indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

Ballschrank

Themen: Edgar Geenen , geduldeter Manager in Nürnberg – sollen wir uns auf die Sportschau freuen? – Uefa bläst den Uefa-Cup auf – Blatter will nationale Ligen reduzieren u.v.m.

Müßiggang

Christian Zaschke (SZ 9.7.) glossiert die Tätigkeit Edgar Geenens in Nürnberg. „Hektik überall, man weiß gar nicht mehr, wo einem der Kopf steht, es flackert der Blick über die wilde Welt, bis er auf die Stadt Nürnberg fällt und dort im Zentrum des Tosens Edgar Geenen entdeckt. Wie er dort sitzt in seinem Büro (täglich 9.00 bis 17.30 Uhr, eine Stunde Mittagspause) und lächelt, entspannt, ein leiser Wind pfeift durchs geöffnete Fenster und flüstert das vergessene Wort: Müßiggang. Wahrscheinlich ist der Fußballmanager Edgar Geenen zurzeit einer der glücklichsten Menschen der Welt. Das liegt daran, dass er beim 1. FC Nürnberg trotz eines laufenden Vertrages (bis 30. Juni 2004) zur persona non grata erklärt wurde, er ist dort nicht mehr erwünscht. Doch Vereinsboss Roth zahlt keine Abfindung, er besteht darauf, dass Geenen allmorgendlich ins Büro kommt. Wie herrlich.“

Gerald Kleffmann (SZ 11.7.) recherchiert. „Es ist eine sonderbare Geschichte, die dem TSV 1860 da offenbar widerfährt. Als einzige deutsche Mannschaft dürfen die Löwen vom 15. bis 22. Juli beim so genannten Peace Cup in Südkorea teilnehmen, mit Teams wie PSV Eindhoven, Olympique Lyon, Besiktas Istanbul und Club Nacional de Fútbol aus Uruguay. Insgesamt acht Mannschaften treten in zwei Vierergruppen gegeneinander an, die beiden Erstplatzierten kämpfen im Finale um den Siegerscheck in Höhe von zwei Millionen Dollar; für den Verlierer bleiben 500.000 Dollar. Wenn man zusätzlich bedenkt, dass jede der acht teilnehmenden Mannschaften ein Antrittsgeld in Höhe von 600.000 Euro erhält sowie sämtliche Kosten für Flug, Hotel und Spesen erstattet bekommt, taucht eine interessante Frage auf: Wer wirft da mit Scheinen um sich, als handele es sich um Spielgeld? Wer steckt hinter dem Peace Cup? Wie wird er finanziert? Es ist eine höchst sonderbare Geschichte. Darf man der Internetseite des Turniers glauben, steht hinter dem Peace Cup eine Vereinigung namens Sunmoon Peace Football Foundation. Weiter heißt es dort, dass ein Mann namens Sun MyungMoon dieses Turnier, das alle zwei Jahre stattfindet, gegründet habe. Was nicht dort erwähnt wird, aber mit ein paar Klicks im Internet mühelos nachprüfbar ist, ist der pikante Sachverhalt, dass jener Sun Myung Moon auch das Oberhaupt der religiösen Vereinigung Unification Church ist; er gilt als Sektenführer (…) Sun Myung Moon, 1920 in Jeongju geboren, erwies sich früh als religiöser Eiferer. Im Alter von 34 Jahren gründete er die „Vereinigungskirche“. Mit dem sektiererischen Gebilde wollte er sich zum Retter der Menschheit aufschwingen. Die Organisation ist seitdem berüchtigt als weltumspannende Geld- und Gehirnwaschanlage. Welch gefährliches Potenzial in Sun Myung Moon steckt, zeigte sich im Jahre 1975. Damals trat er in Südkorea vor eine riesige Menschenmenge und verkündete, dass er eine vereinigte Zivilisation der gesamten Menschheit anstrebe – mit dem Zentrum Korea.“

Die Zuseher wurden behandelt wie in einem Ostblock-Kaufhaus

Christoph Biermann (taz 10.7.) freut sich nicht auf die Sportschau. „In der Sportschau oder auch der guten alten Sportschau, wie Harald Schmidt derzeit beharrlich spottet, wurden die Zuseher behandelt wie in einem Ostblock-Kaufhaus jener Tage. Man musste anstehen, wusste nicht, was es gibt, und vor den leeren Regalen standen missmutige Verkäufer. Mein Bruder Claus und ich hatten dabei auch schnell unseren Lieblingsfeind ausgemacht. Fritz Klein vom NDR war offensichtlich so wichtig, dass er es nicht mehr für notwendig hielt, sich ordentlich vorzubereiten. Wahrscheinlich war es ihm aber auch nur zuwider, zwischen Jürgen Köper, Michael Lameck oder Heinz-Werner Eggeling und anderen Bochumern unterscheiden zu müssen. Die hatten zwar auch damals schon Rückennummern und waren auch sonst prima zu erkennen, aber wer wollte es schon genau wissen. Klein jedenfalls nicht. So saßen Claus und ich vor dem Fernseher, verspotteten ihn, wenn er mal wieder alle durcheinander würfelte, und fanden ihn schließlich beim damaligen Schnöselsport Golf bestens aufgehoben, wo er sich nicht die Namen von irgendwelchen kickenden Proleten aus dem Ruhrgebiet merken musste. Beharrlich waren die Moderatoren der Sportschau auch nicht dazu in der Lage, die Ortsnamen Bochum und Duisburg richtig auszusprechen. Bei Bochum sprachen sie die Vokale möglichst kurz aus, als würden sie sich sonst den Mund schmutzig machen, während sie in Duisburg die ersten beiden Vokale einfach nicht zu einem ü verschleifen mochten. Nun könnte man diese steinalten Beschwerden leicht unter der Rubrik beleidigtes Provinzlertum abbuchen (was es ja auch war), an der beklagten Haltung änderte sich in der Sportschau jedoch auch später wenig, weshalb mir die populäre Sehnsucht nach ihr stets völlig unverständlich war und ein Musterbeispiel falschen Erinnerns. Ich fand nie, dass es an der Sportschau irgendetwas zu vermissen gab, sieht man einmal von der Abwesenheit von Werbepausen ab. Die Sportschau war auch nie besser als ran, sie war nur anders blöd: spießig, muffig und arrogant, weil sie machen konnten, was sie wollten, und es keine Alternative gab. (Wobei hier gerne Dieter Adler, Ernst Huberty oder Fritz von Thurn und Taxis, der sich vor sehr vielen Jahren im Presseraum des Bochumer Ruhrstadions doch wirklich über den Heimverein erkundigte, ausgenommen seien.) Oder um es in Zeitungen zu übersetzen: Wenn ran die Bild-Zeitung wurde, entsprach die Sportschau dem Neuen Deutschland vor der Wende.“

Uefa bläst Uefa-Cup auf

Ob des neuen Uefa-Cup-Modus (ab Saison 04/05 Gruppenphase) ist Felix Reidhaar (NZZ 11.7.) skeptisch. „Das Ei des Kolumbus hat die Uefa-Exekutive entgegen der Ansicht ihres Präsidenten Lennart Johansson nicht gefunden. Der neue Uefa- Cup-Modus ist eine Zangengeburt. Im „Brutkasten“ der Testphase ist ihm keine grosse Überlebenschance zu bescheinigen, das Provisorium scheint offenkundig und ist den führenden europäischen Vereinen verständlicherweise ein Dorn im Auge. Noch im Vorjahr hatte die in Monte Carlo vorgestellte Idee einer Gruppenphase deshalb schwachen Sukkurs gefunden, weil viele eine Konkurrenzierung der abgespeckten Champions League für nicht opportun hielten. Nach langwierigen Konsultationen mit Vereinsvertretern Europas, die aus wirtschaftlichen Gründen Planungssicherheit favorisieren, ist nun ein von Kompromissen begleiteter Modus Procendi herausgekommen, der schwer an ein Zwittermodell erinnert. Es bedarf jedenfalls grosser Vorstellungskraft, sich von ihm erhöhten Spektakel zu versprechen.“

Roland Zorn (FAZ 11.7.) teilt dazu mit. „Europa will mehr, die Welt weniger Fußball sehen. Schön, daß an ein und demselben Tag die Uefa beschloß, den Uefa-Pokal wie einen Badering für Nichtschwimmer aufzublasen – und der Präsident der Fifa zum Wohle des Sports eine Reduzierung der nationalen Ligen forderte. Die Gegensätzlichkeit der Erweiterung hier und des Sparwillens dort zeigt eindrucksvoll, wie widersprüchlich die wichtigsten Advokaten des Fußballs seit je in eigener Sache argumentieren (…) Nach noch mehr Uefa-Cup dürstete es bisher so gut wie niemand, doch auf die nationalen Ligaspiele mit 18 Vereinen wie in Deutschland und Italien oder 20 Klubs wie in Spanien und England freuen sich die Fans massenhaft. Ihnen begreiflich zu machen, daß die Ligen eingedampft werden müssen, um noch mehr heiße Luft im Konföderationenpokal oder in der sogenannten Vereinsweltmeisterschaft zu produzieren, dürfte schwerfallen. Die Funktionäre jedenfalls begegnen in ihrem steten Reformeifer einem aus Erfahrung skeptischen Publikum. Bedient wurden am Donnerstag nur die eigene Klientel und der Wunsch nach besseren Geschäften. Damit aber haben weder der Uefa- noch der Fifa-Präsident den Interessen des Fußballs einen besonders wertvollen Dienst erwiesen. Alles beim alten belassen zu wollen klingt altmodisch, ist aber manchmal der bessere Weg, glaubwürdig zu bleiben.“

Thomas Kistner (SZ 11.7.) durchschaut Blatters Strategie. „Sepp Blatter lässt gerade wieder eine raus. Eine seiner gefürchteten Spontan-Träumereien zum höheren Nutzen des Weltfußballs – und der arbeitende Teil der Branche erleidet Bauchkrämpfe. Der Fifa-Boss will alle nationalen Ligen auf 16 Klubs reduzieren, eine revolutionäre Eingebung, die ihn so plötzlich und unerwartet traf wie der Herztod den Kameruner Nationalspieler Marc-Vivien Foe vorletzte Woche auf dem Spielfeld, inmitten eines Fifa- Turniers. Und nun gibt es auch noch Ärzte, die den Autopsiebefund öffentlich anzweifeln! Womit eine Stoßrichtung der Blatter-Offensive schon erkennbar wird: Zurückweisung jeder Mitverantwortung. Wer könnte denn eine Schuld haben an diesem tragischen Zwischenfall? Doch nicht die Fifa, will Blatter dem Gesamtbetrieb soufflieren. Das Übel liegt nicht beim Weltverband, der die besten Profis in der Sommerpause zu weiterem Turnierstress vergattert hatte, sondern bei den Klubs, die diesen Profis Gehälter bezahlen. Die Klubs protestieren gegen die Kürzung, die DFL kündigt härtesten Widerstand an. Doch müssten zumindest Branchenkenner allmählich wissen, was sich hinter derlei präsidialen Visionen verbirgt: Schnapsideen. Die Kunst, tragende Gedanken anzutäuschen, beherrscht Blatter perfekt. Insofern ist es überflüssig, sich mit dem Inhalt näher auseinander zu setzen. Eher hilft die Frage: Handelt es sich hier um eines jener Blatterschen Hirngespinste, die sogleich in sich selbst zusammenfallen – wie einst der famose Gedanke, alle Fußballgehäuse zu vergrößern, um das Spiel torreicher zu machen? Oder ist der Vorstoß jener Sorte Schnapsidee zuzurechnen, die man nicht unterschätzen darf, weil sich der Sepp daraus politische Vorteile erhofft? Wir tippen auf Letzteres.“

„Uwe Bindewald, fast 35, ist der Typ Vollprofi, dem die Frankfurter Fans auch manch absonderlichen Fehler nachsehen“ FR

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Champions League

Londoner Hierarchie scheint stabil, Chelsea gewinnt gegen Arsenal wieder nicht (1:1) – Real Madrid besiegt AS Monaco (4:2) in einem „rhythmisch hochstehenden Match“ (NZZ) – „AC Milan spielt, wie Real es gerne möchte“ (FAZ) – FC Porto, „reife und solide, nahezu perfekt organisierte Equipe“ (NZZ) u.a.

