Angaben seit acht Jahren als Vermittler von Profispielern arbeitet, diesen Vertrag gezeigt – als Beweis für angebliche Seriosität. Das Papier trug die echte Unterschrift von Marcelinho, dem Mittelfeldakteur von Hertha BSC. Hättest du nicht auch geglaubt, dass dir Marcelinhos Berater einen guten Verein besorgen kann?, fragt William Amos. Vielleicht ja, wenn man einen großen Traum hat, so wie er. Doch die Vision des jungen Mannes aus Jaounde endete im Januar mit einem Probetraining in der zweiten Mannschaft des 1. FC Union Berlin. Und ein paar Tage später vor der Geschäftsstelle des FC Energie Cottbus. Das war alles, was heraussprang, alles, was dieser Spielerberater ihm an Chancen vermittelt hat. In Kamerun, sagt William Amos, glaube jeder talentierte Spieler an eine schnelle Karriere in Deutschland; man müsse nur erst dort sein. So wie Mohammadou Idrissou, 23, Stürmer bei Hannover 96. Gegen ihn habe er früher oft gespielt. Gomes versprach William Amos eine ähnliche Karriere. Ende Dezember warb er ihn bei seinem damaligen Verein in Paris ab. Er ahnte nicht, dass der Kontrakt, den Gomes mit Marcelinho geschlossen hatte, nichts wert war. Ein Vertrag, der die Arbeitsvermittlung zur Exklusivleistung macht, hat keinen rechtlichen Bestand. Amos sagt, er habe daraufhin Gomes vertrauensvoll 15.000 Euro für die Vermittlung eines Arbeitsplatzes und einer Wohnung gegeben – und seinen Pass. Den benötige er für Verhandlungen mit Vereinen, hatte Gomes gesagt. Weder Geld noch Ausweis hat der 22-Jährige bis heute zurück. Ohne Papiere und festen Wohnsitz meldete er sich bei der Ausländerbehörde. Endstation Asylbewerberheim. In den vergangenen zwei Wochen hat Gomes immer wieder vereinbarte Treffen mit Amos platzen lassen. Dieser Spieler hat sowieso keine Qualität, weiter mit mir zusammenzuarbeiten, sagt er abfällig: Der Typ lügt. Ich habe nie Geld von ihm bekommen, sondern ihm 600 Euro geliehen. Woher soll ein Asylant auch so viel Geld haben? Dreistigkeit ist Gomes Masche. Mit der Wahrheit nimmt er es offenbar nicht sehr genau. Sein gutgläubiger Klient aber war zumindest so vorsichtig, sich im Beisein seiner Freundin ein Schriftstück unterschreiben zu lassen, wonach Gomes versichert, ihm 5.000 Euro in Raten zurückzuzahlen. Der Fall Amos zeigt die Abgründe in der Branche der Menschenmakler. Bei Hertha BSC, wo sich täglich dubiose Hausierer in Sachen Fußball vorstellen, löst der Fall keine Verwunderung aus. Erst recht nicht, als der Name Gomes fällt. Wenn dieser Herr sich unserer Geschäftsstelle weniger als einen Kilometer nähert, kriegt er Probleme, sagt Pressesprecher Hans-Georg Felder. Manager Dieter Hoeneß will sich über Gomes erst gar nicht offiziell äußern – er ist Persona non grata beim Bundesligisten, seit als erwiesen gilt, dass Gomes sich in einer Discothek das Vertrauen des leichtgläubigen Marcelinho erschlichen hat: Er versprach ihm einen höher dotierten Vertrag als sein Berater mit Hertha ausgehandelt habe. Felder sagt, daraufhin sei der sensible Spielmacher nicht nur in eine Formkrise gestürzt, sondern Gomes habe den Brasilianer bei Schalke 04 angeboten. Zwischengeschaltet war jener Rechtsanwalt, der seinen Namen für Transfers von Gomes hergibt, weil der nämlich keine offizielle Spielerberater-Lizenz des Weltverbands Fifa besitzt.“
Nie war es so knapp wie diesmal
Matthias Wolf (FTD 16.6.) sah ein würdiges Frauenspiel, als der 1. FFC Frankfurt durch das 0:0 bei Turbine Potsdam erneut Deutscher Meister wurde.. „Eine Reporterin erwies sich als etwas unsensibel. „Sind Sie traurig?“, fragte sie Ariane Hingst. Die Nationalspielerin von Turbine Potsdam hob den Kopf, die Tränen in ihren Augen wurden sichtbar – und sie sagte: „Muss ich darauf antworten?“ Musste sie nicht. Es war alles klar in diesem Moment, als der Jubel der Frankfurter Spielerinnen in einem Pfeifkonzert der 7900 Zuschauer unterging. Die Fans des 1. FFC Turbine Potsdam gelten normalerweise nicht als besonders unfair – aber die Enttäuschung war auch bei ihnen einfach zu groß. Hatte ihre Mannschaft doch in der Nachspielzeit durch Petra Wimbersky ein Tor erzielt. Der Treffer zum Titel, wie alle glaubten. Doch die Schiedsrichterin Elke Günthner zerstörte alle Träume: Wimbersky stand im Abseits. „Das ist so bitter – wir hatten den Pokal schon in der Hand“, sagte Navina Omilade von Turbine Potsdam. So durften nur die Spielerinnen des 1. FFC Frankfurt wirklich Hand an den begehrten Silberkelch legen. Das 0:0 im Karl-Liebknecht-Stadion in Babelsberg bescherte ihnen den vierten Meistertitel – und das vierte Double. Trainerin Monika Staab musste von Manager Siegfried Dietrich mehrmals zur Siegerehrung gerufen werden – sie schien nichts mehr von dem, was um sie herum passierte, mitzubekommen. „Das sind Momente, für die man ein Jahr lange gearbeitet hat“, sagte sie: „Wir haben im Hexenkessel, in der Höhle des Löwen bestanden – und das macht mich stolz.“ Nach dem DFB-Pokalsieg vor zwei Wochen hatten die Titeljägerinnen aus Hessen, seit Jahren das Maß aller Dinge im Frauenfußball, eher emotionslos die Gratulationen entgegengenommen. „Dieser Erfolg ist anders als die anderen“, freute sich nun Renate Lingor, „weil es diesmal so knapp war.“ Mit nur zwei Punkten Vorsprung angereist, war es für das Ensemble von Trainerin Monika Staab ein echtes Endspiel. Den Potsdamerinnen blieb zum dritten Mal hintereinander nur Platz zwei in der Bundesliga. Nie war es so knapp wie diesmal.“
Die Begeisterung über den wundersamen Aufstieg ist in Frankfurt längst verflogen
Über Frankfurter Querelen schreibt Thomas Klemm (FAS 16.6.). „Zwei bis drei Kracher hat Volker Sparmann vor drei Wochen angekündigt, und damit meinte der Vorstandsvorsitzende der Frankfurter Eintracht namhafte neue Fußballprofis. Die Kracher, die allerdings zuletzt beim Bundesliga-Aufsteiger einschlugen, waren von ganz anderem Kaliber. Es handelte sich nicht um zündende Verstärkungen von außen, sondern um Schwächungen im internen Führungszirkel des Klubs. Erster Knalleffekt der Woche waren die Spitzen, die Trainer Willi Reimann in Richtung des Eintracht-Aufsichtsrats schoß. Von Sylt aus, wo Reimann derzeit seinen Urlaub verbringt, verwahrte sich der Coach gegen eine Einmischung von Jürgen Neppe, dem Chef des Aufsichtsrats, weil der in die Transferpolitik reinrede. Er lasse sich den Erfolg nicht kaputtmachen, wetterte Reimann aus der Ferne. Neppe fordert eine Entschuldigung und verweist darauf, daß er sogar einen Auftrag des Vorstands habe, seine Kontakte im Profifußball zu nutzen (…) Die Begeisterung über den wundersamen Aufstieg am letzten Zweitligaspieltag ist in Frankfurt längst verflogen. Mit Ach und Krach steigt im Klub der Druck, von innen und außen. Ein Manager wird immer noch gesucht, und Sparmann muß nach dem 30. Juni den Vorstandsvorsitz abgeben, so daß nur noch zwei Wochen bleiben, um einen geeigneten Nachfolger zu finden. Geht der bislang ehrenamtlich tätige Vorstandschef Sparmann fristgerecht zum Monatsende, verlöre Trainer Reimann seinen Fürsprecher im Vorstand, mit dem er sensationell zusammenarbeite. Neppe ist kein Freund des Trainers.Im Kern der vielstimmigen Auseinandersetzung geht es um die Frage, wer über die sportliche Belange bei der Eintracht bestimmt. Der Trainer, der zugleich die Aufgaben eines Managers übernimmt und erwartet, daß die Vereinsführung alles tut, um seine Wunschspieler zu verpflichten? Oder der Aufsichtsrat, der nicht nur alles mögliche unterschreiben, sondern auch ein Wörtchen bei der Zusammenstellung des künftigen Kaders mitreden will?“
„Rätselhaftes aus dem hochgezüchteten italienischen Fußball“ berichtet Doris Ladstaedter (NZZaS 15.6.). „Adriano Lombardi kann noch seine Finger ein wenig bewegen. Aufrecht sitzt er in seinem Sessel neben dem Marmorkamin, die Hände auf den Knien, die Beine bewegungslos abgestellt. „Ich sterbe“, sagt Adriano Lombardi, „das ist das Einzige, was ich noch tun kann.“ Adriano Lombardi, italienischer Fussballer der achtziger Jahre, hat sich ein anderes Ende für sein Leben erträumt. Achtzehn Jahre lang war Lombardi Profifussballer gewesen, siebzehn Jahre lang Trainer. „Bis zum letzten Tag“, sagt er stolz. Der letzte Tag war vor drei Jahren, als Adriano Lombardi im Mailänder San-Luca-Spital von seiner Krankheit erfuhr: amyotrophische Lateralsklerose (ALS), auch Lou-Gehrig-Krankheit genannt. ALS ist eine Erkrankung des Nervensystems, die zu Muskelschwund führt. Erkrankte verlieren zuerst die Kontrolle über die Motorik von Armen und Beinen. Begleitet von furchtbaren Krämpfen, erlahmen ihre Körperteile allmählich, das Sprechvermögen lässt nach, akute Atem- und Schluckbeschwerden beginnen. 99 Prozent der ALS-Kranken sterben den Erstickungstod. Adriano Lombardis Zustand hat sich seit Juni letzten Jahres schnell verschlechtert. „Mit jedem Tag lassen die motorischen Fähigkeiten nach“, sagt Lombardi, „aber wenigstens meine Stimmbänder sind noch nicht betroffen.“ Es begann vor drei Jahren mit Krämpfen in Armen, Oberschenkeln und Bauchmuskulatur. Die Neurologen, die Lombardi in Neapel aufsuchte, konnten ihm zehn Monate lang keine Antwort geben. ALS ist noch immer eine Krankheit, die den meisten Menschen unbekannt ist. Selbst viele Ärzte kennen sie nicht und können sie nicht diagnostizieren. Es dauere im Schnitt ein Jahr, bis ein Patient sich darüber klar werde, dass er an ALS leide, sagt Letizia Mazzini, Neurologin am San-Giovanni-Bosco- Spital in Turin. Adriano Lombardi sah zufällig einen TV-Bericht über einen alten Bekannten, Gianluca Signorini, den ehemaligen Verteidiger von Parma, Roma und zuletzt Genoa, der an ALS litt. „Als ich danach ins Bett ging, habe ich gedacht: Das habe ich auch“, sagt Lombardi. Gianluca Signorini starb im November letzten Jahres mit nur 42 Jahren. Im März dieses Jahres folgte ihm der 44-jährige Ubaldo Nanni, der Ende der siebziger Jahre in der C-Liga in Pisa gespielt hatte. Er war der 34. italienische Fussballspieler, der in einem Zeitraum von vierzig Jahren an ALS erkrankt war, der vierzehnte, der daran starb. In Turin ist diese dramatische Todesfolge unter früheren Fussballern inzwischen Gegenstand der Ermittlungen von Staatsanwalt Raffaele Guariniello. In vier Jahren hat er Arztberichte und Versicherungsakten von 24000 Spielern gesammelt, die zwischen 1960 und 1996 in den zwei höchsten Ligen aktiv gewesen waren. Er fand heraus, dass die Todesrate unter Fussballern 25-mal höher ist als in der Normalbevölkerung. Seit langem führen Spezialisten extreme sportliche Aktivitäten mit häufigen Knochenbrüchen als mögliche Erklärung für eine ALS-Erkrankung an. Staatsanwalt Guariniello geht noch weiter: Der exzessive Gebrauch von Schmerzmitteln und entzündungshemmenden Substanzen, die teilweise auf der Dopingliste zu finden sind, könne schuld sein am Ausbruch der Lou-Gehrig-Krankheit, vermutet er. Gerade für Sportler, die häufig Blessuren an den unteren Körperteilen davontragen, scheint die Gefahr gross zu sein. Das erkläre auch, warum er unter 6000 untersuchten Radfahrern kein einziges Mal auf einen ALS-Toten gestossen sei. Das italienische Gesundheitsministerium lässt inzwischen in einer eigenen Studie prüfen, ob es einen Zusammenhang zwischen Fussball, Schmerzmitteln und ALS gibt.“
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Bundesliga-Spieltag
Die Anfeindungen zwischen Trainern und Schiedsrichtern erlebten am vergangenen Bundesliga-Spieltag eine Fortsetzung. Dieses Mal trafen Deutschlands renommiertester Referee Markus Merk und Borussencoach Matthias Sammer auf dem Spielfeld sowie vor den Kameras aufeinander. Für den Meistertrainer endete der Vergleich mit der Verbannung auf die Tribüne. „Was war passiert, dass sich zwei erwachsene Menschen öffentlich stritten wie verfeindete Reihenhausnachbarn? Eigentlich – nicht viel“, beantwortet die SZ diejenige Frage, die sich jeder Beobachter im Nürnberger Frankenstadion – wo die Dortmunder mit 2:1 siegten – verwundert stellen musste. Die FAZ erkannte in den gereizten Wortgefechten „ein Duell der Elemente: Hitzkopf gegen Eisblock“. Vermutlich ging es den beiden Zankhähnen ausschließlich ums Prinzip, die Deutungshoheit und die Reichweite ihrer Autorität.
