Donnerstag, 25. März 2004
Ballschrank
Zum „kleinen Finale“
In der SZ (1.7.) lesen wir zum „kleinen Finale“. „Es war zwar nur das kleine Finale, aber es gab große Gesten. Beim Trost-Auftritt für die Halbfinal- Verlierer gerät der Sport oft in den Hintergrund, auch diesmal rückten andere Aspekte ins Blickfeld. 3:2 hatte die Türkei gegen Südkorea gewonnen und mit dem dritten WM-Platz ihre erstaunliche Turnierleistung nochmals unterstrichen. Danach gab es Szenen, die Fairness und Gemeinsamkeit im Sport hervorheben sollten. Die Konkurrenten bedankten sich auf neue Art – vor die Kulisse laufend und händehaltend. Ganz Südkorea verabschiedete sich mit einer rauschenden Ballnacht von der Fußballweltmeisterschaft. Und Hakan Sükür weinte vor Glück. Dem vor der WM viel gelobten Stürmer der Türken war es doch noch gelungen, ein Zeichen zu setzen, und seinen Namen in eine Statistik einzutragen.“
Philipp Thommen (NZZ 1.7.) zum selben Spiel. „Spiele um dritte Plätze gehören für geschlagene und entsprechend enttäuschte Halbfinalisten nicht zu den größten Herzensangelegenheiten. Um so höher ist den Teams von Co-Host Südkorea und der Türkei anzurechnen, dass sie in Daegu im sogenannt «kleinen Final» nochmals alle Kräfte mobilisierten und zum Abschluss ihrer jeweiligen WM-Expeditionen ein leidenschaftliches Spektakel boten, in dem die Türken mit 3:2 die Oberhand behielten und sich den dritten Rang im Turnier sicherten. Dass die letzte WM-Partie auf südkoreanischem Boden nicht zu einer lästigen Pflichtübung verkommen würde, kündigte sich gleich zu Beginn der Partie an. Ilhan Mansiz hatte den koreanischen Captain Hong sofort nach dem Anpfiff unter Druck gesetzt und zu einem Fehler verleitet, Hakan Sükür profitierte und erzielte bereits nach 11 Sekunden den türkischen Führungstreffer – das bisher schnellste Tor in einer WM-Partie überhaupt.“
Die FAZ (1.7.) dazu. „Es war zwar „nur“ das kleine Finale um Platz drei, aber am Ende wurde es zum Spiel der großen Gesten und der großen Worte. Im Duell der beiden größten Überraschungsmannschaften dieser Weltmeisterschaft besiegte die Türkei Südkorea in einem der schönsten Spiele dieses Turniers 3:2 (…) Sükür stürmte an diesem Tag neben Ilhan Mansiz, der bisher nur Ersatzspieler war – und gleich zweimal traf. Der Stürmer von Besiktas Istanbul ist eine der großen Hoffnungen für die Fußball-Zukunft der Türkei. Das Team, das einen Altersschnitt von unter 28 Jahren hat und schon seit Jahren zusammenspielt, fällt auch nach der WM nicht auseinander. Neben der EM 2004 haben die Türken vor allem die WM 2006 im Visier. „Da sind wir einer von zwei Gastgebern“, sagte Trainer Günes angesichts zahlreicher türkischer Gastarbeiter in Deutschland verschmitzt.“
Felix Reidhaar (NZZ 1.7.) bringt den Turnierauftritt der Türkei auf den Punkt. „Geschichte schrieben die Türken, die erstmals überhaupt auf internationaler Ebene ihre technische und läuferische Qualität in Zählbares umsetzten; dass daraus gleich ein Podiumsplatz resultierte, hätten sie selber kaum vorauszusagen gewagt, aber er wurde dem Stärkeverhältnis an dieser WM durchaus gerecht.“
Zum 3:2-Sieg der Türken gegen Südkorea im Spiel um Platz 3 bemerkt die NZZ. „Eingeleitet durch den schnellsten Treffer in der 72-jährigen Geschichte der WM hat die Türkei das Prestigeduell um Platz 3 gewonnen. Hakan Sükür traf bereits nach 11 Sekunden zum 1:0 – am Ende besiegte das zweitbeste europäische Team dieser Fußball-WM Südkorea 3:2. Beide Überraschungs-Mannschaften beendeten das Turnier mit den besten Platzierungen ihrer Verbandsgeschichte. Die Türken, an dieser WM-Endrunde nur von Rekord-Weltmeister Brasilien in der Vorrunde und im Halbfinal besiegt, nutzten in einer unterhaltsamen Partie die Umstellungen in der Abwehr der Südkoreaner gnadenlos aus.“
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
VfB Stuttgart- Hertha Berlin 0:0
Michael Ashelm (FAZ 12.8.) fragt. „Wer hat sich da verhört? Die große Frage des Fußballabends vom Sonntag ist eine Verhandlungssache für das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Das Gremium wird nach Lage der Dinge dem Schiedsrichter Uwe Kemmling recht geben und den Berliner Stürmer Artur Wichniarek für mehrere Bundesligaspiele sperren. Eine Folge der Geschehnisse aus der 81. Minute im Stuttgarter Gottlieb-Daimler-Stadion, als der polnische Stürmer von Hertha BSC beim torlosen Remis gegen den VfB Stuttgart wegen Beleidigung die Rote Karte erhielt. Kemmling war von Anfang an davon ausgegangen, daß die wenig charmante Anrede von Wichniarek gegen ihn gerichtet war. Ich kann schon unterscheiden, zu wem jemand etwas sagt. Ich habe ihm zugerufen, er soll aufstehen, dann kam das Zitat, sagte der erfahrene Unparteiische aus Kleinburgwedel. Die Berliner Seite versuchte von Anfang an, ein großes Mißverständnis für den Vorfall verantwortlich zu machen, der ihnen am Ende der Partie fast noch den Punkt gekostet hätte. Ich habe den Unparteiischen doch gar nicht gemeint. Ich habe meinen Mitspieler Andreas Neuendorf als Arschloch bezeichnet, weil er wollte, daß ich nach einem Foul schnell aufstehe. Aber ich konnte nicht, weil ich keine Luft mehr bekommen habe, sagte Wichniarek. Und wirklich: Nach einem harten Rempler eines Stuttgarter Gegenspielers war er in Höhe der Mittellinie vor den Trainerbänken liegengeblieben und nicht aufgestanden. Der Angreifer, der vor der Saison vom Absteiger Arminia Bielefeld nach Berlin wechselte, wurde von seinem Mitspieler Neuendorf in seiner These unterstützt. Auch der beschwor, daß nur ihm das böse Wort gegolten habe.“
Eintracht Frankfurt – Bayer Leverkusen 1:2
Glück, nichts als Glück
Richard Becker (FAZ 12.8.) sah einen glücklichen Gästesieg. „Alle Welt rieb sich verwirrt die Augen, bedauerte den kecken Aufsteiger und wunderte sich über diesen Tabellenführer. Nicht dank der eigenen Leistung hat es Bayer auf Position eins in Liga eins verschlagen. Die Frankfurter hatten kräftig mitgeholfen, was Bayer-Trainer Klaus Augenthaler gar zu gerne im eigenen Interesse bestätigte. Glück, nichts als Glück habe Leverkusen diese drei Punkte beschert. Solle ja niemand auf die Idee kommen, von der Tabellenposition auf die eigene Stärke zu schließen. Bayer ganz oben, die Eintracht ganz unten – die Tabelle spiegelt wider, welch unverhoffte wie unverdiente Geschenke der Fußball bereitzuhalten pflegt. Denn hätten die Frankfurter ihre Tormöglichkeiten in der ersten Halbzeit konsequenter genutzt, ihre Stürmer mehr Effizienz bewiesen, wäre Bayer arg zerrupft worden. Die Abwehr um einen staksigen und in Laufduellen in der Regel unterlegenen Lucio, dazu ein wenig inspiriertes Mittelfeld und stumpfe Spitzen, das war nicht allzuviel, was Bayer auf der Frankfurter Baustelle an Aufbauwerk zu bieten hatte. Die in nahezu allen Mannschaftsteilen nach dem Aufstieg runderneuerten Frankfurter haben wie schon zuvor beim 1:3 bei Bayern München zum Auftakt eine Menge Lehrgeld zahlen müssen. Wenn man so überlegen ist, dann muß man einfach gewinnen, sagte Trainer Willi Reimann und dürfte sich wie die 22 500 auf den glutheißen Rängen gewundert haben, wie anfällig das Establishment der Bundesliga dahergekommen war. Zwei Jahre zweite Liga hat die Eintracht, 1963 ein Gründungsmitglied der Bundesliga, nach ihrem zweiten Abstieg hinter sich, sie muß sich in steter Regelmäßigkeit mit tiefgreifenden Krisen in den verschiedensten Gremien herumplagen, und das Geld steht auch nicht im Übermaße zur Verfügung. Da kommen nach hoffnungsvollen Ansätzen solche sportlichen Nackenschläge gerade zum falschen Zeitpunkt. Das ist um so deprimierender und demütigender, als die Leistung zumindest über eine gewisse Zeitstrecke der in dieser Liga geforderten Klasse angemessen war. Die spielerische Potenz, sich in dieser Liga etablieren zu können, ist allemal vorhanden. Es fehlt nur noch der Nachweis in Punkten.“
So grausam ist Fußball
Ingo Durstewitz (FR 12.8.) fasst Frankfurter Reaktionen zusammen. „Der Bundesliga-Rückkehrer vom Main ist nach der bitteren Pleite gegen die eher mauen Rheinländer im Keller des Oberhauses aufgeschlagen; eben da, wo er nach Meinung der Hobby-Teamchefs auch hingehört: auf dem letzten Platz. Rudi Völler, im Hauptberuf Teamchef der deutschen Auserwählten in Stollenschuhen, kann die Panikmache nicht verstehen, der in Hanau geborene erste Mann in Fußball-Deutschland findet es nicht dramatisch, dass die Eintracht bei diesem harten Auftaktprogramm noch null Punkte auf dem Konto hat. Gegen Leverkusen, findet er, hätten die Frankfurter aber mindestens einen Zähler verdient gehabt. Da aber nicht bekannt ist, dass der Konjunktiv schon jemals auch nur ein Tor erzielt hat, glaubt auch der Teamchef, dass die Eintracht nicht mehr ganz so fahrlässig mit ihren Torchancen umgehen darf wie in der ersten Halbzeit. In der Bundesliga, sagt Völler, ist das tödlich. Es ist gerade der erste Abschnitt, der zu ambivalenten Ausflüssen der verbalen Art im Lager der Eintracht führte: Ja, klar, gut gespielt, die Leverkusener durcheinander gewirbelt, lange nicht gesehene Kombinationen zelebriert – aber diese verflucht miese Chancenverwertung. 5:0, wirft der neue Vorstandsvorsitzende Peter Schuster ein, 5:0 hätten wir führen müssen. Setzt aber glücklicherweise hinzu, als Fan zu sprechen. Vereinspräsident Peter Fischer hätte zur Pause ganz gerne eine 4:0-Führung gesehen: Dann hätten wir den Ball in der zweiten Halbzeit immer schön auf die Tribüne bolzen können. Auch eine Möglichkeit. Ervin Skela, der kleine Virtuose, hadert da viel lieber mit dem Fußballgott, der aber schon ein paar Mal gnädig war zum Verein vom Main: So grausam ist Fußball. In der Eliteliga werde jeder kleine Fehler sofort bestraft, man darf einfach nicht locker lassen. Auch Hannover 96 habe am Anfang der letzten Saison furios aufgespielt – aber fast alles verloren: Das muss für uns ein abschreckendes Beispiel sein. Von der Qualität der Mannschaft sind indessen sowohl Vereins- als auch AG-Chef inzwischen überzeugt. Sagen sie zumindest offiziell.“
Peinlichkeiten und Stümpereien
Jan Christian Müller (FR 12.8.) kritisiert die Führung der Eintracht. “Es gehört seit Jahr und Tag zu den routinemäßigen Pflichtaufgaben, ohne großen Rechercheaufwand über allfällige Peinlichkeiten und Stümpereien im Verantwortungsbereich der Frankfurter Eintracht zu berichten. In unterschiedlichen Varianten werden in regelmäßigen Zeitabständen mindestens absonderliche, oft auch schlicht ungeheuerliche Vorgänge aus dem Hause Eintracht auf dem Silbertablett in die Redaktionsstuben geliefert. Nun also der Fall Bruchhagen. Selbstverständlich hat es, typisch Eintracht, weniger als eine Woche gedauert, bis öffentlich bekannt wurde, dass dem DFL-Geschäftsführer ein Angebot des Aufsteigers vorlag. Eigentlich hatte er nur noch drei, vier Fragen klären wollen, ehe die Offerte zur gegenseitigen Willenserklärung und somit zu einem rechtsverbindlich gültigen Vertrag geworden wäre. Vielleicht wird Bruchhagen sich nun vorwerfen müssen, im guten Glauben auf die Authentizität des Angebots vertraut zu haben. Nun weiß auch er aus eigener Erfahrung wie zuvor schon die Herren Rüssmann und Ziffzer: Diese Eintracht steht nicht für seriöses Geschäftsgebaren. Dafür herrscht intern zu viel Neid, Misstrauen, Missgunst, auch Unbedarftheit. Die Fußball AG hat durch ihr wieder einmal unabgestimmtes Vorpreschen unmittelbar vor einer entscheidenden Aufsichtsratssitzung völlig unnötig Porzellan zerschlagen. Man muss kein Prophet sein, um annehmen zu dürfen, dass die Posse um Bruchhagen den Club auch bei der Deutschen Fußball-Liga gehörig an Ansehen gekostet hat. Ramponiert ist es ohnehin längst.“
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Die Zäsur nach einer WM
Roland Zorn (FAZ 9.7.). „Die Zäsur nach einer WM trifft eher die Trainer als die Spieler. Sie hatten ihre große Chance und werden – Ausnahmen bestätigen die Regel – nie wieder im Rampenlicht der ganz großen Bühne stehen. So scheint für einen Berti Vogts (von Erich Ribbeck ganz zu schweigen) die Zukunft längst Vergangenheit. Nur Teamchefs wie der unschlagbare Franz Beckenbauer oder der ewige Volksheld Rudi Völler bleiben ein Leben lang unabhängig – von Vereinen wie Verbänden. Ihnen läuft der Erfolg nach. Warum? Vielleicht weil sie anders als die Lemerres auf kein Amt der Welt angewiesen und deshalb souverän geblieben sind.“
Gunter Gebauer (Die Zeit 4.7.) prognostiziert, „dass sich Deutschland als nächster Ausrichter der WM ganz entspannt präsentieren kann. Denn Deutschland ist wieder Großmacht im Fußball. Es bringt seine Gegner wieder zur Verzweiflung und wird gefürchtet. Im deutschen Spiel zeigt sich, was wir von Deutschen zu sehen lieben – ihren Durchsetzungswillen. Nicht das Team mit den stärksten Spielern siegt, sondern die Elf mit dem stärksten Glauben. Alle vier Mannschaften des Halbfinales der WM 2002 wurden von einem kollektiven Glauben getragen, von Größenvorstellungen der Bevölkerung über ihre Mannschaft und sich selbst, vom Vertrauen auf ihre Durchsetzungskraft und von ihrem Willen zur Fußballmacht. Gewiss gab es Mannschaften, die spielerisch besser waren als diese vier, aber sie waren schwächer im Glauben. Was wir daher für die Zukunft positiv erwarten können, sind die Effekte des Glaubens an Mannschaft und Nation. Man erkennt, wie dieser die Überzeugung hervorbringt, dass in schwierigen Situationen eine bessere Zukunft verborgen ist, die man im Vertrauen auf die eigenen Fähigkeiten gewinnen kann.“
