indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

Ballschrank

Leser-Reaktionen auf die Diskussion , ob das Wort „Ultimatum“ in der Fußball-Berichterstattung angebracht ist?

Jose Fernández warnt davor, dass Wörter bei zu häufigem Gebrauch an Bedeutung einbüßen:

„Hallo lieber Herr Fritsch, Ich teile Ihre Meinung darüber, dass das Wort Ultimatum im Fußball nichts zu suchen hat. Am Ende werden wir mit einer so oft aus dem Kontext genommenen und verallgemeinerten Benutzung des Begriffs zu tun haben, dass keiner sich über die tatsächliche Bedeutung des Wortes im Klaren und Bewussten sein wird. Die Fußballszene hat uns ja genügende Beispiele geliefert – siehe der Gebrauch des Adjektivs sozial im Munde eines Fußballsfunktionärs aus der bayrischen Metropole. Ich bin der Meinung, dass die deutsche Sprache über genügende Wörter verfügt, die Dringlichkeit der Situation in Berlin darzustellen, ohne auf militärisches Vokabular zurückzugreifen. Es reicht doch, wenn die spanische Presse sich der militärischen Bilder bedient. Schließlich sind wir ein Land, wo die Leute Regierungen unterstützen, die sich für militärische Wahnsinnsprojekte einsetzen. Mit freundlichen Grüßen, Ihr Herr Fernández“

Joachim Hasselbach widerspricht mir:

„Lieber Herr Fritsch, bezüglich der Begriffsdebatte unterstütze ich die Meinung von Herrn Hermanns, da m.E. ein Ultimatum mitnichten auf den Bereich der (Welt-)Politik begrenzt ist. Aber der Grund für diese Email besteht darin, dass ich mich herzlich für den Newsletter (auch englische Wörter und Anglizismen gehören meiner Meinung nach zwingend zwischen Gänsefüßchen, wenn man denn glaubt, sie verwenden zu müssen), bedanken möchte: qualitativ unerreicht, und gefühlsmäßig das, was damals der SWF3-Sportreport beim samstagnachmittäglichen Marmorkuchenbacken war. Danke und herzliche Grüße aus Mexiko!“

Walter Lochmann hält den Begriff für angebracht, weil er besser sei als die Verharmlosung von Dieter Hoeneß:

„Lieber Oliver Fritsch, rein sprachlich haben sie wahrscheinlich mehr recht als ihr Kollege; angesichts der Verharmlosung à la Hoeneß (als könnte man Punktgewinne vereinbaren) und der Tatsache, dass ultimativ doch jenseits der UNO (der ultimative Kick, die ultimative Klärung) in unserem Wortschatz verwendet wird bin ich für Ultimatum. Herzliche Grüße und weiter so!““

Herr Blumenau vom ORF schreibt:

„Die Macher von indirekter-freistoss.de legen durchaus Wert auf leise Ironie und manchmal auch schöne Süffisanz – man betrachte den schönen Mail-Wechsel zur unsinnig kriegerischen Verwendung des Wortes „Ultimatum“ in der Rubrik Pressekonferenz.“

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Rudi Völler, „Anti-Theoretiker“

em>Rudi Völler, „Anti-Theoretiker“ (FAZ) – „Das Fussball-Feuer aus dem Schwabenland steckt den ganzen Rest der Mannschaft an“ (NZZ) – Bobic und Wörns werden endlich anerkannt (mehr …)

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1:1 gegen Tschechien

Die NZZ (1.4.) beschreibt, wie das 1:1 gegen Tschechien in den Niederlanden aufgenommen wurde. „Es hätte so ein schönes Fussballfest werden können, denn die holländische Auswahl stand vor einem Rekord. Noch nie in ihrer langen Geschichte hat die „Elftal“ bisher mehr als sieben Partien in Folge gewonnen. Sieben Spiele in Serie war Oranje unter der Leitung von Bondscoach Dick Advocaat zuletzt siegreich geblieben. Da bot der dritte Match in der EM-Qualifikation die scheinbar günstige Gelegenheit, eine neue Marke zu setzen. Das Länderspiel gegen die Auswahl Tschechiens war zugleich das 100. von Verteidiger Frank de Boer, der gegen Ende seiner glanzvollen Karriere noch immer einem sportlichen Triumph mit dem Oranje-Team hinterherjagt. Was übrigens auch für Seedorf, Davids und ein paar weitere aus einer grossen holländischen Spielergeneration gilt. Aber dann ereignete sich am Samstagabend in Rotterdam in der 68.Minute diese dümmliche Fehlerkette, an der ausgerechnet Routinier Davids, Jubilar de Boer sowie Stam und Keeper Waterreus beteiligt waren – und schon hatte Tschechiens nimmermüder Goalgetter Koller mit seinem Treffer zum 1:1 alle hochfliegenden Ambitionen Oranjes gestört. Es blieb bei diesem Stand, der die Partystimmung empfindlich gestört hat. Denn ob man mit so einem Remis einen Punkt gerettet oder zwei verloren hat – diese Standardfrage des modernen Fussballs stellt sich in den Niederlanden schon traditionell nicht. Für den Holländer ist klar, dass das Nationalteam im Normalfall das beste der Welt und damit in jedem Spiel klarer Favorit ist. Entsprechend wird der vergangene Samstag in der Öffentlichkeit als ärgerlicher Rückschlag auf dem Weg zur angepeilten EM-Teilnahme gehandelt.“

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In Paris schien am Sonntag abend die öffentliche Emotion authentisch

Christian Eichler (FAZ 1.7.) lobt das Verhalten der Zuschauer und Spieler beim Finale. „Ein Finale ist immer auch ein Anfang, mindestens für den, der es gewinnt: Spaß, Feiern, Urlaub, neue Ziele. Dieses Finale aber war anders. Es löste bei keinem Freude aus und bei keinem Frust, es war eine Übung in Takt, nicht in Taktik: Das Endspiel des Confederations Cup wurde ein Endspiel für Marc-Vivien Foé. Öffentlich verordnete Trauer verkommt schnell zum schalen Ritual. Doch in Paris schien am Sonntag abend die öffentliche Emotion authentisch, nicht nur ein Beiprogramm mit Schweigeminute und Trauerflor. Das war vor Beginn so, als die Kapitäne Song und Desailly ein lebensgroßes Foto des Verstorbenen ins Stadion trugen. Das war während des Spiels so, in dem sich beide Teams mit würdigem Respekt füreinander und für den Toten begegneten. Und das blieb so nach dem Schlußpfiff, als die 52.000 Zuschauer im zu zwei Dritteln gefüllten Stade de France Foé, Foé skandierten. Ein Ruf, ein Nachruf auf einen Fußballprofi. Einige hatten kritisiert, daß die Fifa nicht einmal erwogen hatte, das umstrittene Turnier nach dem Tod des 28jährigen Kameruners am Donnerstag abzubrechen. Unter den Kritikern war der französische Welt- und Europameister Emmanuel Petit, dessen älterer Bruder Olivier vor 15 Jahren ebenfalls auf dem Fußballplatz gestorben war: Wenn ein Spieler unter solchen Umständen stirbt, gibt es andere Prioritäten. Auch die Spieler Kameruns wollten erst abreisen, doch dann wurden sie umgestimmt, als die Witwe Foés und Mutter seiner drei Kinder sie darum bat, anzutreten. Sie hat gesagt: Wir sind das erste afrikanische Team in einem großen internationalen Finale und sollen für ihn spielen, denn er wollte ja auch mitspielen, sagte Trainer Winfried Schäfer. Er trug während des Spiels das Trikot mit Foés Nummer 17, in dem später das ganze Team zur Siegerehrung kam und auch für den Toten eine Medaille entgegennahm.“

Wie wenig in Fußball-Organisationen aus Vergangenem gelernt wird!

Klaus Hoeltzenbein (SZ 1.7.) kritisiert die Haltung des Fifa-Boss Joseph Blatter. „Dass am Sonntag in Paris das Finale des Cups der Konföderationen gespielt wurde, war gerade kein Beleg für die Allmacht des großen Strippenziehers, sondern ein Dokument seiner Ohnmacht. Nicht er, der Präsident des Fußball-Weltverbandes Fifa, zwei Frauen haben entschieden: die Mutter von Marc-Vivien Foé und dessen Witwe (…) Was immer wieder irritiert, ist, wie wenig in Fußball-Organisationen aus Vergangenem gelernt wird; dass dort nicht gelingt, was von den Darstellern an jedem Spieltag erwartet wird: nämlich angemessen, fair und trotzdem schnell zu handeln. Schon am 11.September 2001 hatte sich der Fußball als gesellschaftlich-tragende Kraft disqualifiziert, wurde am Abend in ganz Europa ein Champions-League-Spieltag angepfiffen, während sie in New York seit Stunden ihre Toten zählten. Auch damals hatte niemand den Mut gefunden, aus den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen auszubrechen, inne zu halten für den Moment. Eine Verwaltung aber, die in ihren Zwängen erstarrt, kann den Sport angemessen nicht vertreten. Wie pietätvoll dieser noch auf Schicksalsschläge reagieren kann, zeigten die Finalisten von Paris. In dem Schmerz, der sie einte, wurde der Gedanke verdrängt, den Sieg in einer gekünstelten Geste der Mannschaft Kameruns zu überlassen. Auch in diesem Verzicht lag Größe.“

Martin Hägele (Tsp 1.7.) berichtet. „Bei der Ehrenrunde gab es nur Foe-Chöre. Viele Zuschauer weinten. Ein Kurvenbesucher im Stade de France hatte die Gefühle der Fans am besten zusammengefasst, indem er mit einem Filzstift auf einen Pappkarton gekritzelt hatte: „Ein Löwe stirbt nie, er schläft nur!“ „Ich bin froh, dass wir gespielt haben“, sagte Schäfer. Auch der deutsche Trainer Kameruns war ratlos gewesen, wusste tagelang nicht, was er tun sollte. Erst als die Frau und die Familienmitglieder des Verstorbenen die Mannschaft aufforderten, für Foe aufzulaufen, hatten sie sich zum Spielen entschlossen. Vor dem Spiel kam dann Foes Vater in die Kabine, wo sie einander immer an den Händen fassen und einen Kreis bilden. „Foes Vater hat die Spieler aufgerichtet“, sagte Winfried Schäfer. Valery Mezague, mit 19 Jahren der zweitjüngste der Mannschaft, sei zu diesem Zeitpunkt noch nicht in der Lage gewesen zu spielen. Der Trainer nahm ihn dann kurz vom Anpfiff in den Arm: „Marc-Vivien wollte, dass du heute dabei bist.“ Mit solchen Geschichten werden sie einander trösten, denn die schlimmsten Tage stehen der Mannschaft noch bevor. Am Donnerstag werden sie Foes Leichnam in Lyon abholen, am Freitag fliegen sie dann mit der Maschine des Staatspräsidenten heim. Im Stadion von Yaounde würden schon jetzt Tausende darauf warten, um dem Sarg mit dem Nationalhelden das letzte Geleit zu geben. Angesichts solcher Szenen fällt es schwer, Fragen nach dem sportlichen Wert dieses Turniers zu stellen, das doch so viele in der internationalen Fußballgemeinde gar nicht haben wollen. Der Konföderationen-Cup wird in Zukunft die Legende vom Tod des Marc-Vivien Foe sein. Diese tragische Geschichte, sie verschafft ihm mehr Popularität als alle sportlichen Ereignisse seiner Historie.“

BLZ-Interview mit Winfried Schäfer

(27.6.)

Martin Hägele (FR 25.6.) ist vom Spiel der Türken (Halbfinal-Einzug nach 2:2 gegen Brasilien) fasziniert. „In St. Etienne hatte es lange Zeit so ausgesehen, als seien die Herren in Kanariengelb nun richtig in den Wettbewerb eingestiegen. Der Champion schien die Türken in der Neuauflage zweier denkwürdiger WM-Spiele deklassieren zu wollen; Kapitän Emerson gab seinem Nachfolger bei Bayer Leverkusen, Yildiray Bastürk, eine Strategie-Lektion nach der anderen. Und hätte Adriano, der oft wie ein Ronaldo-Klon wirkt, mehr als eine der vielen Chancen im Stil des Phänomens abgeschlossen, stünde hier ein Nachruf auf die Fußball-Emporkömmlinge vom Bosporus. Am Ende aber durfte Bastürk, der das Duell mit seinem Lehrmeister im zweiten Spielabschnitt haushoch gewann, von der großen Zukunft seines Teams träumen. In den Kernlanden des alten Byzanz wächst eine Weltmacht heran. Im Fußball. Das hohe Niveau lässt sich nicht länger nur an Routiniers wie Abwehrchef Alpay Ozalan oder an Weltklasse-Torwart Rustu Recber festmachen. Die Jungen im Team sorgen für Tempo und Ballstafetten, wie man sie kaum anderswo in Europa zu sehen bekommt. Der schmächtige Tuncay Sanli (21) etwa, der Hakan Sükür wohl bald als Volksheld ablösen wird. Längst hat Sanli den türkischen Beckham aus dem Allgäu, Ilhan Mansiz, überholt, der nach der WM gefeiert worden war. Und in Gokdeniz Karadeniz, dem 23-jährigen Leichtgewicht von Trabzonspor, steht der nächste Shootingstar bereit. Wie er den brasilianischen Verteidigern zusetzte, wie abgezockt er beim Ausgleichstreffer den Ball über Dida lupfte: Chapeau! Ob auch die Franzosen den Hut ziehen müssen vor dem neuen Rivalen im Fußball-Establishment? Im Stade de France werden Henry und Co. etwas zeigen müssen, um sich diese ehrgeizigen Aufsteiger vom Hals zu halten. Während in der und um die Arena Flics das Temperament zigtausender Fans zügeln müssen, die, rot-weiß bemalt oder in rote Fahnen gehüllt, dabei sein wollen, wenn der Halbmond überm Fußballglobus aufgeht. St. Etienne lag Montagnacht am Schwarzen Meer. Wo sind die Grenzen der Begeisterung um die türkischen Himmelsstürmer? Wann beginnt das Chaos? Wenn die Zuschauer beim Torjubel über den Zaun klettern und ihre Fahnen über den Platz tragen? Oder muss mehr passieren? Der Grat ist schmal. Und der türkische Trainer Günes ist an dieser Entwicklung nicht schuldlos. Wann immer er kann, spielt Günes die Karte vom armen Volk am Rande Europas, das von den andern benachteiligt wird.“

(23.6.)