„Leverkusen wäre zur Zeit schon über die Abwesenheit von Pech glücklich“, bedauert die FAZ die durch zahlreiche Verletzungen gebeutelte Bayer-Elf ob deren Hang, Führungen leichtfertig aus der Hand zu geben. Nach der erneuten Heimniederlage (2:3 gegen den Hamburger SV) erfährt der einstige Liebling deutscher Fußballfreunde jedoch auch deutliche Kritik, wobei man den dortigen Verantwortlichen vorwirft, den Ernst der Lage noch nicht oder nur scheinbar erkannt zu haben.
Seit Jahren kursiert eine Legende, die für den Fall einer Münchner Niederlage unwidersprochen bemüht wird: Der Gegner der Bayern strenge sich gegen den vermeintlichen Ligaprimus besonders an und setze ungeahnte Kräfte frei. Die Berliner Hertha, am Samstag zu Gast in München, wiederlegte diese Annahme nachhaltig. „Besonders mutig spielen Gäste des FC Bayern selten im Olympiastadion, doch die Mannschaft des aktuellen Berliner Trainers Huub Stevens sicherte sich beim 0:2 eindrucksvoll eine vordere Platzierung in der Hitparade der Unterwürfigen“, blickt die SZ auf das 2:0 der Bayern, das „so temporeich geführt wurde wie ein Spaziergang über den Weihnachtsmarkt“ (FR).
Außerdem: Ist es rechtens, erfolglosen Fußball-Millionären das Gehalt zu kürzen?
Zur Auseinandersetzung zwischen Merk und Sammer heißt es bei Uwe Marx (FAZ 2.12.). „Es scheint, als sei das gegenseitige Mißtrauen kurz vor Einführung des vierten Schiedsrichters unverhältnismäßig gewachsen. In einem solchen Klima werden selbst vorsichtige Annäherungsversuche als Angriff gewertet und eine zupackende Regelauslegung als Selbstherrlichkeit. Viele begegnen sich so, als würden sie von ihrem Gegenüber in keinem Fall Gutes erwarten. Das ist der, der mir das Leben schwermachen will, denken dann beide vom jeweils anderen – und machen sich damit selbst das Leben schwer. Wer gesehen hat, wie Stevens‘ solidarischer Assistent Holger Gehrke Schiedsrichter Jansen aus sicherer Entfernung anraunzte, als sein Vorgesetzter Richtung Tribüne trottete, bekam eine Vorstellung davon, wieviel fehlgeleitete Energie den Spielleitern entgegenschlägt; solche Ausbrüche sind längst zu Beschimpfungsritualen geworden. Auf der anderen Seite sollten nicht jede Bemerkung und jeder Fingerzeig in der Hitze des Gefechts der Political correctness unterworfen werden. Wir müssen dringend aufeinander zugehen, sagte gerade erst der Freiburger Trainer Volker Finke, der in der zweiten Liga ähnliche Erfahrungen mit der gegenseitigen Verständnislosigkeit macht. Ein Schritt von beiden Seiten, und man ist sich schon ein gutes Stück näher gekommen.“
Bayern München – Hertha Berlin 2:0
Elisabeth Schlammerl (FAZ 2.12.) beurteilt den Sieg der Münchner. „Die Bayern fürchten im Moment offenbar weniger die Konkurrenz als sich selbst und ihren ausgeprägten Hang zur Selbstgefälligkeit, der ihnen in dieser Saison schon einmal zum Verhängnis wurde. Im Sommer sprachen alle und jeder außerhalb des Vereins so lange vom weißen Ballett, bis alle und jeder im Verein, inklusive Mannschaft, daran glaubten, mit ein wenig Ballzauberei ganz Europa erobern zu können. Hitzfeld wähnt deshalb Böses hinter den vielen Huldigungen: Jeder will uns einlullen und sagt: ,Die Meisterschaft ist entschieden.‘ Da müssen wir höllisch aufpassen. Womöglich sieht der Rest der Bundesliga darin tatsächlich die einzige Chance, wieder ins Titelrennen eingreifen zu können. Im Moment besteht für die Münchner nicht wie zu Saisonbeginn die Gefahr, daß sie sich an ihrem Spiel zu sehr ergötzen, denn sie bieten kaum Spektakuläres. Die Bayern sind wieder in der Vergangenheit gelandet, als sie selten schön, dafür aber ziemlich erfolgreich gespielt haben. Die Rückkehr zum zweckorientierten Fußball mit dem dritten Bundesliga-Spiel nacheinander ohne Gegentreffer ist nach den Wochen der Krise aber ein probates Mittel.“
Andreas Burkert (SZ 2.12.) ist über den Gästeauftritt enttäuscht. “Wenn schon zur Halbzeit der Klubpräsident Beckenbauer seinen Bewunderern zuprostet und nebenan der Ministerpräsident Stoiber überhaupt nicht verkrampft den Kaffeetopf leert, wenn Vorstand Rummenigge gar nicht da ist, wenn der Stürmer Elber nach seiner Auswechslung vergnügt mit seinen beiden Kindern die Kabine betritt und später der Torschütze Ballack nebst Filius, dann, ja genau, dann ist Hertha BSC beim FC Bayern zu Gast. Vor 25 Jahren sollen sie ja im Olympiastadion einmal gewonnen haben, damals stand Norbert Nigbur im Berliner Tor und vor ihm grätschte Uwe der Funkturm Kliemann. Einer seiner Nachfolger heißt Marko Rehmer, und der sagte am Samstag, als 90 beklagenswert ereignisfreie Minuten endlich Vergangenheit waren: „Wir sind heute irgendwie nicht vors Tor gekommen.“”
Zur Lage in Berlin Tsp
1. FC Kaiserslautern – VfL Wolfsburg 2:0
Zur Entscheidung des FCK-Chefs Jäggi, die Spielergehälter für den Fall der Erfolglosigkeit um die Hälfte zu kürzen, meint Claus Dieterle (FAZ 2.12.). „Genialer Schachzug oder Akt der Verzweiflung? Der Schweizer selbst hat seinen Vorstoß weniger als letzten Weckversuch verkauft, sondern als Gebot der wirtschaftlichen Not, weil dem hochverschuldeten FCK die Banken im Nacken sitzen. Und weil die Spieler ihren Teil der finanziellen Bürde – einen im Oktober ausgehandelten Verzicht auf anderthalb Millionen Euro an Prämien – bislang mangels Leistung nicht erfüllt haben. Wie dem juristisch auch sei, gegen Wolfsburg krempelten die FCK-Profis jedenfalls brav die Ärmel hoch und legten ein Spiel hin, wie es ihrem früheren Ruf entsprach: heißblütig, druckvoll, aggressiv, oft an der Grenze des Erlaubten, manchmal auch darüber (…) FCK-Boß Jäggi erkennt selbstverständlich keinerlei Zusammenhang zwischen eingefrorenen Gehältern und plötzlich so heißblütigen Profis. Der Mann denkt strategisch und läßt keine Gelegenheit aus, es seinen Widersachern im Verein heimzuzahlen. Ich glaube, die Mannschaft hat heute für den Trainer und für ein Konzept gespielt, sagte der Schweizer. Es ist bekannt, daß im Aufsichtsrat schon ein alternatives Modell zum auf der Abschußliste stehenden Gerets zirkulierte. Das dürfte einstweilen hinfällig sein, zumal auch die 30.000 begeisterten Zuschauer den Belgier derart feierten, daß Gerets nach Worten rang.“
Albert Hefele (taz2.12.) kritisiert dies. „Nicht, dass den Spielern keine Kürzung ihrer sehr reichlich fließenden Kohle zuzumuten wäre. Man kann jedoch Verträge nicht einfach für nichtig erklären, nur weil ein Verein, der über Jahre völlig illusionär über seine Verhältnisse gelebt hat, dem verdienten Bankrott entgegensteuert. Beispielhaft für zig andere Kollegen, denen schon lange jegliches Verhältnis zur Realität verloren gegangen ist. Es ist einfach an der Zeit, diesem bundesligaweit vor sich hin dilettierenden Konglomerat von geltungssüchtigen Unternehmern, größenwahnsinnigen Funktionären und ihr Gnadenbrot fressenden ehemaligen Starspielern, nachhaltig die Ohren lang zu ziehen. Und sie in die Wüste zu schicken. Oder nach Albanien. Wohin sich übrigens René C. Jäggis Vorstandskollege und vormalige Walz von der Pfalz, Hans-Peter Briegel, schon mal aufgemacht hat. Angeblich, um die dortige Nationalmannschaft zu trainieren.“
Spielbericht taz
1.FC Nürnberg – Borussia Dortmund 1:2
Roland Zorn (FAZ 2.12.). „Aus einer eigentlich leicht zu behebenden Verspannung war die Bundesliga-Konfrontation des Wochenendes geworden – und das zwischen dem Meistertrainer und dem Schiedsrichterstar. Zoff auf hohem Niveau, der erst beigelegt wurde, nachdem Sammer weit nach Spielschluß den Herrn Doktor zu einer Privatsprechstunde nach Feierabend besucht hatte. Dort erkannten sowohl der parteiische Fußball-Lehrer als auch der unparteiische Spielleiter, daß sie in ihrem auch aus Eitelkeiten gespeisten Konflikt überzogen hatten. Merk fuhr anschließend wie erlöst zurück in die Pfalz, bei Sammer blieb eine Spur Ungewißheit zurück. Denn er weiß noch nicht, ob ich nächste Woche oder die nächsten Jahre auf die Tribüne muß oder weiter meine Mannschaft betreuen kann. Schließlich kam sich Sammer nicht erst seit dem Samstag in Nürnberg wie ein Mensch hinter Gittern vor. Ausgesperrt wurde er in seiner noch kurzen Trainerkarriere auch schon beim Hamburger SV und beim FC St. Pauli. Die persönlichen Nachwehen der Herren Sammer und Merk knapp vierzehn Tage nach dem deutschen Friedensgipfel zum Thema Schiedsrichter, zu dem Sammer nach Gelsenkirchen geladen, aber wegen einer Trainingseinheit mit seiner Mannschaft nicht gekommen war, überlagerten ein ebenfalls aufregendes Spiel.“
Spielbericht SZ taz
VfL Bochum – Arminia Bielefeld 0:3
Felix Meininghaus (FR 2.12.). „Der Spielverlauf war perfekt auf die Gäste zugeschnitten. Bereits nach vier Minuten kam Benjamin Lense fünf Meter vor dem Tor unbedrängt zum Kopfball. Neururer ärgerte es, dass bei einem Spieler die Zuordnung nicht gestimmt hat. Auf die Nachfrage, welchen seiner Akteure er gemeint habe, antwortete er süffisant, den Spieler Lense. Nur der steht nachweislich bei Bielefeld unter Vertrag. Sie glauben doch wohl selbst nicht, klärte Neururer auf, dass ich einen meiner Spieler in der Öffentlichkeit kritisiere. Benjamin Lense wird es herzlich egal sein, welcher Bochumer ihn vergessen hatte. Er traf an seinem 24. Geburtstag, was für den Newcomer allerdings kein großes Kunststück bedeutete: Es blieb mir ja gar nichts anderes übrig, als den Ball über die Linie zu drücken. Nicht nur aufgrund seines Treffers gehörte Lense zu den auffälligsten Akteuren. Als seine Haupttugenden gibt der defensive Mittelfeldmann Schnelligkeit und Kampfkraft an, die er in Bochum so effizient einsetzte, dass er auf der Alm bereits mit Arne Friedrich verglichen wird. Der zog von Ostwestfalen aus nach Berlin, wo er inzwischen zum Nationalspieler gewachsen ist. Solche Parallelen lässt Lense kühl an sich abprallen: Ich versuche, mein Spiel zu machen und niemandem nachzueifern. Seine Kollegen halten es ähnlich und fahren damit recht gut. Überhaupt haben sich die Aufsteiger zuletzt auffallend aufeinander zu bewegt. Während sich die Bielefelder nach gutem Saisonstart und langer Durststrecke konsolidieren, ist der Bochumer Höhenflug mit der Pleite gegen die Arminia beendet. Mittlerweile haben sich beide Klubs im unteren Mittelfeld eingerichtet.“