Einmal umsteigen
Die NZZ (25.3.) berichtet ein ausgeglichenes Londoner Derby: „Irgendwann hört der Spass auf. Zum Beispiel wenn man 120 Millionen Pfund in eine Fussball-Mannschaft investiert und trotzdem die Nummer 2 bleibt – selbst in der eigenen Stadt. Seit fünfeinhalb Jahren oder 17 Spielen hat der Chelsea FC, der Klub aus dem noblen Westlondoner Quartier, gegen Arsenal, den erfolgsverwöhnten Rivalen aus dem Norden, nicht mehr gewonnen. In dieser Saison verloren die „Blues“ im nationalen Geschäft alle drei Partien (jeweils 1:2). In der Meisterschaft wie im FA-Cup stand (und steht) Arsenal dem aufstrebenden Stadtrivalen und dessen russischem Investor Abramowitsch vor der Sonne. So bleibt nur der Umweg über Europa. Immerhin ist Letzterer vorderhand nur ein paar Kilometer lang und kann mit der U-Bahn (einmal umsteigen) bequem und schnell zurückgelegt werden. In sportlicher Hinsicht droht das Rückspiel der Champions-League-Viertelfinals in knapp zwei Wochen für Chelsea aber zu einer äusserst beschwerlichen Angelegenheit zu werden. Nach dem 1:1 im Hinspiel an der Stamford Bridge lachte nur eine Partei: Dank dem Auswärtstor befindet sich Arsenal auf Halbfinal-Kurs. Das von der lokalen Boulevardpresse wie gewohnt martialisch als „Battle of Stamford“ angekündigte Hinspiel bot eine erste Gelegenheit, die Hierarchie doch noch in Frage zu stellen. Und die Mannschaft des italienischen Coachs Ranieri machte schnell klar, dass das innerstädtische Duell eine wesentlich offenere Angelegenheit werden würde, als es die Statistik befürchten liess.“

Rhythmisch hochstehendes Match
NZZ (25.3.): „Das kostspieligste Fussballteam stemmt sich international gegen den schlechten Trend im eigenen Land. Real Madrid, zuletzt viermal hintereinander mindestens Champions-League-Halbfinalist, verwandelte in einem rhythmisch hochstehenden Match zweier technisch überdurchschnittlicher und kombinationssicherer Teams den vor der Pause eingehandelten Gegentreffer zu Recht in einen 4:2-Sieg. Es war in erster Linie der Klasse (und zunehmend stärkeren Wirkung) der Real-Individualisten Beckham, Figo, Zidane und Ronaldo sowie der neuerlichen Tempobeschleunigung in der zweiten Halbzeit zuzuschreiben, dass die Spanier schliesslich noch klar obenaus schwangen. Die beideseits offensive Grundeinstellung begünstigte ein spektakuläres Spiel mit Torchancen zuhauf, verursacht allerdings auch durch zwei Abwehrreihen mit erheblichen Mängeln. Beckham sah kurz vor Schluss seine herausragende Leistung durch eine Verwarnung getrübt, die ihm eine Spielsperre einträgt.“

Dirk Schümer (FAZ 25.3.) lässt sich vom AC Milan überzeugen: „Eigentlich könnte Javier Irureta, dem Trainer von Deportivo La Coruña, die Analyse des Viertelfinales der Champions League leichtfallen: Über 80 Minuten lang war seine Elf im gefürchteten Stadion von San Siro dem AC Mailand gewachsen, erarbeitete sich diverse Chancen und führte durch einen frühen Treffer von Pandiani 1:0. Ein schöner Rückblick. Wären da nur nicht die vermaledeiten neun Minuten direkt vor und nach dem Halbzeitpfiff gewesen. Der kollektive Blackout seiner Spieler in diesem Zehntel der Partie dürfte Irureta noch lange zu schaffen machen. Denn in dieser kurzen Spanne schoß der AC Mailand vier Tore – genug für einen überzeugenden Hinspielsieg. In Mailand hatte man gehörigen Respekt vor den Galiciern gehabt, nachdem Deportivo immerhin Juventus Turin, den Finalisten des Vorjahres und italienischen Meister, souverän ausgeschaltet hatte. Doch Juve ist in dieser Saison längst nicht so stark wie Milan. In Mailand weht ein anderer Wind als im letzten Jahr, als man einzig mit unansehnlichem Defensivstil und am Ende auch noch im Elfmeterschießen die europäische Trophäe errang. In dieser Saison hat sich das Starensemble zu einer regelrechten Tormaschine weiterentwickelt. Siebzehn Treffer aus den vergangenen fünf Spielen stehen zu Buche. Als Glücksfall erwies sich auch am Mittwoch im ausverkauften San Siro der einundzwanzigjährige Brasilianer Kakà, der in dieser Spielzeit eigentlich nur Erfahrungen sammeln und reifen sollte. Statt dessen hat der Mittelfeldspieler aus São Paulo alternde Weltstars wie Rui Costa flugs verdrängt und erzielt wie am Fließband Tore, an die er mit seinem Engelsgesicht selber nicht zu glauben scheint. (…) Tore vermögen ein Publikum zu verzaubern, das von der Finanzkrise des italienischen Fußballs mit einer skandalösen halben Milliarde Euro Steuerschulden genug hat. Das weiß auch der Klubeigner, Medienmogul und Ministerpräsident Berlusconi und befahl deshalb vor Wochen seinem vorsichtigen Trainer Ancelotti öffentlich ein Offensivspiel mit zwei Spitzen. Die Maßnahme wirkt.“

Reife und solide, nahezu perfekt organisierte Equipe

Beim 2:0 des FC Porto über Olympique Lyon spürt Georg Bucher (NZZ 25.3.) portugiesischen Stolz: „Die Nordportugiesen haben derzeit wenig Grund zum Lachen. Gemäss Statistiken ist die Erwerbslosigkeit rasant gestiegen. Sie nähert sich mit 200 000 Arbeitslosen in den Regionen nördlich des Rio Douro der 8-Prozent-Marke; die Spuren der Misere lassen sich nicht mehr kaschieren. Je unwahrscheinlicher eine Erholung wird, desto mehr scharen sich die Menschen um ihr Erfolgssymbol, den FC Porto. Selbst in südlichen Gefilden wächst die Sympathie für einen Klub, der sich trotz eher bescheidenen Mitteln im europäischen Konzert behauptet, den Krösus Manchester United aus dem Weg räumte und indirekt die Werbetrommel für die EM rührt. Randvoll war am Dienstag der „Bolhão“. Aus den alten Markthallen, die schon Maler inspirierten und Regisseuren als Bühne dienten, übertrug der Sender TV I ein populäres Unterhaltungsprogramm, eine Hommage an Porto, an die Stadt und den Verein. Ehemalige Cracks durften in Erinnerungen schwelgen, zeigten Bilder von unvergesslichen Fussballspielen. Marktfrauen und Fans manifestierten ihre Überzeugung, dass nicht nur die Hürde Lyon genommen, sondern nach 1987 wieder der Meistercup gewonnen werde. Vom „Bolhão“ ins „Estadio do Dragão“ nach San Siro und Gelsenkirchen? Es sieht jedenfalls danach aus, dass Porto und Milan, der Uefa-Cup-Sieger und der Champions-League-Gewinner 2003, die Magier Deco und Kaká sich auf halbem Weg zum Final begegnen werden. Dann wären die Portugiesen wie schon gegen ManU Aussenseiter, aber nicht chancenlos. Gegen Lyon zeigten sie die Vorzüge einer reifen und soliden, nahezu perfekt organisierten Equipe. (…) Ricardo Carvalho wurde in den Zeitungen ein imperialer Auftritt bescheinigt; die Kommentatoren stellten ihm Angebote der Crème de la Crème des europäischen Fussballs in Aussicht.“

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Der kicker hält Bayern München für das Thema der Woche und weiß nicht, warum

Obwohl sich diese Woche durchaus Alternativen als Aufmacher angeboten hätten (Rudi Völlers Vertragsverlängerung, Bayer Leverkusen, Werder Bremen, Borussia Dortmund), referiert Karlheinz Wild ein Gespräch mit Franz Beckenbauer im kicker-Thema der Woche. Worum geht es also dem Autoren in seiner Analyse? Was rechtfertigt es, das Thema Bayern München in die exponierte Stellung zu rücken? Eine schonungslose Darstellung der sportlichen Durststrecke? Eine Ursachenforschung über die Krise des Deutschen Meisters nach vier sieglosen Ligapartien in Folge? Eine Konfrontation Beckenbauers mit seinen eigenen Aussagen und Zielformulierungen? Einen kritischen Hinweis darauf, die Bayern mögen die Bundesliga nicht als Vorbereitung für höhere Aufgaben auf internationalem Parkett betrachten?

Fehlanzeige. Wer den Artikel liest, wird eine fachmännische Analyse der sportlichen Situation ebenso vermissen wie kritische Worte zur Lage. Der Autor schleicht um Thema und Aussage („gemach, gemach“). Stattdessen thront über allem das Diktum des offenbar leicht genervten Beckenbauer: „Dann werden wir halt nur Fünfter“. Der Szenekenner weiß jedoch zweierlei: Erstens würde sich der FC Bayern am Saisonende nicht einmal mit Platz 2 zufrieden geben. Zweitens kennt man die Halbwertszeit der Aussagen des Bild-Kolumnisten, der im Übrigen den UEFA-Cup – zu welchem Platz 5 gereichen würde – bei jeder Gelegenheit als „Cup der Verlierer“ abkanzelt. Es hätte sich für Wild an dieser Stelle durchaus die Gelegenheit ergeben nachzuhaken oder zu kommentieren. Jedoch fügt sich der Autor willfährig seinem Gesprächspartner und orientiert sich ausschließlich an dessen Aussagen. Daraus resultiert eine überaus nach- und vorsichtige Behandlung desjenigen Vereins, der immer wieder vorgibt, unerschütterliche Stärke zu verkörpern.

Es bleibt die hypothetische Frage zu stellen, wie mit anderen Vereinen in einer solchen Situation umgegangen wäre. Hätte man Bayer Leverkusen – oder einen anderen der „aufmüpfigen Widersacher (!)“ (Wild) – derart verschont, wenn sie als zunächst selbstbewusst auftretender Tabellenführer aus zwei Heimspielen gegen Nürnberg und Wolfsburg lediglich zwei Punkte geholt hätten? Hätte der Leser nicht wieder das Verliererimage des „Plastikklubs“ präsentiert bekommen, immer in entscheidenden Momenten zu versagen? Zu erinnern ist auch an die knallharte Abrechnung mit den Spielern der deutschen Nationalmannschaft (kicker 11.10.) im Anschluss an das 0:0 gegen Finnland (von der übrigens der einzige Bayern-Spieler Kahn verschont wurde). Zudem bleibt die Frage nach den redaktionellen Richtlinien des marktführenden Fußballmagazins. Ein Leitartikel sollte eigentlich das Herzstück kritischer und distanzierter Berichterstattung sein. Der kicker lieferte dieses Mal sein diesbezügliches Forum einem Funktionär aus und gab diesem somit die Möglichkeit, sich und seinen Verein in seinem Interesse darzustellen. Als ob es diesem an einer Bühne mangeln würde.

dazu ein Zitat von Uli Hoeneß

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Bundesliga

Felix Magath, Stuttgarts Trainer mit „eine populär-pädagogische Ader“ (FAZ) lässt seine Spieler stramm stehen – Bayer Leverkusen tritt kürzer (SZ) – Werder Bremen lässt sich nicht über den Tisch ziehen (SZ) u.a.

Thomas Kistner (SZ 13.2.) staunt über die Erziehungspraxis Felix Magaths, der seine Spieler 90 Minuten stramm stehen lässt: „Wie einst der Löwen-Trainer Max Merkel nach einer happigen Niederlage seine Profispieler im Training eine Viertelstunde lang, angeblich zur „Lockerung der Nackenmuskulatur“, die Köpfe hin und her schütteln ließ, um sie dann aufzuklären: „So müsst ihr antworten, wenn euch jemand fragt, ob ihr Fußballspielen könnt!“ Ein Klassiker; immer wieder gern erzählt. Die hübsche Lästerei hat sich in den sechziger Jahren abgespielt, und dass die Erinnerung daran fast die ganze Bundesliga-Historie überdauert hat, belegt nebenbei, wie schwierig es ist, im allzeit wild bewegten Kickergewerbe mit disziplinarischen Schritten auf die Ewigen-Liste vorzustoßen. Nun endlich hat Merkel, der zu seiner Zeit gern als Dompteur und Peitschenschwinger beschrieben wurde, seinen Jünger gefunden: Den Mann, den sie Quälix nennen. Zwar trägt Felix Magath diesen Spottnamen schon länger, doch erst mit der pädagogischen Sofortmaßnahme nach dem 0:1 seiner Stuttgarter Kicker bei Hertha BSC hat er ihn auf ewig in der Branche zementiert. Coach Magath ließ die Spieler sich umziehen, draußen auf dem Trainingsplatz einen Kreis bilden – dann hieß es stillgestanden. 90 Minuten lang, bei Temperaturen um den Gefrierpunkt. Eine arg erfrischende Maßnahme, ganz dem Gedenken an jenes 90-minütige Standfußballspiel gewidmet, das die Mannschaft in Berlin abgeliefert hatte. Der Gefahr, mit der revanchistischen Übungseinheit gegen die Genfer Menschenrechtskonvention zu verstoßen, hatte Magath vorgebeugt, indem er die Zeit für eine Ansprache nutzte, die sich in zentralen Teilen mit der Auswirkung von kollektiver Selbstüberschätzung plus individueller Nachtschwärmerei auf das Leistungsvermögen bei der Arbeit in öffentlich zugänglichen Fußballstadien auseinander setzte.“