Andreas Platthaus (FAZ 3.7.). „Der neue Nationalismus auf dem Römerberg ist kein Patriotismus, denn er speist sich allein aus persönlicher Zuneigung zu den Spielern. Das Schwarz, das Rot, das Gold sind ihre Signalfarben, nicht mehr, und „Deutschland“ ist ihr Firmenname. Es sind viele junge Frauen gekommen, und ihre spitzen Schreie bringen ein neues akustisches Phänomen in die ansonsten ehe dumpfen Schlachtrufe der deutschen Fußballanhänger. Die Entmännlichung einer Sportart ist zu beobachten bei all diesen Mädchen, die den Namen Ballack auf der Stirn tragen und den Starschnitt im Tornister. Diese Nationalmannschaft ist eine Boygroup, und wie sie da auf dem Balkon synchron die Arme rudern lassen, wie Gerald Asamoah in einer kurzen Gesangspause das Mikrofon ergreift, um einen neuen Gassenhauer anzustimmen, in dem sofort der ganze Platz einfällt, wie Sebastian Kehl und Christoph Metzelder außen links die Menge animieren, das lässt Fußball zum ersten Mal als Pop-Phänomen erkennbar werden statt als Traditionssportart.“
„Geht´s jetzt unaufhaltsam an die Spitze?“, fragt Michael Ashelm (FAS 7.7.). „Oder ist alles nur ein kurzer Glücksmoment? Der Fußball lebt von den Extremen, den schnellen und unvorhersehbaren Wendungen. Was gestern noch ein Auslaufmodell war, gilt heute als begehrenswertes Objekt und umgekehrt. In diesen Tagen schaut die Fußball-Welt mit Neugierde auf die deutsche Kicker-Nation, so wie früher zu ruhmreicheren Zeiten. Plötzliche heißt es, die Talentschule sei doch nicht so schlecht wie gedacht, plötzlich sind deutsche Spieler auf der Angebotsliste keine Ladenhüter mehr, sondern gefragte Leute (…) Dass der deutsche Fußball mit einem gestärkten Teamchef als Protagonisten endlich wieder Visionen entwickelt, mag der größte Zugewinn des WM-Erfolgs sein.“
Stefan Klein (SZ 3.7.) beobachtet die Berichterstattung der englischen Zeitungen über die deutsche Mannschaft. „Auch wenn sie gerade keinen Weltkrieg wieder aufleben lassen, produzieren sie doch immer noch genug Häme, dass es für ein paar charmante Liebenswürdigkeiten reicht. So erklärte es die Sun kurzerhand zur nationalen Pflicht, den Brasilianern für das Endspiel die Daumen zu halten, weil nämlich die deutsche Mannschaft „so appetitanregend“ sei „wie ein Eimer Sauerkraut“. Brasilien stehe für bronzefarbene, rassige Girls, Deutschland dagegen für „fette Bayern in Lederhosen, die sich auf die Schenkel schlagen“. Der seriöse Guardian dagegen versuchte nett zu sein, aber Trost hatte er auch keinen. „Wetten“, schrieb er unter einem Foto von der deutschen Fußballnationalmannschaft mit einem Anflug von Mitleid, „dass Sie am Sonntag für diesen Haufen nicht schreien werden?“ Irgendwie, so scheint es, hat hier jemand ein Imageproblem.“
Christoph Biermann (SZ 2.7.) blickt zurück. „Die Laboratorien des Fortschritts sind heute die internationalen Spitzenklubs, wo Tag für Tag die besten Spieler der Welt zusammenarbeiten und dabei ein Niveau erreichen, das man in Korea und Japan kaum gesehen hat. Die Zahl erinnerungswürdiger Spiele blieb daher klein, die großen Momente waren rar und die Leistungen der Schiedsrichter oft miserabel. Trotzdem war es eine gute Weltmeisterschaft, wozu auch einer der am wenigsten beachtete Aspekte beigetragen hat: Fairness. Zwar gab es allerlei Schauspielereien und versuchten Betrug im Strafraum, aber kaum schwere Fouls und offene Brutalität mit Verletzungsfolge. Die strenge Regelauslegung hat den Fußball weiter zivilisiert. Das Publikum in Korea und Japan lieferte mit seiner naiven Begeisterung dazu die passende Kulisse.“
Dahingegen meint Thomas Kistner (SZ 2.7.). „Auch wissen wir jetzt, wie schief gewickelt die Experten waren, die angesichts des frühen Favoritensterbens bei der fernöstlichen WM lauthals gefranzelt und geklagt haben wider die übervollen Terminpläne – es liegt ja nun der Gegenbeweis vor. Solange Fußballer wie die von Bayer Leverkusen, die alle erdenklichen deutschen und europäischen Endspiele bestritten (respektive durchlitten) haben, sich abschließend in einem WM-Finale in diese euphorisch gefeierte nächste Dimension körperlich-geistiger Frische aufschwingen können, gibt es wenig Argumente, die für längere Sendepausen sprechen.“
Roland Zorn (FAZ 2.7.) fasst das deutsche Turnier zusammen. „Zwei Jahre nach der niederschmetternden Europameisterschaft in Belgien und den Niederlanden ist der deutsche Fußball wieder zum Markenartikel geworden – und das nicht nur mit den üblichen schweißtreibenden Ingredienzien aus hechelndem Kampfeswillen und unbändiger Willenskraft. Zum guten Schluss dieser WM zeigten die Deutschen, dass sie auch den Spaß am Spiel zu schätzen wissen. Mit Größen wie Bernd Schneider, dem „Brasilianer“ aus Leverkusen, Oliver Neuville, dem Flitzer unterm Bayer-Kreuz, oder dem im Endspiel leider gesperrten Neumünchner Ballsouverän Michael Ballack können Profis von Extraklasse Spurenbilder für Ästheten zeichnen (…) Die Menschen in Deutschland fühlten sich in einer romantischen Aufwallung durch ihre Nationalmannschaft beschenkt wie lange nicht – obwohl sie nicht gesiegt und sogar das Idol einen folgenschweren Fehler begangen hatte. Wenn ein verlorenes Spiel die Menschen anrührt und ein Ergebnis zur Randnotiz wird, ist der Fußball für einen schönen Moment der Herzensbrecher für ein ganzes Volk.“
Technischen Hilfsmitteln bei der Spielleitung erteilt Norbert Specker (NZZaS 30.6.) eine Absage. “Angekommen bei der perfekten Fußballgerechtigkeit, müssten wir dann auch einen Ersatz für die Fußball-WM suchen. Denn Unvollkommenheiten gehören zu uns wie der Stuhlgang. Eine Fußball-WM ist nichts anderes als das ritualisierte, befreiende und lebensnotwendige Erinnern an diese Beschränktheit. Glück spielt eine Rolle, und jeder stellt sich unter Druck anders und oft besonders ungeschickt an. Wir sind verletzbar, unvollkommen – und vergeben die dicksten Chancen.”
Harry Nutt (FR 1.7.). „Es gibt keinen privilegierten Zugang mehr zum Handwerkszeug des Spiels und seiner Veredelung. Wurde fußballerisches know how bislang immer auch als Gut nationaler Tradition ausgegeben, so erscheint die hohe Kunst des Tore Schießens und Vermeidens nunmehr als transferierbares Produkt. Fußball ist lernbar, Taktik ist auf den Weltmärkten verfügbare Handelsware, und internationale Vergleiche bringen am Ende kaum mehr hervor als Kontingenz. Alles, so lautet die Formel der neuen Weltfußballordnung, hätte auch ganz anders kommen können. Spielte man die WM in drei Monaten noch einmal, so Wenger, kämen vermutlich ganz andere Ergebnisse dabei heraus. War man früher geneigt, Fußballergebnissen rückwirkend eine gesellschaftliche Determination und politische Prägekraft zuzuschreiben, so fiel diesmal der ubiquitäre Wille zur vorauseilenden Deutung auf. Die Spiele mochten ausgehen wie sie wollten: mit dem Abpfiff standen bereits subtile Interpretationen über nationale, ökonomische und mentale Lagen zur Verfügung (…) Anstelle traditionalistischer und religiöser Differenzen arbeitet sich die deutsche Mannschaft im Spannungsfeld zwischen DDR-Prägung und Spaßgesellschaft ab. Schon möglich, dass man sich bald Michael Ballacks Wandel vom postsozialistischen Schnösel zum rackernden Mannschaftsspieler erzählen wird. Siegfriedhaft mythisch erscheint zu guter Letzt die Verwundbarkeit des Oliver Kahn, der das Lindenblatt nicht abzuwehren vermochte. Wahrscheinlicher ist, dass dergleichen in sechs Wochen, wenn die Fußballfans die Bundesliga wieder für sich haben, vergessen sein wird.“
Eine französische WM-Bilanz finden wir in Libération. „Die Bilanz einer WM, bei der Frisöre oftmals der zwölfte Mann gewesen sind. Diese 17. Weltmeisterschaft endet mit einem offensichtlichen Triumph der Frisöre. Hinsichtlich der Haarschnitte war die Türkei dieses Jahr unbezwingbar. Nehmen Sie zum Beispiel Ümit Davala, den Mittelfeldspieler mit Irokesenschnitt. Ein ausgebildeter Frisör der größten Pariser Akademie hätte es nicht besser machen können. Die Haare des Schlussmannes Rüstü erforderten nicht nur frühzeitiges Waschen. Der Haarschopf muss lange Zeit gekämmt, anschließend gebunden werden und alles noch, wenn möglich, ohne Knoten. David Beckham ließ seinen Haarkünstler extra aus London einfliegen. Nur konsequent, dass die den Frisören innerhalb der Mannschaften eingeräumten Positionen schon beängstigend sind. Schluss mit den dummen Weisheiten des Trainers, es ist der Frisör, der das Sagen hat. Einmal über die Strähnen kämmen zur Halbzeit? Einmal mit Jasminduft bestäuben und der zweite Treffer wird fallen?“
(1.7.)
Roland Zorn (FAZ 1.7.) zieht Bilanz. „Will Europa bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland wieder die gewohnte Hauptrolle spielen, müssen dessen Protagonisten die Zeit bekommen, sich auf ihren großen Auftritt vorzubereiten. In Korea und Japan erreichten die Terminabreißer aus Frankreich, Argentinien oder Italien mit ihrer hopplahopp vorbereiteten Tournee rasch die Endstation. Nur wer sich wie die Koreaner, Japaner und Amerikaner lange auf den Höhepunkt des Fußballjahrs einstimmen konnte, durfte länger bleiben. Nach 31 manchmal endlos anmutenden Turniertagen triumphierte die Selbstregulierungskraft des neuen Marktes über die Selbstüberschätzung der alten Weltmarktführer. Wer seine Hausaufgaben nicht lösen konnte oder wollte, wurde zum Sitzenbleiber der Weltmeisterschaft. Eine harte Lehre für das von den Folgen der sportlichen Globalisierung eingeholte Establishment und ein ermutigender Hinweis für die aufstrebenden Nachrücker im Weltfußball.“
Ein Resümee von Felix Reidhaar (NZZ 1.7.). „Die XVII. Fußball-Weltmeisterschaft werden jene aus der alten Welt, die gerne die definitive Wahrheit im populärsten Sport reklamieren und sich in Asien deshalb gekränkt vorkamen, aus dem Gedächtnis streichen. Die strenge Tagesordnung mit nationalen und kontinentalen Herausforderungen hilft rasch hinweg über ihre Irritationen, denen sie im Wettstreit mit ehrgeizig-frischen Teams von aufstrebend-neuen Fußballmärkten ausgesetzt waren. Wünschenswert bliebe, wenn sie Konspirationstheorien aus dem Kopfe schlügen, gemäss denen sie an diesem Turnier auf beleidigende Art von oberster Stelle beraubt wurden durch voraus bestimmte Spielausgänge. Solche und ähnliche Vorwürfe stammten von denkbar schlechten und dummen Verlierern – darunter auch Journalisten (…) Diese Weltmeisterschaft hat oft erfrischt in der ersten Phase und häufig auch gelangweilt in der K.-o.-Runde. Die leistungsmäßige Nivellierung nahm überhand, der spielerische Gehalt wurde darunter beeinträchtigt. Die Einheit wird immer wichtiger als ihr einzelnes Mitglied, Persönlichkeiten werden so zusehends rarer. Der Old World Final von Yokohama kann die neue Fußball-Weltordnung nicht verdecken. Willkommen im 21. Jahrhundert.“
Direkter Freistoß
Interview mit C. L. Menotti taz
Zwischenfazit vor dem Finale
Matti Lieske (taz 28.6.) zieht Bilanz. „Von dieser Weltmeisterschaft wird kaum etwas in Erinnerung bleiben. Bis zum Finale kein einziges großes, dramatisches und dabei hochklassiges Spiel, kaum Einzelaktionen oder Spielzüge, die länger als bis zum Schlusspfiff haften bleiben. (…) Dahin der offensive Geist und Schwung von 1998; mit dem neuen Wundermittel, einer sehr mobilen Fünferkette im Mittelfeld, wurde erst einmal versucht, die gegnerischen Kombinationen, die in Frankreich für so viel Vergnügen sorgten, im Keim zu ersticken, den Ball zu sichern und per Konter oder Standardsituation das eine Tor zu erzielen, das oft genug zum Sieg reichte. Da die besten Mannschaften inzwischen läuferisch und kämpferisch auf ähnlichem Niveau spielen, waren es oft die kleinen Sachen, die über Wohl und Wehe entschieden. Ein Schiedsrichterpfiff, ein Pfostenschuss, ein Kopfball zur rechten Zeit (…) Die Freunde taktischen Fußballs mögen dem in Asien präsentierten Kollektivstil, der auf immenser Laufkraft und Zweikampfstärke basiert, durchaus etwas abgewinnen können, Fakt bleibt: Er ist stocklangweilig, denn er zielt auf die Verhinderung genau dessen, was den Fußball liebenswert macht: packende Strafraumszenen, mitreißende Kombinationen und die Entfaltung individueller Brillanz.“
Roland Zorn (FAZ 28.6.) blickt zurück. „Früher, als Fußballspieler noch keine Export-, Importartikel waren, fielen die neuen Stars bei Weltmeisterschaften quasi vom Himmel: so wie Pelé 1958 und dessen brasilianischer Landsmann Garrincha 1962. Danach wurden aus längst bekannten Größen ihres Landes bei einer einzigen WM Weltfußballer – wie Johan Cruyff 1974 oder Maradona 1986 oder Zidane 1998. Diesmal aber wird mit Kahn ein Torwart gefeiert, der längst als der beste seines Fachs gilt, und Ronaldos Comeback bejubelt, das einem schon vor vier Jahren zum Spieler des Turniers ausgeguckten Stürmer gilt. Die vom Klubfußball zerschlissenen Mittelfeldgrößen und Paradeangreifer haben dagegen bei der WM in Korea und Japan ihre Urlaubsreife demonstriert, die Nachrücker aus Senegal (Diouf, Camara), der Türkei (Sas, Ümit Davala), den Vereinigten Staaten (Donovan), Südkorea (Ahn Hwang-jung) gelten bis auf weiteres noch als Sternschnuppen. Auch deshalb wird die erste Weltmeisterschaft in Asien, von den bis zum Schluss ihre Form nachweisenden Profis wie Ronaldo, Rivaldo, Ballack oder Hierro abgesehen, als ein Turnier ohne I-Tüpfelchen in Erinnerung bleiben.“
Mit einer vorläufigen Bilanz dieser Fußballweltmeisterschaft voller Überraschungen wartet Helmut Schümann (Die Zeit 27.6.) auf. Für ihn waren es “Bilder des Grauens, wie Zinedine Zidane im Gras auf der Nase lag. Zuvor hatte er versucht, einen langen Ball zu stoppen. Das sah aus, als kickte er für Fortuna Düsseldorf oder so etwas. Er strauchelte und plumpste vornüber. Schwerfällig, ungelenk. Zinedine Zidane am Boden, hoffnungslos, zerstört, entnervt. Oder Luis Figo. Wie er dastand, als ihm der junge Jin Cheul Choi rotzfrech wie ein Kind den Ball wegnahm. Luis Figo, vorgeführt wie ein Tanzbär. Gibt es denn keinen Respekt mehr vor Stars? (…) Leicht konnte jeder Brian who? aus den USA den natürlichen Unterschied ausgleichen. Zinedine Zidane, der Gott des Fußballs, traf in der Playstation, Brian McBride traf ins Tor. Damit ist nicht zu rechnen gewesen.”