Martin Hägele (Tsp 23.6.) berichtet gute Stimmung in Frankreich. „Ohne die Strategen Zidane und Vieira sowie seinen sportlichen Zwillingsbruder Trézeguet ist Thierry Henry die einzige Figur im Kader der Franzosen, der zur Kategorie Superstars zählt. Von seiner Brillanz, von seinem Tempo, von seiner Gefährlichkeit lebt das französische Spiel, nach ihm lechzt die Galerie. Auch wenn Henry, wie gegen Japan, nur ein paar Minuten vorspielen darf, als die Partie auf der Kippe stand. Doch sobald er sich von der Ersatzbank erhebt und wie eine Ballerina die Strümpfe eine Handbreit übers Knie hochzieht, beginnt die Arena zu kochen. Thierry Henry, die Nummer zwölf, ist das Symbol für Fußball-Frankreichs Größe.“

Matti Lieske (taz 23.6.) vermeldet Zoff beim 1:0 der Kameruner über Türkei. “Das Spiel wurde äußerst hart und verbissen geführt – eine wirkliche Schlacht, so Schäfer – und am Ende bewiesen die Türken einmal mehr, dass sie nicht nur eines der besten Fußballteams der Welt haben, sondern auch zu den schlechtesten Verlierern gehören. Auf den Rängen zettelten die zahlreichen türkischen Fans unter den 43.000 Zuschauern im Stade de France von Paris Schlägereien an und warfen Wasserflaschen und andere Gegenstände aufs Spielfeld. Trainer Senol Günes schimpfte derweil über den Schiedsrichter Carlos Amarilla aus Paraguay und erging sich in Verschwörungstheorien. Jemand hat versucht, uns auf dem Weg ins Endspiel zu stoppen, ereiferte sich der Coach und regte sich besonders darüber auf, dass ein vermeintliches Tor für sein Team in der 65. Minute nicht gegeben wurde. Jeder hat gesehen, dass der Ball hinter der Linie war, behauptete er, die Fernsehbilder stützten jedoch eher die Entscheidung des Referees, dass der Kameruner Mettomo den Ball wegschlug, bevor er die Linie überquert hatte. Auch der Strafstoß in der 91. Minute nach einem Foul am enteilten Joseph Desiré Job ging in Ordnung. Bevor Günes weitere Tiraden loswerden konnte, schaltete ihm der Fifa-Pressesprecher das Mikrofon ab und redete dem erbosten Coach ins Gewissen. Immerhin hatte die Fifa just den Samstag zum Fairplay- und Antirassismus-Tag erklärt. Was im Übrigen auch die 20.000 Zuschauer in St. Etienne beim Spiel Brasilien-USA nicht daran hinderte, getreu dem Geiste des alten Europa die Hymne der Vereinigten Kriegstreiberstaaten auszupfeifen.“

Martin Hägele (taz 21.6.) gratuliert dem Deutschen in Kameruns Chefsessel. „Winfried Schäfer war glücklich, dass er in seiner Muttersprache reden konnte, und seine Emotionen nicht in englischen Brocken servieren musste. Und er ließ sich diese Stimmung auch nicht von den 20 oder 30 Journalisten aus Kamerun stören, die immer wieder lautstark nach ihrem Nationaltrainer verlangten. Die Deutschen sind doch gar nicht hier, riefen sie und beschwerten sich: Du bist unser Coach. Schäfer ignorierte die Rufe beharrlich. Denn hier in den Katakomben des Stade de France war der Rote Winnie in die Vergangenheit zurückgekehrt. Er war der Sieger. Er hatte den Weltmeister Brasilien geschlagen. Alle wussten das. Selbst Samuel Etoo, dem in der 83. Minute das Tor des Tages gelungen war, wusste, wem er zu danken hatte. Als der Stürmer von Real Mallorca in der Nachspielzeit ausgewechselt wurde, halste er seinen Trainer ab. Er hat mich geküsst, sagte Schäfer, und dieser Kuss vor Millionen Menschen bedeute ihm viel. Für ihn war diese Geste ein weiterer Beweis, dass er den richtigen Kurs eingeschlagen hat mit den besten Kickern vom schwarzen Kontinent. Und so, wie sie gerade die halbe Reserve des Weltmeisters niedergekämpft hatten, hätten sie wohl auch im vergangenen Juni in Asien aufgetrumpft. Wenn wir da fünf Tage früher in Paris wegfliegen, starten wir bei der WM durch. Dieser Sieg im ersten Spiel bestätigt seine These, in Japan nur wegen der schlechten Vorbereitung in der Vorrunde an Irland und den Deutschen gescheitert zu sein. Damals hatten sie tagelang mit der politischen Führung über WM-Prämien gestritten. Nun regelt Schäfer das heikle Geschäft persönlich.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Achtelfinalpartien zur Hälfte beendet

zum Spiel Spanien-Irland (4:3n.E.)

zum Spiel Schweden-Senegal (1:2 n.V.)

zum Spiel Dänemark-England (0:3)

über das Team Mexiko

Stimmung in Japan und Südkorea

Pressestimmen (zahlreicher Autoren): Vorrundenfazit

Thema des Tages

Achtelfinalpartien zur Hälfte beendet

Die SZ spricht von „einem der unsäglichsten Spiele der jüngeren Vergangenheit“. Durch den schmucklosen 1:0-Erfolg Deutschlands über Paraguay fühlen sich manche Kommentatoren an frühere schmucklose – und am Ende erfolgreiche – Auftritte erinnert; wahlweise an 1982 (Finaleinzug nach mäßiger Vor- und Zwischenrunde), 1986 (Finaleinzug nach dürftigem 1:0 im Achtelfinale gegen Marokko in der 88. Minute sowie anschließendem Sieg gegen Mexiko!), oder 1990 (Weltmeistertitel nach quälendem 1:0-Viertelfinalsieg gegen die CSSR). Doch welchen Realitätsgehalt haben die Erwartungen, die diese Déja-vu-Erlebnisse aufkommen lassen? Kann die Generation um Kahn, Klose und Ballack tatsächlich das „Erbe ihrer Vorgänger“ (FAZ) antreten?

„Die deutsche Nationalmannschaft gilt seit Jahrzehnten als Spezialist in der Kunst, viele Wünsche offen zu lassen und trotzdem wunschlos glücklich zu sein“ sieht die FAZ den kommenden zwei Turnierwochen hoffnungsvoll entgegen, zumal im Viertelfinale eine so genannte lösbare Aufgabe wartet: Mexiko oder USA. Jedenfalls – so bemerkt die taz augenzwinkernd – habe sich durch den Viertelfinaleinzug der DFB-Auswahl eine globale Fußballentwicklung bestätigt: „Die Kleinen haben deutlich aufgeholt.“

„Die Zeiten der hübschen, ansehnlichen, kultivierten Fußballspiele bei der Weltmeisterschaft in Korea und Japan sind vorbei. Ab sofort gibt es die prickelnden Zugaben: Golden Goal beim senegalesischen Sieg über Schweden, Elfmeterschießen beim zweiten Achtelfinale am Sonntag zwischen Spanien und Irland. Diese vier Teams demonstrierten den Unterschied zwischen einer Punkt- und einer K.-o.-Runde und ließen nichts aus, was im Fußball zum größten Nervenkitzel gehört“, lesen wir in der FAZ anlässlich der sonntäglichen Achtelfinalpartien, die beide an Spannung und Dramatik nichts zu wünschen übrig ließen. Am Ende gab es glückliche Sieger (Senegal und Spanien) sowie tapfere Verlierer (Schweden und Irland). „Die WM wird die Iren und ihre lautstarke Reisegruppe vermissen“ (taz).

if-Dossier

Direkte Freistöße

Interview mit Oliver Kahn FR

Portrait Gerald Asamoah NZZ

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Stellenwert der deutschen Nationalmannschaft hierzulande

„Kaum irgendwo in der Welt, vielleicht mit Ausnahme Brasiliens, wird das politische und ökonomische Selbstwertgefühl einer Nation so eng mit dem Fußball verbunden wie hier“, analysiert Ludger Schulze (SZ) den Stellenwert der deutschen Nationalmannschaft hierzulande. Die dominante und prägnante Figur ist zweifelsohne Kapitän Oliver Kahn; nicht nur „dank seiner für japanische Verhältnisse enormen Körperausmaße“ (SZ), sondern wegen zu erwartender Weltklasseleistungen und unbändigem Siegeswillen.

Außerdem: wie Nordkorea sich verweigert, an der Weltmeisterschaft teilzuhaben, über unterschiedliche Fußballfankulturen und das neue if-Gewinnspiel .

Pressestimmen zu Blatters Verhalten – Dossier der NZZzum Thema „Fifa im Zwielicht“

Zu den politischen Spannungen zwischen beiden koreanischen Staaten bemerkt Roland Zorn (FAZ 29.5.). „Nur sechzig Kilometer von der südkoreanischen Kapitale Seoul entfernt verweigert ein Land den Eintritt, das hermetisch wie kein anderer Staat von der Welt abgeriegelt ist. Südkorea lädt die Welt des Fußballs in diesen Wochen zu sich ein, Nordkorea macht das Tor zu. Auch wenn Joseph Blatter die Autoritäten in der Hauptstadt Nordkoreas gebeten hat, für die WM eine Ausnahme zu machen und ausgewählte Besucher in den Süden der koreanischen Halbinsel reisen zu lassen, rechnet in Seoul niemand mehr mit dem Erscheinen einer Delegation aus dem spätstalinistischen Nordkorea.“

Ludger Schulze (SZ 29.5.) beschreibt die deutsche Mannschaftshierarchie. „Oliver Kahn genießt die absolute Ausnahmestellung, die ihm Fans, Medien und auch die Mannschaftskollegen zubilligen. Er repräsentiert das DFB-Team beinahe allein. Kahn ist nicht nur Kapitän, sondern Bundespräsident, Kanzler und Außenminister des deutschen Fußballs in einer Person. Im Gegensatz zu früheren Zeiten gebe es glücklicherweise, hat er neulich gesagt, in dieser Mannschaft „keine Primadonnen mehr“. Wie sollte sich auch im Schatten eines solch mächtigen Baumes eine außergewöhnliche Pflanze entwickeln?“

Peter Heß (FAZ 29.5.) übersetzt den Stellenwert Kahns in politische Kategorien. „Es mag ja ganz nett sein, was andere aus dem Team so zu erzählen haben: Wenn Kahn spricht, ist das wie eine Rede zur Lage der Fußball-Nation. Der einzige deutsche Weltklassespieler – so DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder – steht für die Nationalmannschaft wie Kanzler Kohl jahrzehntelang für die CDU stand.“

Auch folgende Stimmen sollen hier Erwähnung finden. Die Eröffnung der Fußball-Weltmeisterschaft hat noch nicht stattgefunden, und schon bekommt Jochen Bittner (Die Zeit), für den Fußball die „Geißel der Menschheit“ ist, den „WM-Koller“. „Jetzt beginnt wieder die Zeit, in der die Leute glauben, sie dürften einen so mir nichts dir nichts auf Fußball ansprechen (…) Die leben doch in einer anderen Welt (…) Fußball ist kein Sport, sondern ein Zustand.“

Holger Gertz (SZ 29.5.) über japanische Wahrnehmungsmuster. „Eine ferne Galaxie ist dieser Spielplatz hier sowieso, für jemanden, der Fußball in Deutschland gewohnt ist, und Fußball in Deutschland heißt doch: Sich einen Fan-Schal umbinden, sich eine Bratwurst kaufen im Stadion und mehrere Biere, sich gepflegt gehen lassen, den Schiedsrichter ein dummes, womöglich blindes Schwein nennen; heißt schließlich reden und reden und reden, im Stadion schon und in der Kneipe danach. Reden über einen Ball, der drin war oder nicht; eine ganze Woche lang reden, palavern, schwätzen bis zum nächsten Spiel. In Japan debattieren sie ganz anders über Fußball, man hat das in den letzten Tagen im Fernsehen hier beobachten können, wo es vorkommt, dass ein am Tor vorbeigeschossener Ball nicht besprochen, sondern analysiert wird, mit minutenlangen Wiederholungen in Zeitlupe und Superzeitlupe und Standbild, mit Schaubildern und Grafiken, auch dann, wenn es um eine ziemlich simple Aktion geht. Ein Stürmer zum Beispiel, der aus fünf Metern den Fußball nicht in den Kasten tritt, wird in Deutschland verhöhnt, dass es kracht. Als bei der vergangenen WM in Frankreich der Japaner Masashi Nakayama aus fünf Metern gegen Kroatien versagte, spürten japanische Reporter, auf der Suche nach Ursachen für seinen Fehlschuss, seine Familie und seine Nachbarn auf, recherchierten, dass der Kellner im Hotel des japanischen Teams Kroate war, fanden, da müsse doch ein Zusammenhang bestehen, fragten Experten für solche Zusammenhänge, wollten schließlich ermitteln, was nicht zu ermitteln ist: Die Gründe dafür, dass einer manchmal vor dem Tor alles vergisst, was er gelernt hat.“

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Themen

Themen: Hick-Hack um Makaay -Transfer – Diskussion um Hitze – Führungskrise bei der Eintracht – der langsame Aufstieg von Erzgebirge Aue – der altbekannte Loddamaddäus – ein Geschichtsbuch über Fußball – neuer Servie für Blinde in der AOL-Arena

Mit zwei Themen schlagen sich die Fußball-Chronisten derzeit herum: Erstens erörtern sie mit Ärzten die Gefahren des Rennens und Kämpfens bei 40 Grad. Doch der Vorschlag, die Spiele des kommenden Wochenendes in den Abend zu verlegen, wurde mittlerweile von den Entscheidern abgelehnt: Profis müssten das vertragen! An die Zuschauer denkt keiner; die SZ hat bei DFL und DFB andere Fingerspitzengefühle entdeckt: „Nibelungentreue gegenüber den Geldgebern vom Fernsehen (…) Bundesligatrainer fordern, kurz vor Sonnenuntergang anzustoßen, doch das ist nicht ernst zu nehmen, denn dann müsste die neue Sportschau ab 18 Uhr Segeln oder Wasserski bringen.“

Zweitens verweigert Präsident Lendoiro (Deportivo La Coruña) seine Unterschrift unter den Transfervertrag Makaay und fordert statt dessen von Bayern München einen zusätzlichen Haufen Cents. Dadurch beraubt er uns um die Antwort auf die Frage, wie die Münchner die Verpflichtung des millionenschweren Holländers aufgeführt hätten: nach allen Regeln der Fußballoper vermutlich. Ob die Verantwortlichen von Real Madrid auch hingeschaut hätten? Schließlich kläffte Bayern-Manager Hoeneß vor Monatsfrist noch Zorn und Neid über das ausverkaufte Madrider „Affentheater“ um David Beckham. Dem englischen Pop-Star und Hauptdarsteller applaudieren noch immer Zehntausende.