Richard Leipold (FAZ 2.12.). „Nach gut einer Stunde vermeldete der Stadionsprecher das einzige Bochumer Erfolgserlebnis dieses grauen Novembernachmittags. Der Fackelwerfer aus dem Fanblock von Arminia Bielefeld sei gefaßt und werde bestraft. Zum Zeitpunkt der Festnahme führten die Fußballspieler, die auf sportliche Weise die Bochumer Ordnung störten, mit zwei Toren Vorsprung gegen den VfL. Die Unruhestifter in weißen Trikots und schwarzen Hosen ließen sich nicht in die Schranken weisen wie jener Störenfried, der zu auffällig mit dem bengalischen Feuer gespielt hatte. Bei ihrem ersten Auswärtssieg in dieser Saison zeigten die Bielefelder sich so souverän und stabil, wie es bei Auftritten auf fremden Bühnen bisher ganz und gar nicht ihre Art gewesen war. Arminias Cheftrainer Benno Möhlmann hatte an der Seitenlinie zwar einige Male wild gestikuliert und herumgeschrien, wenn seine Elf ausnahmsweise in Turbulenzen geriet oder sich Flüchtigkeitsfehler einschlichen. Aber letztlich lieferten seine Gefolgsleute ihm keinen Grund, aus der Haut zu fahren – und die Bochumer schon gar nicht. Beim 3:0 im Ruhrstadion hatte Möhlmanns Mannschaft so effektiv gehandelt, als wäre es eine ihrer leichtesten Übungen, den Spieltrieb eines offensiv eingestellten Gegners zu zähmen.“
Spielbericht SZ
Energie Cottbus – 1860 München 3:4
Christian Ewers (FAZ 2.12.). “Der Ball, so schien es am Samstag nachmittag, hatte seinen eigenen, eisernen Willen. Auf regennassem Rasen in Cottbus suchte er sich seltsame Wege; mal blieb er bleischwer auf der Stelle liegen, mal schoß er unaufhaltsam wie eine Kugel auf der Bundeskegelbahn durch die Wasserlachen. Die Münchner Fußball-Bundesligaprofis hatten sich als erste auf den launischen Ball eingestellt. 4:0 führte die Mannschaft von Trainer Peter Pacult nach einer guten Stunde. Zehn Minuten vor Spielende schloß dann auch Gastgeber Energie Cottbus späte Freundschaft mit dem Spielgerät. Innerhalb von sechs Minuten erzielten die Cottbuser drei Tore. Für einen Sieg reichte das nicht. Die Pfützenlandschaft im Stadion der Freundschaft hatte den Cottbusern eigentlich ein optimales Milieu für ihren Kampf gegen den Abstieg geboten. Hier hätten sie den Gegner niederringen können im Schlamm, hier hätten sie ihr mangelndes technisches Vermögen kompensieren können durch ein entschlossen-rustikales Spiel. An eingesprungenen Grätschen bestand dann zwar kein Mangel, doch was der FC Energie zeigte, wirkte aktionistisch und planlos. Geyers Schutzbefohlene begingen einen Kardinalfehler, als sie zu oft mit Kurzpässen ihr Glück versuchten, statt bei den Platzverhältnissen mit hohen Flanken die Kopfballspezialisten im Angriff zu versorgen. Vielleicht ist dies die bitterste Erkenntnis des verregneten Nachmittags für die Cottbuser: Ihr Scheitern hatte nichts mit fehlender Einsatzbereitschaft zu tun, sondern mit schwer aufzuholender spielerischer Reife.”
Javier Cáceres (SZ2.12.). „Über Nacht war (ausweislich eines Wetterdienstes „mäßig“) Regen über die Lausitz gekommen und hatte den Rasen im Stadion der Freundschaft in ein seenplattenähnliches Gelände verwandelt, auf dem man alles Mögliche hätte veranstalten können. Rasen-Skeleton in den Disziplinen Brust und Gesäß, oder Wildwasserballschaufeln. Schiedsrichter Wagner aber erlag der (zumindest was Fußball im engeren Sinne angeht) irrigen Annahme, dass man dort auch ein Bundesligaspiel austragen könnte.“
Bayer Leverkusen – Hamburger SV 2:3
Zur Situation in Leverkusen schreibt Erik Eggers (Tsp 2.12.). „Nicht wenige soziologisch interessierte Beobachter des Fußballs haben immer wieder die Bayarena in Leverkusen als Beispiel dafür hingestellt, um zu zeigen, wie sehr sich doch die soziale Zusammensetzung der Anhängerschaft in diesen Zeiten wandeln würde. „Plastik-Fans” schalten die anderen die Bayer-Anhänger, virtuelles Publikum. Und alle verhöhnten jenen vom Verein gesteuerten „Arbeitskreis Stimmung“. Andere wiederum wagten die amüsante These, Leverkusens Anhänger würden das, was da unten auf dem Rasen passiert, lediglich als eine Vergrößerung der Fernseher- Diagonale betrachten, so sehr erinnere die beschauliche Stimmung im Stadion an eine Wohnzimmeratmosphäre. Nun, all diese Beobachter werden ihre Urteile seit Samstag, 17.15 Uhr, nach dieser im Wortsinn fantastischen 2:3-Heimniederlage gegen den Hamburger SV zumindest in Teilen zu revidieren haben. Da hatte sich in der Bayarena der Zorn des Volkes, das angeblich gar nicht vorhanden sein sollte, wütend Bahn gebrochen, und die Spieler sahen sich in der Mixedzone wüsten Beschimpfungen ausgesetzt, die bisher so nur im benachbarten Köln beobachtet wurden (…) Und was ist mit Klaus Toppmöller? Der Trainer, der sich im vergangenen Jahr, als sein unterschätztes Team Europa überrannte, noch als Supermotivator und Meisterpsychologe feiern ließ, er beging in den letzten Monaten ganz offenbar schwerwiegende, ja grundsätzliche Fehler. Wie oft hat er nicht gesagt, dass seine Mannschaft erst wieder in der Rückrunde voll angreifen werde, aufgrund der vielen Verletzungen, die er stets gebetsmühlenartig aufzählte. Aber damit, das wird ihm nun vorgeworfen, lieferte er seinen Schützlingen nur einen Vorwand für weitere schlechte Leistungen in der Bundesliga.“
Thomas Kilchenstein (FR 2.12.) meint dazu. „Die Füße schon tief im Schlamassel, der Kopf hingegen im Himmel. Dort, wo Wolkenkuckucksheim liegt. Nein, Bayer Leverkusen ist kein ernsthafter Verfolger der Münchner Bayern mehr, Bayer Leverkusen wird es schwer haben, in der Champions League nochmal zu reüssieren, Bayer Leverkusen, der ewige Zweite, wird kratzen und beißen und spucken müssen, um überhaupt noch erstklassigen Fußball spielen zu dürfen. Die einstigen Schönspieler aus Leverkusen schweben ganz profan in akuter Abstiegsnot. So wie 1996, als Rudi Völler auf Abschiedstournee ging und nur mit vielen Tränen, noch mehr Glück (und ein wenig Unfairness) der Absturz verhindert werden konnte im allerletzten Spiel. Fast so weit sind sie jetzt wieder. Es kracht und knirscht und ächzt an allen Ecken und Strafräumen; es stimmt nicht mehr in der Mannschaft, die verunsichert ist und gelähmt spielt, Fehler macht, dass es einem graust, und von einer Verletzungsserie heimgesucht wird, die Fußballer für gewöhnlich die Seuche nennen (…) Bis vor kurzem gar hat man die sich anbahnenden Schwächen schlicht ignoriert; die paar Punkte bis zur Spitze seien nach der Pause flugs aufgeholt, in Europa spiele man ja noch eine Rolle. Das war Augenwischerei, wie sich jetzt zeigt. Die Millionentruppe spielt zwar in der Champions League, aber realistisch gegen den Abstieg – und muss irgendwie sehen, Teams wie Cottbus, Kaiserslautern, Hannover, Bielefeld hinter sich zu lassen. Daran muss man sich gewöhnen, schnell. Die Fans tun es nicht. Die lachen ihre Lieblinge aus.“
Dirk Graalmann (SZ 2.12.). „Der klare Blick für die Realitäten bleibt, das ist das gefährlichste an der Situation, getrübt in Leverkusen. Verwundern mag das nicht, am Dienstag gastierte hier immerhin noch der ruhmreiche FC Barcelona. Die Ahnung, das Team könnte nicht die entsprechende Qualität zur Einlösung gegebener Versprechen mitbringen, dringt mit jeder neuerlichen Pleite nur millimeterweise durch. Der Trainer bietet stattdessen eine Rechtfertigungsarie dar. „So ein Pech habe ich noch nie erlebt“, dozierte Toppmöller über Ausfälle im Defensivbereich. Vor einer Woche noch forderte er vehement eine neue Offensivkraft, nun ist die Abwehr als Schwachpunkt ausgemacht. In der Tat fehlte gegen den HSV neben dem Rekonvaleszenten Nowotny, dem gesperrten Placente und den maladen Sebescen sowie Juan nach dem Wechsel auch der Brasilianer Lúcio, der nach einem neuerlichen Schlag auf den Fuß sogar operiert werden muss. Es ließ sich nicht zweifelsfrei klären, aber es wäre nur allzu passend, wenn ihm Hans-Jörg Butt den Hieb zugefügt hätte; in jener dritten Minute, als er seinen unsinnigen Klärungsversuch mit der Karambolage des Manndeckers krönte und dem Argentinier Romeo nach 145 Sekunden die Führung ermöglichte. Wieder ein individueller Fehler, wieder durch einen anderen. „Wir haben die Seuche“, sagte Toppmöller. Doch der Verweis auf persönliche Fehlleistungen, die Butt beim entscheidenden Treffer durch Barbarez noch steigerte, werden der Situation nicht gerecht. Die Partie gegen den HSV nämlich hatte die Rahmenbedingungen für eine Auferstehung geboten. Nach dem Rückstand offenbarte Bayer kurzzeitig einen Anflug von spielerischer Qualität, erspielte sich eine Überlegenheit mit zehn zu null Ecken in einer halben Stunde, kam durch fein herauskombinierte Tore von Balitsch und Bastürk sogar zur verdienten Führung. Beängstigend war vielmehr, wie ihnen ein kleiner taktischer Wechsel der Gäste jegliche Ordnung nahm.“
Eine Spielanalyse von Peter Heß (FAZ 2.12.). “Mit der Abwehr ist das Leverkusener Malheur aber nur zur Hälfte beschrieben. Was der Angriff an besten Torchancen ausläßt, kann nur eine Mannschaft verkraften, die nie Gegentore erhält. Ein 5:1 wäre zur Halbzeit der angemessene Ausdruck der Kräfteverhältnisse gewesen. Die ohne ihren Chef Hoogma desolate HSV-Abwehr lud die gefällig spielenden Leverkusener fast im Minutentakt zum Torschuß ein. Aber Bastürk und Neuville erwiesen sich abermals als Umstandskrämer. Ihr Kollege Berbatow wirkte da zielstrebiger. Doch der Bulgare hat das Scheitern am gegnerischen Torwart mittlerweile zur Kunstform erhoben. Am Samstag schaffte er es irgendwie immer, den kleinen Pieckenhagen im großen HSV-Tor zu treffen. Berbatows Zukunft scheint eher in der Berufssparte Torwarttrainer zu liegen. Es ist ihm einfach eine Herzenssache, Torhüter warmzuschießen. Der Sturm vergibt ungezählte Möglichkeiten, das Spiel frühzeitig zu entscheiden, die Abwehr nimmt jede Gelegenheit wahr, das Spiel noch zu verlieren: Bewundernswert, wie Toppmöller in der Öffentlichkeit die Contenance bewahrte.”