Vor dem Halbfinale
„Der World Cup im Fernen Osten ist der ideale Schauplatz, um hier eine Bestmarke zu erreichen – und sich dort bereits die Nächste vorzunehmen. Wer hat noch nicht? Wer will nochmals? Die vermeintlich Großen und Starken dieses Geschäfts verabschieden sich nacheinander, in die Bresche springen die so genannten Kleinen, für die jeder Tag mit einem Rekord garniert werden kann.“ Dieses Resümee der NZZaS ist dem Halbfinaleinzug der beiden Mannschaften aus Südkorea und Türkei (eigentlich auch dem deutschen Erfolg) geschuldet.
Mark Schilling (NZZaS 23.6.) mit einem Zwischenfazit nach den Viertelfinals. „Eine der Kardinalfragen vor der XVII. Fußball-WM lautete: Wie würde sich der Umstand auswirken, dass die Leistungsschau globalen Fußballschaffens erstmals auf „neutralem Terrain“ und nicht auf europäischem oder amerikanischem Grund stattfindet? Wer kann sich besser an die ungewohnten Bedingungen anpassen? Die „großen“ Südamerikaner? Oder doch die europäischen Favoriten? Nach drei Wochen Weltfußball auf asiatischem Grund ist die Fragestellung längst zu Makulatur geworden. Und bereits jetzt kann das Fazit gezogen werden, dass der World Cup 2002 als derjenige in Erinnerung bleiben wird, an welchem am Establishment arg gerüttelt wurde.“
Michael Ashelm (FAS 23.6.) fasst zusammen. „Die Globalisierung des Fußballs hat den sportlichen Wettbewerb verschärft und Außenseitern den Eintritt nun sogar in allerhöchste Ränge ermöglicht. Noch nie gelangte ein asiatisches Fußballteam bei einer WM in diese Sphären, geschweige denn ihre türkischen Sportskameraden (…) Das Establishment sucht verzweifelt Gründe: Es beklagt die unsichre Regelauslegung schwacher Unparteiischer. Oder sieht eine Wettbewerbsverzerrung, weil Teams aus Südkorea, Japan und den Vereinigten Staaten sich monatelang auf das Weltturnier vorbereiten konnten, ohne dabei auf Spieler verzichten zu müssen, die für ihre Klubs mehr als achtzig Spiele pro Saison bestreiten (…) Die neuen Verhältnisse beschäftigen auch den Generalsekretär der Vereinten Nationen. Kofi Annan, ein Ghanaer, hat das Ganze auf eine politische Ebene gehoben und erklärt, dass aus dieser Entwicklung alle Benachteiligten der Welt neue Hoffnung schöpfen könnten.“
Vor den morgigen Halbfinals schreibt Felix Reidhaar (NZZ 24.6.) über die zwei Underdogs. „Dass sie in den letzten drei Partien gegen Portugiesen, Italiener und Spanier anstelle übertriebener Vorsicht, wie man sie in ähnlichen Konstellationen in Europa her kennt, eigenen Fähigkeiten zum Durchbruch zu verhelfen versuchten, spricht für die im „dynamischen Korea“ verankerte Mentalität. Auch die Türken haben spätestens seit dem Gruppenmatch gegen denselben Gegner vor drei Wochen in Ulsan übertriebenen Respekt abgelegt. Die Brasilianer sind für sie so wenig eine entrückte Fußballnation mehr wie die Deutschen für die Koreaner – eine Erkenntnis des Turniers mit der Haupttendenz gleichmacherischer Qualitätsentwicklung. Man kann den Erfolg der Einheimischen gleichwohl nicht isoliert von den Schiedsrichterleistungen sehen, die seit langem nicht mehr so häufig Anlass zu Polemiken gaben wie in Ostasien. So augenfällig die Koreaner bisher von Entscheiden profitiert haben, so hirnrissig sind in den Ländern der Etablierten laut gewordene Vorwürfe methodischer Begünstigung, die dem Veranstalter aus wirtschaftlichen Gründen zuteil werde. Die systemimmanente Problematik ist seit langem erkannt, nur unternimmt die Fifa-Führung primär aus wahlstrategischen Gründen nichts dagegen. Sie stützt sich u. a. auch auf Stimmen aus der Karibik ab, also selektioniert sie Assistenten von Inseln, wo die Fußballtore noch nicht überall Netze haben und die Linienrichter noch nicht durchwegs Fahnen halten.“
Vor dem Viertelfinale
Vor dem Anpfiff der Viertelfinals zieht Felix Reidhaar (NZZ 21.6.) ein kritisches Fazit. „Es ist an dieser WM-Endrunde trotz einigen durchaus beschwingten, intensiven und gehaltvollen Spielen eine Nivellierung mit Abwärtstendenz festzustellen. Deshalb ist Cesar Luis Menotti, dem einstigen Erfolgscoach der argentinischen Weltmeistermannschaft, beizupflichten, wenn er in einer Zeitungskolumne festhält, nicht die Kleinen würden generell besser, sondern die Grossen verlören zunehmend an Qualität. Die Teams gleichen sich in ihrer taktischen Ausrichtung und der spieltechnischen Vorgehensweise auf Kosten des Einfallsreichtums und des Abenteuergeistes immer stärker an. Das Wesen des Spiels erodiert durch die Betonung der Physis, der körperlichen Vorbereitung, die zwar einen wesentlichen Bestandteil fußballerischen Erfolgs darstellt – aber keinen Ersatz für Einfallsreichtum und Talent. Wer heute an diesem Turnier nach einer herausragenden Mannschaft oder einer speziell profilierten individuellen Leistung sucht, wird beim besten Willen nicht fündig.“
Christoph Biermann (SZ 21.6.) hält dagegen. „Die Spielweisen haben sich angeglichen wie die Innenstädte der großen Städte überall auf der Welt. Im McDonalds-Fußball ist nicht nur die Exotik abhanden gekommen, sondern auch der Unterschied. Allein Brasilien lebt noch in seinem ganz eigenen Kosmos aus tropisch wucherndem Talent in der Offensive und lachhafter Verteidigungsarbeit. Von dieser WM, das kann man jetzt schon bilanzieren, wird kein Impuls einer Erneuerung ausgehen, wie vor vier Jahren in Frankreich. Damals gewann ein Team, das überragende individuelle Fähigkeiten mit einer perfekten Systematik verband. Eine solche Mannschaft gibt es 2002 nicht, und zweifellos wird dieses Turnier stärker von der Physis der Teams dominiert als von ihrem technischen Vermögen. Dabei haben die beiden Gastgeberteams, die sich im Stil von Klubmannschaften exklusiv für diese Gelegenheit vorbereiten konnten, sicherlich einen großen Vorteil gegenüber den meisten Profis aus Europa, die abgehetzt von einer langen Saison in Fernost ankamen.“
Michael Horeni (FAZ 21.6.) über die bevorstehende Viertelfinalrunde. „Brasilien gegen England, das ist und bleibt der einzige und letzte Klassiker, den sich der Fußball im Viertelfinale bei dieser WM noch gönnt. Alle anderen Partien, wie die deutsch-amerikanische Begegnung, stehen dagegen für ein Duell zwischen der alten und der neuen Fußballwelt. Die jungen Provinzen erheben sich gegen die traditionsreichen Kapitalen, die ihre Überlegenheit aus dem vergangenen Jahrhundert aber während des Turniers weitgehend eingebüßt haben. Für diesen eingeleiteten, aber noch nicht vollständig vollzogenen Wechsel steht die Begegnung zwischen Senegal und der Türkei, deren Sieger sich als Sensationsteam der WM fühlen darf. Mit Deutschland, England und Brasilien sind nur noch drei Länder unter den besten acht, die von sich behaupten können, prägenden Einfluss auf die WM-Geschichte genommen zu haben. Die Spanier, die es nun mit dem furiosen neuen Fußballmarkt Südkorea zu tun haben, können sich das als dritte Kraft vom alten Kontinent schon nicht mehr nachsagen lassen.“
Stefan Hermanns (Tsp 20.6.). „Der Weltfußball ist von der großen Unübersichtlichkeit ergriffen worden: Wer gestern Held war, ist heute Trottel. Und kann morgen schon wieder Held sein. Von den letzten acht Mannschaften des WM-Turniers standen drei, Südkorea, die Türkei und der Senegal, noch nie in einem Viertelfinale, die USA erreichten immerhin 1930 das Halbfinale. Allerdings stieß die Veranstaltung Fußball-Weltmeisterschaft da noch auf ähnlich großes Interesse wie heute die offenen aserbaidschanischen Dart-Meisterschaften. Inzwischen aber hat der Fußball auch den letzten Winkel der Welt erfasst, und die überraschenden Ergebnisse dieser WM sind nicht zuletzt ein Ausdruck der umfassenden Globalisierung dieses Sports. Der internationale Fußball kennt keine nationalen Eigenheiten mehr: So wie chinesische Jugendliche in Peking genauso zu McDonald’s gehen wie gleichaltrige Amerikaner irgendwo in Ohio, spielen 17-jährige Ghanaer eben in der A-Jugend deutscher Fußball-Bundesligisten. Den italienischen Catenaccio beherrscht Paraguay inzwischen besser als Italien selbst, und der Senegal ist zumindest bei dieser WM das stärkere Frankreich.“
Vorrundenfazit
„Es ist keine schlechte WM bis jetzt. Ganz im Gegenteil: Es fallen viele Tore, es gibt viele temporeiche, höchst unterhaltsame Spiele. Das Niveau ist bemerkenswert hoch. Es wird sehr fair gespielt, böse Fouls bleiben die Ausnahme. Aber es wird wohl keine WM werden, an die man sich wegen ihrer Klassiker erinnern wird“, zieht die FR ihr Zwischenfazit. In der NZZ lesen wir: „Scheinbar in Stein gemeißelte Hierarchien sind in Südkorea und Japan über Nacht über den Haufen geworfen worden.“ Im Allgemeinen wurde das Turniergeschehen als „unterhaltsam“ (FAZ) erlebt, nicht zuletzt wegen der zahlreichen Überraschungen. Für manchen Kommentatoren ist es freilich des Guten zu viel.