Kaufmännische Vernunft gegen Großmannssucht

Roland Zorn (FAZ 8.8.) kommentiert die Hintergründe um die Verzögerungen des Makaay-Transfers. „Seitdem die früheren Lire- und Pesetenparadiese verwaist sind und in Euroland Ebbe in den Kassen herrscht, setzt sich auch im Fußball, wenn auch nur allmählich, kaufmännische Vernunft gegen Großmannssucht durch. Und damit wird die lange übersehene Bundesliga langsam konkurrenzfähig. In Deutschland, dessen erste Fußballklasse Schulden von immerhin 860 Millionen Euro belasten, wird zumindest verläßlich bezahlt. Dazu sind die investiven Möglichkeiten der Spitzenklubs im Vergleich zu manchem europäischen Konkurrenten größer geworden. Und das, obwohl auch in der Bundesliga Sparsamkeit das Gebot der Stunde ist. Dennoch: Einen Roy Makaay hätten die Bayern vor ein, zwei Jahren vermutlich noch nicht bekommen, da die reichen Münchner bis heute ihrem Prinzip des ökonomischen Augenmaßes treu geblieben sind. Daß Flavio Conceiçao von Real Madrid nach Dortmund wechselt, Ümit Davala nach den Stationen AC Mailand und Galatasaray Istanbul in Bremen anheuert, sind weitere Anzeichen für die wachsende Attraktivität des Fußball-Standorts Deutschland. Augusto Lendoiro wird schon wissen, daß er aus München garantiert und dazu schneller als von anderswo jeden Cent überwiesen bekommt, den er für den Transfer von Roy Makaay erfeilschen kann. Daß die Bayern diesen beinharten Verhandlungspartner inzwischen als Nervensäge betrachten, muß Deportivos Aufkäufer von gestern und Sanierer von heute nicht weiter kümmern.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 8.8.) teilt dazu mit. „Deportivos Präsident besteht nun darauf, daß die Bayern diesen Betrag zusätzlich zur Ablösesumme entrichten, die Münchner darauf, daß dieser in den 17,7 Millionen Euro, auf die sich die beiden Klubs am Montag abend mündlich geeinigt haben, beinhaltet ist. Für Bayern-Manager Uli Hoeneß ist die Rechtslage klar: Der Verein, der die Ablöse bekommt, hat die Ausbildungsentschädigung zu zahlen. Aber laut Fifa-Reglement muß nicht La Coruña bezahlen, sondern der neue Verein, also der FC Bayern. Es ist wohl Verhandlungssache, ob die fünf Prozent in der Transfersummer beinhaltet sind oder nicht. Vermutlich haben es die Bayern versäumt, dies am Montag abend explizit zu klären. Wie es aussieht, wird sich für die Bayern der Preis noch einmal erhöhen. Um wieviel ist wohl wieder Verhandlungssache.“

Nibelungentreue gegenüber Geldgebern vom Fernsehen

Ralf Wiegand (SZ 8.8.) kritisiert die Haltung der Verbandsfunktionäre, die in der „Hitze-Diskussion“ keine einheitliche Position fanden. „Dem Fußball fällt im Kampf gegen die heißeste Braut des Sommers ein Hoch auf Michaela! – scheinbar nichts ein, außer mal wieder in Nibelungentreue gegenüber seinen Geldgebern vom Fernsehen zu erstarren und ein paar Widersprüchlichkeiten abzuliefern. Warum gestattet der DFB den Klubs der Regionalliga Nord, ihre Spiele zu verlegen, wenn nicht aus medizinischen Gründen? Warum aber gelten dieselben Gründe nicht bei der DFL und der Bundesliga? Ist es in den Büros der Otto-Fleck-Schneise 6 (DFB) heißer als in den Räumlichkeiten der Otto-Fleck-Schneise 6 (DFL)? Kochen Amateure schneller gar als Profis? Man könnte über das Thema Hitze auch ernsthaft diskutieren, Stunden lang und am besten drinnen. Man kann es aber auch sein lassen, denn es führt zu nichts, wenn das Meinungsangebot so breit ist wie in dieser Angelegenheit. Der eine Arzt empfiehlt, den Spieltag von Amtswegen zu verbieten, der andere rät zum Training in brütender Mittagshitze, um den Biorhythmus umzustellen. Der eine Experte hält Ozon für gefährlich, der andere behauptet, Leistungssportlern schade das nicht. Der eine Fernsehsender – Premiere – würde eine Verlegung der Spiele akzeptieren, andere – der MDR etwa – wollen nicht mal die Regionalliga aus ihrer Pflicht entlassen, pünktlich sendefähiges Material abzuliefern. Aber allen ist es zu warm. Schön wär’s schon, hätte die DFL einen eigenen medizinischen Ratgeber, dessen Urteil sie sich beugen könnte. Aus dem Sammelsurium von Meinungen in der etwas heiß gelaufenen Debatte kann sie ja nur den Weg des geringsten Widerstands wählen, und der ist: spielen, als wär’s schon wieder Winter.“

Selbstdarsteller

Ingo Durstewitz (FR 8.8.) kritisiert die Führungsetage von Eintracht Frankfurt. “Die reifen Männer in den feinen Armani-Anzügen hatten lange Zeit, Anschauungsunterricht zu nehmen. Verdammt lange. Sie hätten, auf ihren wichtigen Plätzen in Block acht auf der mittlerweile abgerissenen Haupttribüne hockend, nur mal hinsehen müssen, wie alle 14 Tage mäßig talentierte Profis der Frankfurter Eintracht auf dem Fußballfeld alles daran setzten, ihre Gegner niederzuringen – mit gebündelter Kraft, mit geschlossenen Reihen. Oft genug hat das geklappt, weil sich jeder auf den anderen verlassen konnte und sich auf das beschränkt hat, was er am besten kann. Auf höherer Ebene aber beweisen die Selbstdarsteller von AG und Verein in etwa so viel Teamgeist wie Oliver Kahn auf der Pirsch in der Münchner Abschleppdienst-Zentrale P 1. Bei Eintracht Frankfurt herrscht mal wieder das blanke Chaos. Das Schmierenstück dreht sich, wie in der kleinsten Metropole der Welt üblich, um verletzte Eitelkeiten, Profilneurosen und Geltungsdrang. Der Rücktritt von Jürgen Neppe als Aufsichtsratsvorsitzender kommt beileibe nicht überraschend. Er ist nur die logische Folge aus den vielen Scharmützeln der vergangenen Wochen, als sich alle Verantwortlichen – natürlich nur zum Wohle der Eintracht – gegenseitig zerfleischten. Die Keilereien im Einzelnen: Neppe und Fischer gegen Sparmann und Reimann, Verein gegen AG, Aufsichtsrat gegen Vorstand, zum Schluss Aufsichtsrat gegen Aufsichtsrat. Das war dann kaum noch zu toppen.“

Hintergründe der Führungskrise FR

SpOn-Interview mit Kurt Jara (Hamburger SV)

Wir kommen aus der Tiefe, wir kommen aus dem Schacht

Matthias Wolf (FAZ 8.8.) referiert den langsamen Aufstieg von Erzgebirge Aue. “In der Dresdner Staatskanzlei reibt man sich noch immer die Augen. Von einem Fußballwunder spricht Ministerpräsident Georg Milbradt: Einer Stadt mit 20.000 Einwohnern gelingt das, was Dresden und Leipzig mit 500.000 nicht schaffen, unglaublich. Klar doch, daß ganz Sachsen stolz ist auf seinen FC Erzgebirge aus Aue, das übrigens nur 18.900 Einwohner hat. Als kleinster Standort in der Zweiten Bundesliga nimmt man nun den Kampf gegen scheinbar übermächtige Gegner auf. Mit einem bescheidenen Saisonbudget von 5,1 Millionen Euro. Zwar meldete der Aue-Fanshop ob des Ansturms bereits Lieferprobleme für viele Artikel, wehen an vielen Häusern im Erzgebirge lila-weiße Fahnen – doch bei manchem war der anfängliche Überschwang schon vor der 0:1-Niederlage gegen Regensburg am ersten Spieltag verflogen. Wir sind in einer schwierigen Situation, sagt Trainer Gerd Schädlich: Wer so klein ist und so wenig Geld hat, dem stehen schwere Zeiten bevor. Als Klagen aber will der Fünfzigjährige seine Worte nicht verstanden wissen. Er wußte doch, auf was er sich einließ, als er 1999 in Aue unterschrieb: Jahr für Jahr gingen die besten Spieler, weil sie anderswo mehr verdienen konnten. Aufgestiegen ist der erdverbundene Trainer aus dem Vogtland mit einem Kader voller Sachsen, Thüringer und Brandenburger, verstärkt mit einer Handvoll Osteuropäer. Nur 2,5 Millionen betrug das Budget – da investierten selbst viertklassige Klubs wie der VfB Leipzig oder Carl Zeiss Jena mehr. Doch während sie dort von der Angst wie gelähmt sind, in der Bedeutungslosigkeit vollends zu verschwinden, läuft das in Aue ganz anders. Die Veilchen sind wie eine lila Pause vom Niedergang der einstigen Fußball-Hochburg Sachsen (…) Aue nennt sich auch das Schalke des Ostens. Früher arbeiteten viele Spieler unter Tage. Was eine Versicherung als Grund nennt, sich als Hauptsponsor auch in Aue und nicht nur in Gelsenkirchen zu betätigen. Zu DDR-Zeiten wechselte der Verein den Namen so oft, daß der Überblick schwerfällt. Die Gründung 1945 erfolgte als SG Aue, ein Jahr später nannte man sich BSG Pneumatik Aue, bevor von 1950 an das Wismut-Kombinat als Geld- und Namensgeber auftrat, wo unter russischer Leitung bis 1990 Uranerz gefördert wurde. Seit elf Jahren firmiert der FC Erzgebirge, doch viele Fans ignorieren das neue Vereinswappen und ziehen die alten Insignien vor: zwei gekreuzte Hämmer und ein großes W – für Wismut. Dazu singen sie den Schlachtruf des dreimaligen DDR-Meisters: Wir kommen aus der Tiefe, wir kommen aus dem Schacht – Wismut Aue, die neue Fußballmacht. 1991 wurde, damals unter Trainer Klaus Toppmöller, der Aufstieg knapp verpaßt. Doch am vergangenen Wochenende begann endlich das große Abenteuer.“

Der Moment, der aus Lothar Matthäus wieder Loddamaddäus machte

Gerhard Fischer (SZ 8.8.) hat den altbekannten Lothar Matthäus erlebt. „Eigentlich will Lothar Matthäus sein Image ändern. Er will nicht länger als schnell sprechender Nichtssager namens Loddamaddäus gelten. Lothar Matthäus will ernst genommen werden. Dazu muss er als Trainer erfolgreich sein. Das hat am Mittwoch geklappt: Sein Klub, Partizan Belgrad, zog durch ein 2:2 bei Djurgarden Stockholm in die dritte Runde der Champions-League-Qualifikation ein. Außerdem muss er fair auftreten und nicht jähzornig, seriös und nicht urwüchsig. Das ist ihm in der Pressekonferenz nach dem Spiel zunächst gelungen. Er lobte die Spieler von Djurgarden und das schwedische Publikum für ihre sportliche Art, das Aus zu akzeptieren. „Ich mag diese Mentalität“, sagte Lothar Matthäus. Und er sei „überglücklich, gegen so eine starke Mannschaft mit ein bisschen Glück eine Runde weiter gekommen zu sein“. Außerdem sei er stolz auf seine Mannschaft. Klar, er hatte gut reden, er war der Sieger. Aber es gab trotzdem nicht viel auszusetzen, vielleicht nur, dass er bei seinen wohl gewählten Worten kaum Emotionen zeigte. Man hatte manchmal den Eindruck, er sagte das, was man eben sagen soll, und nicht das, was er wirklich dachte. Und dann kam ein Moment, der aus Lothar Matthäus wieder Loddamaddäus machte. Dabei hat er nicht einmal geredet. Er hat nur geschaut. Er blickte auf die blanken, langen Beine einer Journalistin, die sich von den Stühlen erhob, um sich neben einen Kollegen zu stellen. Matthäus schaute entschieden zu lang und entschieden zu auffällig. Und er hat es nicht einmal gemerkt. Aber er war authentisch.“

Erik Eggers (taz 8.8.) schreibt über seine angenehme Lektüre. „Es ist dies die faszinierende Biografie eines Bonvivants, der beseelt war von einem romantischen Gedanken: Mit dem Fußball diejenigen Grenzen niederzureißen, die der Nationalismus und andere neue Ideologien gerade schufen. Der Sport ist eine Religion, ist vielleicht das einzige wahre Verbindungsmittel der Völker und Klassen, so goss er sein Credo später in einen einzigen Satz – als Herausgeber des von ihm 1920 gegründeten kicker. Längst der renommierteste deutsche Fußballpublizist, warb er darin für Internationalismus, Völkerverständigung und Friedensidee. In diesen 20er-Jahren schien Bensemann geradezu omnipräsent auf den großen Fußballplätzen Europas und auf all jenen Kongressen, die den modernen Fußball heutiger Machart prägten (…) Dem Autor glückt es in seinem Buch, auf den ersten Blick verwirrende Details aus der längst vergessenen Frühzeit des deutschen Fußballs in eine wohl geordnete und zugleich sehr lesenwerte Form zu bringen. Es ist zudem eine einfühlsame, zuweilen sogar bewegende Schilderung einer historischen Figur des Fußballs, die, obwohl sie seinerzeit von der Öffentlichkeit als schillernd und extrovertiert wahrgenommen wurde, in Wirklichkeit von einer tiefen Melancholie bedrückt wurde. Der Charakter Bensemanns wird von Bernd Beyer freigelegt, und zwar mit der beharrlichen Behutsamkeit eines Archäologen, der die entscheidenden Sedimente Zug um Zug vom dicken Staub der Geschichte befreit.“

besprochenes Buch: Bernd-M. Beyer: Der Mann, der den Fußball nach Deutschland brachte. Das Leben des Walther Bensemann. Ein biografischer Roman. Werkstatt-Verlag Göttingen 2003, 560 Seiten, 26,90 €.