Werder Bremen – VfB Stuttgart 3:1
Spielbericht SZ
Hannover 96 – Schalke 04 0:2
Spielbericht SZ
Europäischer Fußball: Resultate – Torschützen – Zuschauerzahlen – Tabellen NZZ
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Der größte und schönste Verein unter der Sonne
Auf der Meisterfeier empfing Ralf Wiegand (SZ 19.5.) aufdringliche Dominanzsignale. „Die Institution FC Bayern folgte ihren eingespielten Ritualen, die ihre Größe symbolisieren sollen: Im Stadion feierten sie ihre jahrzehntelange Vorherrschaft mit 18 Böllerschüssen, und wenn sie so weiter machen, werden sie bald ein Maschinengewehr einsetzen müssen fürs Meistergeknatter. Natürlich hatten sie auch mehr Konfetti-Kanonen platziert, als beim Champions-League-Finale und WM-Endspiel zusammen zum Einsatz kamen, und aus den Boxen dröhnte größerer Lärm, als man im P1 und Pasha gemeinsam einfangen könnte. Abertausende roter und weißer Luftballons werden überdies noch tagelang in ganz Europa niederregnen, wenn ihnen irgendwann die Luft ausgehen wird, den Sendboten einer Fußballmacht. Was soll ein Verein auch anderes von sich denken, als der größte und schönste unter der Sonne zu sein, wenn an den Tischen beim Meister-Bankett die Vorstandsvorsitzenden zweier Großunternehmen sitzen und der Ministerpräsident des Landes Bayern mit Hitzfeld in Fan-Manier die Zukunft Oliver Kahns diskutiert (Stoiber: „Was einen Sie, kriegt er noch einmal die Kurve?“ – Hitzfeld: „Ich hoffe. Ich hoffe das!“)? Im Glanz dieser Bayern sich zu sonnen ist eine Sucht, der sogar diejenigen erliegen, die nur Ärger mit ihnen haben. Gleich in Mannschaftsstärke war die Deutsche Fußball-Liga (DFL) angereist und durfte von Bayerns Gnaden am Bier des Sponsors nippen. Verkehrte Welt: Die Bayern entscheiden, ob sie die Liga in ihre Mitte aufnehmen, nicht umgekehrt. „Wir sind die Lokomotive“, machte Manager Uli Hoeneß dem DFL- Aufsichtsratsvorsitzenden Werner Hackmann klar, der ihm bemüht entgegnete: „Aber die Liga, das sind die Gleise.“ Und Hackmann selbst würde gern Schaffner bleiben, „ich mache meine Arbeit sehr gern“, sagte er, der Ex-Politiker, was nur so zu interpretieren ist, dass er die Bayern um Verlängerung seines Mandats gebeten hat. „Ihr Okay müssen sie nicht geben, das wäre zu viel gesagt“, sagte Hackmann, aber ihr Wohlwollen braucht er schon.“
Fußball spielt dort keine große Rolle
Thomas Becker (FR 19.5.) registrierte dort Gähnen. „Sammy Kuffour will nicht singen. Spürt kein Verlangen, sich vor den 15.000 Fans auf dem Marienplatz zum Affen zu machen, wie schon so oft. Fünf Mal ist er mit dem FC Bayern Meister geworden – so oft wie kein anderer ausländischer Fußballer in der Bundesliga. Nun soll er nochmal dieses Liedchen singen, wie bei der letzten Meisterfeier vor zwei Jahren. Im Kuffourschen Überschwang hatte er da vom Rathausbalkon herab gekrächzt: Rotweiße Trikots, wir wollen rotweiße Trikots, rotweiße Triiiiiiiikots, wir wollen rotweiße Trikots. Was man halt so singt in Meisterstimmung. Nun haben die Bayern rotweiße Trikots, am Samstag beim 2:1 gegen Stuttgart zum ersten Mal darin gespielt, ein bisschen nach Arsenal London ausgesehen und en passant der Anhängerschaft aus der Was-schenk-ich-bloß-zu-Weihnachten-Bredouille geholfen. Doch Sammy, dem großen Kind beim FC Bayern, der sonst keine noch so alberne Gaudi auslässt, der einst sogar Hitzfeld den Inhalt seines Lieblings-Glases (ein Drei-Liter-Humpen eines Weißbierbrauers) über den Schädel goss, ist nun nicht nach Späßchen zumute. Stefan Lehmann, der Stadionsprecher, muss ihm auf dem Rathausbalkon das Mikrofon fast in den Rachen rammen, bis Kuffour endlich ein paar Takte Rotweiße Trikots trällert – Begeisterung sieht anders aus. Nun ist Kuffour nach dem tragischen Tod seiner Tochter vor wenigen Monaten nicht mehr der Clown von einst, doch seine gebremste Euphorie war Sinnbild der Münchner Meisterfeier. Mehmet Scholl, dienstältester Kicker im FCB-Kader, sah sich das Treiben auf dem Rathausbalkon von hinten an: legte nur einmal kurz Hand an die Schale und hockte dann wie ein Onkel beim Kindergeburtstag still auf einer Fensterbank. Von Oliver Kahn, dem Sonderling, braucht man eigentlich nicht mehr zu reden. Der scheint seit geraumer Zeit in einem Paralleluniversum unterwegs zu sein, von dem man nur so viel sagen: Fußball spielt dort keine große Rolle.“
Philipp Selldorf (SZ 19.5.). „Wieder öffnete sich da der riesige Abgrund zwischen dem FC Bayern und dem Rest der Liga. Während der VfB, der nach dem Einbruch Borussia Dortmunds als letzter Titelkonkurrent für die Münchner gehandelt wurde, ausgelaugt ins Ziel kriecht, verkünden die Bayern übermütig ihre Ansprüche. Sie merken nicht mal, wie weit sie damit von den anderen entfernt liegen. Bei seiner Ansprache während der Meisterparty malte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge aus, es sei „sicherlich ein großer Höhepunkt“, wenn zur 18. Meisterschaft der 11. Pokalsieg käme. Denn: „Das Double ist uns erst dreimal gelungen!“ Erst. Und so wendete sich Kapitän Oliver Kahn auf dem Rathausbalkon wie ein Volkstribun an die 20.000 zu seinen Füßen: „Wir sind noch nicht fertig!“, dröhnte er, dass es bis nach Kaiserslautern hallte. Auch in Madrid, Mailand und Manchester verschaffte sich Kahn dann noch Gehör: Auch international werde der FC Bayern „wieder angreifen“, versprach der Torwart mit wildem Ausdruck im Gesicht. Aber hatte Kahn nicht zuletzt den Eindruck erweckt, er wolle in der nächsten Saison lieber eben dort, in Madrid, Mailand oder Manchester, auf Rekordjagd gehen? Nur ein Spiel mit den Medien, deutet Manager Uli Hoeneß die Koketterien des Torwarts, „zu Hause lacht er sich darüber halb tot“.“
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Calmund
„Calmund ist zur Marke geworden. Sein gramgebeuteltes Dasein als Quell stetig wachsenden Mitleids. Und damit Bekanntheit und Sympathie. Man nimmt Anteil. Die lieben Loser von Bayer 04: Ein herzwärmendes Image als neue Etappe in Callis Lebenswerk. Die 300 Pfund inkl. aller menschelnder Diätversuche waren immer der Gegenentwurf zum Vereinsimage vom Plastikklub mit der Werkself. Jetzt, in den Niederlagendramen, wächst zusammen, was nie zusammen zu passen schien. Calmund, Bayermanager seit 1983, genießt Narrenfreiheit. Er überlebte das Desaster in Unterhaching, das die emsig vorbereiteten Meisterschaftsfeierlichkeiten viel belacht platzen ließ, auch das Theater um Christoph Daum und all die Trainerfehlgriffe vor Toppmöller. Etwa den begnadeten Blender Dragoslav Stepanovic oder das eigenwillige Expertentum des Erich Ribbeck, das fast in Liga Zwei endete, bis Calmund die Reißleine ziehen musste und den guten Freund entlassen. Zuletzt wagte sich Bayer Calmund 04 sogar an das leibhaftige Missverständnis Berti Vogts (Dä Berchti).