Roland Zorn (FAZ 15.6.) fasst den bisherigen deutschen Auftritt zusammen. „Sie waren vor zwei Jahren nach ihrem schmählichen Vorrundenaus bei der Europameisterschafts-Endrunde auf Jahre hinaus totgesagt worden und sind inzwischen – die Franzosen mag es beim Blick nach vorn trösten – wieder da, wo sie hingehören: mittendrin im Kreis der Mannschaften mit höheren Ambitionen. Nur reden sie anders als früher nicht mehr laut darüber. Erst gewinnen, dann das nächste Ziel ins Auge fassen – mit diesem unprätentiösen, handwerklich soliden Anspruch ist Deutschlands Nationalelf, inzwischen in Korea stationiert, zumindest wieder auf dem Weg nach oben.“
Mark Schilling (NZZ 15.6.) blickt zurück. „Nicht nur der Umstand, dass sich Sensationen zutrugen, darf als erfreulich taxiert werden, sondern auch die Qualität der Partien im Allgemeinen. Es gab zwar bisher nur einzelne Abschnitte, die mit dem Prädikat „herausragend“ etikettiert werden können, doch insgesamt war der Unterhaltungswert hoch, gerade in Südkorea, wo in den 24 Vorrundenpartien 75 Tore und damit 20 mehr als in Japan erzielt wurden.“
Ralf Wiegand (SZ 15.6.) zieht Bilanz. „Dass in dieser Vorrunde zwei Gruppensiege den Skandinaviern zufallen würden, zählt zu den ganz großen Überraschungen der WM, ist jedoch wie alles im Leben nicht unerklärbar. Schweden und Dänemark stellen die kompaktesten Mannschaften des Turniers, jene beiden, die sich am konsequentesten der Offensiv-Manie verweigern können, ohne dabei völlig aus der Rolle zu fallen. Sie haben den Wert der „scheinbar niedrigen Tätigkeit“ des Verteidigens erkannt und es in seine modernste Form überführt, in dem sie allen elf Spielern auf dem Feld zur Pflicht erklärt wurde (…) Die Überraschung sind nicht Außenseitersiege an sich, sondern die Ballung, in der sie auftraten. Selbst Ecuador besaß am letzten Spieltag noch Chancen, die zweite Runde zu erreichen.“
Thomas Kilchenstein (FR 15.6.) zieht ein Vorrundenfazit. „In den vergangenen zwei Wochen ist im fernen Südkorea und in Japan etwas geschehen, was kein Mensch hatte vorhersehen können: Der Ball ist anders gerollt als gedacht, völlig anders. Er ist nicht ins Aus gerollt, er ist in vermeintlich falsche Netze getreten worden, in die Netze derer, die eigentlich für die Triumphator-Rolle vorgesehen waren. Die Fußballwelt, man muss das so sagen nach diesem einzigen 14-tägigen Überraschungscoup, ist nicht mehr so, wie sie vor dem Eröffnungsspiel war; die Fußballwelt ist ein wenig aus den Fugen geraten, lieb gewonnene Erklärungsmuster verfangen auf einmal nicht mehr (…) Es gibt praktisch kaum noch gravierende Unterschiede in Sachen Taktik, Technik, Dynamik; selbst ein Team wie Costa Rica spielt einen blitzsauberen, wohl geordneten, klar strukturierten Fußball und schafft es spielend, etwa Brasilien zeitweise in die Bredouille zu stürzen. Was aber nicht bei allen gleich ist, ist die Fitness. Gerade aber das körperliche Befinden, die Fähigkeit, das auf dem Platz abzurufen, was einer in der Lage ist zu geben, ist zum zentralen Faktor dieses Turniers geworden. Man muss topfit sein. Viele sind es nicht.“
Den Aufschwung des japanischen Fußballs kommentiert Martin Hägele (FR 15.6.). „Nun aber wissen es die Gäste vom Mutterkontinent des alten Lederballs ganz genau. Im einzigen Land der Welt, in welchem sich die Uhr nach den Zügen stellen lässt, zieht auch Team Nippon seinen WM-Auftrag getreu nach Fahrplan durch. Sobald die Spieler von der Halbzeitpause zurückkommen, beschleunigt der blau-weiße Express auf Shinkansen-Tempo. Dieses Arbeitsprotokoll gehört ebenso um Alltag der J-League-Profis wie das Händeschütteln mit Prinz und Prinzessin exakt acht Minuten vor dem Anpfiff und den Nationalhymnen.“
Thomas Klemm (FAZ 15.6.) wirft ein. „Die Ehre des asiatischen Fußballs ist gerettet, ja sogar der Ruhm gemehrt. Japan und Südkorea haben ihre Pflicht erfüllt und die gute alte Tradition fortgesetzt, dass kein WM-Gastgeber schon im ersten Teil des Turniers ausscheidet (…) Der Kontinent ist gespalten: Zwei Länder erwiesen sich als asiatische Tiger, der Rest als Papiertiger (…) Tatsächlich wird hinter vorgehaltener Hand gefragt, ob überforderte Teams wie China und Saudi-Arabien nicht den globalen Wettbewerb negativ beeinflussten.“
Roland Zorn (FAZ 15.6.) über den europäischen Fußball. „Mochte angesichts des frühen Feierabends für die Equipe Tricolore der als dominant eingeschätzte europäische Fußball zunächst zu den Gebeutelten dieser WM gezählt werden, so ging diese flüchtige Rechnung nach dem ersten Teil der Rallye durch Korea und Japan doch nicht auf. Wie 1998 kam die Mehrzahl der Teams im Achtelfinale vom Alten Kontinent. Darunter vier Mannschaften, die wegen ihrer kämpferisch unbeugsamen Haltung viel Respekt dazugewannen: Irland ohne seinen schon vor dem ersten Pfiff nach Hause geschickten kapriziösen Kapitän Roy Keane, Dänemark, das den Franzosen zu einem ausgedehnten Urlaub verhalf, Schweden, das sich von Argentinien nicht einschüchtern ließ, und Deutschland, das mit Kahn hinten und Klose ganz vorn den Gruppentest mit neuem Teamgeist glänzend bestand.“
Das Abschneiden der afrikanischen Mannschaften hat Martin Helg (NZZ 15.6.) im Blick. „Die Halbierung des WM- Teilnehmerfeldes betraf den afrikanischen Kontinent überproportional. Einzig der WM-Neuling Senegal hat sich für die Achtelfinals qualifiziert (…) Die restlichen vier Teams mühten sich phantasie- und glanzlos durch die Vorrundenspiele, ungeachtet ihres Status als Favorit oder Außenseiter. Taktisch starrer Kraftfußball dominierte das Auftreten. Vorzüge in Sachen Athletik und Outfit zielten ins Leere, und kein Star trat hervor, der sich im Buch der Fußball-Memorabilien hätte verewigen können. Dieser Umstand enttäuscht vor allem im Fall der Kameruner und Nigerianer, zweier Teams, die WM-Endrunden seit 1990 mit stilistischen Neuerungen bereichert hatten (…) Dass sich die fußballerische Kluft gegenüber Europa vorderhand nicht schließen lässt, hat erst in zweiter Linie mit den Launen und Biorhythmen der Stars zu tun. Hauptverantwortlich scheint ein Kompetenzproblem der Verbände, die in vielen Ländern nicht mehr Herr des Verfahrens sind. Den grundlegenden Beitrag zu den Erfolgen der Juniorenteams leisten private, kommerzielle Fußballschulen, die meist in Zusammenarbeit mit europäischen Klubs entstanden sind. Die Verbände haben sich derweil aus ihren veralteten Strukturen nicht lösen können und sind eng an die Interessen staatspolitischer Entscheidungsträger gebunden geblieben.“
Roland Zorn (FAZ 15.6.) über den Stil der beiden Gastgebernationen. „Beide Gastgeber bestimmten im übrigen den attraktiven Vorrundentrend mit ihrem unverdrossenen, wenn auch manchmal etwas naiven Mut zur Attacke mit. Überhaupt setzte sich der schon vor vier Jahren in Frankreich erkennbare Trend zum im Zweifel offensiven Fußball fort. Noch mehr Treffer als vor vier Jahren (diesmal 130, damals 126) kamen dabei heraus.“
Thomas Kilchenstein (FR 12.6.) hat einen Trend ausgemacht: die „Renaissance der Torjäger“. „Vieles spricht dafür, dass zumindest die Angreifer auf den Punkt genau fit sind, das spricht für ihre Klasse, das spricht aber auch für die Vorarbeiter, die die Fachkräfte im Sturmzentrum prima in Szene setzen. Oder zeichnet sich ein neuer Trend ab? Zurück zur Spezialisierung? Zuletzt war es ja eher gegenläufig: alle Feldspieler hatten alle Aufgaben übernehmen müssen. Aus den Spezialisten sind Allrounder geworden, die variabel einsetzbar sind im weiten Fußballfeld. Die Fähigkeiten der Fußballer sind besser geworden. Das, was heutzutage Verteidiger können, hat früher ausgereicht, um den filigranen Ballverteiler im Mittelfeld zu geben. Inzwischen ist es ja so: Verteidiger marschieren elegant über die Flügel, Mittelfeldspieler schießen in den Winkel, Techniker pflegen die Grätsche auszupacken und Stürmer dürfen nicht nur vorne stehen, sondern müssen neuerdings auch Räume zustellen und störend in Gegners Aufbauspiel eingreifen.“
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Völler-Interview – Barcelona, ein holländischer Klub aus Katalonien
SZ-Interview mit Rudi Völler über seine Stürmer – Willi Reimann bestraft – geht der Trend nun zum Zweitklub? Roman Abramowitsch sponsert nun auch ZSKA Moskau – Italiens Regierung belohnt verschuldete Klubs – Barcelona, ein holländischer Klubs aus Katalonien (BLZ) – Israels Nationalspieler, „immer standen sie kurz vor der Qualifikation, immer wieder wurden sie enttäuscht“ (NZZ) – Dekadenz in Liverpools Stadien, „die neuen Fans sind ein unter New Labour zu Wohlstand gekommener Mittelstand“ (Zeit) (mehr …)
Ballschrank
Köln erörtert die sportliche Lage – die mitreißende Atmosphäre im Westfalenstadion – kicker-Interview mit Oliver Kahn
So einen Schwachsinn habe ich seit Jahren nicht gelesen
Erik Eggers (FR 26.9.) referiert Diskussionen und Debatten beim Tabellen-Letzten Köln: „Es gehört zu den Binsenweisheiten, dass die Altvorderen in Zeiten größten Notstandes gern die ach so glorreiche Vergangenheit verklären. So etwas ist gerade im erinnerungsgetränkten Fußball nicht selten. Demzufolge befindet sich der 1. FC Köln in einer sehr, sehr dunklen Phase seiner Vereinsgeschichte, am Tiefpunkt, ganz unten, in einer sportlichen Krise. Das jedenfalls vermittelte ein Offener Brief, in dem sich der Kölner Zeitungszar Alfred Neven Dumont anlässlich des anstehenden 60. Geburtstages Wolfgang Overaths zu seltsamen Sentimentalitäten hinreißen ließ und gleichzeitig die Lage des örtlichen Fußballclubs, der fünf Niederlagen in sechs Spielen kassierte, als Katastrophe beschrieb. Als Sie als Kapitän den 1. FC Köln zu seinen großen Erfolgen führten, begann der mächtige Monopolist in seinen auflagenstarken Organen Kölner Stadt-Anzeiger und Express seine Klagerede, gehörte der Klub uns allen: den begeisterten Anhängern, den gelegentlichen ,Mitläufern‘, wie ich einer bin, aber vor allem auch jenen, die noch anderes im Kopf haben als Fußball und Karneval. Die gibt es nämlich auch. Das war die gute, alte Zeit, an die wir gerne zurückdenken. Und heute? Heute gehört der 1. FC Köln den Verantwortlichen, also dem Verein, der es zwar gut meint, aber dies seit Jahr und Tag außer sich selbst kaum zu vermitteln versteht. Angesichts Tabellenplatz 18 versteht der alte Mann, der sich stets als Sprachrohr des Kölners geriert, sein Volk nicht mehr: Geht ein Aufschrei durch den FC, seine geplagten Anhänger, die breite Öffentlichkeit? Mitnichten! Und schreit dann Blamage und wagt komische Vergleiche: Ja, wir haben uns an den Abstiegsplatz gewöhnt wie die Bundesrepublik Deutschland an eine verwandte Position im Reigen der europäischen Staaten. Seine Forderung: Der Weltmeister von 1974 solle doch endlich helfen, den Verein wieder an die nationale Spitze zu führen. Die vox populi reagierte ungewohnt heftig. So einen Schwachsinn habe ich seit Jahren nicht gelesen, meinte etwa Chat-Teilnehmer Quimbie im FC-Fanforum, und es fielen einige nicht zitierfähige Kraftsausdrücke. Die vielen Reaktionen auf die seltsame Rede zur Lage des FC ließen sich wie folgt zusammenfassen: Alle haben verstanden, nur nicht der Verleger.“
Wenn sie schweigen, dann so wie ein Vulkan, kurz bevor er ausbricht
Harald Hordych (SZ 26.9.) ist bewegt von der Atmosphäre im ausgebauten Westfalenstadion: “Eigentlich waren die Dortmunder immer stolz darauf, keine Kurven zu haben. In ihrem Stadion pfiff zwar der Wind um alle Ecken, aber die Zuschauer schufen bei bester Sicht jene fußballwahnsinnige Atmosphäre, die einer der Marktvorteile des Börsen-Unternehmens Borussia ist. Und hier sollen jetzt Leute in der letzten Reihe einer Kurve sitzen? Für 17,50 Euro? Endstation Sehnsucht. Hinter den Zuschauern verläuft ein Gang wie in jeder x-beliebigen Industriehalle, wenig erhebend ist das. Aber wer für ein Fußballspiel über viele steile Stufen bis in die 43. Reihe klettert, der hat nur Augen für das große grüne Rechteck dort unten. Die Spieler wirken klein und zerbrechlich, doch die Fans ganz oben identifizieren ihre Helden anhand von Trikotnummer, Gestalt und Bewegungsablauf. Ein Orkan tost trotzdem in Reihe 43. Schreien und Stöhnen, Erschrecken und Freude steigern sich, vielfach verstärkt unter den steil abfallenden Dächern, zu einem infernalischen Lärm der Begeisterung. Da macht es nichts, dass Lukas und Patrick den Kopf nach rechts drehen müssen, um das Spielfeld zu sehen. Wer hier geradeaus guckt, blickt auf die Südtribüne, die größte Stehtribüne Europas: 25 000 Dauerkartenbesitzer auf einem Fleck, die wie mit einer Stimme, einem Körper das Spiel durchleiden, und wenn sie schweigen, dann so wie ein Vulkan, kurz bevor er ausbricht. Das Treiben auf der Südtribüne ist den Eintritt schon allein wert. Das ist ja das Tolle, sagt Patrick Bryja: Er sieht das Spiel und die Südtribüne, für die er keine Karten kriegen konnte. Der Vereinsmanager Michael Meier sieht in der tosenden Menge gleichwohl noch immer eine intime Gemeinschaft, jene Community, die einem Stadion erst seine einzigartige Atmosphäre verleiht. Darum sagt der Mann, der mit seinem rosa Sakko und den graumelierten Haaren eher an den Direktor einer Kurklinik erinnert, ein ums andere Mal, man merke die 80 000 doch gar nicht. Das Stadion wirke doch „immer noch so familiär, oder etwa nicht?“. Die Fans sollen zwar immer zahlreicher herbeiströmen, aber sich trotzdem fühlen wie im kleinen Freiburger Stadion.”
Ich habe noch nie eine Zigarette auf Lunge geraucht, ich paffe
kicker-Interview Oliver Kahn
kicker: Gerade Ihr Bestreben war es immer, Bälle zu halten, die das Auge nicht wahrnehmen kann. Haben Sie diesen Anspruch nicht mehr?
OK: Ich sehe das alles absolut undramatisch. Im Moment fehlt mir das Glück.
kicker: Früher verließen Sie sich nicht auf das Glück, sondern auf Ihr Können. Ist das jetzt anders?
OK: Das tue ich heute auch. Aber als Torwart bis du auch vom Glück abhängig. Die Bälle prallen vom Innenpfosten ins Tor oder schlagen im Winkel ein. Aber das ändert sich auch schnell wieder.
kicker: Auch Karl-Heinz Rummenigge sagte in aller Sachlichkeit, früher hätten Sie so genannte Unhaltbare gehalten. Hat er Unrecht?