Der Mann hat eine populär-pädagogische Ader

Auch Christian Eichler (FAZ 12.2.) reißt die Augen auf: „Endlich Innovatives im deutschen Fußball: Stehen im Kollektiv, neunzig Minuten lang. Daß seine Spieler das konnten, wußte Felix Magath. Er hatte es zwei Tage vorher bei der Niederlage in Berlin gesehen. Standfußball dort, Standpauke hier – man sieht: Der Mann hat eine populär-pädagogische Ader. Ob das beim Fußballer ankommt, bleibt abzuwarten. Beim Fan ist mit Zustimmung zu rechnen. Verhätschelte Stars mal wie kleine Jungen dumm rumstehen lassen, das bedient volksnahe Stimmungen. Und die muß gerade ein Trainer heutzutage beachten: Wenn nicht Spiele gewinnen, dann wenigstens Sympathien. Einer von Magaths Vorgängern in Stuttgart, Winfried Schäfer, scheiterte, weil die Fans ihn nicht wollten. Politisch war die Steh-Idee also nicht blöde. Pädagogisch vielleicht auch nicht. Manchmal gewinnt man gerade durch Statik Dynamik. Wenn Verhaltens- und Verständigungmuster sich verfestigt haben, hilft das Überraschende: Spieler zum Lauftraining bestellen und sie dann stehen lassen, anderthalb Stunden lang, knapp über dem Gefrierpunkt. Erlebnispädagogik mal anders (…) Das satirische Potential der Stand-Pauke und möglicher Nachfolge-Aktionen ist erheblich. Etwa nach der nächsten Niederlage durch Stürmerschwäche: neunzig Minuten Verstecken auf dem Spielfeld. Oder nach einer Schlappe durch Abwehrversagen: neunzig Minuten Schwimmen im Strafraum. Hoffentlich haben alle den Fahrtenschwimmer.“

Es gibt hier zwei Diskussionen am gleichen Objekt

Christoph Biermann (SZ 12.2.) befasst sich mit der Lage Bayer Leverkusens: „Es wirkte in den letzten Tagen so, als wäre der Kalender zwölf Monate zurückgestellt. Auf einmal donnerte es wieder in rheinischem Idiom aus Leverkusen wie zu finstersten Zeiten des Abstiegskampfes in der Vorsaison. Da waren die „Krankheit fehlender Selbstkritik“, das „La-Paloma-Gekicke“ und andere Klassiker aus dem Vokabular des Meisters der Starkrede zu hören. Staunend stellte man fest: Calli ist back! Wie ein wütender Bär, den man aus dem Winterschlaf geweckt hatte, stürzte Reiner Calmund vor die Kameras und machte sich über seine Mannschaft her. Am Dienstag drohte der Geschäftsführer den Spielern bei einer Besprechung mit Gehaltskürzungen. „Das war ein Warnschuss“, sagte er hinterher. Doch was ist eigentlich los in Leverkusen? Hatte sich Calmund nur gelangweilt, so gemütlich zurückgezogen in die zweite Reihe nach seiner Holter-die-Polter-Eheschließung mit der dritten Gattin Sylvia? Oder beginnt gerade die Apokalypse unterm Bayer-Kreuz? Wird Leverkusen das neue Dortmund? Erleben wir ein „Bayer-Beben“ (Express), oder wurde nur der „Watte-Hammer“ (Kölner Stadtanzeiger) herausgeholt? „Es gibt hier eigentlich zwei Diskussionen am gleichen Objekt“, sagt Wolfgang Holzhäuser, der Finanz-Geschäftsführer von Bayer Leverkusen. Die angekündigte 50-prozentige Kürzung der Personalkosten bis 2006 ergibt sich aus einem mittelfristigen Geschäftsplan, „der bereits Mitte vergangenen Jahres aufgestellt wurde“. Die geplante Halbierung der Bezüge folgt den gesunkenen Fernseheinnahmen nach der Kirch-Krise sowie einem Rückgang des Ertrags im internationalen Geschäft. Neu ist das alles nicht. „Wir hatten unsere Planungen nur noch nicht publik gemacht“, sagt Holzhäuser. Dass sie jetzt in der Öffentlichkeit verhandelt werden, hat mit einer sportlichen Krise zu tun. Nicht nur Calmund erkannte „Wiederholungstäter“ auf dem Platz, als sich die Leistungen zuletzt immer mehr denen des desaströsen Vorjahrs anglichen. Aus dem Traum von der Meisterschaft wurde die Sorge, in der kommenden Saison erneut keine internationalen Spiele bestreiten zu können. „Und damit bestünde die Gefahr, dass wir in einen Teufelskreis geraten“, sagt Bayer-Manager Ilja Kaenzig. Dieser würde angesichts fehlender Einnahmen in einem Verkauf teurer Spieler und einer Schwächung sportlicher Substanz bestehen, was wiederum internationale Ambitionen weiter gefährden würde.

Die Leute haben die Schnauze voll vom Gepoker der Spieler

Jörg Marwedel (SZ 11.2.) lobt Bremer Standhaftigkeit: „Jürgen L. Born, der Vorstandsvorsitzende der Werder Bremen GmbH Co KG auf Aktien, lässt sich ungern vorwerfen, nicht alles versucht zu haben. „Wir reden nicht von kleinen Prozentsätzen, sondern von Malnehm-Übungen“, sagt der Kaufmann, wenn die Rede auf die Vertragsverhandlungen mit den Fußballprofis des Bundesliga-Tabellenführers kommt und die Frage gestellt wird, ob man sich womöglich zu wenig bewegt habe. Drei dieser Profis – Ailton, Mladen Krstajic und Krisztian Lisztes – werden den Klub am Saisonende verlassen, des Geldes wegen und trotz mehrmaliger Aufstockung der Angebote. In dieser Woche droht der Verlust der vierten Stammkraft. Dann spricht Sportdirektor Klaus Allofs erneut mit Stürmer Ivan Klasnic, 24, über einen neuen Kontrakt, und viel deutet darauf hin, dass die Vorstellungen auch hier zu weit auseinander liegen. Oder dass, wie Born unkt, „auch noch Ivans Hund knurrt, er wolle eine Luftveränderung“. Schließlich buhlen Leverkusen, der Hamburger SV und Schalke 04 um den „cleveren Jungen“ (Allofs), der angeblich weit über eine Million Euro im Jahr verdienen möchte. Und weil auch Klasnic kein Durchschnittskicker ist, sondern nach Allofs’ Einschätzung „auf dem Weg zum absoluten Topstürmer in der Bundesliga“, erscheint die Lage beim Titelkandidaten inzwischen so dramatisch, dass Skeptiker schon vom „Zerfall der Erfolgself“ sprechen und die besorgten Führungsspieler Frank Baumann und Johan Micoud Auskunft begehrten, wie es weitergehe bei einem solchen Aderlass. Allofs steht unter Erwartungsdruck wie noch nie in seiner bald fünfjährigen Amtszeit an der Weser. Doch der frühere Nationalspieler begegnet den Aufgeregtheiten mit demonstrativer Gelassenheit. „Die Menschen“, sagt er, „haben immer Angst vor Veränderungen. Und wenn man Erster ist, ist die Tendenz, alles konservieren zu wollen, noch ausgeprägter.“ In so einem Satz steckt viel Überzeugung vom eigenen Können (…) Angst vor aufgebrachten Fans müssen die Bremer übrigens angesichts der Spielerverluste nicht haben. Während die glühendsten Anhänger des Klubs früher vehement forderten, die Stars mit allen Mitteln zu halten, gingen zuletzt zahlreiche Briefe auf der Geschäftsstelle ein, in denen Verständnis für die eher konservative Haltung der Klubführung geäußert wird. „Die Leute“, sagt Vorstandschef Born, „haben die Schnauze voll vom Gepoker der Spieler.““

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Spieler als Gebrauchtwagen?

Bundesliga: Sonntagsspiele in Bochum und Bremen – Schiedsrichterdebatt wird weiterhin hitzig geführt – Stefan Effenberg im Spiegel der Qualitätspresse – Spieler als Gebrauchtwagen? – Fußball und Medien – heimatlose Brasilianer (mehr …)

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Position des Spielmachers zeitgemäß ausgefüllt

Peter Unfried (Spiegel-Online) bricht eine Lanze für Stefan Effenberg. „Nur falls das in all der Häme ein bisschen untergegangen sein sollte: Effenberg war einige Jahre eine singuläre Erscheinung im deutschen Fußball – der stärkste, aber auch umstrittenste Führungsspieler seit Jahrzehnten. Und – nach Matthias Sammers frühem Ende – der beste deutsche Feldspieler seiner Generation, der einzige Weltstar, den der deutsche Fußball am Ende der neunziger Jahre noch aufzuweisen hatte. Er hat den FC Bayern nicht nur zu drei deutschen Meistertiteln in Folge geführt. Ohne ihn hätte sich niemals der sehnlichste Wunsch der Clubchefs erfüllt – der Gewinn der Champions League 2001. Entscheidend war seine fußballerische Klasse und dazu die psychische Professionalität, um erstere bei höchstem Druck auch umzusetzen. Effenbergs Klasse bestand darin, die Position des Spielmachers zeitgemäß auszufüllen. Einerseits schwärmten manche nostalgisch-naiv noch immer von Günter Netzer (Wolfgang Overath und Bernd Schuster) oder riefen mal den meist am rechten Rand agierenden Thomas Häßler, mal den mit dem Rücken zum Gegner spielenden Andreas Möller zum Spielmacher aus. Andererseits hatten international längst unspektakuläre, aber effektive Profis wie Didier Deschamps und Carlos Dunga die Spieleröffnung übernommen. Effenberg stand relativ solitär da, denn er war beides – zentral vor der Abwehr ein solider Ballgewinner. Und ein Künstler, der als einer von ganz wenigen selbst gegen eine formierte Abwehr einen Ball spielen konnte, der eine Situation entscheidend veränderte. Auch wenn die Balleroberung beim VfL Wolfsburg verstärkt Aufgabe von Kollegen wie Miroslav Karhan, Hans Sarpei oder Pablo Thiam geworden war: Diese Bälle hat er immer noch gespielt. Zumindest in der Hinrunde. Manchmal musste man beim Zusehen aufstöhnen vor Ehrfurcht. Nun spielt sie keiner mehr.“

Überschätzte Karriere

Anmerkung (of) im Hinblick auf den sportlichen Stellenwert Effenbergs, der in den zahlreichen Analysen der letzten Tage um dessen Charakter offenbar als immens vorausgestzt wird: Aus meiner Sicht werden Wirken und Karriere von Effenberg nach wie vor überschätzt. Schließlich hat er im Gegensatz zu Häßler und Möller zu seinen besten Zeiten darauf verzichtet, das Trikot der deutschen Nationalmannschaft zu tragen. Warum findet dieses Faktum keine Erwähnung? Neben Ehemaligen wie Sammer und Kohler oder Aktiven wie Beckham und Kahn verblasst er. Zudem kann ich mich an schwache Auftritte Effenbergs in entscheidenden Spielen (Barcelona 1999, Hamburg 2001) erinnern. Fazit: Sicherlich ein sehr guter Fußballer und Charakterspieler, aber eben kein ganz Großer. Dazu fehlen ihm mindestens 30 Länderspiele respektive ein gutes WM/EM-Turnier.

Als Mensch ist er ein A

Martin Hägele (NZZ 8.4.) blickt zurück. „Im Grunde genommen wurde in der Norddeutschen Tiefebene nur jener natürliche Altersprozess fortgeschrieben, der über ein Jahr zuvor schon in München im Olympiastadion und auf dem Trainingsgelände an der Säbener Strasse zu beobachten gewesen war. Dass im Briefkopf des Rekordmeisters bisher erst 17 Meistertitel stehen und die Silberschale im vergangenen Jahr nach Dortmund gegangen ist, erklären manche Bayern- Professionals mit der Tatsache, dass ihr Spielmacher nach einer längeren Verletzungspause durch die Rückrunde mitgeschleppt werden musste: aus Anerkennung für dessen Verdienste beim Gewinn der Champions League in der Saison zuvor. Schon damals hat ein bekannter Internationaler den Kollegen Effenberg im kleinen Kreis einmal so beschrieben: „Als Mensch ist er ein A…, aber jeder ist froh, wenn er Effenberg in seiner Mannschaft oder als Captain hat.“ Vor Einsatz, erst recht vor Verantwortung auf dem Platz hat sich der grosse Blonde nie gedrückt. Dazu brauchte er nicht einmal solch optische Signale wie einen in die Frisur tätowierten Tigerkopf – was Fussballcharakter betrifft, hat es in Deutschland nicht viele gegeben, die es dabei mit Effenberg hätten aufnehmen können. Doch Fussballcharakter lässt sich nicht konservieren, Respekt und Akzeptanz muss man sich in dieser Branche, erst recht im Alter, immer wieder aufs Neue verschaffen. Die Kluft zu den Ansprüchen, der ehemalige Weltstar könne den VfL Wolfsburg wenn nicht gleich in die europäische Königsklasse, dann aber wenigstens ins internationale Geschäft führen, ist mit der Zeit immer grösser geworden, zuletzt unüberwindbar. Diese Ziele hat Manager Pander nun auf die nächsten drei Jahre verschoben; Trainer Röber wird dem Team dafür eine ganz andere Struktur verpassen, vor allem wird er das Kader um einiges verjüngen müssen. Das Experiment, ein im FC Bayern ausrangierter Topstar tauge noch allemal als Chef eines Provinzorchesters ist jedoch nicht so fehlgeschlagen, wie es Effenbergs Kritiker jetzt gerne darstellen. Noch nie in der Geschichte des VfL Wolfsburg ist so viel aus dieser fussballerischen Diaspora berichtet worden wie in den 229 Tagen, in welchen Stefan Effenberg das grüne Hemd der Autobauer getragen hat.“