Peter Hess (FAZ 02.05.02) über Leverkusens Trainer:
„Toppmöller erweckt gern den Eindruck, quasi der Abgeordnete des kleinen Mannes in der großen fußball-Welt zu sein. Noch kein dutscher Spitzentrainer fühlte sich und ist dem Stammtisch auch tatsächlich so nahe wie er. Toppmöller besitzt in Rivenich an der Mosel eine Kneipe. Dort hat der Mann, der Luxus hasst und hässliche Krawatten liebt, im Kreise von „50 oder 100 Leuten“, wie er sich erinnert, das letzte Champions-League-Finale miterlebt. „Wir haben mit den Bayern gezittert, und wir haben mit den Bayern gejubelt.“ Jetzt steht er selber mit Leverkusen im Finale.“
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Abpfiff für die fetten Jahre
„Abpfiff für Dortmunds fetten Jahre“ (Spiegel) – „Vielleicht haben wir zum falschen Zeitpunkt zu viel in Spieler investiert“ (Michael Meier, Manager Borussia Dortmunds, im SZ-Interview) – Tagesspiegel-Interview mit Rudi Assauer, Manager Schalke 04s
Abpfiff für die fetten Jahre
Jörg Kramer (Spiegel 26.1.) weissagt den Dortmunder ein böses Ende: „Das Revier-Derby gegen Schalke 04 wird noch einmal unter Festbeleuchtung stattfinden. Aber es wird, so viel steht schon fest, für den ambitionierten Traditionsclub Borussia Dortmund das Ende des Glamours einleiten. Abpfiff für die fetten Jahre. Zwar wird erstmals seit dem vollständigen Ausbau das Westfalenstadion mit 83.000 Besuchern ausverkauft sein. Doch schon zum nächsten Ruhrpottschlager in der Saison 2004/05 wird der BVB eine abgespeckte Version seines Starensembles präsentieren. Der Sparzwang – Analysten rechnen für dieses Spieljahr mit einem Umsatzrückgang um 31 Prozent und einem Verlust von rund 45 Millionen Euro – setzt den Schlusspunkt unter die Prasserei der Ära Niebaum. Anfang der neunziger Jahre begann die Club-Führung um den Dortmunder Wirtschaftsanwalt, mit dem Zukauf teurer Kicksternchen – vorzugsweise aus Italiens Eliteliga – ehrgeizig am Thron des deutschen Branchenführers zu kratzen: Niebaum wollte dem FC Bayern München auf Augenhöhe begegnen. Spätestens nach dem Börsengang im Herbst 2000, resümieren clubinterne Mahner, habe die BVB-Führung dann sukzessive die Zukunft verfrühstückt. So seien Erlöse in Höhe von insgesamt rund 200 Millionen Euro, herbeigeschafft durch den Verkauf von Vermarktungsrechten des Clubs sowie von Rechten am BVB-Sportausstatter goool.de und durch die Börsenemission, längst wieder verbraucht. Manöver nach dem Prinzip Sale Lease back (Verkaufen und Zurückleasen) brachten einige Male frisches Geld, aber auch immer höhere Fixkosten. Zuletzt wurden die Stadionanteile verschachert – das kostet den Club jetzt jährlich rund 15 Millionen Euro an Pacht. Erstmals in 18 Jahren unter Niebaums Führung formiert sich deshalb rund um die kühlen Büroräume am Rheinlanddamm so etwas wie eine Opposition. Niebaums Lage vergleicht ein BVB-Insider mit der Helmut Kohls in der Endphase – da kamen die Kritiker aus der eigenen Partei, nachdem sie 16 Jahre stillgehalten hatten, plötzlich aus allen Löchern“ (…) Klar ist, dass der Spielerkader um einige Empfänger von Millionengehältern verkleinert wird – notfalls, sagt ein kühler Rechner mit Zugangsberechtigung zu den BVB-Geschäftsräumen, würden eben Stars verschenkt. Denn das Dortmunder Geschäftsmodell, erkannte dieser Tage auch der Analyst Hasler, basiert auf dem Erreichen der Champions League. Nun gilt als wahrscheinlich, dass Dortmunds immer weiter aufgerüstete Mannschaft an Europas Geldbeschaffungs-Liga zum zweiten Mal in Folge vorbeischrammt. So droht dem Club die Ernüchterung eines durchnässten Biergartenbetreibers, dessen Kalkulation auf jährlich 365 Sonnentagen fußt. Niebaums und Meiers Fahndung nach Kompensation für die Einnahmeausfälle wirkt leicht panisch. Zum 15. März müssen alle Clubs die Anträge für die Lizenz der nächsten Spielzeit bei der DFL eingereicht haben – inklusive einer testierten Bilanz zum Ende 2003, Gewinn- und Verlustrechnung sowie wesentlicher Verträge. Die DFL, die die Liquidität zum Ende der nächsten Saison errechnen muss, darf Auskünfte bei Kreditinstituten und beim Finanzamt einholen. Jetzt bestellte der wachsame DFL-Geschäftsführer Christian Müller (Wir müssen den Puls fühlen) die BVB-Spitze für Mitte der Woche zum Rapport. Nach Beschwerden von Geschäftspartnern wie den städtischen Verkehrsbetrieben, wonach der BVB seinen Zahlungsverpflichtungen nicht nachkomme, verlangt Müller von der Borussia eine neue Finanzplanung (…) Ohnehin wird die letzte Ausbaustufe der kolossalen Arena von internen Mahnern als schwerster Managementfehler bewertet: Dieses Prestigeobjekt koste den Club mindestens 255 Millionen Euro. So habe sich der Weltmeisterschaftszuschlag an Deutschland 2006 für den BVB desaströs ausgewirkt. Geleitet von der Aussicht, ein WM-Halbfinalspiel ins Westfalenstadion zu holen, schraubten die BVB-Bosse die Zuschauerkapazität weiter nach oben. Um die Mittel für den Ausbau zu beschaffen, wurde der Club-Anteil am Stadion abgetreten. Die vermeintliche Eitelkeit des Präsidenten macht auch Mitarbeitern in den Club-Gremien Sorgen. Ein Konsolidierungskurs, sagt einer aus der Runde, sei auf Dauer nicht realistisch: Eine Mannschaft mit preiswerten Spielern aus der 2. Liga – das ist nicht die Welt von unserem Gerd. Der BVB-Chef, seit 1986 Präsident und seit Anfang 2002 mit rund einer Million Euro dotierter Geschäftsführer der KGaA, bietet Angriffsflächen. „Wozu beschäftigen wir für viel Geld einen Volljuristen, wenn der für juristische Dienstleistungen zusätzlich ein Honorar berechnet?, fragte ein Widersacher.“
Vielleicht haben wir zum falschen Zeitpunkt zu viel in Spieler investiert
SZ-Interview mit Michael Meier, Manager Borussia Dortmunds
SZ: Herr Meier, wann haben Sie das erste Mal das Gefühl gehabt, dass Sie mit Borussia Dortmund in eine finanzielle Schieflage geraten?
MM: Zuerst war das nach dem Unentschieden im Mai gegen Energie Cottbus. Wir mussten ja, als Resultat des verfehlten zweiten Bundesliga-Platzes, in die Qualifikationsspiele zur Champions League. Obwohl wir die Qualifikation schon zweimal erfolgreich überstanden hatten, kann man rückblickend sagen: Das hätte der Zeitpunkt für Maßnahmen sein können. Wir haben aber dann das Risiko in Kauf genommen.
SZ: Sie haben Torwart Jens Lehmann an Arsenal London verkauft, kurz danach aber, wegen der Verletzungsserie, Spieler nachgekauft. Wann wussten Sie, dass die Sache aus dem Ruder läuft?
MM: Zunächst haben wir im Einklang mit den Spielern den zwanzigprozentigen Gehaltsverzicht hingekriegt. Das hat es vorher nie irgendwo gegeben. Wir haben außerdem darauf gesetzt, zusätzliche Marketingerlöse zu erzielen, und wir haben darauf gesetzt, dass wir eine werthaltige Mannschaft haben.
SZ: Fest steht, dass Sie, um die Löcher zu stopfen, gerne jetzt, in der Winterpause, Spieler verkauft hätten.
MM: Richtig ist: Der Markt ist derzeit nur offen für eine sehr begrenzte Anzahl von Spielern. Das heißt: Jeder, der derzeit mal einen für gutes Geld verkaufen kann, das glauben Sie mir bitte, der tut es. Der Verkauf von Spielern gehört ja nun zu den originären Einnahmefeldern eines Fußballvereins.
SZ: Sie haben in den letzten Jahren mindestens 230 Millionen Euro an außerordentlichen Einnahmen gehabt. Börsengang, Stadionverkauf, Vermarktungsrechte, Namensrechte für Ihre Sportmarke goool.de an den Gerling-Konzern. Trotzdem müssen Sie jetzt noch Spieler verkaufen. Wie erklären Sie das?
MM: Es ärgert mich, wenn uns nachgesagt wird, wir hätten Geld verbrannt. Wir haben auch Werte geschaffen. Wir hatten zum Zeitpunkt des Börsengangs im Oktober 2000 Verbindlichkeiten in Höhe von 72 Millionen Euro, davon rund 25 Millionen für das Stadion. Wir haben dann 130 Millionen aus dem Börsengang bekommen und davon erst mal 20 Prozent in unsere Kreditlinien zurück geführt. Das Bild bei Ihnen ist allerdings, dass wir nur Löcher gestopft haben. In Wahrheit haben wir aber auch unseren Besitz am Stadion auf 75 Prozent erhöht, haben Finanzanlagen gekauft, das Hotel Lennhof. Und wir haben Spieler gekauft. Vielleicht haben wir zum falschen Zeitpunkt zu viel in Spieler investiert.
SZ: Geben Sie zu viel für Spieler aus?
MM: Ein klares Ja.
SZ: Warum?
MM: Weil wir keine ausreichende Flexibilität mehr in unseren Gehältern haben. Die Höhe der Gehälter ist nur gerechtfertigt, wenn wir dauerhaft Champions League spielen. Sonst leider nicht. Das macht den Unterschied zum FC Bayern aus. Die haben relativ durchgängig Champions League gespielt – wir hatten zu viele Aussetzer. Das holt uns jetzt ein.
SZ: Zu der Berichterstattung in der SZ und im Kicker über die Lage in Dortmund haben die Informationen aus dem Inneren des Klubs maßgeblich beigetragen. Zum Teil kamen sie von aktuellen oder ehemaligen Gremiumsmitgliedern, die sich offenbar keinen Rat mehr wussten, als ihr detailliertes Insiderwissen mitzuteilen. Sagt das nicht etwas über das Regime aus, das es im Verein geben muss?
MM: Das ist ein möglicherweise ein Problem. Diese Lektion ist gelernt, denke ich. Aber Gremiumsmitglieder, die an die Öffentlichkeit gehen, verstoßen trotzdem gegen einen Kodex. Der Erfolg hat viele Väter – im Misserfolg dagegen fällt manchem auf, was ihm schon immer nicht gepasst hat. Wir könnten momentan wirklich ein geschlosseneres Erscheinungsbild brauchen.
SZ: Ist Borussia zurzeit ein Sanierungsfall, wie es einige Fachleute in die Debatte werfen? MM: Ich würde mich gar nicht gegen eine Sanierung stemmen. Es gibt viele Begriffe, die die Situation beschreiben. „Sanierungsfall“ aber finde ich nicht angebracht. Dazu ist die Substanz dieses Unternehmens einfach zu groß. Mit einem glücklichen und geschickten Management kann man noch eine Geschäftspolitik hinbekommen, die den gewohnten Stellenwert des BVB weiterhin aufrecht erhält. Bei einem Sanierungsfall würde ich von einer völligen Umkehr ausgehen. Das hielte ich für übertrieben.