Neuer Service für sehbehinderte und blinde Fußballfans in der AOL-Arena (Pressemitteilung des HSV):

Mit Beginn der Spielzeit 2003/2004 richtet der Hamburger Sportverein in der AOL-Arena 16 feste Sitzplätze für Sehbehinderte und Blinde ein. Diese Plätze sind mit hochwertigen Infrarot-Kopfhörern ausgestattet, über die eine speziell für Sehbehinderte gesprochene Live-Reportage empfangen werden kann und so konzipiert, dass zudem die Stadionatmosphäre ans Ohr der Nutzer dringen kann. Der neue, professionelle Service ist das Ergebnis eines Kooperationsprojekts des Hamburger Sportvereins mit dem Institut für Sportjournalistik des Fachbereichs Sportwissenschaft der Universität Hamburg. Gemeinsam mit dem Fanclub Sehhunde – Fußball-Fanclub für Blinde lief seit Beginn der Rückrunde der abgelaufenen Bundesliga-Spielzeit eine erfolgreiche Erprobungsphase, bei der die technischen Voraussetzungen sowie Qualität und Stil der Reportagen optimiert wurden. Die Live-Reportagen werden von angehenden Sportjournalisten vom Fachbereich Sportwissenschaft der Universität Hamburg gesprochen. Die Reporter werden im Rahmen eines Forschungsprojekts an der Universität wissenschaftlich und journalistisch betreut und auf ihren Einsatz im Stadion vorbereitet. So ist dauerhaft eine auf die besonderen Bedürfnisse der Nutzer abgestimmte Live-Reportage garantiert. Die Preise für die Sonderplätze im Block 3 C auf der Osttribüne betragen je nach Spielkategorie 7,50 Euro, 9,50 Euro oder 11,50 Euro. Begleitpersonen haben freien Eintritt. Für sie sind zehn zusätzliche Plätze reserviert. Als Ansprechpartner stehen die Projektleiter Christian Reichert vom HSV-Vorstand und Broder-Jürgen Trede vom Fachbereich Sportwissenschaft zur Verfügung.

Gewinnspiel für Experten

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WM 2006

wie steht’s ums Geld bei der Organisation der WM 2006? – Lob für den WM-Spielplan – Leidenschaft und Hochstimmung beim Sieg Galatasarays über Juve im Westfalenstadion – ein Musical über Maradona – Uneinigkeit bei 1860 München – Traumberuf Fußballer?

Das WM-OK leugnet finanzielle Sorgen, Thomas Kistner Klaus Ott (SZ 4.12.) zweifeln daran: „Berichte über die mühsame Suche nach Förderern taten OK-Chef und Mitstreiter beim Arbeitstreff mit dem Weltverband Fifa als substanzlose Störfeuer ab. „Wenn wir überhaupt Probleme haben, dann nicht im finanziellen Bereich“, schimpfte Beckenbauer zur Eröffnung. OK-Vize Wolfgang Niersbach und OK-Berater Fedor Radmann verbreiteten fortan, die Sponsoren stünden fest zu ihren Engagements. Anderslautende Berichte seien „Spekulationen anonymer Quellen“, sie hätten ganz andere Signale von ihren Partnern. Natürlich nur die besten: „Die stehen alle voll hinter der WM.“ Das trifft zumindest auf Partner EnBW nicht zu. Der Energiekonzern denkt kritisch über sein WM-Sponsoring nach. „Wir sind dabei, alle Aktivitäten zu prüfen und neu zu ordnen. Das gilt auch für den Sport und die Fußball-WM“, sagte Pressesprecher Dirk Ommeln der SZ. Diese Prüfung dauere an, generell untersucht der Konzernvorstand, inwieweit die laufenden Sponsoraktivitäten (gibt es auch Sponsoringpassivitäten? of) noch zu den künftigen Marketingstrategien passen. Das könnte ungemütlich werden aus OK-Sicht. Anders als Werbepartnern wie Mastercard, Computerfirmen oder Sportausrüster Adidas dürfte es dem Versorgungskonzern schwer fallen, eine natürliche Nähe zum Fußball herzustellen. Die Situation bringt nun die OK-Vertreter in Erklärungsnot, die bislang so vehement bestritten, dass der Sponsor ins Grübeln geraten sei.“

Frank Hellmann (FR 4.12.) lobt die Spielplangestaltung der WM 2006: „Den Planern ist hoch anzurechnen, dass jede Stadt für ihre aufwändigen wie teuren Anstrengungen mit fünf Spielen und mindestens einem Achtelfinale belohnt wird. 1,5 Milliarden Euro sind in Deutschland weitgehend aus Bundesmitteln in eine Stadion-Landschaft investiert worden, die bis auf die unrühmliche Ausnahme Leipzig vor und nach der WM einer sinnvollen Nutzung zugeführt wird. Das ist viel Wert, verglichen mit vergangenen und kommenden Großereignissen. Bei der WM 2002 setzten die Ausrichter 20 sündhaft teure Paläste in Städte, in denen teilweise nicht einmal Zweitligisten ein Zuhause haben. So steht auf einem Berg im japanischen Oita ein sinnloses Beton-Ufo, im koreanischen Seogwipo auf der Insel Jeju ist der Stadionkomplex längst von den Meeresstürmen weggeblasen worden. Und auch nach der EM 2004 in Portugal wird man Wege finden müssen, manch modernen Tempel anderweitig zu nutzen. Insofern ist der deutsche Stadion-Spagat als fast formvollendet zu bezeichnen. Gleichwohl hilft dies den Fans wenig, wenn fast die Hälfte der Tickets vorab (an Vips, Sponsoren, Ehrengäste, Medien, Verbände) vergeben werden. Die heikle Aufgabe war nicht der Plan der Spielorte, sondern wird der zur Ticketverteilung sein.“

WM-Spielplan 2006 SZ

Herz und Hingabe sowie Spielvermögen verpassen dem neutralen Dortmunder einen Kulturschock

Beim 2:0 Galatasarays über Juve im Westfalenstadion erlebt Richard Leipold (Tsp 4.12.) Leidenschaft und Ästhetik: “ Der Orient hat Westfalen erreicht. „Türkiye, Türkiye!“ rufen Zehntausende im Dortmunder Westfalenstadion. Sie haben das Heimspiel in der Champions League gegen Juventus Turin zur nationalen Angelegenheit erklärt. Wie Fatih Terim, der Trainer von Galatasaray Istanbul. „Weil zwei Bomben gefallen sind, werden wir vom Europäischen Fußball-Verband ins Exil geschickt. Auf diese Unverschämtheit müssen wir die richtige Antwort geben.“ (…)An diesem Abend ist Westfalen ganz nah am Bosporus. Die wenigen einheimischen Fußballanhänger unter den 44 000 Besuchern müssen sich fremd gefühlt haben, als neutrale Zuschauer im Westfalenstadion – nicht allein wegen der orientalischen Stimmgewalt auf den Rängen. Das türkisch-italienische Fußballfest führt ihnen an diesem Abend vor Augen, dass ihre Dortmunder Borussia – wie die meisten anderen Bundesligaklubs – sportlich zur europäischen Provinz verkommen ist. Die längst für das Achtelfinale qualifizierten Turiner zeigen, wenn auch nur eine Halbzeit lang, spielerische Klasse, wie sie im Westfalenstadion seit Jahr und Tag nicht mehr zu sehen war. Dazu Herz und Hingabe der Türken. Das sind die Ingredienzien eines Fußballs, den deutsche Fans nur noch ausnahmsweise aus der Nähe erleben. Den Rivalen aus Gelsenkirchen steht ein ähnlicher Kulturschock bevor. In ein paar Tagen wird Besiktas Istanbul auf Schalke sein Heimspiel gegen den FC Chelsea bestreiten. Wieder eine Gelegenheit für Türken in Deutschland, ihre nationale Identität auf dem Fußballplatz auszuleben. In Dortmund singen sie am Ende voller Inbrunst: „Die Türkei ist stolz auf euch.““

Ulrich Hartmann (SZ 4.12.) pfeift’s noch in den Ohren: „Die Türken brüllten ihre martialischen Schlachtrufe, hüpften im hämmernden Rhythmus der Pauken oder schwenkten gleißend rote Leuchtfeuer. Man durfte das mit einigem Recht eine südländische Atmosphäre nennen. Schließlich steht das Westfalenstadion tief im Süden. Wenn auch nur im Süden von Dortmund (…) Am Ende waren alle glücklich, auch die Verantwortlichen von Borussia Dortmund, die das Stadion und ihre Dienstleistungen an Galatasaray für eine hohe sechsstellige Summe vermietet haben. Für die Aktiengesellschaft Borussia Dortmund war es ein wirtschaftlicher Coup, zu einer Zeit, in der die eigene Mannschaft schwächelt. Fast könnte man glauben, die Europäische Fußball-Union wolle das vom Erfolg nicht gerade verwöhnte Fußball-Deutschland ein wenig aufmuntern, denn dem international gleichermaßen erfolglosen Nachbarn Schalke hat sie nun ebenfalls ein Champions-League-Spiel zugesprochen. Dann werden die türkischen Fans in Gelsenkirchen zusammenkommen und aufs Neue gleißende Leuchtfeuer das Stadion in ein phantastisches Licht tauchen. Bei einem erneuten Sieg dürfte kein Zweifel mehr darüber herrschen, dass zumindest das Fußball-Exil sehr schnell zur zweiten Heimat werden kann.“

Gerald Kleffmann (SZ 4.12.) schildert Uneinigkeit bei 1860 München: „Vielleicht wäre Falko Götz länger stehen geblieben. Vielleicht hätte er Lust verspürt auf einen Plausch, wer weiß, entspannt genug sah er aus, gestern Mittag nach dem Training. Dann aber schritt ein Reporter auf ihn zu und fragte: „Was halten Sie von der Aussage von Herrn Wildmoser?“ Genau so gut hätte man Götz ein Kilo Zement über den Kopf schütten können, das Resultat wäre das selbe gewesen: Schlagartig wich sein Lächeln, jetzt schaute er nur noch übellaunig, ebenso sprach er: „Das passt mir nicht.“ – „Ich werde nicht das Gespräch suchen.“ – „Es ändert sich nichts.“ Genervt drehte er sich nach zwei Minuten um und verschwand in die Umkleidekabine. Oho! Knistert es bei den Löwen? Absolut!! Es geht um Kommunikationsprobleme zwischen Götz und den Wildmosers; Probleme, die mittlerweile einen Ordner füllen. Der jüngste Fall: Am Montag hatte sich 1860-Präsident Karl-Heinz Wildmoser in der Sendung Blickpunkt Sport über Benjamin Lauth und dessen Platzverweis in Leverkusen beklagt, er sagte: „Ich hatte nicht den Eindruck, dass er an diesem Spiel interessiert war. Deshalb wollte ihn Trainer Götz unmittelbar vor der Karte auch auswechseln.“ Für Götz ist dieses Maulen insofern ein besonderes Vergehen, weil es nicht das erste Mal ist, dass einer der beiden Wildmosers an ihm vorbei prescht und einen Profi ohne interne Absprache öffentlich kritisiert.“

Mantel des Gesangs

Andreas Platthaus (FAZ 3.12.) teilt mit, dass Diego Maradona auf der Tanzbühne dargestellt wird: „Im Januar soll in Buenos Aires ein von Daniel Dátola und Héctor Barra verfaßtes Musical auf die Bühne kommen: über den Helden Diego Armando Maradona, den legendären Mittelfeldregisseur der argentinischen Fußballnationalmannschaft, die er 1986 zur Weltmeisterschaft führte. Die Zehn, zwischen Himmel und Hölle soll das Musical heißen. Die Zehn, das war Maradonas Rückennummer, die er sich bei allen Vereinen, wo er anheuerte, garantieren ließ (selbst während seiner diversen Drogensperren blieb diese Nummer für ihn reserviert). Der Himmel, das ist jene Sphäre, an die Maradona im legendären WM-Viertelfinale von 1986 gegen England klopfte – und zwar mit der Hand Gottes, wie er seine Rechte bezeichnete, mit der er den Ball ins gegnerische Tor geboxt hatte. Eher hätte man wohl vom Auge Gottes sprechen müssen, das wundersamerweise von Schieds- und Linienrichter zugleich zugekniffen wurde, als sie den irregulären Treffer anerkannten. Wie auch immer, ganz Argentinien genoß den Sieg als verspätete Revanche für den verlorenen Falkland-Krieg. Schließlich die Hölle. Durch sie hat kleines dickes Maradona seit Mitte der Neunziger gehen müssen, denn außer Ballfertigkeit besaß der geniale Techniker kein Talent. Doch nun soll über alles das der Mantel des Gesangs gebreitet werden.“

Fritz Tietz (taz 4.12.) ändert seine Vorstellung vom Traumberuf: „Der Broterwerb durch Fußballspielen gilt weithin als Traumberuf. Insgesamt aber macht man sich ein zu verklärtes Berufsbild vom Traumjob Fußballer. Die beruflichen Momente eines Bundesligaprofis, die es verdienen, traumhaft genannt zu werden, sind rar gesät. Der Augenblick, in dem man vor zigtausend Zuschauern im, sagen wir mal, Lissaboner Stadion des Lichts auflaufen darf, ist sicher so ein seltener Moment. Auch vor solcher Kulisse das entscheidende Tor zu versenken, soll Spielern, die das erlebten, zu immerhin traumhaft körperlichen Wallungen verholfen haben. Oder wie es Weltmeister Rainer Bonhof 1974 ausdrückte: Das ist das Größte – außer natürlich irgendwas mit ner Frau. (…) Wenns ganz schlimm kommt: zur Weihnachtsfeier eines Fanclubs. Auf der Website des FC Bayern München ist in einer Art Delinquentenliste aufgelistet, welche Spieler dieses Jahr welche Fan-Club-Weihnachtsfeiern besuchen mussten – und das schon Ende November. Und so rückten denn Münchens Traumberufler vollzählig aus: Oliver Kahn war den Seeoner Seedeifen zugeteilt, Hasan Salihamidzic dem Schießmer Red-White Dynamite 96 e.V., Robert Kovac den Ruhrpott-Bazis. Auch die Bayern-Bosse nahmen sich von dem ranschmeisserischen Adventsgetue nicht aus: Uli Hoeneß musste zu den Pomperl-Buam nach Bad Griesbach und Karl-Heinz Rummenigge zum FC-Bayern-Fanclub ins oberpfälzische Nabburg. Dort stellte man folgenden Bericht auf die fanclubeigene Website: Bereits um 14 Uhr drängten die Fans in die Nabburger Nordgauhalle und staunten nicht schlecht über die tolle Aufmachung vor Ort. Über eine riesige Videoleinwand wurden die Fans eine Stunde lang auf den Ehrengast vorbereitet. Dieser kam dann kurz vor 15 Uhr in Nabburg an und hielt unter den Klängen der Jugendblaskapelle Nabburg einen begeisterten Einzug. 60 Musiker zeigten sich von der besten Seite (…) Die gesamte Vorstandschaft hatte vor der prächtig geschmückten Bühne Platz genommen, und Vorstand Bernd Hofmann zeigte sich in seiner Begrüßung hocherfreut (…) Auch der 2. Bürgermeister der Stadt Nabburg, Armin Schärtl, ging in seinem Grußwort auf die Bedeutung dieses Besuches ein, übergab ein Zinnpräsent (…) Nun kamen auch noch der Nikolaus mit Knecht Ruprecht. Ein Geschenkkorb mit einigen Spezialitäten und dem großen Buch von Nabburg wurde übergeben … So viel zum Traumberuf Fußballer.“

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Bundesliga

„FC Bayern präsentiert sich im März 2004 innerlich zerrissen wie selten zuvor“ (SZ) – Willi Reimann, „Distanz als Stilmittel“ (FAZ) – Reiner Calmund, Betriebswirt mit Herzblut und Mutterwitz (FAZ) u.a.