Effenbergs Abschied aus Wolfsburg

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Existenzkampf

Jürgen Leinemann Alfred Weinzierl (Spiegel 19.5.) beschreiben die Bundesliga-Verantwortlichen im wirtschaftlichen Existenzkampf. „In der sich rasant wandelnden Gesellschaft fallen die Gegensätze im Fußball-Geschäft besonders auf. Kaum irgendwo trifft modernes Management so krass auf patriarchalisch-feudale Strukturen wie in der Bundesliga. Da ist etwa der Teppichhändler Michael A. Roth, 67, Präsident des traditionsreichen 1. FC Nürnberg, der 1994 zum zweiten Mal den Vorsitz des Vereins übernahm und damit die Existenz des damals mit 28 Millionen Mark verschuldeten Clubs rettete. Besuchern zeigt Roth gern sein handgeknüpftes Wandteppich-Porträt, das gerahmt im Konferenzraum neben Club-Mannschaftspostern hängt: Gucken Sie mal, wie besonders hochwertig mein Bild gearbeitet wurde. Roth, gut 1,60 Meter groß, ist der Prototyp des Selfmademans, der wie ein Gutsherr regiert. Seine Erfolge seien begründet in immer währender Arbeit. Roth: Ich kann nur Leute gebrauchen, die keine Uhr kennen. Er selbst findet sich ohne Makel: Schwächen, muss ich sagen, habe ich eigentlich keine. In zwei Amtszeiten verschliss er zwölf Trainer. Der Vizepräsident und Schatzmeister ist Geschäftsführer in Roths Firma. Die Bilanzen des Vereins laufen quasi parallel zu jenen von 138 Teppichbodenfilialen. Roth wohnt in einer schlossähnlichen Villa mit fünf Türmen in Rückersdorf bei Nürnberg. In einem begehbaren Kleiderschrank hängen Hunderte Maßanzüge. In jedem Anzug steckt ein kleines Zettelchen, wann er den Anzug das letzte Mal getragen hat. Ich trage keinen Anzug zweimal im Jahr. Von Fußball, sagen Roths Kritiker und Weggefährten, habe er keine Ahnung. Als Gegenbeispiel bietet sich Bernd Hoffmann, 40, an, zuvor 13 Jahre beim Sportvermarkter Ufa, seit Februar Vorstandschef des Hamburger SV. Nach Durchsicht der Bücher entdeckte er ein Minus aus dem operativen Geschäft der laufenden Saison von 12,5 Millionen Euro. Veranschlagt war für das Spieljahr eine schwarze Null. Sein Fazit: Von den Managementstrukturen her war der HSV sicher nicht Uefa-Cup-reif. Gefragt, ob er wusste, dass er in Hamburg als Sanierer antreten müsste, spottet Hoffmann: Ich finde, ich trete hier nicht als Sanierer an, sondern als Kunstturner. Ich übe hier nämlich einen Spagat. Einerseits müsse er die notwendigen Kosteneinsparungen vornehmen, andererseits das sportliche Niveau halten oder zumindest Strukturen schaffen, um in zwei, drei Jahren wieder dahin zu kommen, wo der Club sich am liebsten sieht – oben. In den anderen Bundesliga-Vereinen, das unterscheidet ihn von vielen altbekannten Kollegen, sieht er eher wirtschaftliche Partner als Konkurrenten; Verantwortung zu delegieren, hält er für eine Notwendigkeit. Anfangs musste sich der Diplomkaufmann des Makels mangelnden Stallgeruchs erwehren. Inzwischen sind die Hanseaten ein bisschen stolz auf ihre dynamische Neuerwerbung. Doch ist das Alte aus der Bundesliga keineswegs mit Roth und seinem 1. FC Nürnberg verschwunden. Auch 1860 München wird von Karl-Heinz Wildmoser senior und Karl-Heinz Wildmoser junior nach Gutsherrenart geführt. Die Tradition wird nicht genutzt. Die Fans sind vergrätzt. Alle Umsturzversuche scheiterten. Präsident Martin Kind von Hannover 96, Besitzer einer Kette von Hörgerätegeschäften, rettete den Verein mit viel Engagement und einigem privatem Geld vor dem Untergang. Jetzt betrachtet er den Club und den jeweiligen Trainer wie sein Eigentum. Die Last von 15 Millionen Euro Verbindlichkeiten trägt der VfB Stuttgart aus der 25-jährigen Regentschaft des inzwischen abgedankten Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder. Als der VfB vor gut zwei Jahren einen neuen Manager einstellen musste, wollte der frisch inthronisierte Präsident Manfred Haas einen erfahrenen, teamfähigen Profi. Da fiel ihm kein anderer ein als der 20-malige Nationalspieler Rolf Rüssmann, der sich schon als Bundesliga-Vorstopper daheim in Gelsenkirchen ein Büro eingerichtet hatte, um den Umstieg zum Manager zu üben. Acht Jahre durfte Rüssmann Sportdirektor von Borussia Mönchengladbach sein. Dann ließ Präsident Wilfried Jacobs ein Gutachten über sein Wirken anfertigen. Ein Düsseldorfer Wirtschaftsprüfer kam dabei in seiner siebenseitigen Mängelliste zu dem Urteil, Rüssmanns Arbeit sei Dilettantismus pur und ein Lehrbuch für Missmanagement. Das sah Rüssmann ganz anders. Und auch als er Ende vergangenen Jahres nach 22 Monaten als VfB-Manager entlassen wurde, fühlte er sich als Opfer einer Art Spätzle-Connection, einer schwäbischen Seilschaft, die ihn ausschalten wollte. Doch Kritiker sagen: Rüssmann riss alles an sich. Er hielt sich nicht an abgesprochene Entscheidungen. Er eröffnete täglich neue Baustellen und schloss keine ab. Er wusste alles besser. Auch Schalke 04, der Traditionsverein mit der futuristischen Arena, wird von einem Mann von gestern geführt – Rudi Assauer. Für das Projekt Arena auf Schalke hat er einen fähigen Geschäftsführer. Er selbst ist zuständig für Knatsch mit Spielern und Fehleinschätzungen wie bei der Wahl des Trainers Frank Neubarth.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Bundesliga

„mühsam wehrt sich Werder Bremen gegen die Gratulationen zum Titelgewinn“ (SZ) – Jürgen Röbers „Rumpelstilzchen-Auftritt vor laufenden Kameras“ (FAS) – 1860 München: „Ist Karl Auer nur eine Marionette seines Vorgängers?“ (FAS) u.v.m.

VfL Wolfsburg – Werder Bremen 0:2

Ja, wir werden Meister

Frank Heike (FAZ 23.3.) erlebt Bremer Vorfreude und Zurückhaltung: „Thomas Schaaf schaute grimmig. Wer so etwas sagt, muß sich über die Konsequenzen im klaren sein. Hatte jemand die Taktik des Trainers kritisiert? Hatte es Streit zwischen Spielern in der Kabine gegeben? Was war passiert, was den Trainer von Werder Bremen so ärgerte und mit Konsequenzen drohen ließ? Das war geschehen: Valérien Ismaël war nach dem Spiel in die Kabine gelaufen, wähnte sich unbeobachtet und rief dabei die Worte: Deutscher Meister! Mindestens zwei Spieler stimmten ein, aber sie blieben inkognito, weil eine Tür sie von der Identifizierung durch neugierige Blicke trennte. Der unvorsichtige Ismaël war einfach stolz gewesen, daß Bremen gewonnen hatte und nun elf Punkte mehr hat als der FC Bayern München. Aber gerade der Franzose darf solche Gefühle zeigen: Er ist in Sachen Entschlossenheit und Kampfkraft der Bremer Vorzeigespieler dieser Saison und steht symbolisch für die glänzenden Leistungen der Mannschaft von Thomas Schaaf. Zur Überheblichkeit neigt er nicht. Aber nicht einmal ihm wollte Schaaf verfrühte Freude erlauben. Die Aufregung um Ismaëls Bekenntnis zum Titel war insofern etwas unverständlich, als daß außerhalb Bremens doch niemand mehr daran zweifelt, daß Werder deutscher Meister wird. Es wird also auch keine wirklichen Konsequenzen geben für Ismaël. Nur waren am Sonntag in der Volkswagen Arena zum ersten Mal in dieser Serie unterschiedliche Wahrnehmungen der Dinge bei Profis und Verantwortlichen festzustellen: Während Schaaf und Sportdirektor Klaus Allofs bremsten und warnten, wo sie konnten, ließen einige Spieler ihren Gefühlen freien Lauf. Sie sind sich nach dem siebten Sieg im achten Spiel der Rückrunde sicher, den Titel zu holen. Fabian Ernst etwa grinste die Fragesteller an, und dieses Grinsen sagte: Ja, wir werden Meister. Was er tatsächlich sagte, war aber etwas anderes: Wir Meister? Da müssen sie den Manager fragen. (…) Wie zuletzt bekämpfte Werder erfolgreich alle Widerstände. Dieses Mal kamen sie mehr aus den eigenen Reihen denn vom Gegner. Ailton vergab nämlich einen Elfmeter und wenig später eine beste Torchance. Danach wurde Ailton ausgewechselt. Sein Gang zur Bank war garniert von allerlei Liebkosungen der Kollegen; Ismaël lief fünfzig Meter, um Ailton über den Kopf zu streicheln und ihn derart zu trösten. So dokumentiert man Mannschaftsgeist.“

Rumpelstilzchen-Auftritt vor laufenden Kameras

Frank Heike (FAS 21.3.) hört und sieht Wolfsburger Ärger: „Seit einer Woche hat auch der VfL Wolfsburg seine Trapattoni-Rede. Sie ist nicht ganz so kultig, weil sie in besserem Deutsch vorgetragen wurde. Doch Jürgen Röbers Sätze nach dem 2:4 bei Bayer 04 Leverkusen können es durchaus mit der legendären Flasche leer-Suada des ehemaligen Bayern-Trainers von 1998 aufnehmen. Beide Male mußte ein ohnmächtiger Trainer Dampf ablassen, nachdem ihn die schwachen Leistungen seiner Mannschaft zur Weißglut getrieben hatten. Bei Röber klang die Bewertung des Wolfsburger Abwehrverhaltens am letzten Samstag so: Das war eine Katastrophe, amateurhaft, Schwachsinn. Da sitzt du draußen auf der Bank und fragst: Was machen die eigentlich da? Tatsächlich traute sich jemand nachzufragen, ob Röbers (zu) offensives System nicht Grund allen Übels der im Mittelmaß festhängenden teuersten Wolfsburger Mannschaft aller Zeiten sei. Das war mutig. Röber antwortete, wutentbrannt: Die Sabbelei vom Offensiv-Fußball kotzt mich an!Man hat sich ein wenig erschrocken bei der VfL Wolfsburg Fußball GmbH, einer neunzigprozentigen Tochtergesellschaft des Volkswagen-Konzerns. So ein Rumpelstilzchen-Auftritt vor laufenden Kameras – mag er bei 46 Gegentoren und immer wiederkehrenden grotesken Fehlern der Verteidiger aus Trainers Sicht auch verständlich sein –, das möchten die Herren der GmbH von ihrem leitenden Angestellten Röber nicht noch einmal erleben. Also trafen sich Röber und Manager Peter Pander Anfang der Woche und besprachen das weitere Vorgehen. Niemand möchte so zitiert werden, aber Röber ist unmißverständlich klargemacht worden, daß solche Ausraster schlichtweg nicht akzeptabel seien. Mancher in Wolfsburg hat daraus die Entmachtung Röbers abgeleitet und einen weiteren Riß im Verhältnis zwischen Trainer und Manager ausgemacht. Die Wolfsburger Allgemeine Zeitung druckte Röber nebeneinander in groß, mittel und klein, um den schleichenden Autoritätsverlust zu illustrieren. Ganz so schlimm ist es nicht; Pander und Röber pflegen ein normales Arbeitsverhältnis. Aber Panders Wunschkandidat ist Röber nie gewesen – er hätte lieber Morten Olsen geholt, doch der winkte vor rund einem Jahr ab: Wolfsburg sei keine Stadt, in der er leben wolle.Beim millionenschwer verstärkten VfL geht es längst nur noch darum, die Serie halbwegs vernünftig zu Ende zu spielen, vielleicht einen Platz im UI-Cup zu ergattern. Von der langfristigen Planung, bis 2007 in die Champions League zu kommen, spricht niemand mehr.“

1860 München – SC Freiburg 1:1

Niemandem weh tun, schön allgemein bleiben, nur nicht konkret werden

Thomas Becker (FR 23.3.): „Sitzordnung kann grausam sein. Statt ausgelassenem Feiern: Arthrose-Stories der Nachbarin; statt flirten mit der Hausherrin: ernste Gespräche mit dem Vater der Braut – kein Spaß, das. Im Münchner Olympiastadion passiert es schon mal, dass sich bei einem Bundesligaspiel ein Fan auf die Pressetribüne verirrt. Dort sitzt er nicht so entspannt wie der qua Beruf neutrale Reporter. Fan schreit, krakeelt, schimpft, und das 90 Minuten lang. Plus Pause. Das ist anstrengend, gibt aber die Stimmung in der Kurve wieder. Ein Auszug: Wennst di zwoa Stund ärgern willst, brauchst nur do hergehn, do muaßt scho Masochist sei. 1860 München, ein Club der Masochisten? Allzu groß scheint diese Bevölkerungsgruppe nicht zu sein: Nur 19500 wollten sich am Sonntag selbst quälen, zu wenig für so ein wichtiges Spiel, befand Karl Auer, der neue Präsident. Da hat er recht. Und wenn man seinen beachtlichen Medien-Output an diesem Tag anschaut, wird klar, dass genau das sein Ziel ist: Niemandem weh tun, schön allgemein bleiben, nur nicht konkret werden. (…) Von Auer sind mutige Schritte nicht zu erwarten. Der sagt lieber Sätze wie diesen: Die Zukunft steht vor uns, wir müssen jetzt alle nur härter arbeiten. In seinem ersten Spiel als Vereinschef hielt er sich ans Gewohnte und nahm genau dort Platz, wo er das immer tut: Reihe 9, Platz 5. Die Wildmoser-Plätze blieben leer. Niemand hatte nach ihnen gerufen, kein Plakat ihre Rückkehr beschworen. Auf einem Bettlaken stand allerdings: Wir wollen wieder Löwen – Neuanfang mit Lorant. Bewahre!“