Tsp-Interview mit Rudi Assauer
Tsp: In der Liga wird Ihnen eine Scheckbuch-Mentalität vorgeworfen, Bremens Manager Allofs sprach davon, Ihre Vorgehensweise sei eine Sauerei.
RA: Ich kann das nicht nachvollziehen. Es steht nirgendwo geschrieben, dass wir keine Spieler verpflichten dürfen. Uns ist damals Thomas Linke von den Bayern weggelotst worden, und Jens Lehmann ist über den Umweg Mailand in Dortmund gelandet. Wenn die Bayern irgendwo jemanden wegholen, ist das normal, bei Borussia Dortmund war das bisher genauso. Nur wenn Schalke gestandene Spieler ablösefrei holt, geht das Gezeter los. Die Leute sollen lieber vor der eigenen Haustür kehren. Wir verwirklichen hier jetzt lediglich das, wofür wir zehn Jahre lang mit viel Kraft gearbeitet haben.
Tsp: Am Freitag steigt in Dortmund vor 83 000 Zuschauern das Revierderby. Da treffen zwei Religionen aufeinander.
RA: Hören Sie mal, da wird auch nicht länger gespielt als sonst, und jeder trägt sein Trikot. Wie immer. Natürlich elektrisiert dieses Spiel die Massen, diese Rivalität geht nicht nur im Revier, sondern im Sauerland und im Münsterland durch Familien und Betriebe. Aber am Ende geht es nicht um Freundschaft oder Feindschaft – es geht um Sport. Es ist gut für unsere Region, dass wir zwei Vereine mit einem so hohen Stellenwert haben. Aber Religion? Nee.
Tsp: Im Revier steht eine Trendwende bevor: Schalke rüstet mit auf, Dortmund wird wegen finanzieller Probleme Spieler verkaufen.
RA: Das tut schon weh, wenn dein Rivale solche Probleme bekommt. Wir brauchen im Ruhrgebiet zwei starke Vereine. Deshalb hoffe ich, dass die Dortmunder aus diesen Turbulenzen herauskommen und wieder zum normalen Tagesgeschäft übergehen können.
Wir bitten um eine Spende für die freistoss-Kasse, und empfehlen Sie uns. Vielen Dank!BankverbindungDeutsche Bundesbank (Filiale Gießen)BLZ: 513 000 00Nr.: 513 015 03Empfänger: indirekter-freistoss – Projekt-Nr. 6000 0208
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Debatte um den italienischen Fußball nach dem Einzug von Juve, Milan und Inter ins Halbfinale der Champions League
„Ein Gespenst geht um in Europa, es ist der Catenaccio.“ Dieses Zitat aus der heutigen Süddeutsche Zeitung beschreibt die Diskussion über das Missverhältnis fußballästhetischer Soll- und Istwerte, die immer dann aufkommt, wenn der italienische Fußball in die Schlagzeilen gerät. So auch diese Woche, als zum ersten Mal in der Geschichte der Champions League drei Klubs der Serie A (Juventus Turin, AC Mailand, Inter Mailand) ins Halbfinale einzogen, was sodann die entsprechenden Reaktionen auslöste.. „Die Spaßverderber sind zurück“ titelt die taz, die Financial Times Deutschland sah die „Perfektion des Riegelfußballs“ (FTD), die SZ (einen Tag zuvor) noch eine „gigantische Catenaccio-Nummer“.
Insbesondere die ihren Ruf des schlechten Verlierers bestätigenden spanischen Medien ließen sich nach zwei direkt verlorenen Duellen auf heimischem Boden (Valencia und Barcelona) gegen die mediterrane Konkurrenz nicht lumpen. So bezeichnete das linksliberale Blatt El País den Auftritt von Inter beim 1:2 in Valencia als „Negation schönen Sports“, die Madrider Tageszeitung ABC sah „scheußlichen Fußball“. Das Zustandekommen dieser übertriebenen und im Grunde ungerechten Urteile deutet die FTD: „Italiens Fußball hat sich zurückgemeldet und die Vorherrschaft der spanischen Klubs gebrochen. Noch vor einem Jahr hatten die Sportkommentatoren in Spanien die vermeintliche Beerdigung des verhassten Catenaccio gefeiert. Nun müssen die selbst ernannten Fußballästheten mit Schrecken der Wiederauferstehung des Defensivspiels beiwohnen.“ Die Neue Zürcher Zeitung ruft dabei folgendes in Erinnerung: „Spanische Blätter werfen mit Schlamm nach den Resultat-Dieben vom Stiefel. Der Mensch vergisst schnell. Erst zwei Jahre ist es her, als sich der FCBayern und Valencia im San Siro einen Endlos-Match an der Mittellinie um die Champions-League-Siegesprämie lieferten und das Publikum erst beim Penaltyschiessen weckten.“
Letztendlich bleibt den Italienern nach Jahren sportlichen Abschwungs eine eindrucksvolle Bilanz. „Die Frage, wie gut die Italo-Spitzenklubs wirklich sind, bleibt unerheblich. Die Kunst der Effizienz ist zurückgekehrt (…) Das Land, dessen fussballerisches Selbstwertgefühl seit dem schmählichen Ausscheiden an der WM 2002 in Asien und wegen einer weitgehend hausgemachten Existenzkrise erschüttert ist“ (NZZ). Die Kommentare in der italienischen Presse klingen folglich stolz: „Alle Verleumder unseres Fußballs müssen nun endlich zugeben, dass die falsch lagen!“, antwortetCorriere della Sera den Unkenrufern.
Vielleicht verstärkten sich die harschen Urteile über das italienische Defensivprimat durch einen Kontrast. Im Schatten des diesjährigen Highlights musste alles andere Geschehen nämlich blass wirken. Dabei besiegte Manchester United in einem „Lustspiel ohne Verlierer“ (FAZ) Real Madrid mit 4:3.
Den Ball vor dem Gegner verstecken
Peter Hartmann (NZZ 25.4.) verteidigt anschaulich und vehement italienischen Fußballstil. „Im Calcio von heute spiegeln sich wie eh und je Narzissmus, der Hang, eine „bella figura“ abzugeben, vom Fallrückzieher bis zur Bilanzfälschung hochstaplerischer Präsidenten, und die Nationaltugend des „Furbismo“, schlauer sein zu wollen als alle andern. Den Ball vor dem Gegner zu verstecken, wie das die „alte Dame“ Juventus hervorragend beherrscht. In dieser Art Fussball erkennt sich jeder Italiener. Doch das Ende der Verschwendung führt zu einem Paradigmenwechsel. Der Dünkel von der „schönsten Meisterschaft der Welt“ ist verflogen. Mannschaften wie Chievo, die einen heiteren britischen Fussball spielt, oder die Desperados von Lazio Rom, die unbezahlt, aber auch frei von doktrinären Fesseln unter Trainer Roberto Mancini das attraktivste Spiel zeigen (und dennoch untergehen könnten), haben neue Erwartungen geweckt. Es stimmt, Inter hat sich in Valencia vor dem eigenen Strafraum eingegraben – aber erst nachdem Vieri nach sieben Minuten das Führungstor gelungen war. Dann hypnotisierte der Inter-Keeper Toldo die gegnerische Mannschaft. Er ging in seinem Furor Gigi Di Biagio an die Gurgel, weil sein Mitspieler vor einem Freistoss Valencias mit dem Schiedsrichter zu palavern begonnen hatte, statt in die Mauer zu stehen, und aus dieser Lässigkeit entstand die Szene, in der Toldo wie unter Strom vier, fünf Bälle abwehrte. Und plötzlich war wieder klar, dass Italien die besten Torhüter der Welt herausbringt, obwohl, selbst in Italien, niemand darüber redet. In der hysterischen Serie A stehen immer nur die Irrtümer und Fehler der Schiedsrichter im Mittelpunkt, obwohl auch sie, wie Collina in Manchester mit seiner unauffälligen, pragmatischen Spielleitung bewies, Weltklasse sind. Buffon, der letzte Mann der „alten Dame“, hielt in Barcelona seinen Verteidigern den Rücken frei. Mehr als Toldo und Buffon kann ein Torhüter nicht leisten. Aber weshalb leisten sich, beispielsweise, Barcelona und ManU nicht bessere Torhüter?“
Christof Kneer (BLZ 25.4.) hat weniger gute Erinnerungen an Italiens Fußball. “Überhaupt wollen wir darauf hinweisen, was wir alle dem italienischen Fußball verdanken. Hat sonst irgendein Fußball auf der Welt einen Begriff geprägt, der es bis ins Fremdwörterlexikon geschafft hat (catenaccio : Verteidigungstechnik im Fußball, bei der sich bei einem gegn. Angriff die Mannschaft kettenartig vor dem Strafraum zusammenzieht)? Weitere unvergessliche Momente gehen auf unseren Mandanten zurück: Italien schenkte der Welt die Trapattoni-Rede, Dino Zoffs grauen Pullover und 1982 die schlechteste Vorrundenelf, die je Weltmeister wurde. In Person des Verteidigers Gentile erfand unser Mandant zudem die Blutgrätsche sowie das One-Hit-Wonder (mittelmäßige Stürmer wie Rossi oder Schillaci, die ein Turnier lang überragten und dann wieder mittelmäßig wurden). Und unser Mandant hat ein großes Herz: Hat er nicht Carsten Jancker aufgenommen? Wir plädieren auf Freispruch, hohes Gericht. Nur eine einzige Strafe würden wir akzeptieren: die Versetzung des FC Bayern in unsere Liga. Und jetzt haben wir fertig.“
Nur hitzköpfige Barbaren pflegen den Mythos des offenen Visiers
Birgit Schönau (SZ 25.4.) rückt die Diskussionen um das Wesen des „calcio“ zurecht. „Der Catenaccio ist eine Lebensform. Es geht halt nicht immer nur nach vorn, wenn man etwas erreichen will. Nur hitzköpfige Barbaren pflegen den Mythos des offenen Visiers. Welten liegen zwischen Siegfried und Odysseus, dem Offensiv-Heros der Germanen und dem listigen Helden Homers. Italiens Tifosi gehen nicht mit dem Anspruch ins Stadion, für ihr Geld möglichst viel Spektakel zu sehen. Was nützt die ganze Rennerei, wenn am Ende eine auf den Platz geworfene Getränkebüchse das Match entscheidet – wie im richtigen Leben? Davon abgesehen, wird in Italien neuerdings durchaus wieder Fußball gespielt. Nach den Exzessen der 90er Jahre, in denen pünktlich zum Saisonbeginn der Coach und womöglich auch die halbe Mannschaft ausgetauscht wurden, haben sie jetzt aus der Not eine Tugend gemacht. Der Transfermarkt steht still, die Trainer dürfen ihre Verträge erfüllen, und plötzlich entstehen wieder gewachsene Teams. Spieler wie Nedved, Vieri und Inzaghi entfalten sich nach Jahren des Wartens, Trainer wie Ancelotti und Cuper müssen sich nicht mehr von einem Sonntag zum nächsten zittern.“
Ronaldo ist bloß einer, wir sind elf
Rückblickend fasst die SZ (25.4.) zusammen. „Wer hätte das gedacht. Drei von vier – nur Spanien hatte das geschafft im Frühjahr 2000. Die Italiener, mit 40 europäischen Trophäen absolute Champions vor England (34), Spanien (32) und Deutschland (19), hatten seit Gründung der Champions League 1992/93 bislang höchstens einen Halbfinalisten gestellt, zuletzt Juventus Turin 1999. Danach kamen bittere Jahre, Selbstanklagen, große Debatten über das Ende des calcio all’italiana. Während die Spanier sich am Donnerstag noch die Wunden leckten („Triumph des Antifußballs“, schrieb El Diario de Valencia), schwelgten die Italiener im Rausch. „Es gibt eben Leute, die unseren Fußball immer schlecht machen müssen“, sagte Juve-Trainer Marcello Lippi. „Und wir Italiener sind nachtragend.“ Luciano Moggi, Manager des Rekordmeisters Juventus Turin und angeblich mächtigster Mann im italienischen Fußball, hatte für Halbfinal-Gegner Real Madrid nur ein sarkastisches Bonmot: „Ronaldo ist bloß einer, wir sind elf.“ Die Gazzetta dello Sport malte ein „nationales Meisterwerk“ an die Wand und trat gegen die Spanier mächtig nach: „Sie haben uns beschrieben, als wenn wir im Schweinestall unterm Mist gewühlt hätten.“ Alles vorbei: „Bevor das Semester der italienischen EU-Präsidentschaft beginnt, haben wir erst einmal einen italienischen Fußball-Mai.“ Ein kräftiges „Forza Italia“ hätte noch gefehlt, aber darauf hat Milan-Patron Silvio Berlusconi, der ab Juli die Präsidentschaft in der EU übernimmt, bekanntlich schon das Patent angemeldet.“