“Der FC Bayern präsentiert sich im März 2004 innerlich zerrissen wie selten zuvor”, schreibt Philipp Selldorf (SZ 24.3.): „Ottmar Hitzfelds Stellung ist, ein Jahr vor dem Vertragsende, nach fast sechs, zumeist immens erfolgreichen Spielzeiten ungewiss. Und täglich wird sein Rückhalt beim Verein fraglicher. So zitiert Sport-Bild jetzt den Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge mit einer nebulösen, doch eindeutig bedrohlichen Bemerkung: „Weder Platz zwei sichert ihm den Job noch Platz drei bedeutet automatisch eine Trennung.“ Der Klub habe noch keine Entscheidung gefällt, sagte Rummenigge, und das ist offenkundig richtig. Im Verein gibt es zu Hitzfeld mehrere Meinungen. Sie lassen sich recht sicher unterscheiden: Rummenigge ist zu Hitzfeld soweit auf Distanz gegangen, dass die beiden Männer sich kaum noch verständigen können. Manager Uli Hoeneß steht auf der Seite des Trainers. Franz Beckenbauer, der zwar keine unmittelbare Entscheidungsgewalt, aber viel Einfluss besitzt, hält es wie immer: Mal meint er dies, mal meint er das Gegenteil. Ein entschlossener Befürworter Hitzfeld st er nicht. Ihn nervt Hitzfelds ängstliches Naturell, aber er respektiert auch dessen Leistungen. Hitzfeld, der ein scharfsinniger Mensch ist, erkennt diese Strömungen – und er fürchtet sie. Misstrauen und Vorsicht bestimmen sein Handeln. Seine Entscheidungen als Coach und seine Äußerungen, sagen Kritiker, seien aus Angst vor der Konfrontation durchweg „politisch motiviert“ und dienten nur noch der Absicherung gegen Konflikte. Aus seinem unsicheren, mutlosen Umgang mit den Spielern resultiert, unübersehbar, die Stagnation der Mannschaft. Wie im Herbst 2002 lautet auch diesmal der Vorwurf gegen Hitzfeld, dass viele Spieler unter seiner Regie ihre Fähigkeiten nicht ausschöpften.“

Distanz als Stilmittel

Ralf Weitbrecht (FAZ 24.3.) erwartet eine Strafe für Willi Reimann: „Reimann kennt sich aus im Fußball, hat gerade am Standort Frankfurt Vorzügliches geleistet und den Aufstieg möglich gemacht, für den er von den Boulevardmedien zu Recht als Willi Wunder gewürdigt wurde. Doch bis heute ist er nicht beliebt bei seinen Spielern. Sie achten ihn wegen seiner sportlichen Kompetenz, weniger wegen seiner menschlichen Qualitäten. Es ist schwer, einen Draht zu ihm zu bekommen. Distanz als Stilmittel gehört zu seinem System, möglichst unnahbar zu sein. Der knorrige Westfale will nicht geliebt werden, und er hat auch keine Probleme, damit anzuecken. Bei dem überstürzten Karriereende von Andreas Möller ließ er es an Größe mangeln, und bei den Beschimpfungen von dessen Berater Klaus Gerster (Ein ganz, ganz dummer Mensch. Der gehört vom Hof gejagt, geteert und gefedert) vergriff er sich vollends im Ton. Seine Vorgesetzten haben ihre Mühe mit dem eigenwilligen, zur Selbstherrlichkeit neigenden Trainer. So kam die einen Tag nach den Schubsereien von Dortmund verbreitete schriftliche Entschuldigung erst auf heftigen internen Druck zustande. Von dem überraschenden sportlichen Aufwärtstrend, den Reimann gemeinsam mit seiner willigen, auf zwei wesentlichen Positionen verstärkten Mannschaft seit Rückrundenbeginn eingeleitet hat, spricht derzeit niemand. Reimann und nicht das wieder an den Klassenverbleib glaubende Team ist zum Thema der Liga geworden. Zudem hat er die Zunft der Schiedsrichter gegen sich aufgebracht und muß jetzt darauf hoffen, daß sein Rechtsbeistand Christoph Schickhardt, der für Frankfurt einst die Lizenz erstritt, das geforderte Strafmaß mildern kann. Für seine Spieler, die ihm folgen, tut Reimann alles. Nur für sich selbst hat der unbeirrt seinen Weg gehende Trainer nicht genug getan. Die Eintracht wird längere Zeit auf ihn verzichten müssen.“

Fall Reimann: Leserbriefe an FR-Sport

Die Familie ist offensichtlich der Klub

Jörg Stratmann (FAZ 24.3.) ist dabei, als Reiner Calmund Junkern den Begriff Identifikation erklärt: „Auch dieser Mann versteht etwas von integrativem Marketing. Er kann Kunden binden und deren Zufriedenheit einordnen. Auch bei den Themen Außen- und Innenfinanzierung, strategischer Unternehmensführung oder Controlling macht ihm keiner was vor. Also war dieser schwergewichtige Gastredner der richtige Gesprächspartner für die Studenten der Sportökonomie an der European Business School in Oestrich-Winkel. Allerdings hatten sie noch nie erlebt, daß ihr trockener Stoff derart temperamentvoll vermittelt wurde, daß darüber fast das Rednerpult in der Bibliothek des Schlosses Reichartshausen zu Bruch gegangen wäre. Doch wo der Rheinländer Reiner Calmund arbeitet, fließt Herzblut. Der Geschäftsführer des Bundesligaklubs Bayer 04 Leverkusen steht nicht nur für eine Branche, deren Erfolg auch Lebensgefühl und Emotion ausmacht und deshalb nicht nur in Mark und Pfennig auszurechnen ist. Keiner hat wie er gelitten auf der Gratwanderung zwischen Aussicht auf Meisterschaft oder Champions-League-Pokal und Bangen vor dem Abstieg. Extreme, die sein Klub gerade erst innerhalb eines einzigen Jahres ausloten durfte. Und keiner kennt auch die Entwicklung so wie er: Von der halben Waschküche, in der er einst begann, bis zum Unternehmen mit Millionenumsatz und 100 hauptamtlichen Kräften, dessen weltweiter Werbewert für Mutter Bayer zwar gigantisch sei, das aber auch mit schwindenden Einnahmen und dem Zusammenbruch des Transfermarktes kämpfen muß und dessen Wohl und Wehe manchmal davon abhängen, ob der Ball außen oder innen an den Pfosten knallt. Um das über nunmehr 27 Jahre auszuhalten, müsse man schon so positiv bekloppt sein wie er, sagt Calmund. Die Familie ist offensichtlich der Klub. Deshalb habe er zum glücklichen Ende der vorigen Saison auch nicht mit den Profis, sondern mit der Belegschaft der Geschäftsstelle den Nichtabstieg gefeiert: Gott sei Dank – Arbeitsplätze gesichert. Wobei er in unverfälschtem Rheinisch gerne verallgemeinert. Natürlich is der Verein nich mir, sagt Calmund. Aber jäbe es mehr Unternehmen, in denen mehr Verantwortliche sagen würden, dieser Verein is mir, so jinge es der Wirtschaft besser. Tiefer dringt der Abend nicht ins Ordnungspolitische vor.“

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Der Frankfurter Bub geht, wie er gekommen ist

Michael Horeni (FAZ 3.3.) bedauert die Art des Abschieds: “Das Karriereende des Rückkehrers, der seine Frankfurter Jugendliebe auf die alten Profitage vor dem Abstieg bewahren und sich danach als Vorstandsassistent eine Zukunft in der Heimat einrichten wollte, ist ohne Happy-End geblieben. Es hätte vielleicht auch nicht gepaßt. Der unrühmliche Abschied eines Weltmeisters vom Fußball und von der Eintracht wegen einer zerrütteten menschlichen Beziehung wirkt wie das Spiegelbild eines oftmals schlecht beratenen Profis, der nie den einfachen Weg wählte und neben großen Erfolge immer auch Enttäuschungen produzierte. In den reiferen Jahren seiner Karriere und auf der Schlußetappe hat sich Möller jedoch tadellos verhalten. Er hatte bei seiner Heimat-Mission das Pech, mit Reimann auf einen Trainer zu treffen, der Souveränität nicht zu seinen Stärken zählen kann. Möller jedenfalls ist seinem Vorsatz, sich wie jeder andere Profi behandeln zu lassen, bei der Eintracht nicht untreu geworden. Reimann indes war kleinlich genug, die Leidensfähigkeit eines Welt- und Europameisters, den er nicht haben wollte, immer wieder aufs neue zu testen. Stil- und respektlos hat das dann Möllers Freund und Berater Klaus Gerster genannt, und das war es auch. (…) Obwohl Möller den Schlußstrich unter dieses allerletzte Kapitel und diese allerletzte Affäre seiner Karriere zog, wirkte er nicht wie der bestimmende Akteur, sondern wie ein Spielball. Er ließ, als ein eigenes klärendes Wort notwendig gewesen wäre, andere für sich sprechen. Er wollte es sich nicht verderben. Ich gehe als Freund, sagt Möller nun. Man könnte auch sagen: Der Frankfurter Bub geht, wie er gekommen ist.“

„Nur Verlierer“, sieht Thomas Kilchenstein (FR 3.3.): „Eintracht Frankfurt war, trotz sportlichen Erfolgs, nicht in der Lage, diesen eskalierenden Konflikt in den Griff zu bekommen. Reimann besaß nicht die Größe, nicht die Souveränität, zu schweigen. Er demonstrierte öffentlich seine Macht, als er Möller im letzten Spiel zwei Minuten vor Ultimo einwechselte. Man kann mit alternden Stars auch anders umgehen, Otto Rehhagel hat das seinerzeit in Kaiserslautern mit Andreas Brehme vorbildlich gemacht. Reimann aber wollte nicht über seinen Schatten springen. Und auch Möller, der sich offenbar gedemütigt fühlte, hat verloren. Kaum treten erste Schwierigkeiten auf, wirft er das Handtuch. Er hätte nur noch zweieinhalb Monate durchhalten müssen. Es wäre vielleicht zum Karriereende eines der wenigen Male gewesen, dass er Flagge gezeigt hätte. Und vielleicht verliert auch Eintracht Frankfurt: Wie schnell ist ein Skela, ist ein Kreuz oder Chris verletzungshalber aus dem Spiel genommen. Man hört es schon raunen: Und ihr habt den Möller gehen lassen.“

Andreas Lesch (FTD 3.3.) gibt zu bedenken: “So friedlich klangen die letzten Worte, so trügerisch friedlich. „Wir bedauern den von Herrn Möller eingeleiteten Schritt. Eintracht Frankfurt wünscht Andreas Möller für seine Zukunft alles Gute.“ Vermutlich kann man nicht erwarten, dass Pressemitteilungen von Fußballklubs immer die Wahrheit sagen. Aber die der Eintracht deckte ein besonders hübsches Mäntelchen über das Durcheinander der vergangenen Tage. Dieses Chaos mündete gestern in einen logischen Schluss: Andreas Möller, 36, löste seinen bis Juni gültigen Vertrag in Frankfurt vorzeitig auf und beendete seine Karriere. Jener Mittelfeldmann, der begabt war wie wenige – und der doch in Erinnerung bleibt als der Unvollendete, der Missverstandene, der große Ja-Aber. Der stets gelenkt wirkte von Klaus Gerster, seinem Freund und Berater. Es fügt sich ins Bild, dass ausgerechnet Gerster, Branchenname „Schwarzer Abt“, seinen Klienten mit einem Interview in ein unwürdiges Finale trieb. (…) Gerster hat Möllers Karriere begleitet als ewiger Zwiespalt. Er ist ihm Hilfe gewesen und Hindernis. Als Andreas Möller mit sieben Jahren beim BSC Schwarz-Weiß 1919 Frankfurt mit dem Kicken begann, war Gerster sein erster Trainer. Er blieb es auch später, in der Jugend der Eintracht. Dann wurde Gerster sein Berater, und unter ihm nahm Möllers Karriere manch merkwürdige Wendung. Gleich zweimal düpierte Möller bei Vereinswechseln seine Fans: 1989 stellte er sich in Dortmund aufs Spielfeld und versprach den Anhängern der Borussia übers Stadionmikrofon, er werde den Klub nicht verlassen, schon gar nicht zu einem Ligakonkurrenten. Dann ging er doch, zurück zur Eintracht. Später zog es ihn zu Juventus Turin; aber hatte er nicht behauptet, es sei ihm „eine moralische Verpflichtung, für Frankfurt zu spielen“? Die Laufbahn des Andreas Möller war eine Laufbahn voller Fragen.“