Strohmann

„Ist Karl Auer nur eine Marionette seines Vorgängers?“, fragt Elisabeth Schlammerl (FAS 21.3.): „Den 56 Jahre alten Geschäftsmann hatte nach dem Rücktritt von Karl-Heinz Wildmoser niemand auf der Rechnung, vor allem weil es bessere Kandidaten gegeben hätte als den öffentlichkeitsunerfahrenen und wenig eloquenten Auer. Schon deshalb ist es naheliegend, daß der scheidende Präsident es als letzte Amtshandlung geschafft hat, einen ihm genehmen Nachfolger bestellen zu lassen. Er dürfte sogar leichtes Spiel gehabt haben, weil der zuvor gehandelte ehemalige bayerische Kultusminister Hans Zehetmair offenbar hatte wissen lassen, nicht unbedingt an vorderster Front stehen zu wollen. Auer mußte sich deshalb spätestens nach dem Scheitern der Verhandlungen mit Rolf Rüssmann vorwerfen lassen, eine Marionette Wildmosers zu sein, ein Strohmann. Die Reformer setzten ihre Hoffnung auf den neuen Vizepräsidenten Zehetmair, aber der scheint sich noch nicht durchsetzen zu können. Die Ära von Wildmoser ist offenbar nur auf dem Papier zu Ende. In Wirklichkeit regiert er weiter, im verborgenen. (…) Wildmoser gefiel sich in der Rolle des Patriarchen und durchschaute manche Mechanismen des Business Fußball dank einer gewissen Bauernschläue. Sein hemdsärmliges und rustikales Auftreten haben die einen als dumpfbackiges Bajuwarentum ausgelegt, die anderen – mit ein wenig Wohlwollen – als Charisma. Auf jeden Fall hatte Wildmoser seinen Laden im Griff, mit welch fragwürdigen Methoden auch immer. Er regierte wie ein Sonnenkönig, und zu behaupten, er faßte seine Angestellten nicht gerade mit Samthandschuhen an, ist noch maßlos untertrieben. Wer es wagte, ihm zu widersprechen, flog, ebenso, wer versuchte, aus Wildmosers Schatten zu treten und sich zu profilieren. Weshalb im Verein irgendwann nur noch getreue Untergebene wirkten. Dazu gehörte Auer. Es versteht sich von selbst, daß er von der Unschuld Wildmosers in der Schmiergeldaffäre um das neue Münchner Stadion überzeugt ist. Es klingt fast ein wenig ehrfürchtig, wenn er über Wildmoser redet. Als er auf seiner ersten Pressekonferenz gefragt wurde, was er an seinem Vorgänger am meisten schätzt, antwortete er brav: Ehrlichkeit und Korrektheit. Auer spricht über seinen Vorgänger noch immer vom Präsidenten und will auch nicht dessen Tribünenplatz einnehmen.“

„Es gab schon bessere „Schweizer Jahrgänge“ in der Bundesliga“ NZZ

Ballschrank

Keine WM für Kulturpessimisten

über Dänemarks Stil

vereinzelte Themen

„Wenn sich das Niveau derart annähert, wenn alle fast gleich sind, geben Nuancen den Ausschlag“ kommentiert die FR das bisherigen Geschehen, nachdem gestern der zweite der beiden großen Favoriten – Argentinien – bereits nach der Vorrunde nach Hause geschickt wurde. Die Kräfteverhältnisse eines Großteils der Mannschaften scheinen sich in der Tat derart angeglichen zu haben, dass Kleinigkeiten entscheidende Bedeutung zukommt.Außerdem erteilen die Interpreten dem Faktor Glück eine Aufwertung. „Es gibt sie noch, die Sensationen“, jubelt die NZZ.

„Diese WM, die das Gütesiegel „Total verrückt’ trägt und pro Halbzeit eine neue Wendung vertrauter Muster bietet“, wie die SZ bemerkt – hat einige Prognosen bereits in einem frühen Stadium über den Haufen geworfen und damit die Expertenwelt ebenso auf dem falschen Fuß erwischt wie den privaten Tipper. Folglich sind Voraussagen über das Kommende derzeit die Erfolgsaussichten eines Roulette-Spiels gleichzusetzen, weswegen sich auch kein Autor zu weit aus dem Fenster lehnen will. Nur so weit traut sich die SZ: „Bei allem gewachsenen Respekt für die deutsche Mannschaft käme der Gewinn dieser WM doch dem Kunststück gleich, die Schwerkraft außer Kraft zu setzen.“

Für die bisherigen Überraschungen macht Thomas Kilchenstein (FR 13.6.) eine Angleichung des Niveaus verantwortlich. „Mit Ausnahme von Saudi-Arabien, China, Ecuador sind sämtliche Teams in der Lage, eine Runde weiterzukommen. Alle Teams sind in dieser globalisierten Fußballwelt enger zusammengerückt. Es gibt sie nicht mehr, die großen Unterschiede in der Leistungsdichte, spielerisch und taktisch agieren nahezu alle auf gleich hohem Level, die physische Stärke der Mannschaften ist beeindruckend, das Tempo, das selbst in großer Schwüle gegangen und bis zum Ende durchgehalten wird, ist enorm. Man begegnet sich sozusagen auf Augenhöhe.“

Das Ausscheiden Frankreichs empfindet Mark Schilling (NZZ 12.6.) – ohne Schadenfreude – als prinzipielle „Genugtuung“. Seine gestrigen Anmerkungen haben nach dem Scheitern der Argentinier nichts an Aktualität einbüßen müssen. „In den letzten Jahren hatte sich nämlich im bezahlten Fußball eine Entwicklung angedeutet, die mit einer soziologischen Strömung einherging: Die Reichen werden noch reicher, die Armen noch ärmer. Auch im Fußball öffnete sich in dieser Zeit zusehends der Graben zwischen den Nobodys und den Spitzenklubs (…) Das sportliche Desaster der Franzosen hat nun aber vor Augen geführt, dass ein wichtiges Faszinosum des Sports auch an der Leistungsschau des Weltfußballs noch anzutreffen ist. Diese unglaubliche Überraschung lässt jedenfalls Kulturpessimisten, die bereits das Reißbrett über das aleatorische Element siegen sahen, vorerst verstummen. Es gibt sie noch, die wirklichen Sensationen.“

weitere Themen von heute:

Reaktionen der franz. und internationalen Presse auf das Ausscheiden des Weltmeisters SZ NZZ FR

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Entscheidung im Titelkampf

Keine Frage: Wegen der frühzeitigen Entscheidung im Titelkampf verliert die Bundesliga an Spannung und Attraktivität. „Wer in die Oper geht, will auf der Bühne große Gefühle sehen und hören. Die Fußball-Bundesliga ist (noch) die Oper der kleinen Leute. Schmachtfetzen, Ränke und Irrungen inklusive“, beschreibt die FR deren Reiz und mahnt indirekt an, dass das „Unterhaltungsprodukt“ Fußball in Gefahr gerät. Die pessimistische Diagnose vieler Experten bestätigt sich diese Saison: Durch hohe Einnahmen weniger Vereine auf europäischem Parkett entstehen wirtschaftliche Ungleichgewichte, die die herkömmliche sportliche Hierarchie zementieren. Die Liga wirkt trotz der negativen Ausnahme Bayer Leverkusen sowie der positiven, dem mittellosen Tabellenzweiten VfB Stuttgart, berechenbar.

Hoffentlich gehen den Bundesligavertretern Vertragsverhandlungen mit Sponsoren und TV-Anstalten nicht die Argumente aus, denn nicht alle Anhänger sind so genügsam wie die Dortmunder Fans, die die FR folgendermaßen beschreibt: „Es ist immer wieder faszinierend, die Kulisse im Dortmunder Westfalenstadion auf sich wirken zu lassen. Wenn der Himmel über dem Ruhrpott aufreißt und sich die Sonne in die Betonschüssel ergießt, ist das Bild schwarz-gelber Heerscharen einfach beeindruckend. Doch längst fragt sich der Betrachter, was die Menschen immer wieder anzieht. Die fußballerischen Darbietungen der Borussia können es nicht sein.“

Der Mangel an Dramatik machte am Wochenende den Weg frei für Randgeschichten. Der in Vergessenheit geratene Stuttgarter Stürmer Sean Dundee wurde zum Matchwinner und verbesserte beim Auswärtserfolg in Hannover (2:1) durch zwei Tore die Aussichten seines Teams auf den begehrten Champions-League-Platz. Beim 2:1 in Nürnberg avancierte Weltmeister Thomas Häßler (1860 München) in einer seiner letzten Bundesligapartien zum entscheidenden Spieler und erzeugte nach seiner Einwechslung nicht nur die Wende, sondern verschaffte sich sogleich Genugtuung, war er doch in der Vorwoche von Karl-Heinz Wildmoser in „einer der „fiesestem Mobbing-Attacke der neueren Bundesliga-Geschichte gemobbt“ (SZ) worden. Der Löwen-Präsident hatte ohne Not und Anlass über den verdienten Spieler hergezogen.

„Wo die Niederlage wohnt“: ein Slogan der SZ, der die Stimmung in Nürnberg gut – und keineswegs hämisch – trifft, haben sich dort die treuen und versöhnungsbereiten „Clubberer“ aus der Nordkurve mit dem vermeintlichen sechsten Abstieg der Vereinsgeschichte arrangiert. Zurück nach Dortmund: „Der nächste Gegner heißt Nürnberg. Wieder ein Heimspiel, wieder eine Chance, endlich Engagement zu zeigen. Dass es besser laufen wird, scheint fraglich. Dennoch werden knapp 70.000 Masochisten im Westfalenstadion dem Gekicke beiwohnen. Wetten?“ Diesen hoffnungsvollen Ausblick von Felix Meininghaus (FR) sollten die Verkäufer der „Ware“ Fußball als Trumpf-As stets mit sich führen. Die ungebrochene Leidenschaft zweier so unterschiedlich geplagter Anhängerschaften aus Nürnberg und Dortmund ist noch immer der beste Beweis für die Anziehungskraft des runden Leders, samstags um halb vier.

Vorschlag: Endrunde um die deutsche Meisterschaft, mit Halbfinals und einem oder mehreren Endspielen

„Ein neuer Ligamodus kann alte Spannung schaffen – und vielleicht auch neue Vielfalt.“ Michael Horeni (FAZ 5.5.) schlägt Revolutionäres vor. „Dem Volkssport Nummer eins fehlen beim Blick auf diese Spielzeit (und für die Zukunft) gute Argumente, weshalb er noch solch erstklassige Unterhaltung sein sollte, wie er das Fernsehen, die Fans und sich selbst gerne glauben macht. Dreizehn Punkte hat der Meister FC Bayern an Vorsprung schon seit Wochen angehäuft. Die Meisterschaft war fast schon im Winter entschieden. Für so etwas wie nationale Fußball-Spannung taugt allein die Frage, ob Bayer Leverkusen in die zweite Liga absteigt. In den endlosen Bundesliga-Weiten zwischen Champions League und Abstiegskampf herrscht seit Monaten ohnehin gepflegte Langeweile auf niedrigem Niveau. Ein Premiumprodukt, wie das mittlerweile im Fernsehfußball-Neudeutsch heißt, sieht anders aus. Grob skizziert etwa so: mit einer Endrunde um die deutsche Meisterschaft, mit Halbfinals und einem oder mehreren Endspielen. Mit einer Abstiegsrunde und mit einer Relegation mit Mannschaften aus der zweiten Liga. Ansonsten steht zu befürchten, daß die Langeweile und sportlichen Rückschritt garantierende Spaltung der Bundesliga zwischen einem großen Haufen ewiger Habenichtse, einer dünnen und fragilen Mittelschicht, einer kleinen Elite sowie einem Herrscherduo sich weiter verfestigen wird. Schon in den letzten elf Jahren hießen die deutschen Meister nur Bayern München oder Borussia Dortmund, lediglich Aufsteiger Kaiserslautern kam mal dazwischen. Und angesichts der enorm ungleich fließenden Geldströme sieht es nicht danach aus, als ob sich daran noch etwas änderte.“