Reaktionen in Italien Tsp
weitere Pressestimmen zum italiensichen Siegeszug
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„Lustspiel ohne Verlierer“
Manchester United besiegte in einem„Lustspiel ohne Verlierer“ (FAZ) Real Madrid mit 4:3; unter Begeisterung aller Anwesenden im ehrwürdigen Old Trafford. Bezeichnenderweise applaudierten die englischen Fans dem dreifachen Torschützen der Gäste bei dessen Auswechslung. Die taz „hatte das Gefühl, dass Ronaldo im Notfall auch fünf gemacht hätte.“
Sportliche Soiree zweier Klassemannschaften
Felix Reidhaar (NZZ 25.4.) ist vom Spiel in Manchester begeistert, teilt jedoch gleichzeitig die Sorgen seiner englischen Kollegen über die Konkurrenzfähigkeit des Inselfußballs. „Was für ein Match, welch intensiver Abtausch von Spielqualitäten höchst unterschiedlicher Natur, welch spannungsgeladene Dramaturgie der Torfolge, was für Sonderleistungen herausragender Individualisten, wie viele Fehler auf beiden Seiten auch, die diese Regie der überraschenden und oft zufälligen Wendungen erst ermöglichten! Man wird noch lange an diese sportliche Soiree zweier Klassemannschaften zurückdenken (…) Roy Keanes Zeiten sind vorbei; nichts konnte dies besser veranschaulichen als die beiden Spiele gegen Real. Seit seiner disziplinarisch angeordneten Abreise von der letzten WM und der darauf folgenden langwierigen Verletzung ist der Ire, lange die wichtigste Stütze im defensiven Mittelfeld der United, nicht mehr der Alte geworden. Als sogenanntes Anspielrelais zwar oft gesucht (und gefunden), nahm er keinen Einfluss mehr auf das Geschehen. Verglichen mit Zidane war er ein Bauer auf dem Feld. Andere Gründe gehen tiefer. Für Paul Hayward, Englands Sportjournalisten des Jahres (Telegraph), ist die Premier League generell nicht die passende Vorbereitung für die parallel laufende kontinentale Spitzenliga. Sie spreche trotz ihrem Reichtum eine andere Fussballsprache, sei anders in ihrer Spielart. Unterhaltung auf der Basis kampfbetonter, eher eindimensionaler Ausrichtung habe auf der Insel mehr Gewicht als balltechnisches Niveau und Spielkultur. Richard Williams vom Guardian verweist auf die Möglichkeit eines Generationenwechsels. Gut zehn Jahre ist es her, seit die 1992er Garde mit Beckham, Giggs, den Neville-Brothers, Scholes und Butt aus dem meisterlichen Jugendteam der United für höhere Aufgaben heranreifte. Schon die heutige Auswahl zeige, dass sie im Umbruch begriffen sei. Die Boomjahre des europäischen Fussballs gehen hiermit ohne weiteren englischen Eintrag in die Geschichtsbücher zu Ende. Es blieb Manchester United vorbehalten, vor vier Jahren wenigstens einmal den Gipfel in dieser goldenen Epoche zu erklimmen. Einem anderen Team von der Insel blieb Gleiches versagt, was insofern bemerkenswert ist, dass nach 1967 (Triumph Celtics im Meistercup gegen Inter) bis in den Frühsommer 1985 (Heysel-Tragödie) von 18 Finals deren 12 mit englischer Beteiligung stattfanden. Seither hat sich in der vergleichbaren Zeitphase nur ein Premier-League-Klub für das Endspiel qualifizieren können, die Mannschaft von Ferguson. Ob mit diesem Scheitern auch eine Ära zu Ende geht und personelle Erneuerung fällig wird, bleibt abzuwarten. Ebenso, ob Reals Flirt den schönen David betören wird, wie viele Einheimische vermuten. Beckhams Körpersprache beim Abgang, den Dress von Zidane über den Schultern, schien vielsagend. Es könnte sein internationaler Abschied im Old Trafford gewesen sein.“
Mangel an Innovationen und die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Motors
Raphael Honigstein (taz 25.4.) kritisiert Fergusons (Trainer von Manchester United) Personalstrategie. „Schon im April 2000 war Madrid hier ins Halbfinale eingezogen, 2001 triumphierten die Bayern im Viertelfinale, im letzten Jahr Leverkusen. Vier Jahre, vier Enttäuschungen. Nun mehren sich in Manchester die Fragezeichen. Wird Ferguson die lange angekündigte Drohung wahrmachen und den Kader radikal umstrukturieren? Oder wird er doch wieder auf die umstrittene Politik der punktuellen Verstärkungen setzen? Van Nistelrooy ist ein fantastischer Stürmer, doch Barthez, Verón, Ferdinand und Blanc haben das Team seit dem Europacupsieg gegen Bayern 1999 keinen Schritt weiter gebracht. Del Bosque hatte vor dem Hinspiel den Nagel auf den Kopf getroffen: United spielt seit Jahren das Gleiche. Die einst so Furcht erregende Red Machine arbeitet immer noch verlässlich genug, um jederzeit die Liga gewinnen zu können. Doch auf europäischem Terrain werden der Mangel an Innovationen und die eingeschränkte Leistungsfähigkeit des Motors – Roy Keane – zunehmend offensichtlich. Wie vor zwei Wochen fiel der Ire nur mit markigen Worten vor dem Spiel auf. Auch über ihn wird Ferguson intensiv nachdenken müssen, falls er verhindern will, dass das schwächelnde United-Imperium bald völlig auseinander bröckelt.“
Kann Fußball eigentlich schöner sein?
Thomas Kilchenstein (FR 25.4.) ist angetan. „Kann Fußball eigentlich schöner sein, als in jenen Augenblicken vor dem 2:1 von Real Madrid gegen Manchester United? Wie der Ball da über viele, viele Stationen zirkulierte, hin- und hergespielt wurde wie selbstverständlich, bis Zidane den Ball hatte und ihn in die Tiefe des Raumes spielte zu Roberto Carlos und der dann auf Ronaldo? Das war ein einziger Fluss, scheinbar eine einzige Bewegung, von nichts und niemandem zu stoppen. Fußball in seiner reinsten Form, Fußball in Perfektion. Und dieser Traumfußball wurde nicht nur im Theater der Träume in Manchester gespielt, auch in Valencia, auch in Mailand. Diese Champions-League-Runde hat für viele öde Spiele in Gruppen- und Zwischenphase entschädigt, weswegen wir Hände klatschend nochmals begrüßen können, dass im nächsten Jahr wenigstens die Zwischenrunde zugunsten des K.-O.-Systems wegfällt. Spiele, bei denen elf Spieler an der Querlatte kleben, wie der uruguayische Literat Eduardo Galeano einst schrieb, haben wir zur Genüge gesehen, uns zu oft bei tristen Null-zu-Nulls, zwei offene Münder, zwei Mal Gähnen, gelangweilt. Jetzt, da es um die Wurst geht, um hopp oder top, jetzt, da sich die Spreu vom Weizen getrennt hat, jetzt, da zwei Schulen aufeinander treffen – hier: verschnörkelter Angriffsfußball, dort disziplinierter Strukturfußball aus Italien – gibt es endlich Herz erfrischenden, guten Fußball.“
Lässt eine Plastiktüte wie einen Designerbeutel erscheinen
„Kaum hatte der Mann sich den Haarreif zurechtgerückt wie ein kokettes Schulmädchen, beschrieb der Ball auch schon seine Bahn über die Mauer hinweg und hinein ins Tor.“ Stefan Osterhaus (BLZ 25.4.) kommentiert die Wechselgerüchte um David Beckham. „Was also erwartet Madrid, wenn Beckham tatsächlich das Trikot wechselt? Nahtlos würde sich die Personalie Beckham einfügen in das Konzept des Clubs: In jedem Jahr einen der besten Spieler der Welt zu locken ist die Devise des Präsidenten Florentino Perez. Geld spielte niemals eine Rolle. So kreierte Trainer Vicente Del Bosque ein System von monströser Eleganz, die beste Mannschaft der Welt, nicht unschlagbar, da ihre Verteidiger Laiendarsteller sind, doch in ihren besseren Momenten atemberaubend schön spielen, dem Grundsatz folgend, dass ein 5:4 viel berauschender als ein 2:0 ist. Und Beckham kann überhaupt nicht verteidigen. Es passt also alles. Perez, der wahnwitzige Visionär, hielt immer Wort, wenn es darum ging, die Besten der Welt zu holen: Figo, Zidane, Ronaldo. Sie mögen alle fantastisch Fußball spielen, diese Männer, doch über eines verfügen sie nicht: Flair, Glamour und Stil außerhalb der Kreidebahnen des Platzes. Ronaldo hat keine Ahnung von Mode, Figo hat zwar Ahnung von Mode, aber keinen Popstar zur Frau – und Zidane hat eine Glatze. Mangels Prachtvisage sind sie alle zum Schönspielen verdonnert. Und Beckham? Der trägt ein Pflaster zur Platzwunde und erklärt es zum Trend, schlüpft in den Wickelrock, lässt eine Plastiktüte wie einen Designerbeutel erscheinen und lackiert sich die Fingernägel. Andere würden für solcherlei Firlefanz aus der Stadt gejagt, doch Beckham darf sich trotz allem auch mal ein schwaches Spiel leisten. Käme Beckham, hätte Real nach langer Zeit wieder einen Popstar in seinen Reihen. Der letzte ging vor einer Ewigkeit. Er fuhr Ferrari wie der Brite, kam aber vom Niederrhein und sah Jung-Siegfried verblüffend ähnlich. Er hieß Günter Netzer. Nur gewann Real mit ihm nichts Großes.“
Der produktive Neid der Besitzlosen
Roland Zorn (FAZ 25.4.) meint dazu. „So zauberhaft Zidane, Ronaldo, Figo und demnächst auch wieder Raúl die Ästheten des Fußballs zu becircen verstehen, so ungewiß bleibt, ob eine Mannschaft, in der bis auf Torwart Iker Casillas niemand ein bekennender Abwehrspieler zu sein scheint, auch die taktisch ausgebufften, kühlen Italiener an den Rand der Selbstaufgabe spielen kann. Juventus Turin, das könnte zur wahren Reifeprüfung für die Spielernaturen aus dem Bernabéu-Stadion werden; besteht Real das Halbfinalexamen, wird’s zum letzten Showdown zurück an magischer Stätte Old Trafford gegen den AC oder Inter Mailand auch nicht wesentlich leichter. Wie die Italiener im Vorjahr schauten diesmal die Deutschen zu, als saisonal oder wirklich bessere Teams den Glanz der Champions League in die Welt des Fußballs trugen. Bleibt zu hoffen, daß dadurch, analog zu den Kollegen aus der Serie A, der produktive Neid der Besitzlosen geweckt wurde. Auch die Fernsehrechteinhaber RTL, die laut vom Ausstieg aus der Klasse der Meister reden, dürften zumindest am Mittwoch gespürt haben, daß sie ein wertvolles Hochglanzprodukt aufs zugegeben teure Spiel setzen.“
Phantastischphantastischphantastisch
Stefan Coppell (FAZ 25.4.) referiert die Reaktionen der beiden Trainer. „Mit Superlativen wurde nur so um sich geworfen. Real-Trainer Vicente del Bosque etwa hörte sich so an: Ein phantastisches Spiel mit phantastischem Tempo zweier phantastischer Mannschaften vor einem phantastischen Publikum. Selbst sein Widerpart Sir Alex Ferguson, der nach bitteren Niederlagen seines Teams meist Gift und Galle spuckt, suchte nicht nach Haaren in der köstlichen Suppe. Unglaublich, dieses Spiel. Es war eine Nacht für den Fußball. Meine Mannschaft hat Tolles geleistet, aber Ronaldo war nicht zu bändigen. Ob er dem Paß von Guti erfolgreich hinterhersprintete, ob er der Endverwerter einer genialen Ballstafette (mit Figos Lattenstreichler als Zwischenakt) war oder das Heft des Handelns selbst an sich riß und mit einem wuchtigen Fernschuß reüssierte – Ronaldo an diesem Abend zu stellen hieß, aussichtslos auf Schattenjagd zu gehen.“
(24.4.)