OK: In solchen Phasen bin ich stur, ich gehe meinen Weg. Ich vertraue auf mich. Ich tue, was ich immer tat. Es kann nicht plötzlich alles falsch sein, was bisher perfekt war. Deshalb werde ich keinen Millimeter abweichen.
kicker: Franz Beckenbauer sagte nach dem Leverkusen-Spiel, Sie seien nicht fit. Rummenigge erklärte, es habe auf keinen Fall mit ihren Augen zu tun gehabt. Sind diese Aussagen Anspielungen auf andere Gründe für fehlende Fitness?
OK: Jeder weiß momentan etwas. Davon ließ ich mich noch nie beeinflussen. Durch zwei, drei Spiele lasse ich mich nicht aus der Bahn bringen. Und mein Weg wird so erfolgreich sein wie vorher. Seit Dinge aus meinem Privatleben an die Öffentlichkeit gelangten, wird Kahn als Sportler nicht mehr objektiv betrachtet.
kicker: Sehen Sie darin nicht auch Kritik an Ihrer Arbeit?
OK: Es gibt da irgendwelche Statistiken. Ich nenne jetzt meine: Ich habe in dieser Saison elf Spiele gemacht, sechs in der Bundesliga, drei mit der Nationalelf, eines im DFB-Pokal. Kassiert habe ich zwölf Tore, also etwa eines pro Partie. Ich habe einen Fehler in Wolfsburg gemacht, das passiert. In Hamburg hielt ich aber einen Schuss von Takahara, den – in aller Bescheidenheit – auf der Welt sonst kaum einer gehalten hätte. Und dann diskutiert man über angeblich unhaltbare Bälle, die ich halten müsste. Ein Prozent der Kritik nehme ich ernst, 99 nicht, weil sie von Leuten kommt, die keine Ahnung vom Torwartspiel haben. Doch das prallt alles an mir ab.
kicker: Passt Ihr Lebenswandel noch zu Ihrem Beruf?
OK: Das sind auch solche Darstellungen, mit denen der Eindruck erzeugt wird, ich sei permanent auf Festen und Partys, mit Alkohol und Zigaretten. Da lauert einer sechs Stunden auf diesen Schnappschuss. Unsere Welt ist in manchen Bereichen abartig geworden. Wenn ich auf der Wies‘n ein Bier trinke, heißt es gleich, der Kahn war wieder die ganze Nacht unterwegs. Die Wahrheit ist: Ich habe noch nie eine Zigarette auf Lunge geraucht, ich paffe nur ab und zu eine. Bei Boris Beckers Laureus Gold Trophy habe ich am Samstag nur Wasser getrunken, beim Oktoberfest kam ich nur mit ganz wenig Alkohol in Kontakt. Ich bin ein Kämpfer, aber es gibt Grenzen.
kicker: Was wollen Sie tun?
OK: Das Einzige wäre, mich zu Hause einzusperren. Aber das ist nicht das, was ich mir unter einem normalen Leben vorstelle.
kicker: Ist das mit dem Profifußball vereinbar?
OK: Ich nehme meinen Sport sehr, sehr ernst.
kicker: Erwarten Sie in Ihrer Lage Unterstützung des FC Bayern?
OK: In diesem Geschäft geht es um Erfolg und Geld. Die Vergangenheit zählt nullkommanull. Das ist richtig so. Wenn es nicht mehr läuft, bist du auch ganz schnell im Gerede, dann bist du auch ganz schnell weg vom Fenster.
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Lieblingsbeschäftigung der Italiener im Sommer
Ein sehr lesenswerter Text von Birgit Schönau (SZ3.7.) über die Lieblingsbeschäftigung der Italiener im Sommer. „Silvio Berlusconi hat erklärt, er könne einen Batzen Geld für Besseres ausgeben als dafür, Beckham zum AC Mailand zu holen. Vielleicht meinte Berlusconi damit seine siebte Villa auf Sardinien, jedenfalls: Wo er Recht hat, hat er Recht. Der AS Rom hingegen wollte den Engländer haben, doch dann haben die Hauptstadtblätter Spice Boy richtig geschrieben, aber Beckham ohne h, Beckam (La Repubblica) oder, noch genialer: Bechkam (Corriere dello Sport). B. fühlte sich nicht mehr angesprochen und zieht jetzt nach Madrid. Soll er doch. Für Perugia spielt übrigens Ghaddafi. Ja, Ghaddafi, der petrol boy, dritter Sohn von Revolutionsführer Muammar. Hat nicht nur nichts gekostet, sondern spendet sein Gehalt einer noch nicht benannten wohltätigen Einrichtung, Ghaddafi! Gegen den ist Beckam ein Diesel. Ghaddafi junior hält 33 Prozent vom Zweitligisten Triest, sitzt im Aufsichtsrat von Juventus, sponsert Lazio Rom und spielt für Perugia. »Aus Leidenschaft«, sagt der Präsident, aus Leidenschaft, sagt Ghaddafi, würde er sich auch auf die Bank setzen und dem Trainer keinen Ärger machen. „Ich will behandelt werden wie alle anderen.“ Beckam! Nimm dir ein Beispiel! Aber Hauptsache, Ghaddafi schießt nicht irgendwann mit der libyschen Nationalelf ein Golden Goal gegen Italien. Das ist letztes Jahr bei der WM dem Koreaner Jung Hwan Ahn passiert. 24 Stunden später wurde er vom AC Perugia gefeuert, und Schiedsrichter Byron Moreno, Ecuador, avancierte in Italien zum meistgehassten Ausländer seit Hannibal. Später lud ihn das Staatsfernsehen RAI ein, zu einer Show namens Stupid Hotel. Dem Vernehmen nach für einiges Geld. Zwischenzeitlich hat er aufgehört mit seiner Unheil bringenden Pfeiferei. Das sind Geschichten, die der Fußball schreibt. Jedenfalls in Italien. Er schreibt sie vornehmlich im Sommer, in den drei Monaten, in denen der Ball nicht rollt. Und deshalb ist das die beste Zeit. Endlich kann man sich, unbehelligt von Spielergebnissen, Tabellen und Abseitstoren, den wirklich wichtigen Dingen widmen. Schafft Pippo Inzaghi einen neuen Geschwindigkeitsrekord mit der Wasser-Vespa? Heiratet der Wadenbeißer Gattuso seinen Labrador? Kennt ihr schon den neuesten Totti-Witz? (Totti versucht sich an einem Puzzle. Braucht fast vier Monate. Als er endlich fertig ist, dreht er die Schachtel um und liest: zwei bis drei Jahre. Da schreit Totti: Ich bin ein Genie!) Die Italiener sind Weltmeister in einer Disziplin, die in Deutschland so vernachlässigt wird, dass es noch nicht einmal ein eigenes Wort dafür gibt. Auf Italienisch heißt sie calcio parlato, gesprochener Fußball. Der wird das ganze Jahr betrieben, im Fernsehen und an der Kaffeebar, in den drei Sporttageszeitungen, in der Schule, am Arbeitsplatz, vornehmlich montags, nach dem Spieltag der Serie A. Aber im Sommer, wenn die Meisterschaft endlich vorbei ist – die natürlich wieder Juventus gewonnen hat –, wenn die Spieler an exotischen Stränden braten und ihre Tifosi unterm Sonnenschirm in Ostia oder Riccione schwitzen, im Sommer also, erhebt sich das große Zwitschern auf die Meta-Ebene, die schnöde Wahrheit auf dem Platz bekommt ihren ideologischen Überbau (…) Francesco Totti hat uns alle ganz schön in Atem gehalten. Beim letzten Training mit der Nationalelf war er gefragt worden, ob er sich denn einen anderen Club vorstellen könne als die Roma. Totti ist ihr Kapitän, in Rom aber ist er ein Volkstribun. Auf die Reporterfrage nuschelte Totti wie üblich in seinem wurstigen, römischen Dialekt, man dürfe nie nie sagen. Das reichte, um in seiner Stadt ein Inferno zu entfachen. Heulende Kinder, ratlose Mütter, rasende Lokalreporter. Am Totti-Day, dem Tag, als es zwischen Kapitän und Präsident zu einer „Aussprache“ kommen sollte, sendete das gute Dutzend der Lokalradios, die sich in Rom nur mit Fußball befassen, fünf Stunden live aus der Clubzentrale. Worum es bei dem Gespräch ging, kriegte keiner raus. Egal. Totti bleibt.“
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Sforza zum dritten Mal in Kaiserslautern – der nordische „Gegenentwurf“ zum FC Bayern
Sforza zum dritten Mal in Kaiserslautern – der nordische „Gegenentwurf“ zum FC Bayern – der Fußball-Torhüter: ein Verrückter?
Arminia Bielefeld – Werder Bremen 3:0
Jens Kirschnek (SZ 13.8.) berichtet vom Erfolgsrezept der Bielfelder Arminia beim 3:0 über Werder Bremen. „Diese funktionierende Spielweise ist schnell beschrieben: ein kompakter Defensivverbund, der nur wenig Chancen des Gegners zulässt, davor wendige Angreifer wie Wichniarek, Vata und Brinkmann, die ihre direkten Kontrahenten permanent in Zweikämpfe verwickeln. Weil sich die Bremer Abwehrspieler darin als ungeschickt erwiesen, hatten sie bereits nach 20 Minuten drei Verwarnungen gesammelt, am Ende stand Werder mit neun Leuten auf dem Platz. Und da ist noch etwas, was das Spiel der Arminen auszeichnet: eine beachtliche Effizienz bei Standardsituationen. Niemand hat im letzten Jahr in der Zweiten Liga mehr Tore nach Ecken und Freistößen erzielt als die Bielefelder (…) Gegen Bremen wurden die Standards konsequent eingesetzt: So resultierte das 1:0 aus einer Hereingabe von Dammeier, beim 3:0 in der Nachspielzeit schoss der eingewechselte Porcello einen 20-Meter-Freistoß gleich direkt ins Tor. Es ein Faustpfand, dass die Arminia einsetzen kann, auch wenn es spielerisch mal nicht läuft, eine Option, die mehr als jede andere helfen könnte, die Klasse zu sichern. Denn nur darum geht es natürlich für den Aufsteiger: den Klassenerhalt.“
Roland Zorn (FAZ 13.8.) über die Ostwestfalen. „Die Konkurrenz wird sich spätestens seit Sonntag auch vor diesem zunächst eher leichtgewichtig eingeschätzten Bundesliga-Rückkehrer in acht nehmen. Dazu hat der Rekordaufsteiger zu viele spezielle Qualitäten: Kopfballstarke Athleten wie Reinhardt oder Dabrowski sind immer dann zur Stelle, wenn Dammeiers angeschnittene Freistöße Torgefahr heraufbeschwören; Techniker und Trickser wie die Konterstürmer Vata, Brinkmann und Wichniarek suchen die Zweikämpfe und provozieren ihre Gegenspieler oft zu Fouls; dazu kommen ein in der vergangenen Zweitligasaison gewachsener Teamgeist und ein beachtliches Maß an taktischer Disziplin, die schwierige Situationen überstehen helfen.“
Hamburger SV – Hannover 96 2:1
Zum Spiel des Aufsteigers Hannover 96 beim 1:2 in Hamburg lesen wir bei Jörg Marwedel (SZ 13.8.). „Als Schiedsrichter Albrecht die Partie abpfiff, war an den schnöden Zahlen (2:1 für den HSV) nicht mehr zu erkennen, dass der Aufsteiger den großen Nord-Rivalen lange Zeit beherrscht, bis acht Minuten vor dem Ende 1:0 geführt und in der ersten Halbzeit eine eindrucksvolle Demonstration Rangnickscher Fußballschule abgeliefert hatte. Markenzeichen: Herzblut, sicheres Kurzpassspiel und geschickte Konter (…) Sie können es also, die Neulinge, von denen erst zwei Spieler Bundesliga-Erfahrung sammelten (…) Dies war der Knackpunkt: Während die 96er dem hohen Anfangstempo Tribut zollten, erhöhten die zunächst so ratlosen Hamburger mit den eingewechselten Antar und Ledesma anstelle der schwachen Außen Rahn und Kitzbichler die Schlagzahl derart, dass (Trainer, of) Rangnick zerknirscht eingestehen musste, sein Team habe in der zweiten Halbzeit „keine Entlastung mehr zustande gebracht“.“
Weiteres
Raimund Witkop Frank Heike (FAS 11.8.) skizzieren das Vereinsprofil des Hamburger SV. „Tradition kann man nicht kaufen. Aber für Tradition kann man sich auch nichts kaufen. Es ist ein Phänomen, dass ein tief in sportlicher Mittelmäßigkeit steckender Klub mehr Dauerkarten, mehr Logen, mehr Geschäftssitze verkauft als jemals zuvor. Beim HSV ist der Star das Stadion, wer gegen wen unten spielt, erscheint fast egal (…) Warum gelingt in der reichen Millionenstadt Hamburg kein Gegenentwurf zu Bayern München? Die Gelegenheit war da. In den siebziger Jahren trieb der begnadete Selbstdarsteller und Marketingfachmann Peter Krohn den Verein als Präsident in die Modernisierung. Unter Krohn, den noch heute jeder Hamburger über Dreißig mit bonbonrosa Trikots und einem schrillen Ritt auf Elefanten verbindet, wurde der biedere Verein zu einem schillernden Unternehmen. Im Hinblick auf Fußball als Teil der Showbranche war er seiner Zeit voraus (…) Der Verein aus der damals (Anfang der 80er, of) größten deutschen Stadt war da, wo er hingehörte, und hatte in Bayern München den natürlichen Feind aus dem Süden gefunden. Warum der HSV aus dieser Ära der Trainer-Helden Branko Zebec und Ernst Happel nicht das Kapital geschlagen hat, sich langfristig in der europäischen Spitze zu etablieren, bleibt ein Rätsel (…) Der HSV hat bei der wirtschaftlichen Zweiteilung der Fußballwelt in eine Sonnenseite und ein Schattenreich in den neunziger Jahren den Anschluss längst verloren. Fatalerweise wirken aber die Ansprüche aus der Erfolgsära bis heute fort.“
Über den überraschend hohen 4:0-Auftakterfolg Eintracht Frankfurts gegen den FC. St. Pauli schreibt Thomas Kilchenstein (FR 13.8.). „Natürlich ist Willi Reimann nach dem beeindruckenden Auftakterfolg von allerlei Leuten gefragt worden, wohin es denn laufen soll, laufen kann in dieser Saison mit Eintracht Frankfurt. Gesichertes Mittelfeld etwa. Oder doch nur Klassenerhalt, wie der Aufsichtsratsvorsitzende Jürgen Sparmann tief stapelt. Kann man doch eigentlich nicht verkaufen, nicht dann, wenn ein Bundesliga-Absteiger wie der FC St. Pauli, der in der vergangenen Runde in der ersten Klasse keine einzige Schlappe in dieser Höhe kassieren musste, gerade mit 4:0 abgewatscht wurde, „auseinander genommen“, wie Willi Reimann dann zufrieden sagte. Muss da nicht vielleicht doch das Saisonziel ein klein wenig nach oben korrigiert werden? Es ist gut, dass es in Frankfurt derzeit ein paar Männer gibt, die den Ball flach halten wollen. Reimann zum Beispiel, der Trainer.“
Uwe Marx (FAZ 13.8.) kommentiert das zweite Comeback Sforzas auf dem Betzenberg. „Natürlich sieht es auf den ersten Blick so aus, als habe der 1. FC Kaiserslautern nichts anderes getan, als einen neuen Spieler zu verpflichten. Aber das täuscht. Es geht in diesen Tagen nicht nur um Fußball bei den Pfälzern, also soll Ciriaco Sforza mehr sein als eine Verstärkung auf sportlichem Gebiet. Dem Schweizer gefällt das. Er ist schon zum zweiten Mal auf den Betzenberg zurückgekehrt und nutzt seine Vorstellung am Montag Mittag zunächst zu einer Art politischen Verteidigungsrede für Vorstand, Aufsichtsrat und Trainer des Vereins (siehe auch hier). Seine demonstrative Entschlossenheit gehört zum Kalkül dieser mutigen Verpflichtung. Hier ist einer, der Verantwortung übernehmen will und dem – wichtiger noch – von ganz oben Verantwortung übertragen wurde.“