Tsp: „Andreas Möller in Worten“

Erik Eggers (FTD 3.3.) kommentiert die Absage Wolfgang Overaths, ein Amt in Köln zu übernehmen: „Seit Jahren ist Overath immer wieder ins Spiel gebracht worden, doch der Weltmeister von 1974 verweigerte die Übernahme einer führenden Funktion im Verein stets. Bis gestern Nachmittag schien dieses Mal alles anders. „Ich habe dem Klub meine Hilfe angeboten“, sagte Overath. Genaueres wusste Kölns Oberbürgermeister: „Als das Schiff von unten so langsam leck lief, da ist er von sich aus zum Präsidenten gegangen“, berichtete Fritz Schramma. Das Thema hat mittlerweile also die Spitzen der Lokalpolitik erreicht. Der CDU-Politiker hatte sich gestern überaus aktiv in die Diskussionen eingeschaltet – mit zwei langen Zeitungsinterviews. „Als Übergangslösung kann man Overath als Stellvertreter einsetzen“, fabulierte Schramma, „allerdings ist eine Bedingung, dass er die Option hat, Präsident zu werden.“ In Berlin oder Hamburg löste es Verwunderung aus, würden sich Klaus Wowereit oder Ole von Beust so intensiv um die Führungsgremien des örtlichen Spitzenklubs sorgen. In Köln hingegen gilt so etwas als normal. (…) Overaths Pläne hätten die Stellung von Andreas Rettig empfindlich berührt. Der Manager, der den 1. FC Köln in den letzten zwei Jahren fast allein regierte und deswegen zuletzt stark in Kritik geriet, hätte dann kaum noch einen Platz im Leitungsgefüge des Klubs gehabt. Das war wohl der Grund, warum sich die Verhandlungen über die Zukunft des Vereins gestern über Stunden in die Länge zogen. Vor zwei Jahren trat Rettig seinen Job als Manager des 1. FC Köln an, und seitdem sind die Strukturen professioneller geworden in diesem Verein. Auch der Trainerwechsel im vergangenen Herbst – für Friedhelm Funkel kam der Schweizer Marcel Koller – ging für Kölner Verhältnisse fast schon geräuschlos über die Bühne. Auch im Umfeld hatte sich einiges verbessert. Rettig war zuletzt sichtlich stolz darauf, dass er den zuvor reichlichen Nachrichtenfluss rund um das Geißbockheim stets unter Kontrolle hatte. Die zahlreichen undichten Stellen, die die Kölner Boulevardpresse über Jahrzehnte mit delikaten Insiderinformationen versorgt hatten, schienen versiegt. [of: Wie können denn undichte Stellen versiegen?] Nun, da die Mannschaft als Tabellenletzter dem dritten Abstieg innerhalb von sechs Jahren entgegen taumelt, brechen sich die alten Verhältnisse wieder Bahn.“

FR-Interview mit Willi Lemke, Stellvertretender Vorsitzender des Bremer Aufsichtsrats, über den Transfer Miroslavs Kloses

FR: In der Werder-Führung wurde die Finanzierung des teuersten Transfers der Vereinsgeschichte lange diskutiert: Was hat zum Umdenken geführt?

WL: Weil die Mannschaft in der Liga von Sieg zu Sieg eilt und wir im DFB-Pokal-Halbfinale vertreten sind, haben wir eine veränderte sportliche Situation. Das Risiko haben wir zumindest fürs kommende Jahr im Griff.

FR: Und danach?

WL: Da gehen wir mit diesem Transfer ganz erheblich ins Risiko. Mit der Klose-Verpflichtung steuern wir nicht in den Ruin, aber dadurch sind wir zum sportlichen Erfolg verpflichtet. Auf Dauer. Mit dieser Mannschaft, diesen Transfers und diesem Gehaltsgefüge müssen wir künftig oben mitspielen. Wir gehen in das Risiko, das unsere Fans fordern und das die Geschäftsführung uns vorgelegt hat.

FR: Werder nimmt für Klose angesichts zu erwartender Einnahmen aus der Champions League und dem DFB-Pokal einen Kredit auf. Jetzt steigt der Druck.

WL: Ja, wenn wir das Pokalfinale verpassen und Vierter werden, wäre das eine herbe Enttäuschung – und das mit Klose vielleicht eine zu riskante Entscheidung.

FR: Werder ist nicht reich, aber Spitzenreiter. Ist dies das richtige Signal für die Liga: Geiz ist geil?

WL: Es ist grundsätzlich gut, dass Außenseiter wie Bremen oder Bochum mit geringeren Ausstattungen es gerade den Großen zeigen können. Das verdeutlicht, dass man sich nicht Hals über Kopf verschulden oder den Erfolg mit großem Geld einkaufen muss. Es gibt immer noch die Möglichkeit, mit einer fein zusammengestellten Mannschaft, einem funktionierenden Umfeld und einem guten Trainer das Gleiche zu erreichen.

FR: Der FC Bayern behauptet, Werder Bremen gerate noch in die Krise.

WL: Damit können uns die Bayern nicht erschrecken. Es ist das übliche Störfeuer aus München – das habe ich schon zu meiner Zeit erlebt. Damit können sie bei uns nicht mehr landen.

FR: Ist Uli Hoeneß immer noch ihr Feindbild?

WL: Ich kenne keinen Herr Hoeneß. Seit viereinhalb Jahren kümmere ich mich um ernsthafte Dinge in meinem Haus – ich muss in einer Großstadt mit vielen Problemen eine gute Bildungspolitik machen. Ich habe auch kein Bedürfnis darüber zu reden. Neue Frage bitte!

SZ-Interview mit Gerhard Poschner (1860 München)

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Matthäus in immer wieder neuen Fettnäpfchen

„Es ist schon bemerkenswert, wie es die Privatperson Lothar Matthäus binnen kurzem geschafft hat, all das, was sich einst der Fußballer Lothar Matthäus in vielen Jahren mühsam und entbehrungsreich aufgebaut hat, zu zerstören“, schreibt Thomas Kilchenstein (FR 5.4.) zur bevorstehenden gerichtlichen Auseinadersetzung zwischen Lothar Matthäus und dem FC Bayern München. „Soll man es nun tragisch nennen? Oder nur dumm? Oder vielleicht musste es einfach so kommen mit dem Mann? Er kennt die halbe Welt, doch offenbar keinen einzigen, der ihm, wenn’s drauf ankommt, beratend zur Seite stehen könnte. Dabei täte Lothar Matthäus doch gerade jetzt ein guter Rat so gut. Bisweilen ist er gar nicht so teuer (…) Matthäus schafft es, immer wieder in neue Fettnäpfchen zu treten, sich immer wieder neue Feinde zu machen. Selbst jetzt, da seine aktive Karriere vorbei und er sich, eher bescheiden, als Trainer in der fußballerischen Provinz verdingt. Nun geht es vor Gericht um ein paar Papiere, um Abrechnungen aus seinem Abschiedsspiel, für das ihm die Bayern, laut Hoeneß, knapp vier Millionen Mark überwiesen haben. Dazu passt, dass Matthäus erst kürzlich und nach mehrfachen, peinlichen Hinweisen versprochene Gelder zugunsten von karitativen Einrichtungen überwiesen hat. Das alles hat dem Ruf des einstigen Weltfußballers und Tagebuchschreibers nicht gut getan, der ja ohnehin nicht der Beste war.“

Two people at the second post

Ralf Wiegand (SZ5.4.) beschreibt in einem sehr lesenswerten Artikel Lauterer Aufbauarbeit. „Gerets und Jäggi nimmt man ab, dass ihnen der FCK am Herzen liegt, obwohl sie keine Idealisten sind. Ihr Risiko ist gering, denn wenn sie gescheitert wären, dann an einer Mission Impossible. Sollte ihnen aber gelingen, was sie sich vorgenommen haben – aus einer Kapitalruine und einer scheintoten Fußballmannschaft wieder einen ernstzunehmenden Bundesligaverein zu machen –, stehen ihnen in diesem Geschäft alle Türen offen. Trotzdem unterstellt dem Rettungskommando niemand das Kalkül auf schnellen Ruhm. Zu offenkundig hat Gerets in den ersten Wochen gelitten, als die Mannschaft Spiel um Spiel verlor, bis sie abgeschlagen Letzter war. Zu explosiv war seine Freude in den vergangenen Runden nach jedem Tor, wenn er dem Torwarttrainer Gerald Ehrmann mit Anlauf in die Arme hüpfte. Es macht ihn glaubwürdig. Deshalb folgen ihm die Spieler. Gerets konnte ja nicht, wie Jäggi im Vorstand, einfach alle Strukturen zerschlagen und in den Bilanzen die falschen Zahlen durch richtige ersetzen. Der Trainer musste das nehmen, was da war: eine angeblich untrainierbare Mannschaft. In dieser Zeit, sagt Gerets, lernte er die Menschen in der Pfalz schätzen, genoss ihre Verbundenheit mit dem Verein, die er tatsächlich „Liebe“ nennt. Sie ließen ihn weiter machen, vielleicht aus Verzweiflung, weil es sowieso keine andere Lösung mehr gab, vielleicht in der Hoffnung, dass da einer ist, der weiß, was er tut. Gerets sagt, er habe sich seine Vereine immer sehr vorsichtig ausgesucht. Er brauche das Gefühl, dass die Leute in der Stadt ihm einen guten Tag wünschen, „weil sie das so meinen“. Hier sei das so. Die ganze Pfalz ist eine Schicksalsgemeinschaft, wenn es um den FCK geht, Erik Gerets ist nun mittendrin. Er hält es für seine Pflicht, den Spielern zu helfen, und er glaubt fest daran, „dass die Spieler lernen wollen“. Er gesteht den schwierigen Typen, von denen der FCK genügend hat, ihre Einzigartigkeit zu, ohne ihnen dafür einen Sonderstatus zu gewähren. So kommt es, dass sowohl ein Exzentriker wie Mario Basler als auch ein Seelchen wie Miroslav Klose behaupten, gerade den besten Trainer ihrer Karriere kennen zu lernen. Gerets mag mit dem Branchensiegel „Harter Hund“ gebrandmarkt sein – aber er hat keinen einzigen seiner schwierigen Spieler ausgemustert. Er hat sie eingeordnet. Aus dem Spaziergang ist ein Sprint geworden. Noch vier Spiele, dann soll der Klassenerhalt weitgehend sicher sein, das ist der Plan. „Two people at the second post“, raunt Gerets, weil José Dominguez zwei Stürmer am zweiten Pfosten übersehen hat und seine Flanke nicht ankommt. Beim nächsten Versuch findet er Marian Hristov. Tor.“

Die Zeit der großen Sprünge ist vorbei

Michael Horeni (FAZ 5.4.) referiert Leverkusener Wirtschaftspläne. „Geschäftsführer Wolfgang Holzhäuser, zuständig für den kaufmännischen Teil, gibt sich trotz allgemeiner Tristesse sportlich weiter vorbehaltlos optimistisch. Wir steigen nicht ab. Da bin ich mir sicher, sagt er. Holzhäuser vertraut weiter der Qualität der Spieler und setzt auf die Aufbruchstimmung, die Jürgen Kohler, der gegen Berlin auf der Trainerbank neben Thomas Hörster sitzen wird, zu entfachen sich anschickt. Aber trotz aller Zuversicht – der Geschäftsführer muß sich schon jetzt ganz professionell mit der zweiten Liga beschäftigen. Die Planungen eines ordentlichen Kaufmanns reichen längst in eine düstere Zukunft. Bisher gibt es drei Modelle, mit denen sich Bayer auf die kommende Saison vorbereitet: Best-case-Bundesliga, Worst-case-Bundesliga, Abstieg. So heißen die drei Szenarien, die der Werksklub betriebswirtschaftlich schon mal durchgespielt hat. Hinter dem optimalen Fall verbirgt sich die Hoffnung, nach dem Klassenverbleib auch alle gewünschten Spieler zu erträglichen finanziellen Bedingungen zu halten. Beim Worst-case-Szenario der ersten Klasse wäre der Abstieg zwar vermieden, aber nicht alle Stars wären für Bayer in der kommenden Saison mehr dabei – oder es müßten Schulden gemacht werden. Ganz abgesehen vom GAU, dem Abstieg, gilt laut Holzhäuser für Bayer in der näheren Zukunft ohnehin ein ganz neuer wirtschaftlicher Grundsatz: Die Zeit der großen Sprünge in Leverkusen ist vorbei. Wir müssen konsolidieren. Im vergangenen Jahr schickte Holzhäuser der Deutschen Fußball Liga (DFL) zu dieser Zeit sogar sechs Pläne für die Lizenzierung – damals las sich einer besser als der andere, weil es eben nur um die schönen Fragen ging: Welche Titel gewinnt Bayer, in welchem internationalen Wettbewerb ist der Klub dabei? Nun jedoch droht der sportliche Schock zweite Liga, der sich wirtschaftlich gleichwohl durchstehen ließe: Der Abstieg wäre ein Betriebsunfall. Er kostet uns ein Jahr im Aufbau einer neuen Mannschaft, sagt Holzhäuser. Aber der Neuaufbau sei auch bei einer Rettung unumgänglich – nicht zuletzt aus diesem Grund sei Kohler als Sportdirektor gleich für fünf Jahre verpflichtet worden.“

Nur lachende Menschen sind glückliche Menschen

Katrin Weber-Klüver (BLZ 5.4.) skizziert die Atmosphäre unterm Bayer-Kreuz und hält sie für ein bisschen inszeniert. „Mitte der Woche gibt es endlich die ersten Impressionen, wie Jürgen Kohler Leverkusen retten wird. Er trainiert mit und herzt die Jungs. Das heißt: Er trainiert gar nicht wirklich mit, er schaut lediglich beim Training unter der Autobahnbrücke vorbei, und dabei lassen sich die Spieler freundlich von ihrem neuen Sportdirektor knuffen und umarmen und lachen in die Kameras, die positioniert sind, um festzuhalten, wie Jürgen Kohler, der Mann, der in seiner aktiven Laufbahn jeden erdenklichen Titel gewonnen und nie für Leverkusen gespielt hat, nun Leverkusen retten wird, ohne für Leverkusen zu spielen und ohne Leverkusen zu trainieren. Vermutlich jedenfalls. Weil man nicht so ganz genau weiß, was Kohler an diesem neuen Job bei einem Tabellensiebzehnten acht Spiele vor Saisonschluss wirklich reizt, gilt er, seit seine Verpflichtung publik wurde, als Nachfolgekandidat für Trainer Thomas Hörster. Dessen Auftreten und Wirken vor allem in der Außendarstellung wird nach anderthalb Monaten Dienstzeit inzwischen nur noch höflich mit dem Begriff glücklos umschrieben (…) Kohler hat ein Credo für jedermann: Nur lachende Menschen sind glückliche Menschen. Er sagt das ziemlich ernst und sehr getragen auf seiner ersten gemeinsamen Pressekonferenz mit Hörster. Der Satz steht vermutlich in einem schlauen Buch zur Motivationslehre. Jemand fragt, ob Kohler damit meine, man brauche eine positive Einstellung, um erfolgreich zu sein. Genau, sagt Kohler. Thomas Hörster lässt solche Einlassungen mit unverbindlicher Freundlichkeit an sich vorbeirauschen. Hörster ist an diesem Tag wieder einmal bemüht, den Eindruck eigener Hilfsbedürftigkeit nicht noch zu schüren, womit er den Eindruck von Hilfsbedürftigkeit nur verstärkt. Er sagt, Kohler sei ihm eine große Hilfe, wenn er etwa beim Training Eindrücke aus dem Team sammle. Denn: Ich kann ihn fragen, wie siehst du den und den? Kohler findet das auch eine gute Sache. Er habe sich gefreut über die Trainingsleistungen, und überhaupt sei alles prima gewesen: Freude, Spaß, es sind Tore gefallen. So sitzen sie da nebeneinander auf einem Podium im Keller der BayArena, der Bundesligatrainerneuling und der Sportdirektorneuling, und reden ein bisschen mit Journalisten und viel aneinander vorbei. Und wenn der eine etwas sagt, scheint der andere eigenen Gedanken nachzuhängen.“