Technisch hochstehendes Direktspiel der Iberer
Ein Chapeau! von Felix Reidhaar (NZZ 24.4.). „Real Madrid – Manchester United hatte der Wunschfinal in der Champions League Ende Mai im Old Trafford gelautet. Beide Klubteams rechtfertigten diese Einschätzung vollauf. Die beiden Viertelfinals werden als seltene spielerische Höhepunkte des internationalen Fussballs festgehalten bleiben. 13 Tage nach der Demonstration technisch brillanten Direktspiels nach Façon Real Madrids mit entsprechendem Zweitore-Polster für den zweiten Match lieferten beide Parteien im faszinierenden Abnützungskampf in Manchester die Bestätigung für ihre derzeit unerreichte Klasse nach und boten dem ausverkauften Haus in Old Trafford einen spannenden, ausgeglichenen, selten trefferreichen Match mit einem Platzteam, das sich wenigstens resultatmässig revanchieren konnte. Dreimal im Rückstand gegen den selbstsicheren Titelhalter, gab die United nie auf und zwang schliesslich das (Abschluss-)Glück doch noch auf ihre Seite. Ein atmosphärisches Ereignis wird trotz den sieben Treffern noch lange im Gedächtnis haften: Als Ronaldo in der 67. Minute das Feld vorzeitig verliess, erhob sich (fast) jeder in der mit knapp 70′000 Schaulustigen voll besetzten Arena und beklatschte voller Respekt den Brasilianer. Fast im Alleingang hatte der Brasilianer innerhalb knapp einer Stunde das Platzteam zurückgeworfen – allerdings meist mustergültig und genau freigespielt bis auf das 3:1, das er nach kurzem Dribbling (und nicht angegriffen) mit einem 24-m-Schuss in die hohe Torecke abschloss: das Qualitätssiegel unter eine superbe Leistung, das im typisch fairen englischen Publikum nicht ohne Nachhall bleiben konnte (…) Es war nicht etwa so, wie viele englische Beobachter nach dem Match im Bernabeu festzustellen glaubten, dass sich die ManU-Spieler zurücklehnten und die stupenden Pass-Varianten bewunderten und dass sie zu wenig unternahmen, um den Gegner an der Konstruktivität zu stören. Sie waren im Gegensatz wieder paralysiert durch das technisch hochstehende Direktspiel der Iberer, dem sie erneut in keiner Weise beikamen. Abermals lag die hauptsächliche Ursache in der balltechnischen und läuferischen Unterlegenheit der Briten im Mittelfeld. “
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Entscheidung von T-Online
Die FAZ (11.4.) kommentiert die Entscheidung von T-Online, ins Fußballgeschäft einzusteigen. „Fußball und Internet: Die Kombination klingt komisch, da Fußballfans – mit Schal und Bierflasche um einen Computerbildschirm gruppiert – kaum vorstellbar sind. Doch für T-Online ist der Kauf der Fußball-Rechte nur der nächste konsequente Schritt, als Medienhaus neuen Zielgruppen im Netz attraktive Inhalte zu verkaufen. Exklusive Zusammenfassungen von Sportveranstaltungen, die sich Onliner zu jeden gewünschten Zeitpunkt anschauen können, treffen im Internet-Mutterland Amerika bereits auf großes Interesse. In Deutschland betritt T-Online mit der Fußball-Bundesliga ein neues Feld. Gleichzeitig ist das Fußball-Angebot ein riskantes Experiment: Kommt König Fußball bei den Internet-Nutzern nämlich nicht an, weil zum Beispiel die Bildqualität zu schlecht, das Ausgabemedium Computerbildschirm ungeeignet, die Preise zu hoch und der notwendige Hochgeschwindigkeitsanschluß an das Internet zu selten vorhanden ist, gerät die Medien-Strategie der Telekom-Tochtergesellschaft ins Wanken. Welcher Inhalt, wenn nicht Fußball, soll sich erfolgreich im Internet verkaufen lassen? Die Übertragung auf den Fernseher ist nicht mehr als eine Zukunftsoption, denn die notwendige Technik ist zu teuer, um den Massenmarkt zu erschließen. T-Online ist mit dem Fußball-Experiment zudem von seinem eisernen Grundsatz abgerückt, eine sichere Refinanzierung des Projektes in einem überschaubaren Zeitraum zu gewährleisten. Die Börse hat ihr Urteil über den neuen Plan schon gefällt: Der Kurs ging gestern nach unten.“
Welchen Wert hat Online-Journalismus?
Stefan Niggemeiner (FAS 6.4.) analysiert. „Die Internetredaktion fühlt sich manchmal wie der Papierkorb des Spiegels. Sie ist nicht unglücklich darüber. Das, was vom Mutterblatt abfällt, läßt sich ganz gut verwerten in einem Produkt, das mit geringsten Mitteln und wenig Personal auskommen muß und doch das beste und mit Abstand meistgenutzte deutschsprachige Nachrichtenangebot im Internet ist. Ich wundere mich manchmal selbst, sagt Chefredakteur Mathias Müller von Blumencron, daß trotz der kleinen Mannschaft ein ganz gutes Produkt dabei rauskommt. Vieles von dem, was sie machen, ist banal: Sie schreiben Agenturmeldungen um, schauen fern, sichten die internationale Presse, übernehmen bunte Geschichten, die Bild ausgegraben hat. Drei Viertel der Inhalte, schätzt ein Mitarbeiter, sind Agenturmeldungen oder Presseschau, aber die Online-Redakteure – bei denen es sich, was früher nicht selbstverständlich war, um erfahrene Journalisten handelt – beherrschen das Handwerk, sie ansprechend zu redigieren. Zum Erfolg gehört auch die Kunst, wie mit einem, nun ja: Spiegel den Eindruck von Weiträumigkeit und Tiefe zu erzeugen (…) Anders als viele andere Internetableger von Zeitungen und Zeitschriften versteht sich Spiegel Online als eigenständiges Medium, nicht nur einen weiteren Vertriebsweg für gedruckte Artikel, die um ein paar Updates ergänzt werden. Wir wollen ein ernsthaftes journalistisches Produkt herstellen. Wir sind kein Newsticker, sondern verwenden viel Energie darauf, Nachrichten um Hintergründe, Interviews und Reportagen zu ergänzen, sagt Blumencron. Fünf Korrespondenten beschäftigt Spiegel Online inzwischen in Berlin, gelegentlich einen in New York. Der Aufwand ist mit dem, den der gedruckte Spiegel betreibt, in keiner Hinsicht vergleichbar, und statt im Sternehotel übernachten die Online-Reporter in einer Herberge aus dem Studenten-Reiseführer(…) Inzwischen bekommen sie auch Anerkennung, gelegentlich sogar von den Spiegel-Kollegen. Markus Deggerich war 1999, als er anfing, aus Berlin zu berichten, der erste Korrespondent eines Online-Mediums in Deutschland überhaupt – und wurde überwiegend belächelt. Das hat sich geändert: Ich habe mich lange genug demütigen lassen, jetzt will ich ernten. Für viele Tageszeitungen geben seine Analysen und Interpretationen etwa aus dem Bundestag, die ein paar Stunden nach der puren Meldung online sind, den Tenor vor, sagt er selbstbewusst (…) Noch kann man den publizistischen Erfolg nicht in Erlösen messen, und ob sich das je ändern wird, ist offen. Wir haben eine exzellente Leserschaft, noch besser als die des gedruckten Spiegels‘, sagt Blumencron. Trotzdem ist der Werbeverkauf ein entsetzlich mühsames Geschäft. Blumencron glaubt, daß es an der grundsätzlichen Bereitschaft der Unternehmen mangelt, im Internet zu werben, und hofft, daß sich das ändern wird: Es ist nicht erwiesen, daß es nicht funktionieren kann, so ein Angebot durch Werbung zu finanzieren. Der Verlagsleiter des Spiegels, Fried von Bismarck, formuliert den Satz umgekehrt: Es ist nicht erwiesen, daß es möglich ist, ein anspruchsvolles Nachrichtenangebot allein durch Werbung zu finanzieren. Anders auch nicht – an ein kostenpflichtiges Kernangebot sei nicht zu denken. Bismarck vergleicht die Online-Angebote etwas despektierlich mit Brötchen: Nicht nur, weil sie heute lecker und morgen alt sind. Sondern auch, weil die Leute sie mögen; aber wenn es keine gibt oder sie zu teuer sind, essen sie einfach Brot.Er rechnet nicht damit, daß Spiegel Online sich einmal selbst finanzieren könnte. Auch die geplante Möglichkeit, über das Internet kostenpflichtig im gesamten Spiegel-Archiv recherchieren zu können, werde nicht mehr als ein Zubrot darstellen.Es herrscht, so gesehen, weniger Optimismus denn je. Und doch scheint die Zukunft von Spiegel Online sicher. Anders als andere hat Spiegel Online, nachdem die großen Träume vom Portal, Börsengang und Reichtum begraben waren, die Ausgaben nicht so weit runtergefahren, daß die Verluste gegen Null gingen, sondern nur so weit, daß gerade noch ein Online-Angebot möglich war, das den Namen Spiegel verdiente. Es sei unmöglich auszurechnen, wieviel Spiegel Online dazu beitrage, daß die Spiegel-Auflage konstant hoch sei und neue, junge Leser im Kontakt mit der Marke blieben, sagt Fred von Bismarck. Die Frage ist: Wo stünde die Spiegel-Gruppe, wenn sie sich leisten würde, kein ordentliches Internetangebot zu haben? Noch vor einem Jahr gab es erhebliches Gegrummel in der Redaktion, bis hin zu ihrem fernsehfreundlichen und onlineskeptischen Chefredakteur Stefan Aust, weil die Verluste des Online-Angebotes die Gewinnbeteiligung der Mitarbeiter schmälere. Heute, sagt Bismarck, sei das erledigt.“
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