Markus Völker (taz 10.8.) meint zur Finanzkrise im Fußball. „Erste Symptome zeigten sich in der letzten Saison in den Ligen Italiens und Spaniens: Spielergehälter schraubten sich in stratosphärische Höhen, die Schulden der Vereine bisweilen auch. Vor einem Jahr noch herrschte bei Europas Topklubs ein merkantiler Eifer, der das Treiben an der Warenterminbörse in den Schatten stellte. Das ging freilich nur gut, solange Geld in Strömen floss, vor allem vom Fernsehen. Als es bei den Medienunternehmen den Bach runterging, in Deutschland der Kirch-Konzern Insolvenz anmelden musste, war auch der fröhliche neue Fußballmarkt am Ende. Er hatte zwar keine Illusionen verkauft wie so manches Unternehmen. Aber die Klubs, das legte die Krise schnell offen, hatten unsauber gewirtschaftet. Sie waren dem Trugschluss erlegen, dem Fußball stünden unbegrenzte Mittel zur Verfügung. Die Vorfreude auf Fernsehmillionen machte die Klubbosse unvorsichtig. Sie verbuchten Einnahmen, die erst 2006 fließen sollten. Virtuelles Geld. Die Spieler indes wollen bare Münze, Monat für Monat.“
Der ehemalige Profi Yves Eigenrauch (taz 10.8.) verteidigt seine Zunft. „Das Spiel ist doch wie ein Wochenmarkt, auf dem ich meine Waren anpreisen kann. Dort ist auch gute und sehr gute, ebenso wie weniger gute bis gar mindere Qualität zu finden. Natürlich versuchen Menschen auszureizen, wie hoch sie mit dem Preis gehen können. Das ist schade, allerdings eben nicht allein im Fußballsport üblich. Wer kann denn schon von sich behaupten, dass er auf Dinge, die er haben könnte, freiwillig verzichtet? (…) Im Fußball gibt es genauso viele bzw. genauso wenig Menschen, die als gierig einzustufen wären, wie in der übrigen Gesellschaft, auch wenn es als Fußballer ungleich schwieriger ist, bei all den Einflüssen und Schulterklopfern den Überblick zu behalten. Damit meine ich nicht zuletzt auch den Überblick über die eigenen Verhaltensweisen.“
Über die Aufgaben eines Torhüters schreibt Simon Osterwalder (NZZ 10.8.). „Die publizistische Nachbearbeitung des Dramas um den Fußball-Ikarus Oliver Kahn hat das allenthalben kolportierte Vorurteil über verrückte Torhüter wieder einmal schonungslos ausgesprochen. So hieß es just in der lähmenden Fassungslosigkeit, welche die entscheidende Szene des heurigen WM-Finals ausgelöst hat, der verrückte Mann sei nun wieder unter uns, nachdem er der Sonne wohl durch mirakulöse Paraden zu nahe geraten sei. Oder man diagnostizierte an anderer Stelle, Kahn wäre ob seinem Patzer auf der Stelle verrückt geworden, wenn er es nicht schon längst wäre. Diese summarische Psychoanalyse wurde mit der nicht weniger klischierten Erkenntnis unterlegt, ein Torhüter müsse eben verrückt sein, da er sonst unweigerlich vom schmalen Grat zwischen Held und Versager ins Verderben stürze. Was hat es aber mit dieser Verrücktheit tatsächlich auf sich? (…) Die Torhüter greifen für die Zuschauenden wie grelle Blitze ins Spielgeschehen ein. Da diese Blitze von den Zuschauern (und Mitspielern) als finale Abschlüsse von Angriffsbemühungen in äußerst konzentrierter Weise wahrgenommen werden, wirken auch Torhüterflops verrückter, lies verwirrter, als ebenso schwerwiegende Fehler von Feldspielern. Um dieser Pein zu entkommen, will ein Torhüter jeden kleinsten Fehler vermeiden. Er wird dabei nie glücklichen Zufällen vertrauen, sondern jede seiner Handlungen aktiv bestimmen wollen. Zu exponiert ist seine Stellung in der Mannschaft, zu hoch sind die an ihn gestellten Ansprüche, nach denen er Vertrauen vermitteln, zugleich aber auch Abschreckung verbreiten soll. Diese Aufgaben kulminieren in der Suggestion der Unbezwingbarkeit, der maschinellen oder gar fabelhaften Präzision oder eben: in der mitreißenden Verrücktheit (im Sinne von absonderlich, auffällig, ungewöhnlich und nicht alltäglich sein). Solche (Selbst-)Ansprüche bewirken einen enormen Leistungsdruck, der den Torhüter zusätzlich zu seiner optischen Separation in eine psychische Isolation drängt. Lässt sich ein Torhüter deswegen verrückt (im Sinne von verwirrt) machen, d. h. werden seine Aktionen zu oft von Umständen des Zufalls, des (Un-)Glücks geprägt, wird der sorgsam aufgebaute Mythos der Unbezwingbarkeit schnell zu Staub und Asche.“
Zur Begeisterung des Publikums bei den Münchner Leichtathletik-Europameisterschaften lesen wir bei Jörg Hahn (FAZ 12.8.). „In Deutschland findet seit Monaten ein faszinierendes Staffelrennen der Sportarten statt. Der kollektive Jubel um die Olympiamannschaft bei den Winterspielen in Salt Lake City stand am Anfang. Von den Fußballspielern ist der Stab weitergereicht worden an die Schwimmer. Nun waren die Leichtathleten an der Reihe, demnächst folgen die Volleyballspielerinnen. Wo auch immer eine deutsche Nationalmannschaft im Einsatz ist, gewinnt sie – jede auf ihre Art, die Herzen der Menschen. Großveranstaltungen werden hierzulande auf kaum noch erklärliche Weise zu immensen Publikumserfolgen. Fast scheint es so, als hätte der olympische Geist dieses Land gepackt – schon lange bevor auch nur der nationale Kandidat für die Olympiabewerbung 2012 herausgepickt wird.“
Dahingegen wirft Thomas Hahn (SZ 13.8.) ein. „Natürlich, das Medaillenzählen ist nicht fein, und der Ansatz einer so genannten sanften Leichtathletik, in der nicht nur Siege zählen, klingt viel romantischer als der ewige Anspruch, zu den Besten zu gehören. In der Wirklichkeit allerdings zählt die Romantik wenig. In der Wirklichkeit sind die Verbände des modernen Leistungssports mehr denn je darauf angewiesen, mit Siegen Argumente für sich zu sammeln. München hat es doch gezeigt: Das ganze Glück der 54.000 brach erst in den Momenten über den Sportlern zusammen, in denen sie zu Gold sprinteten. Auch als Fernsehzuschauer – wer will das leugnen – hat man doch immer nur darauf gewartet, dass ein Landsmann die Fäuste in die Luft riss. Und war die Schwimm-EM vor zwei Wochen in Berlin nicht auch deswegen so beeindruckend, weil der Gastgeber zehn Heimsiege feiern konnte? Siege sind Ansporn für die Jugend, steigern den Stellenwert einer Sportart, vor allem sichern sie die Zukunft, weil sie denMedien immer Anlass geben hinzuschauen. Und deshalb lohnt es sich schon, sehr genau zu beobachten, wie sich die Gewinnquoten entwickeln. Und da beobachtet man: Sie werden geringer.“
Direkte Freistöße
Interview mit Uli Hoeneß SZ
Interview mit Klaus Toppmöller taz
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
VfB Stuttgart, die neue „Fohlenelf“ (Zeit) – 1860 München, mehr als Mittelmaß (FTD) – SpOn-Interview mit Lars Ricken
Über alte und neue Fohlen
Christoph Biermann (Zeit 20.11.) ehrt den VfB Stuttgart als Nachfolger der Gladbacher Fohlenelf: „Von seinem Mythos lebt der Klub (Gladbach, of) noch heute, nicht nur in banaler Form, wenn während der Spiele am Bökelberg ein Maskottchen namens „Jünter“ ins Publikum winkt, das mit ein wenig Mühe als Fohlen auszumachen ist. Winken wird „Jünter“ auch, wenn der VfB Stuttgart in der ersten Dezemberwoche zum Pokalspiel am Bökelberg antritt. Stuttgarts Trainer Felix Magath hat sich nach der Auslosung dieser Partie erfreut geäußert, weil seine Mannschaft in diesen Tagen für das stehen würde, was Mönchengladbach einst verkörperte: jugendlichen Schwung, den das Publikum liebt. Wir sind die neuen Fohlen, wollte er sagen, und das Publikum ist ihm dabei gefolgt. „Außer meinem Verein am liebsten ist mir…“, war die Vorgabe bei einer Umfrage von Sport Bild, und am weitaus häufigsten wurde der VfB Stuttgart genannt. Wieder ist es die Jugend, die hier ihren Zauber entfaltet. Kevin Kuranyi mit dem feinen Bärtchen, dem zarten Lispeln und der noch zarteren Ballbehandlung ist gerade 21 Jahre alt, wie der wunderbare und so vernünftige Außenverteidiger Andreas Hinkel oder Stürmer Christian Tiffert mit seiner Seepferdchen-Frisur. Nur ein Jahr älter ist der Weißrusse Aliaksandr Hleb, das begnadete Mittelfeldgenie, und Außenverteidiger Philipp Lahm ist gerade erst 20 Jahre alt geworden. Im Schnitt ergibt sich daraus das jüngste Team der Bundesliga, das darüber hinaus auch noch wunderschön anzuschauenden Fußball spielt. Daher wählten Fernsehzuschauer in einer Abstimmung von Sat.1, am kommenden Spieltag der Champions League nicht die Partie des FC Bayern bei Celtic Glasgow zu zeigen, sondern die des VfB gegen die Glasgow Rangers. Sportlich sind beide Spiele gleichermaßen bedeutsam, der Klub mit den meisten Fans in Deutschland unterlag dem Newcomer dennoch deutlich. 70 Prozent mochten lieber Stuttgart als die Bayern sehen, und viel deutlicher kann der Sehnsucht nach Jugend und schönem Fußball nicht Ausdruck gegeben werden. Stuttgart spielt zudem nicht mit aus aller Welt zusammengekauften Spielern, sondern mit Profis aus der eigenen Jugendmannschaft, die fast durchweg deutsche Pässe haben und so Rudi Völler dabei helfen könnten, dass er bei der Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land ein ernst zu nehmendes Team aufbietet. Der VfB Stuttgart kam damit genau zur rechten Zeit, als unablässig über den Mangel an solchen Talenten geklagt wurde. Selbst Bundeskanzler Schröder, der stets weiß, wie die Herzen des Publikums schlagen, hat den Klub öffentlich für seinen Mut zur Jugend gelobt – und längst umwerben reichere Vereine die Spieler. Mit der Jugend zum Erfolg, diese Geschichte ist fast zu schön, um wahr zu sein. Doch in Wirklichkeit ist sie eine von fast schon unglaublichen Zufälligkeiten (…) Eine märchenhafte Geschichte ist die vom Aufstieg des VfB Stuttgart, nur soll niemand erzählen, es hätte dahinter so etwas wie ein Plan gestanden. Die lange Reihe glücklicher Zufälle kann aber nichts daran ändern, dass es ungeheuren Spaß macht, dieser Mannschaft zuzuschauen. Durch seinen Vergleich mit Borussia Mönchengladbach will Magath das Märchen nun adeln und an eine Art mythische Kraftquelle anschließen. Doch das Reden über alte und neue Fohlen bewegt sich im Imaginären, und das soll es auch, weil Fußball zum Träumen da ist. Der VfB Stuttgart wird in dieser Saison wohl einen neuen Rekord im Toreverhindern aufstellen und vielleicht auch als Meister das Erbe der Gladbacher antreten. Doch welchem Geist entsprang die Idee vom Fohlen wirklich? Ganz ist das nicht zu klären, aber offenbar war der „Fohlen“-Erfinder Wilhelm August Hurtmanns weniger musikalisch und kunstsinnig, sondern eher herrisch und soldatisch, wie sich ein Kollege aus Mönchengladbach erinnert. Als Soldat war Hurtmanns im Zweiten Weltkrieg Mitglied einer Propagandakompanie in Verona. Dort lernte er, was Worte bewegen können. In Friedenszeiten jedenfalls ist dem Erfinder der „Fohlenelf“ eine zweifelsfrei sinnstiftende Wortschöpfung gelungen.“
Leider fällt niemandem auf, wie gut der TSV 1860 ist
Joachim Mölter (FTD 20.11.) befasst sich mit 1860 München vor dem Derby: „Der TSV 1860 ist derzeit eine Großbaustelle. Überall wird auf- und umgebaut oder zumindest geplant, egal, ob es um das Vereinsheim geht, die Allianz-Arena oder die Mannschaft. „Wir arbeiten auf das Jahr 2005 hin“, sagt Cheftrainer Falko Götz: „Wir werden mit einer Perspektivmannschaft ins neue Stadion gehen.“ Karl-Heinz Wildmoser junior glaubt, dass die Massen folgen: „Da wird eine neue Fankultur dazukommen“, sagt er, und „diejenigen, die sich nicht für 1860 begeistern, werden wir überzeugen, dass sie es tun.“ – „Sollten“, fügt Götz hinzu. Mit der Begeisterung für den TSV 1860 ist es nämlich derzeit nicht weit her, sie nimmt eher ab, wenn man Zuschauerzahlen vergleicht. Die Ränge elf, neun und zehn hat die Mannschaft in den letzten drei Spielzeiten belegt, Plätze jenseits von größerem öffentlichem Interesse. Schon wird gespottet, dass die so genannten Löwen zu grauen Mäusen mutieren, aber das Wort „Mittelmaß“ mag Geschäftsführer Karl-Heinz Wildmoser nicht hören, der Sohn des gleichnamigen Klubpräsidenten. „Bei 27 000 Fußballvereinen in Deutschland ist das alles andere als Mittelmaß“, belehrt er. Leider fällt niemandem auf, wie gut der TSV 1860 ist, weil es in München noch einen Bundesligaklub gibt: „Den Verein da drüben“, sagt Wildmoser junior und deutet nach Osten. Nur eine Querverbindung – die Dolomitenstraße – weiter, aber in anderen Höhen residiert der deutsche Rekordmeister: „Wir haben das Pech, dass der FC Bayern der erfolgreichste Verein in Europa ist und das Geschehen bestimmt.“ Zumindest in München und in dieser Woche will der TSV 1860 mitbestimmen. Am Samstag empfängt er den Rivalen im Olympiastadion zum Derby, und deshalb gehen die Löwen zum PR-Angriff über: Täglich gibt es Pressekonferenzen, zum Beispiel mit den Torhütern Michael Hofmann (31) und Petar Radenkovic (69), Symbole von Gegenwart und Vergangenheit. Letzterer schwebt ja ständig über dem TSV 1860 München: An der schrägen Decke der Vereinskneipe Löwenstüberl hängt ein Poster der Meisterelf von 1966; Radenkovic stemmt die Schale.“
SpOn-Interviewmit Lars Ricken
SpOn: Schmerzt es Sie, wenn bisweilen vom ewigen Talent die Rede ist?