Völliger Quatsch, eine leer Bude knuspern zu lassen

Wird sich der Schalker Trainerwechsel positiv auswirken? fragt Felix Meininghaus (FR 5.4.). „Zweifel sind erlaubt. Schließlich war Wilmots während der Saison von Neubarth aufs Abstellgleich geschoben worden und fühlte sich rasiert. Gerade bei Profis, die ein äußerst sensibles Gespür für die Schwachstellen von Führungspersönlichkeiten entwickeln, kann es zu Komplikationen führen, wenn ein Mann zum Chef befördert wird, der zuvor demontiert worden ist. Zudem könnte es sich für Wilmots als nachteilig herausstellen, dass er auf dem Trainersektor keinerlei Erfahrung hat. Eine erste Blöße gab sich der Novize gleich in einer der ersten Trainingseinheiten unter seiner Leitung: Um der Mannschaft die verlorene Spielfreude zurückzugeben, ließ er die Spieler nach Herzenslust auf das leere Tor schießen. Ein Kardinalfehler, wie jeder bestätigen kann, der schon einmal einen Trainerlehrgang absolviert hat: Es ist völliger Quatsch, auf die leere Bude knuspern zu lassen, sagt Holger Stemmann, Redaktionsleiter der Zeitschrift Fußball-Training: Ein Torschusstraining ohne Torwart motiviert niemanden, weil die Jungs ja sowieso treffen. Der Acht-Wochen-Trainer Marc Wilmots wird in neuer Mission auf Schalke also noch Lehrgeld zahlen müssen. Am Ende wird man ihn danach beurteilen, ob er es geschafft hat, die Mannschaft in den Uefa-Pokal zu führen und damit eine verkorkste Saison zu retten. Sein persönliches Risiko ist dabei überschaubar. Gelingt das Unterfangen, werden sie ihn von der Arena auf den Schultern bis nach Belgien tragen. Geht es schief, wird vor allem Assauer für das Scheitern gerade stehen müssen. Er hat die unglücklichen Personalentscheidungen der jüngeren Vergangenheit zu verantworten.“

1860 im Zwist verlassen

Gerald Kleffmann (SZ 5.4.) beschreibt die Lage bei 1860 München. „Thomas Häßler, dem einzig wirklichen Star beim TSV 1860, droht nach wie vor das gleiche Schicksal. Trainerwechsel hin oder her. Wer jedenfalls erwartet hatte, nach dem plumpen Peter Pacult werde der klinisch korrekte Falko Götz den sensiblen Mittelfeldspieler geschickter umhegen und vielleicht als Identifikationsfigur über dessen Karriereende hinaus für 1860 gewinnen, sieht sich – vorerst – getäuscht. In der Angelegenheit Häßler sind Pacult und Götz Brüder im Geiste. Auch der neue Trainer sieht das Karriere-Ende des 36-Jährigen gekommen – und legt ihm den Rücktritt zum Saisonende nahe (…) Im Verein indes stört sich niemand am völlig zurückgezogenen Häßler. Dabei wäre gerade das Verhältnis zum Publikumsliebling eine Chance, ein hässliches Löwen-Kapitel zu beenden. Ob Manni Schwabl, Ned Zelic, Erik Mykland, Holger Greilich, Gerald Vanenburg, Max oder vielleicht bald Häßler – es fällt auf, dass in den vergangenen Jahren viele Altgediente den TSV 1860 im Zwist verlassen haben. Wie auch auffällt, dass, bis auf Roland Kneißl als Geschäftsführer der Fanartikel-Abteilung und Co-Trainer Reiner Maurer, kein Ehemaliger im Verein aktiv mitarbeitet. Spieler kommen, Spieler gehen, nur Karl-Heinz Wildmoser ist als Präsident die einzige Konstante des Vereins. Für viele Löwen-Anhänger ist diese Konstellation nicht erfüllend, sie beklagen die zunehmend fehlende Identifikation mit den Löwen. Andernorts, etwa beim Stadtnachbarn FC Bayern, haben sie verstanden, dass man die Grundlagen zur Fanliebe schaffen und Tradition pflegen muss. Blickt man bei den Bayern in die Gesichter der Führungsetage, blickt man in die Klubgeschichte. Bei vielen Profivereinen wirkt das Umfeld ebenfalls wie die reinste Veteranenorganisation, am extremsten ist dies wohl bei Real Madrid zu beobachten. Beim Hamburger SV geht man nun soweit, als erster Bundesligaklub ein eigenes Museum zu errichten. 2004 soll es stehen, „Legenden-Ecke“ inklusive. Eine sinnvolle, weil identifikationsstiftende Idee.“

Entscheidungsverhalten im Moment

Wo spielt Fredi Bobic nächste Saison? fragt Jörg Marwedel (SZ 5.4.). „Nächsten Monat hat Fredi Bobic, 31, einen großen Auftritt. Bei einem Automobilkonzern soll der Fußballprofi, das berichtete sein Berater Jürgen Schwab, „vor 120 Topleuten“ über das „Entscheidungsverhalten im Moment“ aus der Sicht eines Sportlers referieren. Das Thema könnte kaum besser gewählt sein, denn der Torjäger von Hannover 96 wird nicht nur von entscheidenden Sekunden auf dem Fußballplatz zu erzählen haben. Womöglich kann er dann auch schon verkünden, weshalb er sich für oder gegen die Fortsetzung seines Engagements beim Aufsteiger entschieden hat. Denn für Bobic beginnt mit der Partie am Samstag gegen den FC Bayern München ein siebenwöchiges Schaulaufen. Am Ende möchte er den Lohn für sein erstaunliches Comeback (13 Tore, Rückkehr in die Nationalelf) kassieren: einen bestens dotierten neuen Vertrag bei einem Klub mit Perspektiven. Der Moment ist günstig für einen wie ihn, der beschlossen hat, nur noch das Risiko zu suchen. Statt auf die vermeintliche Sicherheit, die ihm einst ein Vierjahresvertrag in Dortmund versprach, ehe er bei Borussia auf der Tribüne versauerte, will Bobic nur noch auf Einjahresverträge setzen. „Das motiviert besser“, sagt der frühere Stuttgarter. Er hätte auch sagen können: Es bringt mehr ein, falls man gerade gefragt ist.“

Kauz

Zur Situation beim Zweitligisten LR Ahlen heißt in der FR (5.4.). „Lorant hat ein wenig Zirkusluft in das Städtchen in der westfälischen Provinz gebracht. Da wo Lorant ist, so die vorherrschende Meinung, geht die Post ab. Mit seiner bärbeißigen Art polarisiert der Mann. Für die einen hat er mit seinem kauzigen Auftreten hohen Unterhaltungswert, andere finden ihn einfach nur ungehobelt und ätzend. Die Erwartungshaltung der Öffentlichkeit hat der 54-Jährige nicht enttäuscht: Bei der 2:4-Niederlage gegen Wacker Burghausen versetzte Lorant dem dunkelhäutigen Stürmer Macchambes Younga-Mouhani einen Stoß gegen den Oberkörper und wurde dafür vom DFB mit einer Innenraumsperre für zwei Spiele und 6000 Euro Strafe belegt. Doch die Ausfälle sind nicht einseitig. Manager Krug hat ein massives Vorgehen der Fernsehleute registriert, seit Lorant in Ahlen tätig ist. Dieses aggressive Verfolgen mit den Kameras bis in die Kabine entspringe einer Wechselwirkung: Die glauben, wo Lorant ist, da ist was los, und da wollen sie dabei sein. Die lokale Presse ist bereits weitgehend ernüchtert und hat die schroffe Art des Trainers schon mehrfach unsanft zu spüren bekommen.“

120 Kilogramm schwere Prachtjungs

Leonhard Kazda (FAZ 5.4.) vermeldet eine Neuverpflichtung von Düsseldorf Rhein Fire (American Football. „Damit schon vor dem Start eine Bindung entstand, haben die Düsseldorfer sich etwas einfallen lassen. Für den Kicker Manfred Burgsmüller, der seine Football-Karriere beendete, verpflichtete Rhein Fire den einstigen Schalker Ingo Anderbrügge. Die Drähte zog der Schalker Manager Rudi Assauer, der auch in anderer Hinsicht bei Rhein Fire mitmischt. Schalke 04 hatden gesamten Ticketverkauf des Footballklubs übernommen. Für eine ordentliche Millionensumme, wie Leibkind sagt. Der 39 Jahre alte Kicker Anderbrügge ist inzwischen guter Dinge, daß er den ungewohnten Anforderungen gerecht wird. Er wird bestimmt Fans aus dem gesamten Ruhrgebiet anlocken, sagt Assauer. Anderbrügge selbst bestätigt dies gerne und erzählt von einem Schalke-Fanklub, der am Samstag nicht zum Spiel der Königsblauen gegen den 1. FC Nürnberg gehe. Die kommen alle zum Football. Auf der Glückauf-Kampfbahn hat Anderbrügge auch schon in seinen Schalker Zeiten ein paarmal trainiert. Früher war er für seinen strammen Schuß bekannt, jetzt läßt er auch das Lederei schon ziemlich gekonnt fliegen. Als Kicker ist er für Feldtore aus bis zu 30 Yards und für die Kicks bei den Extrapunkten nach Touchdowns zuständig. Eigentlich ist das ganz einfach, sagt er. Du schießt immer Vollspann, hoch und geradeaus. Nur hinschauen darfst du nicht, sonst verreißt du. Alles ganz einfach also? Und was ist mit diesen 120 Kilogramm schweren Prachtjungs, die plötzlich auf dich zugeflogen kommen, wie es Kicker Burgsmüller einmal formulierte? Na ja, sagt Anderbrügge, ich denke mal, daß ich dann lieber den Rückwärtsgang einlege.“

Siehe dazu auch FR

„Österreich sieht keine Perspektive für Fußball-Nationalteam“FR

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Themen

Themen: „der chaotischste Saisonstart, den Italien je erlebt hat“ (FAZ) – Montella fliegt wieder – Beckham macht alles richtig, wirklich alles – neuer Realismus in Barcelona – Lehmann verblüfft Arsenal-Anhänger und stellt Ansprüche im Nationalteam – Häßlers Debüt in Salzburg u.v.m.

Chaotischster Saisonbeginn, den Italiens Fußball je erlebt hat

Dirk Schümer (FAZ 2.9.) berichtet den ersten Spieltag der Serie A. „Es war der chaotischste Saisonbeginn, den Italiens Fußball je erlebt hat. Nach einem Streit um die Fernsehverträge, wird die Serie B frühestens mit zwei Wochen Verspätung den Spielbetrieb aufnehmen – und das wohl mit vierundzwanzig Vereinen, von denen vier abgestiegene oder bankrotte Clubs nur aus dubiosen Gründen gnadenhalber zugelassen wurden. Über diese Maßnahme, die tausende von Fans auf den Straßen demonstrieren ließ, ist die Führung von Verband und Liga inzwischen heillos zerstritten. Sogar ans Verfassungsgericht will ein erboster Vereinspräsident aus Cagliari appellieren, um – wie er sagt – den Sport vor den Investoren und Funktionären zu retten. Am Sonntag gab es, nachdem schon der Pokalwettbewerb vor einer Woche von fast allen Mannschaften boykottiert worden war, deshalb erstmal nur Freundschaftsspiele. In der etwas feineren Serie A sah es lange Zeit gleichfalls nach einer peinlichen Verzögerung aus. Doch mit italienischer Improvisationsgabe einigte man sich mit dem neuen Bezahlsender Sky des Medienmoguls Murdoch doch noch auf eine Sendeplattform für die kleinen Vereine, an denen das Bezahlfernsehen wenig Interesse zeigt. Und so konnte die Liga, die in der vorigen Saison immerhin Europas Champions League dominiert hatte, am Sonntag tatsächlich pünktlich angepfiffen werden – trotz eines umstrittenen Regierungsdekrets zur Beendigung von Gerichtsverfahren und trotz dubioser Lizenzerschleichung durch falsche Bürgschaften. Nur wer die Warnzeichen der vergangenen Jahre – den Bankrott von Florenz, die halbe Pleite von Lazio Rom – übersah, konnte dem System mit überteuerten Mannschaften, sinkenden Fernsehgeldern und größenwahnsinnigen Präsidenten noch vertrauen. Aber die rebellischen unter den Vereinseignern der Serie A wagten nach zahlreichen chaotischen Eilversammlungen am Ende doch keinen Aufstand; zu viel Geld stand auf dem Spiel. In jedem Fall hat der Konflikt den Graben zwischen den reichen Großklubs und den Habenichtsen aus den unteren Tabellenregionen weiter vertieft. Der erste Spieltag brachte denn auch durchweg sichere und langweilige Siege der Reichen gegen die Armen. Die Drohung der feinen Gesellschaft aus Turin, Mailand und einigen besseren Adressen, sich mit einer italienischen Premier League, also einer vom Verband unabhängigen Eliteliga, selbständig zu machen, ist durchaus ernstzunehmen.“