Wir, die es uns unbeirrbar nach großen Gefühlen verlangt

Auch Wolfgang Hettfleisch (FR 5.5.) vermisst Dramatik in der Bundesliga-„Oper“. „Die Stücke, die in der nun fast abgelaufenen Spielzeit auf den Bühnen der Bundesliga aufgeführt wurden, sie hielten oft nicht, was sich der Freund dramatischer Wendungen und Zuspitzungen von ihnen erhofft und erwartet hatte. Gut, die Klassiker, die funktionieren halt immer. Weshalb dem FC Bayern an dieser Stelle Dank gebührt für manch gewagte Inszenierung, manch überraschende Neuinterpretation des Repertoires aus dem geistigen Steinbruch der ewig jungen Fragen von Geld, Macht und Einfluss. Dank gebührt auch der letztjährigen Allzweck-Zweitbesetzung Bayer Leverkusen. Im Mittelmaß vor sich hindümpeln, das können manche. Sich binnen Jahresfrist aus den glänzendsten europäischen Fußballopernhäusern heraus bis kurz vor die Tournee über deutsche Provinzbühnen zu spielen, ist dagegen nicht vielen gegeben. Dass es, während das Drama seinen Lauf nahm, gelegentlich vor und hinter den Kulissen zuging wie in einer kitschigen Operetten-Klamotte, hat dem Unterhaltungswert des Ganzen sicher nicht geschadet. Danke, Bayern also. Und vielen Dank auch, Bayer. Aber sonst? (…) Irgendwie grau ist dem Münchner Oberspielleiter Uli Hoeneß diese Saison denn auch vorgekommen. Wohl nicht zuletzt, weil die Seinen die nationale Konkurrenz nicht zu fürchten brauchten und die internationale Konkurrenz nicht die Seinen. Was die Europa-Tournee betrifft, ist dem Manne geholfen worden. Was aber soll werden in der nächsten Spielzeit in den anderen 17 Häusern von bundesweiter Strahlkraft, nun, da der Hochkultur des deutschen Fußballs die einst üppigen Zuwendungen des übertragenden Fernsehens noch einmal zusammengestrichen werden? Wir, die es uns unbeirrbar nach großen Gefühlen verlangt, können nur hoffen.“

Gewinnt immer, außer manchmal

In der Financial Times Deutschland (5.5.) räsoniert Katrin Weber-Klüver. „Einiges deutet darauf hin, dass die Profession des Fußballlehrers als Ausbildungsberuf überschätzt wird. Man braucht als Trainer womöglich gar keine angelernten fachlichen Qualitäten. Besonders in der Bundesliga nicht, wo das Niveau derart absinkt, dass es mit der Wirtschaftskrise locker mithalten kann. Hier wie da ist vieles eine Frage der Einstellung: Es muss der Trainer erstmal für die richtige Stimmung sorgen. Für diese Mission braucht er: die richtige Stimmung. Seit Marc Wilmots Interimstrainer bei Schalke wurde, ist der Verein granatenmäßig gut drauf und gewinnt immer. Außer manchmal, aber das macht nichts. Die Laune hält trotzdem. Prima.In Leverkusen hingegen schlägt geballte Kompetenz allen aufs Gemüt. Thomas Hörster hat zwar lange mit solidem Fachwissen niedere Teams gecoacht, aber seit er das Erstligateam trainiert, werden ihm wöchentlich neue Vorgesetzte und Degradierungen präsentiert. Kleiner Trost: Bayers Sportdirektor Jürgen Kohler meint, man wachse „an schweren Aufgaben als Persönlichkeit“. Demnach müsste Hörster bereits zirka vier Meter messen. Kohlers Kompetenz stammt übrigens aus einem Trainer-Schnellkurs für verdiente Nationalspieler. Die meisten in der Rückrunde zu Rettungszwecken engagierten Trainer sind allerdings ernsthaft vollausgebildet und gucken auch so. Etwa Wolfgang Wolf. Dessen Ausstrahlung reichte für 37 Sekunden Club-Glück durch ein Blitztor. Der Rest war Niederlage.“

Ihren Platz neben Patentante und Trinkkumpan

Philipp Selldorf (SZ 5.5.) bedauert. „Am Ende einer Bundesligasaison heißt es immer auch Abschied zu nehmen von Menschen, die einen über Jahre begleitet haben, weshalb sie einem durch die gewohnheitsmäßige Begegnung am Samstagnachmittag näher sind als mancher Trinkkumpan, mit dem man schon unter dem Tresen gelegen hat. Man macht sich auf die Dauer ein Bild von ihnen, das klarere Konturen hat als etwa das von der Patentante, denn die wohnt weit weg, und wenn sie mal zu Besuch kommt, dann läuft vielleicht gerade die Sportschau, und dort wird womöglich ein Drama beschrieben, wie es derzeit Claus Reitmaier und Thomas Häßler erfahren (…) Zwar ist die Bundesliga ein schrecklicher Ort, in dem es Woche für Woche „überspitzt gesagt, für den Verein um Leben oder Sterben geht“ (Matthias Sammer); ein Ort also der Angst und des Leistungszwangs. Aber noch schrecklicher ist es, wenn man nicht mehr dazugehören darf. Der 1.FC Nürnberg geht nicht allein ins Zweitliga-Exil, seine Anhänger folgen ihm, und eines Tages kehrt er mit ihnen zurück. Kicker wie Claus Reitmaier und Thomas Häßler jedoch verschwinden aus der Welt der schönen Illusionen und sehen sich plötzlich verloren in der Wirklichkeit abgeladen. Im Gedächtnis der Fußballfans nehmen sie nun ihren Platz neben Patentante und Trinkkumpan ein.“

Vielleicht ein bisschen Unsinn machen

Katrin Weber-Klüver (BLZ5.5.) teilt mit. „Überall haben alle kein Geld und viel Zukunftsangst, sind ausgelaugt und ideenlos (auch in München bei Bayern). Spieler im Revier trösten sich über ihre Freudlosigkeit angeblich mit Pommes rot-weiß hinweg; Spielerköpfe in Franken sind leer, da hat auch ein Motivationstrainer nicht mehr geholfen. Gewerbliches Motivieren ist passé. Leverkusen, ein Pionier der Idee, sich teuer anfeuern zu lassen, erlebt gerade die Fußballhölle, der einstige Guru sitzt im Gefängnis. Was also tun unter all den Verzagten? Vielleicht ein bisschen Unsinn machen! Das befreit, solange der Unruhestifter mit der antiquierten Eigenschaft ausgestattet ist, positiv verrückt zu sein.“

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Plätze, an denen sich Niederlagen zu Hause fühlen

Volker Kreisl (SZ 5.5.) beleuchtet die Stimmung in Nürnberg. „Wenn es Gene für Sieger gibt und Orte, an denen der Erfolg wohnt, dann gibt es auch Plätze, an denen sich Niederlagen zu Hause fühlen. Im Frankenstadion hat sich der Misserfolg lange schon festgesetzt und am Ende ließ er sich nicht mehr vertreiben. Er war stärker als alle guten Vorsätze und setzte sogar Fußballregeln außer Kraft, denn das Spiel vom Samstag dauerte nur 80 Minuten. Zehn Minuten genügen im Fußball für Wunder, in Nürnberg wäre lediglich ein 1:2-Rückstand umzubiegen gewesen, doch zehn Minuten vor dem Spielende, hörten die Fans auf, aggressiv zu brüllen. Sie hielten ihre Schals hoch und begannen, sanft zu singen. Zehn Minuten vor dem Ende verschwanden die Nürnberger Stürmer aus dem gegnerischen Strafraum, und auch der neue Trainer Wolfgang Wolf hörte auf, in die Hände zu klatschen. Einen Verein verließen die Kräfte. Dann kehrte Ruhe ein, die Anhänger gingen nach Hause, die Spieler knieten im Gras, und es spielten sich bekannte Szenen ab, vertraut von sechs Abstiegen, unzähligen Niederlagen und dem ständigen Versuch, Rückschläge zu verarbeiten. Der Stadionsprecher rief „Liebe Anhänger, Kopf hoch!“ Ein Mannschaftssprecher sagte den Reportern, dass ihm „die ganze Region“ leid tue, und die Reporter erörterten die Verkehrswege zu den Stadien der Zweiten Liga. Die meiste Aufmerksamkeit hatte aber Präsident Michael A. Roth gewonnen, der drei Jahre lang nicht gefragt war und nun wieder ganz oft live interviewt wird, der den Trainer Klaus Augenthaler beurlaubte und nun dessen Schuld am Scheitern andeuten muss, elegant aber unüberhörbar, wie es Roth nach elf Entlassungen zuvor getan hatte (…) Plötzlich schwingen Zweifel am gesamten Konzept der vergangenen drei Jahre mit. An der Idee, mit Talenten und guter Schulung etablierte Profis zu ersetzen und am Aufbau eines eigenständigen Fußball-Managements. Sehr bequem wäre dieser Zweifel, denn er würde überdecken, dass in Nürnberg das gesamte System schief ist. Die Mannschaft muss billig sein wegen der Schulden, die unter anderem früher der Präsident verursacht hat. Die Hoffnung liegt also auf den eigenen Talenten, doch die sind überfordert, weil die Nachwuchsabteilung eher mittelmäßig ist; die Amateure spielen in der vierten Liga. Also präsentieren die Manager halbfertige Spieler aus dem Ausland – personelle Experimente, die meist mit einer Trainerentlassung endeten.“

siehe auch Thema des Tages

Alt gewordene Zirkuslöwen

Zur Perspektive des FCN lesen wir von Tobias Schächter (taz 5.5.). „Der 1. FC Nürnberg, in der letzten Saison nur erstklassig geblieben, weil es tatsächlich Mannschaften gab, die noch schlechter waren, ist eine Mannschaft ohne Hierarchie, mit einer Abwehr, die vorwiegend unorganisiert ist, und deren Mitglieder im Spielaufbau unfassbare Fehlpässe produzieren. Und im Sturm ist mit Sasa Ciric ein alter Mann aus Mazedonien, nicht zu ersetzen, wie am Samstag gesehen. Nein, an Wunder glaubt Wolfgang Wolf nicht. Er sagt: Das sieht nach zweiter Liga aus. Der hemdsärmelige Wolf musste in Wolfsburg gehen, weil man dort der durch ihn verkörperten Bodenständigkeit nicht zutraute, die Retorte VfL in die anvisierte Champions League zu hieven. Sein Einstand in Nürnberg, als Aufbruch zur Aufholjagd gedacht, strandete in einem Anfang vom endgültigen Ende. Dabei wäre es gegen einen Gegner, der im Niemandsland der Tabelle dümpelt, nicht schwer gewesen zu gewinnen. Die Sechziger spielten wie schielende, alt gewordene Zirkuslöwen, die statt durch den Ring an selbigem vorbeispringen. Dass ausgerechnet der in der Halbzeit eingewechselte Thomas Häßler das Spiel mit seinen gescheiten Pässen drehte, quittierten die Fans der Löwen mit Icke Häßler-Sprechchören und Wildmoser raus-Rufen.“

Die Fansolidarität für Augenthaler soll ein abgekartetes Spiel gewesen sein

Hartmut Scherzer (FAZ 5.5.) analysiert Nürnberg Ursachenzuschreibung. „Das Frankenland ist gespalten bei der Suche nach den Schuldigen in dem Schmierentheater. Die Augenthaler-Fraktion macht den wankelmütigen Präsidenten mit Spruchbändern wie Ohne Auge sehe ich Roth oder Roth raus: Nürnbergs letzter Wille verantwortlich. Teppichhändler Michael A. Roth, der zwölf Trainer in 14 Jahren unter seiner Präsidentschaft verschliß, fühlt sich unterdessen von den Fans vergackeiert , als er auf deren Votum für den beliebten Niederbayern hörte, sich um 180 Grad drehte und wider seine Absicht an Augenthaler festhielt. Auf seinem Zickzackkurs hat ihm dann eine Abordnung der Mannschaft die Augen über das zerrüttete Verhältnis zum Trainer und die Fanaktion geöffnet. Wir sind alle belogen und betrogen worden, und wenn ich weiß, was dahintergesteckt hat, dann ändere ich halt meine Meinung. Die Fansolidarität für Augenthaler soll in der Roth-Version ein abgekartetes Spiel gewesen sein. Der Patriarch selbst wäscht seine Hände in Unschuld. Das Sportliche habe ich nicht zu verantworten. Die sportliche Leitung habe drei Jahre Zeit gehabt, eine gute Mannschaft zu formen, und habe dafür die Spieler geholt. Und nun haben wir mit dieser Mannschaft Schiffbruch erlitten. Wir stehen vor einem Scherbenhaufen, stellte Roth lakonisch fest. Wer anders also soll dafür verantwortlich sein als der Trainer und zu einem gewissen Teil der Manager? Womit also auch die Tage von Edgar Geenen in Nürnberg gezählt sind. Dem Manager wirft Roth miserable Einkaufspolitik vor.“

Roth, du Lügner

Torsten Geiling (FR 5.5.) schreibt zur Nürnberger Malaise. „Nach 45 gespielten Minuten hatte es noch so ausgesehen, als habe Wolf den Kampfgeist und die Spielfreude ausgegraben, die das Team nach der Vorrunde mit 21 Punkten auf Platz 12 geführt hatte. Es sei gar ein einstelliger Tabellenplatz möglich gewesen, freute sich das Präsidium damals, hätte das unerfahrene Team nicht leichtfertig immer wieder Punkte in der Schlussviertelstunde verspielt hätte. Ungehört verhallten die Rufe jener, die warnten, diese Zähler könnten dem Club später nicht im Rennen um einen Uefa-Cup-Platz sondern in Abstiegskampf fehlen. Erst eine Niederlagenserie nach der Winterpause und der Absturz in der Tabelle rüttelte das Umfeld auf. Von Spiel zu Spiel wurde deutlicher, dass einfach zu viele Spieler auf dem Platz standen, die nur bedingt Erstliga-tauglich sind. Den Schuldigen sehen die Fans nicht in Ex-Trainer Klaus Augenthaler, sondern in Präsident Michael A. Roth. Mit Transparenten wie Ohne Auge seh‘ ich Roth, Danke Auge. Roth du Lügner oder Roths Rücktritt? Nürnbergs letzter Wille bekundeten sie im Stadion ihre Meinung. Roth quittierte es mit säuerlichem Lächeln und verwies auf Augenthaler und Noch-Manager Edgar Geenen: Das ist ganz allein das Ergebnis dieser beiden Herren. Die haben das Mannschaft zusammengestellt. Die Quittung für den Absturz wollte Roth Augenthaler schon vor sechs Wochen überstellen. Doch gegen eine bis dahin im Fußball unbekannte Welle der Fan-Sympathie für einen erfolglosen Trainer mochte er nicht anschwimmen. Inzwischen will Roth die Solidarität als gekauften Lug und Trug entlarvt und genügend Gegenstimmen aus der Mannschaft gehört haben, weshalb Köpfe rollten und Wolf kam. Tatsächlich schien der neue Trainer die Angst aus den Köpfen der Spieler gezaubert zu haben. Während bei Augenthaler zwischen Bank und Platz weitgehend Funkstille geherrscht hatte, suchten die Spieler immer wieder den Blickkontakt mit Wolf, der aktiv Einfluss zu nehmen suchte. Doch wurde einmal mehr deutlich, dass im Team Typen fehlen, die andere mitreißen und ein Spiel noch einmal drehen können.“

Nun zeigt er noch einmal, was er kann

Christian Zaschke (SZ 5.5.) freut sich mit und über Thomas Häßler. „Offiziell geht es um Moral, Geschlossenheit, Kampfgeist, so etwas. Tatsächlich aber sind die letzten Spiele des TSV 1860 München in dieser Saison die Abschiedswochen von Thomas Häßler. Gegen den 1. FC Nürnberg wurde er zur Halbzeit eingewechselt und entschied die Partie. Er zog das Spiel an sich, er arbeitete in der Defensive, und er gab den entscheidenden Pass auf Benjamin Lauth, den der zum 2:1 und seinem zweiten Tor des Nachmittags nutzte. Es war Häßlers Spiel. Nach der Partie war er kaum wiederzuerkennen. Er lachte, er scherzte mit dem ehemaligen Nationaltorwart Andreas Köpke, der zum Mannschaftsbus der Sechziger gekommen war, er schrieb ausdauernd Autogramme. Allein mit der Presse mochte Häßler nicht sprechen. „Nichts sagen, nur genießen“, beschied er fröhlich. Es muss eine große Genugtuung für ihn gewesen sein nach den Wirren der vergangenen Woche. Nach dem Spiel gegen Dortmund hatte 1860-Präsident Karl-Heinz Wildmoser Häßler öffentlich attackiert. Die Kritik ist zum Bumerang geworden, ehemalige Weggefährten des Weltmeisters Häßler, Kollegen und Fans zeigten sich empört über die Art und Weise, in der dem kleinen Spielmacher ein unwürdiger Abschied bereitet werden sollte. Während der Woche hatte Häßler überlegt, vorzeitig zurückzutreten. Er ist geblieben, und nun zeigt er noch einmal, was er kann.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Neues aus dem europäischen Fußball: Juve, Milan, Holland, Österreich

AC Milan besiegt Juve im Spitzenspiel der Serie A – AC Como: Abstiegskandidat in idyllischer Landschaft – neues von der Insel: Beckham will keine Nudeln frühstüken, und der Fan-Oscar geht nach Schottland – Diskussionen über Fußballstil in Holland: Romantik oder Neorealismus? – Reformen in Österreich? – aus der Umkleidekabine in Nizza u.v.m.

Italien

Birgit Schönau (SZ 24.3.) sah das 2:1 des AC Milan über die „vecchia signora“ aus Turin. „Es hat ein Nachspiel gegeben im Ristorante Cracco Peck am späten Samstag Abend. Adriano Galliani und Antonio Giraudo waren in dem Mailänder Feinschmeckertempel verabredet; der Vizepräsident des AC Mailand und der mächtige Manager von Juventus Turin sind seit vielen Jahren eng verbandelte Geschäftspartner. Giraudo und Galliani waren seinerzeit die ersten, die Verträge ihrer Klubs mit dem Pay-TV aushandelten, sie teilen Sponsoren und Ausrüster und haben ein Stillhalteabkommen für den Transfermarkt abgeschlossen: Zeigt Juve Interesse an einem Spieler, kann sie sicher sein, dass ihr Milan nicht in die Quere kommt und umgekehrt. Zu den in letzter Zeit tumultartigen Versammlungen der Profiliga, der Adriano Galliani vorsteht, fahren die beiden Partner gern gemeinsam vor Â- eine Geste, die manch anderer Klubpräsident als Provokation empfindet, allen voran Inter Mailands Chef Massimo Moratti. Der ist im Bunde der Mächtigen schon lange nicht mehr der Dritte. Auch bei Peck saß Moratti nicht mit am Tisch, dennoch dürfte er sein Glas auf das Paar Giraudo-Galliani erhoben haben. Milan – Juve 2:1, der Dritte schlägt den Tabellenführer, da freut sich Inter auf Platz zwei. Große Erwartungen waren an die Partie geknüpft, vor allem von Seiten des AC Mailand, der das Match als letzte Chance im Endspurt um den Titel begriff. Juve-Trainer Marcello Lippi sah das ähnlich: „Wenn wir es schaffen, unseren Vorsprung auf elf Punkte zu strecken, ist Milan faktisch draußen. In jedem Fall wird es ein tolles Spiel.“ Damit zumindest behielt Lippi Recht. Als wenn die Qualifikation ins Viertelfinale der Champions League nach Jahren der Dürre sie neu beflügelt hätte, spielten Milan wie Juve ausdauernd nach vorn. Die Veteranen Paolo Maldini und Billy Costacurta verteidigten ihren guten Ruf: Für Maldini war es das 500., für Costacurta das 400. Spiel in der Serie A, die Show stahl ihnen allerdings ein Mann aus der Ukraine. Von Andrej Schewtschenko hatte man zuvor Monate lang nichts Gutes gehört: Verletzungspausen, Formtief, Torabstinenz. Noch vor Wochenfrist wollte er am liebsten weg aus Mailand, anstatt weiter auf der Bank zu versauern. Trainer Carlo Ancelotti stellte ihn zuletzt partout nicht auf, obwohl Präsident Silvio Berlusconi darauf drängte. Er hat ein Auge auf den flinken Schewtschenko geworfen, der irgendwie zur Familie gehört, seitdem er von Berlusconis Sohn Piersilvio dessen Freundin geerbt hat.“

Dirk Schümer (FAZ 24.3.) auch. “So hatte ausgerechnet Filippo Inzaghi das Spiel entschieden und die Meisterschaft wieder spannender gemacht. Der hagere Inzaghi ist inzwischen für knapp vierzig Prozent aller Tore seines Teams in dieser Saison verantwortlich. Was in der Theorie so einfach scheint, nämlich den vorhersehbaren Fließband-Torschützen mit aller Macht auszuschalten, erscheint bei dessen Schlitzohrigkeit und Abgeklärtheit im Moment kaum möglich. Juventus tröstet sich nun weiter mit der Tabellenführung, während mit Inter Mailand der dritte Großklub aus dem Norden in Wartestellung auf den ersten nationalen Titel seit fast zwanzig Jahren verbleibt. Alle diese drei reichen Vereine – in Händen der norditalienischen Industriellenfamilien Agnelli, Berlusconi und Moratti – stehen auch im Viertelfinale der Champions League und haben damit die namhaften Investitionen in Spitzenkräfte gerechtfertigt. Damit hat sich also die alte Hoheit der norditalienischen Traditionsklubs, die auch die wirtschaftlichen Kräfteverhältnisse im Land widerspiegelt, weiter gefestigt. Und daß nach dem Wiedererstarken von AC Mailand an diesem Wochenende irgendein anderer Verein überraschend zu den Großen Drei aufschließen könnte, glaubt in Italien niemand mehr.“

Peter Hartmann (NZZ 25.3.) liefert einen atmosphärischen Bericht vom italienischen Abstiegskandidaten aus Como. “Vom Lungo Lario Trieste, der Seepromenade, sind es noch ein paar Schritte durch das Spalier einiger Dutzend Carabinieri, und du fragst dich, was dieses Aufgebot soll an diesem heiteren Sonntagnachmittag. Am Eingang des Stadio “Sinigaglia“ stehen schweigsame Männer, vor ihnen eine Kartonschachtel mit Schlitz: Sie sammeln Geld für Adriano Lombardo, den früheren Spieler von Como Calcio. Lombardo ist das letzte bekannt gewordene Opfer der heimtückischen Nervenkrankheit ALS, die in Italien 45 Fussballer befallen hat, eine seltsame Häufung, und 13 von ihnen sind bereits tot. Auf dem breiten Asphaltband vor den Aufgängen zur Tribuna Centrale spazieren Familien mit Kindern auf und ab und begrüssen sich, und niemand erinnert sich, dass hinter diesen Mauern vor drei Jahren der Como-Spielführer Ferrigno in der Kabine einen Gegner fast tot prügelte. Von Sitz 1543, Reihe 12, Sektor E, hast du Ausblick auf die Hügel mit den märchenhaften Herrschaftsvillen, auf das Dorf Rovenna oberhalb von Cernobbio, auf ein Stück See, und links oben im Panorama siehst du die A9 mit dem ständigen Fluss winzig kleiner Fahrzeuge. Am dunstblauen Himmel kreist ein silbriges Wasserflugzeug, und während der Speaker die Namen der Spieler herunterliest, parlieren die Leute, 1517 zahlende Zuschauer und vielleicht 4000 Abonnenten, einfach weiter, kein Beifall, kein Pfiff, und fast unbemerkt beginnt das Ereignis, Como gegen Bologna. Und dann schaust du kaum noch auf die idyllische Kulisse. Denn auf dem Rasen läuft ein richtiges Fussballspiel. Como ist die Squadra maledetta der SerieA, zum Mauerblümchen verdammt, klebt seit Meisterschaftsbeginn am Tabellenschwanz, ohne Chance zum Mitspielen, von den Schiedsrichtern missachtet, bis der Präsident Enrico Preziosi, der König des italienischen Spielzeuggeschäfts mit einer halben Milliarde Euro Jahresumsatz, die Herren im Verbandspalast als “Mafiabande“ beschimpfte und von ihnen mit Sprechverbot belegt wurde. In der kalten Nacht vom 18.Dezember brach die Hölle los: Als der Schiedsrichter im Nachholspiel gegen Udinese (Anfang Dezember war das Stadion “Sinigaglia“ vom Seewasser überschwemmt worden) beim Stand von 0:1 den dritten Penalty verhängte, versuchten die Como-Ultras den Drahtzaun zu stürmen und warfen alles, was auf der Baustelle der neuen Tribüne nicht niet- und nagelfest war, auf das Feld. Como wurde mit einer Platzsperre für vier Spiele belegt. Der cholerische Padrone hatte diesen GAU nicht nur mit Worten provoziert, sondern auch mit seiner Transferpolitik: Como war innert zweier Jahre von der Serie C1 bis in die höchste Klasse durchgestartet, aber im vergangenen Sommer verscherbelte Preziosi 18 Spieler, praktisch das gesamte Kader, auch den Publikumsliebling, den belgisch-brasilianischen Goalgetter Oliveira.“

Spanien

Zur Lage bei Real Madrid NZZ

England

Newsflash

Fulham beendet Suche

Mohamed Al Fayeds’ Club FC Fulham will nun wieder in sein angestammtes Stadion an der Themse, das über 100 Jahre alte Craven Cottage, zurückkehren. Zu hohe Baukosten, kein geeigneter Bauplatz sowie Anwohner- und Fanproteste haben Al Fayed veranlasst, die ursprünglichen Pläne eines Stadionneubaus bzw. einen ständigen Umzug nach Stamford Bridge, das Stadion im reichen Südviertel Chelsea, zu verwerfen. Nächste Saison wird Fulham noch zu Gast an der Loftus Road sein, Heimstätte der Queens Park Rangers, doch spätestens zur Saison 2004/2005 wird das Craven Cottage neue alte Heimat. Al Fayed stimmte die Fans allerdings auf anzupassende Ziele ein, d.h. mit den geringen Einnahmen, die im kleinen Craven Cottage zu erzielen sind, dürfte ein internationaler Startplatz in weite Ferne rücken (mehr).

Länderspiel findet statt

Trotz geballter Sicherheitsbedenken findet das Qualifikationsspiel zwischen Liechtenstein und England in Vaduz statt, wie die Fifa bekannt gab. Die interessante Mischung aus Befürchtungen über Ausschreitungen englischer Fans, Anschläge von Terroristen auf das englische Team und gewaltsame Demonstrationen von Friedensaktivisten hatten Stimmen über eine Verlegung des Spiels laut werden lassen (mehr).

Arsenal klagt an

Arsenal hat bei der Uefa offiziell Beschwerde eingelegt, nachdem im Champions-League-Spiel im spanischen Valencia mehrere Londoner Spieler, insbesondere Henry, Wiltord, Viera und Campbell rassistischen Beschimpfungen aus dem Publikum ausgesetzt waren. Die Uefa versprach eine Prüfung der Ereignisse und wollte nicht ausschließen, dass Valencia das nächste Spiel ohne Publikum bestreiten muss (mehr).