Peter Hartmann (NZZ 2.9.) fliegt auf Montella. „Vincenzo Montella hat ein rabenschwarzes Jahr hinter sich. Seine schöne Ehefrau Rita ist ausgeflogen, sein Klub, die AS Roma, stürzte in der Meisterschaft tief ab, und er selber hatte kaum noch Gelegenheit, seine „Aeroplanino“-Jubelnummer aufzuführen. Eine Bilanz von neun Saisontoren ist für einen Goalgetter, der auf einer Gage von 4,5 Millionen Euro beharrt, wenn schon Totti als Regisseur zu Abstrichen bereit ist, fast ein Entlassungsgrund. Abgeschoben wurde, letzten Winter, der Argentinier Batistuta, mit dem er sich hinter den Kulissen und manchmal auch auf dem Feld eifersüchtige Querelen geliefert hatte. Aber jetzt spürt der 29-jährige Montella, als Mittelstürmer ein Leichtgewicht, wieder Aufwind. In Udine gelang ihm in der Startrunde der SerieA ein artistischer Treffer mit dem Absatz zum 2:1-Sieg der Römer. Fliegerchen Montella breitete seine Arme aus und begann zu schweben. Aus der Wundertüte des Calcio sprühten die Tore nur so heraus an diesem Wochenende, 30 insgesamt, das Montagabend-Spiel Ancona gegen Milan nicht gerechnet, kein einziges Null-Null, Del Piero traf zweimal für Juventus, Vieri tat für Inter seine Pflicht spät, in der 86.Minute, aber er tat sie – mit dem erlösenden 1:0 gegen das bescheidene Modena-Team (am Ende gewann Inter 2:0). Aber die Fernsehsender zeigten immer wieder ihn, Vincenzino, Rücken zum Tor, mit diesem magischen Touch, dieser leichtfüssigen Ballabfälschung. Das war wieder der alte Montella, auch wie er nach dem Spiel gegen den Trainer zu polemisieren begann: „Ich kenne mein Schicksal, ich weiss, Capello bevorzugt grosse, athletische Stürmer.“ Das war eine Kampfansage an den neuen Konkurrenten John Carew, den schwarzen Riesen aus Valencia, der zum Nulltarif nach Rom kam.“

Eine Art Nachfolger von Lady Di

Beckham mache alles richtig, lobt Peter Burghardt (SZ 2.9.). „Dem Hauptdarsteller stehen Schweißperlen auf der Stirn, Beckham trägt jetzt ein hellblaues Hemd mit Nadelstreifenjacket und Jeans, ein frisch geduschter Dressman. Um seinen schmalen Mund ziehen sich feine Lachfalten, die blauen Augen blitzen, und die Brillantringe glänzen im Scheinwerferlicht, als er den Reportern geduldig die harmlosen Fragen beantwortet. Eine gute Nacht? „Yeah, a very good night“, sagt er mit seiner weichen Stimme. Traumhaft, das schnelle Tor, und toll, die Mannschaft, „jeder würde gerne in diesem Team spielen“. Ach, „das ist mein glücklichster Moment in anderthalb Jahren“. Die Berichterstatter erleben einen netten jungen Mann mit britischen Manieren, dem sein Beruf Spaß macht. In solchen Momenten sieht es gar nicht so aus, als stünde da der Inbegriff der Dekadenz, mit dem ein Fußballverein seinen Größenwahn auf die Spitze treibt und ein Spiel zur Show verkommen lässt. Dabei fürchten Moralhüter das Schlimmste, seitdem Real Madrid den Kapitän der englischen Nationalelf im Juli für 35 Millionen Euro von Manchester United abgekauft und in einer Zeremonie vorgestellt hat, an der 547 Journalisten teilnahmen und die in 63 Länder live übertragen wurde. „Das war ein Affentheater“, moserte Uli Hoeneß, der Manager des FC Bayern München. Real Madrid entwickle sich „vom Fußballklub zum Zirkus“. Florentino Perez ist die Aufregung nur recht. David Beckham sei gekommen, „weil er ein großartiger Fußballer ist“, erläuterte der Madrider Vereinspräsident bei der Präsentation, als habe er an Fußball erinnern müssen. Perez nannte ihn aber auch „Symbol der Postmoderne“, „kulturelle Ikone“ und „Trendsetter mit hingebungsvollen Fans rund um den Globus“ (…) Laut Studien ist Beckham mittlerweile nicht nur der bekannteste Engländer, eine Art Nachfolger von Lady Di. Er ist der bekannteste Sportler auf dem Erdball. Weil seine Lieblingsnummer 7 bereits der Madrider Kapitän Raul besetzt hatte, überreichte ihm Reals Ehrenpräsident Alfredo di Stefano ein Hemd mit der Nummer 23 – die 23 trug immer der US-Basketballer Michael Jordan, der früher als der bekannteste Sportler galt. In vier Stunden waren die ersten 8000 dieser Trikots zu 78 Euro das Stück vergriffen. Insgesamt sollen weltweit mehr als eine Million davon verkaufen werden, das wären Einnahmen von ungefähr 80Millionen Euro. Der beste Markt wird in Asien vermutet, also gingen Beckham und Real Madrid vor Saisonbeginn sogleich auf PR-Tournee. In Fernost stellte sich dann heraus, dass ein Großteil der Leibchen gefälscht ist, auch sonst kam einem manches unwirklich vor. In Tokio empfing Beckham, der auch für Mobiltelefone, Schönheitssalons und Motorenöl Reklame macht, eine überlebensgroße Schokoladen-Figur seiner selbst. In Bangkok wartete in einem Buddha-Schrein ein goldenes Bildnis des Menschen, den manche für eine abendländische Gottheit halten. In dem Hotel in Thailands Hauptstadt, das die Delegation aus Spanien beherbergen durfte, werden jetzt Beckhams Unterhose und Bademantel versteigert. Bei einem Freundschaftsspiel in Peking sahen ihm eine Milliarde Chinesen zu, das war nationaler TV-Rekord, selbst für Trainingsbesuche wurden 40 Euro Eintritt gezahlt. Mehr als zehn Millionen Euro Gage nahm Real Madrid schließlich mit nach Hause – Beckham selbst hatte 7,5Millionen Euro kassiert, als er wenige Woche zuvor mit seiner Frau vier Tage lang durch Asien getingelt war. Überhaupt, seine Frau! Real hat nicht nur David Beckham verpflichtet, sondern gewissermaßen auch Victoria Adams.“

Was geschah sonst noch in der Primera Division? Georg Bucher (NZZ 2.9.) antwortet. „Neben dem medial überhitzten Liga-Début des Titelhalters interessierte vor allem der doppelte Vergleich zwischen Basken und Katalanen. Real Sociedad war auf dem Montjuic in Schieflage geraten, nach sensationeller Vorarbeit des Südkoreaners Lee Chun Soo rettete der Goalgetter Kovacevic wenigstens einen Punkt gegen Espanyol. Barça hatte in Bilbao – wie in mehreren Testspielen nach einer Standardsituation – reüssiert und sich danach zurückgezogen. Öfter kamen Reiziger, Cocu und van Bronckhorst ins Schwimmen, dennoch lagen die erfahrenen Verteidiger auf der Linie ihres Trainers. Der irritierend emotionslose einstige Weltstar Frank Rijkaard dämpfte Erwartungen punkto Spielkultur und gewichtet vorerst Resultate. Ungewöhnlich im katalanischen Vorzeigeklub, denn die Aficionados erwarten traditionell Ballkunst und Spektakel. Solange den technisch brillanten Zuzügen Ronaldinho und Quaresma die Bindung zu ihren Sturmkollegen Saviola, Luis Enrique und Overmars fehlt, ist der Minimalismus nachvollziehbar. Er spiegelt allerdings Abstriche auf anderen Ebenen. Erstmals musste Barça das Budget gegenüber der Vorsaison – um 27 auf 164 Millionen Euro – reduzieren. Die Saläre wurden von 116 auf 93 Millionen Euro gekürzt, der Kreditrahmen wurde um 40 auf 100 Millionen Euro erweitert. Hintergrund des Wandels sind vier Jahre ohne Titelgewinn mit wirtschaftlich fatalen Folgen. Die Amtszeit des Hoteliers Johan Gaspart geht als dunkles Kapitel in die Klubhistorie ein. Allein in der letzten, nach Gasparts Abtritt von Enric Reyna zu Ende gebrachten Saison stiegen die Verbindlichkeiten um 72 auf 244 Millionen Euro. Ein Immobiliendeal à la Madrid, mit dem die „Königlichen“ schlagartig mehr als 300 Millionen Euro Schulden abbauen konnten, ist nicht in Sicht. Stattdessen will das Präsidium mittels einer „Schocktherapie“ bis 2007 die Schulden tilgen. Ziel ist es, das immer noch hohe Prestige umzumünzen, Beziehungen zu Wirtschaftskreisen zu intensivieren und als Team aufzutreten, in dem profilneurotische Alleingänge von Hahnenkämpfern unerwünscht sind.“

Ich habe Pech, dass ich die Nr. 2 in der Nationalmannschaft bin, ich denke, ich sollte spielen.

Raphael Honigstein (taz 2.9.) klopft Arséne Wenger, dem Trainer von Arsenal London, auf die Schultern, weil Wenger Torhüter Seaman gegen Torhüter Lehmann ausgetauscht hat. „Vor dem Spiel hatte der schlaksige Fußballlehrer zugegeben, aus alter Gewöhnung noch oft Seaman anstatt Lehmann auf den Spielberichtsbogen zu schreiben. Auch sein rechter Verteidiger Lauren schien in der 10. Minute vergessen zu haben, wer genau sein Torwart war: nach einem 30-Meter-Sprint und einem kleinen Schubser von seinem Verfolger Trevor Sinclair schoss der Kameruner mit links unhaltbar für Lehmann ins Netz: ein kurioseres Eigentor wird man diese Saison kaum erleben. Das begabte Ensemble aus London geriet in der Folge völlig aus dem Rhythmus und Keegans Mannen sorgten mit einfachsten Mitteln für Gefahr: PSV-Veteran Paul Bosvelt stieg Patrick Vieira andauernd auf die Füße und Michael Tarnat durfte lustvoll lange, diagonale Bälle in Richtung Nicolas Anelka bolzen, die Chaos in der Abwehr der Gunners verursachten. Allein der starke Lehmann verhinderte mit drei großen Paraden Schlimmeres, bis sich der Vizemeister nach der Pause auf seine Genialität besann und durch Sylvain Wiltord und Ljungberg das Blatt wendete. Der vorzügliche 33-jährige Torwart wurde hinterher von Mitspieler Martin Keown für seine ruhige Ausstrahlung und von Wenger für seine Präsenz gelobt, und auch die Arsenal-Fans haben freudig registriert, dass diese Saison Flanken tatsächlich gefangen werden. Nur in Deutschland vermisst Lehmann die gebührende Zuneigung. Ich bekomme nicht den richtigen Respekt, hat er sich am Samstag im Daily Telegraph beschwert. Ich habe Pech, dass ich die Nr. 2 in der Nationalmannschaft bin, ich denke, ich sollte spielen. Ich bringe zur Zeit bessere Leistung als die Nr. 1. Das macht mich wütend, sehr wütend. Lehmanns Äußerungen werden diese Woche wohl für kleinere atmosphärische Störungen sorgen, doch seinem Arbeitgeber Arsenal lacht derweil die Sonne. Nach Manchester Uniteds unerwarteter 0:1-Niederlage bei Southampton stehen die Londoner ganz oben in der Tabelle.“

Michael Smejkal (SZ 2.9.) berichtet die Premiere Thomas Häßlers in Salzburg. „Der Weltmeister ist bescheiden geworden, sehr bescheiden sogar. „Eine tolle Stimmung herrscht hier, unglaublich, wie mich das Publikum aufgenommen hat“, befand Thomas Häßler nach seinem Debüt am Sonntag im violetten Trikot der Salzburger Austria. Den 37-Jährigen, der einst mit Juventus Turin, Borussia Dortmund oder der deutschen Nationalelf die Kathedralen des Fußballs gefüllt hatte, wollten gerade noch 8500 sehen. Bei Anpfiff waren nicht einmal die 8500 da. Die Fanklubs boykottierten die ersten 15 Minuten, auf den leeren Plätzen waren hohntriefende Transparente zu lesen. „Gaudimax-Sieger 2003: Austria Scheichburg“, stand da zu lesen, in Anspielung auf den missglückten Coup mit einem arabischen Großinvestor, der sich weder als Scheich noch als Großinvestor entpuppte. „Das sind Dinge, die waren vor meiner Zeit, die will ich auch nicht kommentieren“, meinte Häßler. In seiner Zeit in Salzburg geschah ein 0:0, Austrias erster Punktgewinn im siebten Saisonspiel. Trotzdem war es besser, dass Häßler den Inhalt aller Transparente gar nicht so genau verstand. Denn über die ganze erste Reihe spannte sich ein Plakat, auf dem stand: „Roli – für immer in unseren Herzen.“ Mit ganzem Namen heißt jener „Roli“ Roland Kirchler; er war Salzburgs einziger österreichischer Nationalspieler, und am Tag des Häßler-Kaufs wurde er für 25000 Euro an den SV Pasching quasi verschenkt. Kirchler lag im Dauerstreit mit dem Trainer. Als ihm wegen Häßler die Ersatzbank drohte, brach die Beziehung endgültig. Die Geschichte zeigt allerdings auch, wie sehr die Salzburger Austria an Thomas Häßler glaubt.“

Aus Frankreich teilt Arnaud Ramsay (NZZ 2.9.) mit. „Der Lille Olympique Sporting Club (LOSC) war an sich bereits abgestiegen, bevor die Saison begonnen hatte. So oder ähnlich jedenfalls lautete der Tenor der Fachleute vor der Saison. Denn wer bereits vergangene Spielzeit gegen den Abstieg gekämpft hat, für den wird mit dem zweitkleinsten Budget der Liga der Klassenerhalt zum Wunschtraum. Zumal ein Blick auf die Transferliste vor Saisonbeginn die beschränkte finanzielle Potenz der „Nordistes“ noch untermauerte: Mathieu Bodmer, ein Nachwuchsinternationaler aus Caen, stiess neu zum LOSC, während in den Personen von Sylvain N‘Diaye (zu Marseille) und Fernando D‘Amico (zum Aufsteiger Le Mans) zwei wichtige Spieler den Klub verliessen. Ein Blick auf die Tabelle zeigt da Erstaunliches: Vor Jahresfrist mussten die Lillois als Tabellenletzte bis zur fünften Runde warten, ehe sie überhaupt einmal ins Tor trafen. Nun sind sie hinter zwei renommierten Klubs (Monaco und Marseille) Tabellendritte, auch wenn sie am Samstag in Sochaux zum ersten Mal in dieser Saison als Verlierer das Feld verlassen mussten. Liegt das tatsächlich nur am „Dusel“, wie es Michel Seydoux, Filmproduzent und Président délégué des Vereins, schmunzelnd zu ergründen versuchte?

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