Fan-Oscar

Martin Pütter (NZZ 25.3.) meldet aus Schottland. “Der Oscar für den besten Fan-Gesang geht – zum zweiten Mal innerhalb von vier Jahren – an die Anhänger von Inverness Caledonian Thistle. Der Tabellendritte der schottischen First Division warf am Sonntag im Cup-Viertelfinal den schottischen Meister Celtic Glasgow mit 1:0 aus dem Wettbewerb. Das veranlasste die Fans auf den Rängen des Caledonian Stadions, den Sieg mit einem Lied aus dem mit Oscars überhäuften Musical Mary Poppinszu feiern. Voller Inbrunst sangen sie: “Super Caledonian Thistle, Celtic are atrocious“ (Celtic ist grauenhaft), zur Melodie des Liedes mit dem zungenbrechenden Titel “Supercalifragilisticexpialidocious“.“

Beckham und Giggs unterstützen Proteste

Mit den Worten: “Es ist nicht einfach, früh um Neun Pasta zu essen.“ wehrt sich David Beckham gegen Spiele, die bereits um 12 Uhr angepfiffen werden. Da sich bereits eine Fanvereinigung gegen die vermehrte Austragung der ManU-Spiele um diese Zeit ausgesprochen hatte und ihr Anliegen in Kürze gar im Parlament vorbringen will, fühlten sich Giggs und Beckham berufen, ebenfalls ihre Unmut kund zu tun (mehr).

Spiele der Premier League

Arsenal London vs. FC Everton 2:1

Einen glücklichen Sieg konnte Arsenal im heimischen Highbury feiern, nachdem Patrick Viera in der 64. Minute den so wichtigen, allerdings umstrittenen zweiten Treffer erzielte. Sowohl Dennis Bergkamps’ Klammern als auch Freddy Ljungbergs Torwartbehinderung konnten Schiedsrichter Wiley nicht dazu bewegen, dem Treffer die Gültigkeit zu versagen. Den schönsten Treffer des Spiels erzielte allerdings Englands neuer Wunderstürmer Wayne Rooney, genannt das Fass, als er Arsenals Verteidiger Cygan ganz alt aussehen ließ und aus scheinbar aussichtsloser Situation abgezockt den Ball im langen Eck einnetzte. Quasi als Belohnung erhielt Rooney von Nationalcoach Eriksson den Ruf in die englische Nationalmannschaft und wird gegen Liechtenstein wohl sein erstes Cap in der Nationalmannschaft erhalten.

Manchester United vs. FC Fulham 3:0

Fast im Alleingang besiegte der Holländer Ruud van Nistelrooy die Hauptstädter vom FC Fulham. Durch drei Treffer in der 45., 68. und 90. Minute unterstrich van Nistelrooy seine herausragende Form. Mit nunmehr 15 Treffern in der Premier League, vier Treffern im FA Cup und zwölf Treffern in der Champions League gehört der Holländer derzeit zum Besten, was die Stürmergilde in Europa zu bieten hat. Für Manchester war der Sieg sehr wichtig, konnten sie den Abstand zu Meister Arsenal weiterhin gering halten.

Frankreich

Christian Eichler (FAZ 25.3.) berichtet von der Überraschungsmannschaft aus Nizza, die vom Deutschen Gernot Rohr trainiert wird. “Der Trainer trägt noch Boxershorts, der Krawatte fehlt noch die letzte Schleife, einen Moment bitte: Bin gleich da, ruft er. Der Reporter nutzt die Zeit, im Umkleideraum herumzuschnuppern. Es riecht nach Massageöl. Spieler kommen unverhüllt aus der Dusche, andere binden sich schon ihre Goldketten um; dazwischen Kameraleute, Journalisten. Der Gast nimmt sich zusammen: nur nicht herumglotzen; lässig tun, als wäre das alles selbstverständlich. Was schwerfällt, wenn man aus einem Land kommt, in dem Reporter draußen drängeln, um irgendwann im Vorbeigehen Wortschnipsel von fertig gefönten maulfaulen Profis aufzuschnappen. Nizza ist anders, ein Paradies für Fußballreporter. Man schlendert herum, führt Interviews mit Spielern, die sich dabei den Rücken rubbeln, die Achseln sprayen oder den Gluteus cremen. Und kann neben aktuellen Zitaten auch zeitlose Erkenntnisse darüber gewinnen, warum der Fußball manchen Menschen Körper wie griechische Statuen schenkt und anderen O-Beine (…) Sie sehen, sagt Gernot Rohr und lächelt, hier rennt nach einer Niederlage keiner mit dem Kopf gegen die Wand. 0:1 gegen Olympique Lyon, den wiedererstarkten Meister, Saisonetat 60 Millionen Euro, das war ein sehr unglückliches Resultat für den OGC Nizza, Etat 15 Millionen, nach überlegenem Spiel, nach Pfostentreffer und aberkanntem Tor. Es war die erste Heimniederlage für den Aufsteiger nach 14 Spielen. Und ein Signal, in der Realität der ersten Liga angekommen zu sein. Trainer Rohr hatte schon lange so etwas erwartet, nachdem der Klub die Lizenz wegen unsauberer Geschäfte der Vorbesitzer endgültig erst zwei Wochen vor Saisonbeginn erhalten und kaum Zeit für eine gründliche Vorbereitung gefunden hatte. Man darf nicht vergessen: Es ist eine kleine Mannschaft, die monatelang über dem Level gespielt hat, sagt Rohr. Irgendwann muß man das bezahlen. Lange stand Nizza oben, nun sind die Etablierten wieder unter sich: Meister Lyon, der durch den Brasilianer Juninho in der 84. Minute den vierten Sieg nacheinander erzielte, einen Punkt hinter Monaco und Marseille. Die Großen haben gelernt, die kleinen Niçois nicht mehr zu unterschätzen. Vor der Saison, als Nizza der Zwangsabstieg in die dritte Liga drohte, als man schnelles Geld und billige Spieler brauchte, da haben uns alle belächelt und bedauert: ach, die Armen, erinnert sich Rohr, und haben uns Spieler geliehen. Nun, in der Winterpause, wollte uns keiner mehr Spieler geben. Wir waren Konkurrenten geworden. Die Vorrunde in Nizza war das kleine Fußballwunder der Saison, die Rückrunde mußte ein Stück aus der Realität werden.“

Niederlande

Christoph Biermann (SZ 25.3.) sah das 2:0 des vermeintlichen holländischen Meisters PSV über Ajax. “Spaß hatte es niemandem gemacht, und dann musste Ronald Koeman auch noch warten. Erst hatte der Trainer von Ajax Amsterdam das lausige Spitzenspiel der holländischen Ehrendivision in Eindhoven verloren, dann kam sein Kollege Guus Hiddink nicht zur Pressekonferenz. “Vielleicht muss er noch eine Polonaise machen“, sagte Koeman. Nach dem 2:0 über Ajax ist die Meisterschaft für den PSV Eindhoven nämlich so gut wie entschieden. Dafür sprechen nicht nur die zehn Punkte Vorsprung, es stellt sich auch die Frage, gegen wen der Philips-Werksklub nach 13 Punktspiel siegen in Serie überhaupt verlieren soll. Nur einmal ist die Mannschaft in dieser Saison geschlagen vom Platz gegangen und hat in 25 Punkterunden erst elf Gegentore hinnehmen müssen. Als Hiddink endlich doch kam, wollte er jedoch nichts von Polonaisen oder geköpften Champagnerflaschen wissen, “weil darin bislang nur Limonade ist“. Das war der gleiche Zweckpessimismus, der in Deutschland auch von Ottmar Hitzfeld zu hören ist. Andererseits hatte die vorangegangene Partie geprickelt wie abgestandenes Zuckerwasser. Der Brunchkick, aus Sicherheitsgründen und auf Wunsch des Fernsehens schon um 13 Uhr angepfiffen, erwies sich als müder Anti- Klimax zur Mittagszeit. Nicht einmal die Bösartigkeiten von der Tribüne (“Bush: Vergiss Amsterdam nicht“, stand auf einem Transparent in der PSV-Kurve) heizten das Spiel richtig an. De Volkskrant bewertete die Partie als “eine Parodie auf Spitzenfußball“, und keiner der heimischen Beobachter konnte sich an eine schlechtere Begegnung zwischen den beiden Großen des Landes erinnern (…) Hiddink hat sich zunächst auf die Stabilisierung der Abwehr konzentriert. Seit der PSV im vergangenen Herbst in der Champions League an Borussia Dortmund und Arsenal London scheiterte, “sind wir in der Defensive nicht mehr so naiv“, sagte er. Die Null steht in Eindhoven immer häufiger, und damit wird Hiddink zum Protagonisten für den schleichenden Wandel der holländischen Fußballkultur. Eine solche in Holland schon als “nieuw realisme“ beschriebene Haltung scheint sich im Land der Sachwalter des schönen Fußballs inzwischen auf breiter Basis durchzusetzen. Sie war auch bei den Auftritten von Ajax Amsterdam in der Champions League zu erkennen. Mitunter aufregend, im Notfall aber auch mal streng defensiv, qualifizierte sich das Team fürs Viertelfinale.“

Stefan Hermanns (Tsp 25.3.) analysiert die Diskussion um den Stil des holländischen Tabellenführers. “Dem Verdacht, zu schön zu spielen, hat sich der PSV in dieser Saison nur selten ausgesetzt. Im Gegenteil. “Die Mannschaft, die Meister wird, spielt im Moment den hässlichsten Fußball“, hat die Zeitung “De Volkskrant“ über Hiddinks Team geschrieben. In solchen Sätzen spiegelt sich auch die spezifisch holländische Vorstellung vom Fußball wider, der schön und atemberaubend zu sein hat, und nicht nüchtern und manchmal dröge wie das Spiel der ungeliebten Deutschen. Hiddink hält diese Idee in ihrer holländischen Entschiedenheit für weltfremd. “International ist man immer auf das Resultat fixiert“, sagt der Trainer. Und offensichtlich merken das inzwischen auch die Niederländer. Das “Algemeen Dagblad“ hat einen Mentalitätswandel im Lande ausgemacht: “In Holland gibt es nach dem Verpassen der Weltmeisterschaft im vergangenen Jahr und den enttäuschenden Leistungen in der Champions League das Bedürfnis, endlich mal wieder gute Ergebnisse zu erzielen. Und die dürfen ab und zu auch etwas weniger ethisch zu Stande kommen.“ Früher wäre das unmöglich gewesen. “Das war wie Fluchen in der Kirche“, sagt Hiddink. Mit seiner Mannschaft hätte er demnach in dieser Saison Blasphemie in Fortsetzung betrieben.“

Ã-sterreich

Zu Reformvorhaben in Ã-sterreich lesen wir in der NZZ (25.3.). “Der Präsident der Bundesliga und stellvertretender Präsident des Ã-FB Frank Stronach präsentierte unter dem Codewort “JUNO“ die Idee, die “Jung-Nationalspieler“ in einem eigenen Team zusammenzufassen und abwechselnd gegen die zehn Bundesligaklubs spielen zu lassen. Diese Partien sollen zusätzlich zum Meisterschaftsbetrieb unter der Woche ausgetragen werden. Dabei könnten die Spieler früher als bisher Bundesligaerfahrung sammeln und an internationales Niveau herangeführt werden. Der gut gemeinte, aber nicht ganz ausgegorene Vorschlag wurde von vielen Trainern und Klubfunktionären als unrealistisch und undurchführbar bezeichnet. Einen anderen Ansatz bietet der nicht ganz neue Vorschlag, eine fixe Liga mit zwölf Teams ohne Auf- und Absteiger zu etablieren. Diese den amerikanischen Profiligen nachempfundene Variante böte den Vorteil, dass die Klubs ohne Druck, kurzfristig erfolgreich sein zu müssen, den eigenen Nachwuchs stärker forcieren könnten. Allerdings würden die fehlende Spannung im Abstiegskampf und die Konzentration auf die (zentrale) Vermarktung solcher “Events“ den Sport wie in den USA immer stärker in den Hintergrund drängen. Ein solches Konzept, das für österreichische Voraussetzungen zudem vorsah, jedem Bundesland einen und Wien zwei Klubs zu gewähren, wurde schon vor einigen Jahren als “Bundesliga 2000“ diskutiert. Zuletzt geisterte auch die Idee einer gemeinsamen Liga mit der Schweiz durch die Medien. Unter dem Arbeitstitel “Alpen-Liga“ wurden öffentlich mögliche Kooperationspläne gewälzt, ohne das Modell zu Ende zu denken. Was würde die Uefa zu solchen Plänen sagen? Wie soll die Qualifikation für die Champions League und den Uefa-Cup vorgenommen werden? Wie gross ist das Zuschauerinteresse bei einer grenzüberschreitenden Liga? Welche Massen würde eine Partie wie etwa Thun gegen Ried bewegen? Der Bundesliga-Vorstand Peter Westenthaler ist zu einer offiziellen Mission in der Schweiz aufgebrochen, um mit möglichen Partnern die Umsetzbarkeit der Idee zu überprüfen. Inzwischen wurden die ambitionierten Pläne auf einen möglichen Play-off-Wettbewerb der jeweils besten vier bis sechs Klubs zum regulären Championat oder eine Ausweitung der nationalen Cup- Konkurrenz reduziert. Der vagen Hoffnung auf bessere oder zusätzliche Verwertungsmöglichkeiten solch eines Modells stehen aber noch sehr viele Ungewissheiten gegenüber.“

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