LR: Nein, ich denke eher resignierend: Ihr Ignoranten! Werft mal einen Blick auf meine Autogrammkarte und die Titel, die dort aufgeführt sind. Das schafft kein ewiges Talent! Und im Übrigen kann so eine Titulierung nur Spielern passieren, die sehr früh auch sehr erfolgreich sind. Wer erst mit 25 Profi wird, den würde man wohl kaum ewiges Talent schimpfen.
SpOn: Erinnert Sie die Aufregung um die neuen Jungkicker wie Andreas Hinkel oder Kevin Kuranyi an die Zeit, als Sie als die Zukunft des deutschen Fußballs galten?
LR: Der Unterschied ist, dass ich damals der Einzige war, während es heute mehrere gibt, auf deren Schultern sich dieser Wirbel verteilt. Und wenn ich sehe, dass einige Spieler nackt oder halbnackt posieren, dann kann ich mir doch auf die Schulter klopfen, weil ich das vermieden und mich immer gegen das Image eines Popstars gewehrt habe. Trotzdem habe ich damals sicher nicht alles richtig gemacht und manches ist anders gelaufen, als ich mir das vorgestellt habe.
SpOn: Meine Sie die Karriere in der Nationalmannschaft? Bei der WM 2002 standen Sie als einziger Feldspieler nicht eine Minute auf dem Platz.
LR: Diese Erfahrung war sehr bitter. Da liegen wir gegen Brasilien zurück und sieben Spieler laufen sich warm, unter anderem auch ich. Dann kommt Bundestrainer Michael Skibbe zu mir und sagt: Lars, du musst dich wieder setzen, weil sich nach den Statuten nur sechs Mann warm machen dürfen. Da habe ich mich schon gefragt, was ich eigentlich hier mache. Ich habe heute aber auch ohne die Nationalmannschaft ein Sinn erfülltes Leben, und Rudi Völler kommt, wie man in der EM-Qualifikation gesehen hat, auch ohne mich zurecht.
SpOn: Hat es eine Aussprache gegeben?
LR: Eher nicht. Kurz nach der WM, beim Spiel gegen die Niederlande in Gelsenkirchen, war ich noch mal im Kader und durfte mich wieder 45 Minuten lang warm laufen. Damals habe ich entschieden, dass ich mich nicht mehr demütigen lasse, nur weil 2006 eine WM in Deutschland ansteht.
Wir bitten um eine Spende für die freistoss-Kasse, und empfehlen Sie uns. Vielen Dank!BankverbindungDeutsche Bundesbank (Filiale Gießen)BLZ: 513 000 00Nr.: 513 015 03Empfänger: indirekter-freistoss – Projekt-Nr. 6000 0208
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Spannender Titelkampf
spannender Titelkampf – zufriedene und kritische Pressestimmen zur Qualität der Hinrunde – „Leverkusener Leichtigkeit und schwäbischer Blues“ (FAZ), VfB Stuttgart verabschiedet sich kraftlos in die Pause, mit Bayer Leverkusen ist zu rechnen – Borussia Dortmund wird in der Rückrunde eine unberechenbare Größe sein – Wechselgerücht um Hannovers Trainer Ralf Rangnick beschleunigt internen Machtkampf – Falko Götz, Trainer von 1860 München, zum ersten mal nervös und ratlos – Andres D’Allesandro, Wolfsburgs Fußball-Ästhet u.v.m.
Allgemein
Wer Meister werden will, muss sich am Beckenbauer-Klub orientieren
Martin Hägele (NZZ 19.12.) kommentiert den Titelkampf: „Alle (in Bremen) haben das Gefühl, eine Meistergeschichte zu schreiben, die nicht mit Otto Rehhagel beginnt – dem Übervater der Bremer Erfolge in den achtziger und neunziger Jahren. Es wäre eine ganz neue, eine ganz eigene Ära, die auch nicht unter dem Motto vom Nord-Süd-Konflikt laufen würde. So wie früher, als Manager Lemke mit seiner Propaganda auf die soziale und politische Schiene setzte: Jeder, der zum FC Bayern gehörte, war Kapitalist, Millionär und von schwarzer Couleur; Werder aber wurde als die rot-grüne Fussball-Familie hingestellt, die Robin Hoods aus dem armen Stadtstaat, die sich mit den Grosskopfeten und Prominenten aus München anlegten – stellvertretend für den Rest der Liga. Dieses Duell wird es nun wohl wieder geben; allerdings ziemlich entschärft. Als sich Uli Hoeness, der Manager vom FC Ruhmreich, in Freiburg in den Mannschaftsbus setzte, war er sich noch nicht ganz sicher, ob der Gegenspieler aus den alten Zeiten wirklich der härteste Rivale um den Titel sein würde. Erst am Abend schlüpften die Bremer in die Rolle des ersten Bayern-Gegners, weil Bayer Leverkusen überraschenderweise den „jungen Wilden“ vom VfB Stuttgart die Grenzen aufzeigte und dem stolzen schwäbischen Aufsteiger-Team die erste Heimniederlage der Saison beibrachte. Denn Magaths Leute hatten den Rekordmeister noch am vergangenen Samstag in München spielerisch arg in die Bredouille gebracht – das Ergebnis sprach der Partie und dem gesamten Saisonverlauf Hohn. Trotzdem löste der glückhafte Ausgang scheinbar jene Blockade, die das Meisterteam von Coach Hitzfeld während der ersten Meisterschaftshälfte heimgesucht hatte. Der 6:0-Erfolg zeigte auf, wozu die Männer um Keeper Kahn und Goalgetter Makaay fähig sind, wenn sich alle Stars aufs gemeinsame Ziel konzentrieren. Nach der sportlich lausigsten Vorrunde, seit Hitzfeld das Sagen hat, reichte der Kantersieg, um all die bösen Kritiken der vergangenen Monate zu widerlegen und die gewohnten Kräfteverhältnisse im Land wieder herzustellen. Wer Meister werden will, muss sich in erster Linie am Beckenbauer-Klub orientieren und sollte gleichermassen Bayer Leverkusen auf Distanz halten. Innert eines halben Jahres hat Coach Augenthaler ein Team geformt, das das Trauma der Vorsaison völlig überwunden hat.“
Spannung in allen Tabellenregionen
Philipp Selldorf (SZ 19.12.) fasst zufrieden die Hinrunde zusammen: „Niemals wurden so viele Zuschauer in den 18 Stadien gezählt wie in dieser Hinrunde, und die Sportschau verzeichnet so gute Quoten, dass die ARD sogar Geld mit ihrer teuren Sendung verdient. Daran lässt sich unter anderem erkennen, dass es den Leuten relativ egal ist, ob die Bundesliga hinter der Primera Division, Serie A und Premier League qualitativ zurückgefallen ist (was ohnehin jedes Jahr aufs Neue zu beweisen ist). Und dass es außerdem eine ziemlich gute Hinrunde war, die in allen Tabellenregionen die Spannung für die zweite Serie offenlässt und dabei eine von den Anhängern goutierte solide Ordnung aufweist. Es gibt ein Reich der Finsternis, wo sich ein selbstherrlicher Riese verloren hat (Hertha), und vorneweg eine Spitzengruppe, die tollen Fußball spielt (den FC Bayern selbstredend ausgenommen). Bis zu den Salomonen mag es sich noch nicht rumgesprochen haben. Aber es war ein gutes Halbjahr in der Bundesliga.“
Kick it like Ballack, das ist unverkäufliche Ware
Axel Kintzinger (FTD 19.12.) sieht das anders: „Was bekommen die Leute, die mittlerweile Opernpreise für ihre Tickets bezahlen, zu sehen? Magerkost. Auf den Rängen ist mehr los als auf dem Rasen. Dort tummeln sich untalentierte Mittelfeldakteure, stümpernde Stürmer, rumpelfüßige Abwehrrecken. Manchmal gibt es schöne Spielzüge und herrliche Tore. Meistens aber gibt es Murks. Wer’s nicht glaubt, der gehe in ein Stadion oder besorge sich ein Premiere-Abo. Die Krise ist nicht nur ein ästhetisches Problem. International spielt der deutsche Fußball nur noch eine untergeordnete Rolle: Im Uefa-Cup flogen alle Vertreter der Bundesliga längst raus – sie scheiterten an Klubs mit unaussprechlichen Namen und schwer zu recherchierender Herkunft. Bayern München, der deutsche Meister, schaffte in der schwächsten aller Champions-League-Gruppen mal gerade so die Versetzung ins Achtelfinale. Da wartet nun Real, servus. Einzig Stuttgart setzte Glanzlichter und konnte einmal sogar Manchester United überraschen. Magaths junge Wilde scheinen ihr Pulver aber bereits verschossen zu haben, ihr Trend zeigt wieder nach unten. Ach ja, und die Nationalelf ist mittlerweile aus der Top-Ten-Wertung der Fifa rausgerutscht. Kein Wunder, dass außerhalb Deutschlands kaum einer etwas von der Bundesliga sehen will. Nicht Europas Fußballfans, sondern die Rechtehändler gucken in die Röhre. Kick it like Ballack, das ist unverkäufliche Ware.“
Katrin Weber-Klüver (BLZ 19.12.) ergänzt: „Alter Glanz blättert schnell. Der ehemalige englische Nationalspieler Gary Lineker erfuhr kürzlich von seinem Sohn, dass diesem David Beckham als Vater lieber wäre. Denn: Der kann einem im Fußball bestimmt viel beibringen. Allerdings ist auch Lineker senior nicht frei von Irrtümern. Von ihm stammt die berühmteste falsche Weisheit, Fußball sei ein Spiel, bei dem am Ende immer Deutschland gewinne. Das stimmt derzeit nur, wenn der deutsche Fußball gegen sich selbst spielt, international ist er – abgesehen von Stuttgart – in einer Kreativpause.“
VfB Stuttgart – Bayer Leverkusen 2:3
Die ermüdete Mannschaft des Jahres
Michael Horeni (FAZ 19.12.) spürt „Leverkusener Leichtigkeit“ und hört „schwäbischen Blues“: “Für die Abschlußparty eines rauschenden Fußballjahres hatte der VfB Stuttgart leider die falschen Gäste geladen. Als in der schwäbischen Fankurve die Konfettikanonen in Stellung gerückt wurden und es Silberstreifen vom pechschwarzen Himmel regnete, standen die Profis still und mit gesenkten Köpfen weit entfernt auf der Mitte des Fußballplatzes und verfolgten das Spektakel abwesend wie Verlierer nach einem Endspiel. Auf der anderen Seite des abgedunkelten Stadions bejubelten die Leverkusener mit ihrem bescheidenen Anhang ganz ohne schmückendes Beiwerk den spielerisch reich verzierten Sieg im Spiel um Platz drei des Jahres 2003. Nach den Stuttgarter und Leverkusener Niederlagen zuvor gegen Werder Bremen und FC Bayern München hatte es zum großen Finale vorab schon nicht gereicht. Und als das Tabellenschlußbild bewertet und der Ausblick aufs neue Jahr gewagt wurde, rückten die Schönheitspreise, die beide Mannschaften zuvor zahlreich gewonnen und an diesem letzten Abend nochmals bestätigten, in den Hintergrund (…) Nach zuvor fünf Spielen, die Bayer nicht gewinnen konnte, obwohl sich die Mannschaft stärker als der Gegner gefühlt hatte, war dies der genau richtige psychologische Schlußpunkt eines turbulenten Jahres, in dem sich Bayer Leverkusen im Sommer schon fast in der zweiten Liga sah und nun schon wieder mit der Champions League rechnen kann. Die ermüdete Mannschaft des Jahres allerdings, der VfB Stuttgart, überwintert mit einem leichten Kater. Wir haben eine super Ausgangsposition verspielt. Trotz der schönen Erfolge bleibt damit ein bitterer Nachgeschmack, sagte Nationalspieler Andreas Hinkel.“
„Erfolg kostet auch in Stuttgart Geld“, deutet Tobias Schächter (taz 19.12.) die Lage in Stuttgart: „Eine Ahnung davon, wie sich der tiefe Fall von umjubelten Helden zu verspotteten Deppen anfühlt, haben die Himmelstürmer vom VfB Stuttgart in den letzten Wochen schon auch erhalten. Seit sechs Pflichtspielen sind sie nun schon ohne Sieg. Und keiner im Lager der Schwaben verhehlte, dass die Winterpause zum rechten Zeitpunkt kommt. Ganz klar, wir präsentieren uns nicht mehr so frisch wie zu Beginn der Saison, sah nicht nur Felix Magath einen deutlichen Kräfteverlust bei seiner Mannschaft. Ausdruck fand dieser in zahlreichen derben Fehlpässen sowie zeitlupenhafter Verzögerung im Erkennen von Spielsituationen. Dreimal musste das Torwart-Titanle Timo Hildebrand bei der ersten Heimniederlage das Runde aus seinem Netz fischen. Zuvor waren es nur rekordverdächtige vier Tore, die er in 16 Spielen kassiert hatte. Vielleicht ist es psychologisch gar nicht schlecht für die Euphorisierten, mit einem Dämpfer im Kopf die Beine hochzulegen. Der gibt ihnen immerhin die Erkenntnis, dass nichts von alleine geht und Erfolg immer wieder neu erarbeitet und erspielt werden muss. Dafür wird auch Felix Magath sorgen. Der Blick des Baumeisters des Stuttgarter Erfolges geht schon lange in die Zukunft. Schon vor Wochen forderte er Verstärkungen für seinen Kader, in dieser Woche gab der Verein seine Zustimmung, schon zu Rückrundenbeginn soll investiert werden. Der Erfolg kommt die Schwaben somit teuer zu stehen.“
Borussia Dortmund – 1. FC Kaiserslautern 1:1
Gilt bei der Borussia das geschriebene oder das gesprochene Wort?
Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 19.12.) stellt fest, dass Dortmund eine unberechenbare Größe sein wird: „Als Stimmungsmacher hatte sich in alter Tradition der Kinderchor Sonnenkinder in Höhe der Mittellinie aufgestellt, schmetterte vor dem Anpfiff den Weihnachts-Gassenhauer Oh, du fröhliche. Darin fehlt es nicht an Begriffen wie Freude und Gnade. Freude bei den 70 000 kam später nur kurzfristig auf, als Jan Koller das 1:0 glückte. Das Gros kannte später allerdings keine Gnade mit seinen Lieblingen, als sich Torhüter Roman Weidenfeller und Abwehrrecke Malte Metzelder im Luftkampf um den Ball gegenseitig behinderten. Lincoln hatte deshalb eine knappe Viertelstunde vor Ultimo freie Bahn für den Ball zum Ausgleich. Er kam wahrlich nicht aus heiterem Himmel. In der ersten Halbzeit hätten die Pfälzer in Führung gehen müssen, weil sie viel geordneter als die konfusen Westfalen spielten. Sie taten das so selbstbewußt, als legten sie statt der Borussia es darauf an, Jagd auf die Spitzenmannschaften der Liga zu machen. Von Zeit zu Zeit erinnerten die Lauterer an Hoffmanns Geschichte vom wilden Jäger im Struwwelpeter. Darin schnappt sich der Hase das Schießgewehr vom müden Jäger und setzt sich auch noch dessen Brille auf. Ja, was denn nun? Gilt bei der Borussia das geschriebene oder das gesprochene Wort? In der Stadionzeitschrift Borussia aktuell hält BVB-Manager Michael Meier unbeirrt an der Zielsetzung Champions League fest. Wir knicken nicht ein und korrigieren auch nicht unsere Ziele. Es stehen vier Mannschaften vor uns, die wir allesamt angreifen. Diese Mannschaften nehmen sich noch gegenseitig die Punkte weg. Wer auch immer aus diesem Quartett ausscheiden sollte, ist sekundär. Entscheidend ist, daß wir unter die ersten drei kommen. Offenbar hat Meier den VfL Bochum nicht auf der Rechnung, denn in der Tabelle rangieren nach wie vor fünf Teams vor Dortmund. Momentan sind es zehn Punkte bis zum Tabellendritten. Zwar sehen wir die vor uns plazierten Mannschaften nur mit dem Fernglas, schreibt der Heger und Jäger Meier, aber dieses Fernglas gehört ja auch zu den Utensilien eines Jägers. Trainer Matthias Sammer greift lieber zur Lupe, um alle Unbill zu erkennen und aufzulisten, die da über seine Borussia hereingebrochen ist. Nur zog das Hauptargument von den 14 Ausfällen im aktuellen Fall schon deshalb nicht, weil Abstiegskandidat Kaiserslautern deren 13 zu verkraften hat.“
Hannover 96 – VfL Bochum 2:2
Jörg Marwedel (SZ 19.12.) interpretiert das Wechselgerücht um Ralf Rangnick: „Die Irritationen um die derzeit brisanteste Personalie der Bundesliga führen womöglich zu einer ganz anderen Baustelle, als bislang vermutet. Eher als auf einen Arbeitsplatzwechsel deuten sie nämlich auf einen internen Machtkampf zwischen dem Trainer und Sportdirektor Ricardo Moar hin, bei dem beide Seiten ihre Fäden im Hintergrund spinnen. Während der Manager die Spekulationen um eine Vertragsauflösung Rangnicks nur halbherzig bekämpft, kommt diesem die Aufmerksamkeit für seine Person, anders als von Moar vermutet, offenbar nicht ungelegen. Vielleicht, weil er spürt, dass der von Klubchef Kind bislang als Kontrolleur des Trainers eingesetzte Sportdirektor nicht mehr die uneingeschränkte Rückendeckung des Präsidenten genießt. Ralf Rangnick könnte wider Erwarten gestärkt aus diesem nicht ohne Elemente einer Intrige ausgetragenen Scharmützel hervorgehen. Voller Eifer wird der Fußballlehrer am heutigen Freitag in einem Interview mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung seine neuesten Visionen von der Zukunft des Klubs vor der Öffentlichkeit ausbreiten. Von einem Ausbildungsverein Hannover 96 ist da die Rede, der Nischen besetzen und jene Spieler in der zweiten und dritten Liga finden müsse. Zudem mahnt Rangnick, die Zeit der Euphorie sei nun vorbei in Hannover: „Jetzt sind Konzepte gefragt und es reicht nicht, wenn sich nur der Trainer zu einem Konzept bekennt.“ Unschwer zu erraten, dass derlei Ausführungen die Schwachstellen Moars bloßlegen. Der schlichte Spanier gilt als reiner Bauchmensch. Auch Kind hat inzwischen erkannt, dass seine einstige Hoffnung den deutschen Markt selbst nach anderthalb Jahren in Hannover kaum kennt. Leute um den Aufsichtsratsvorsitzenden Harald Wendt wiederum scheinen den Vereinschef vorerst überzeugt zu haben, dass mögliche Nachfolger für den Trainer, etwa Bernd Krauss, Frank Pagelsdorf oder Bernd Schuster, an die Qualitäten des oft unbequemen, aber bei den Fans in Hannover äußerst populären Rangnick nicht heranreichen.“
HAZ-Interview mit Ralf Rangnick
Gespräch mit Hans-Dieter Hermann, Sportpsychologe an der Uni Heidelberg und psychologischer Betreuer des an einem Erschöpfungssyndrom leidenden Hannoveraner Fußballprofis Jan Simak taz
Schalke 04 – VfL Wolfsburg 1:1
Mischung aus Schnelligkeit, Phantasie, Witz und Effizienz
Peter Unfried (SpOn) frisst einen Narren an Andres D‘Alessandro: „Es ist erstaunlich, wie D‘Alessandro die Fußballkultur verändert hat. Die scheinbar graueste Maus der Liga spielt jetzt – zumindest zeitweise – einen sehenswerten und zuhause auch erfolgreichen Kombinationsfußball. Nun sagt zwar Manager Peter Pander, allein damit könne er weder Anhängern noch Journalisten kommen, wenn am Ende doch wieder nur wieder eine mittelmäßige Platzierung rausspringt. Aber warum eigentlich nicht? Es wäre sicher zuviel, zu behaupten, es handele sich hier um einen Gegenentwurf zum handelsüblichen 08/15-Ergebnisfußball. Und: Klar fehlt die Balance zwischen Defensive und Offensive. Aber wie der Chef D‘Alessandro und seine argentinischen Offensivkollegen Diego Klimowicz und Mensequez sowie der Brasilianer Baiano den Ball laufen lassen – diese Mischung aus Schnelligkeit, Phantasie, Witz und Effizienz hat man zumindest in Wolfsburg noch nicht gesehen. Und woanders sieht man sie auch nicht jeden Tag.“
Schalke kann eine Überraschungsmannschaft sein
Ulrich Hartmann (SZ 19.12.) hält das Spiel symptomatisch für die Schalker Hinrunde: „Wenn Rudi Assauer nicht reden mag, dann gibt es auch nichts zu sagen. Wie das vergangene halbe Jahr zu bewerten sei, wurde der Manager des FC Schalke 04 gefragt. Man war neugierig, wie ihm die sechs Monate mit dem neuen Trainer Jupp Heynckes gefallen haben samt der anfänglichen Talfahrt in der Bundesliga, dem Aus im nationalen sowie im europäischen Pokal und der jüngsten Kurserholung in der Tabelle. „Geht so“, brummte Assauer nach einer demonstrativen Schweigeminute. Dann entschwand er ohne weiteres. Geht so – das muss als Bilanz des Jahres also ausreichen auf Schalke, wo weder der Trainer noch die Mannschaft die Erwartungen erfüllt sehen, und wo das Management bereits mit der perspektivischen Gestaltung des Spielerkaders beschäftigt ist. Schalke braucht dringend Kreativkräfte für sein Offensivspiel. Nächstes Jahr soll alles anders werden, lautete der Tenor der Schalker, schließlich wird der Verein dann 100 Jahre alt und da muss die strukturschützende Tradition dieser deutschen Fußballinstitution dringend revitalisiert werden. Zuletzt war eher das Gegenteil der Fall. „Schalke kann eine Überraschungsmannschaft sein“, hatte Heynckes vor der Saison gesagt und irgendwie Recht behalten.“
Richard Leipold (FAZ 19.12.) fügt hinzu: “Trotz des jüngsten Dämpfers glaubt Heynckes, eine akzeptable Halbjahresbilanz präsentieren zu können. Vor zwei, drei Monaten hätten die meisten Schalker es wunderbar gefunden, die Halbserie mit zwei Punkten Rückstand auf einen UEFA-Pokalplatz abzuschließen. Zudem orientiert sich der Trainer mehr am Sinn des Advents. Vorab wie ein sportlicher Heiland gefeiert, spürt er kurz vor Weihnachten, daß er in Schalke angekommen ist. Die Mannschaft weiß nun, wie ich arbeite, und kennt meine Philosophie. Wir haben uns gefunden. Schalke werde unter ganz anderen Voraussetzungen in die Rückrunde gehen. Während Heynckes trotz aller Verwerfungen an ein Happy-End im Mai glaubt, erwartet seinen Kollegen Peter Neururer eine Herausforderung mit umgekehrten Vorzeichen. Nach dem 2:2 in Hannover steht der VfL Bochum als Tabellenfünfter staunend vor dem besten Halbzeitstand seiner Vereinsgeschichte. Ich werde die Winterpause genießen und mir jeden Morgen die Tabelle angucken, sagt Neururer. So wird aus der schönen Momentaufnahme für sechs Wochen ein Standbild.“
1860 München – Borussia Mönchengladbach 1:2
Christian Zaschke (SZ 19.12.) erlebt einen aufgewühlten Falko Götz: „Falko Götz schaute wie der Zeuge eines schlimmen Verkehrsunfalls, abwesend, das Gesicht starr, ein Rest von Ausdruck darin. Ein wenig verwirrt vielleicht auch. Er saß neben Holger Fach, der sich gerade bei seiner Mannschaft, dem Präsidium und überhaupt bei allen bedankte. Fach versuchte, dezent in seiner Freude zu bleiben, um den Kollegen nicht zu demütigen, doch auch die Zurückhaltung änderte die Fakten nicht: 1860 München steckt zum Abschluss der Hinrunde im Abstiegskampf, und Trainer Falko Götz steht vor den Trümmern seiner Arbeit. Im März dieses Jahres hat er die Mannschaft von Peter Pacult übernommen. Damals standen die Sechziger auf Rang acht, doch nach einem 0:6 gegen Hertha BSC Berlin hatte das Präsidium den Eindruck, Pacult könne die Mannschaft nicht erreichen. Seither versucht Nachfolger Götz, ein neues Konzept zu installieren, er sucht den Erfolg mit jungen Spielern. Doch er findet ihn nicht. Am Mittwoch ist die Mannschaft auf dem Tiefpunkt der neunmonatigen Amtszeit von Götz angelangt. Immer wieder mal schien es so, dass der Trainer das Team auf den richtigen Weg gebracht hatte. Solider Konterfußball mit jungen Spielern, eine gut geordnete Defensive, in der die Zuteilungen stimmten; es war eine taktische Idee des Trainers zu erkennen. Es gab Rückschritte, doch damit konnten Mannschaft, Trainer und Präsidium leben. Das Spiel vom Mittwoch war mehr als ein Rückschritt. Ein Blick auf Falko Götz genügte, um zu erkennen, wie sehr ihn diese Partie mitgenommen hatte. Dazu sprach er mit müder Stimme, er sei enttäuscht, sagte er, dann benutzte er die Worte, die sein Freund, der Hertha-Interimstrainer Andreas Thom, am Wochenende nach dem 1:1 gegen die Sechziger benutzt hatte: „Ich bin sehr, sehr traurig.“ Thom war so traurig, weil er die Chance verspielt hatte, Cheftrainer der Hertha zu werden. Um seinen Job muss Götz nicht fürchten. Doch nun hat der Zweifel den selbstbewussten Mann erreicht. Er vermutete: „Die Mannschaft ist vor der Aufgabe verkrampft. Wir haben doch noch Tests gemacht, die Mannschaft war fit, die Kraft war da, ich muss annehmen, dass die Spieler verkrampft sind.“ Das ist das Schlimmste für den Trainer: Er weiß nicht, warum sein Team eine derart desolate Vorstellung geboten hat.“
Die FAZ (19.12.) lobt Holger Fach: „Während in Hannover und Berlin die Trainerfrage eifrig diskutiert wird, hat Borussia Mönchengladbach dieses Problem offenbar intelligenter gelöst, als manche Beobachter zunächst angenommen hatten.“
In der BLZ liest man: „Wie schwer die Zeiten für Hertha wirklich sind, zeigt eine Personalie vom Donnerstag. Für den Job des neuen Trainers hat sich jetzt auch noch Werner Lorant beworben.“
Wir bitten um eine Spende für die freistoss-Kasse, und empfehlen Sie uns. Vielen Dank!BankverbindungDeutsche Bundesbank (Filiale Gießen)BLZ: 513 000 00Nr.: 513 015 03Empfänger: indirekter-freistoss – Projekt-Nr. 6000 0208
Ballschrank
Das deutsche Turnier
Roland Zorn (FAZ 2.7.) fasst das deutsche Turnier zusammen. „Zwei Jahre nach der niederschmetternden Europameisterschaft in Belgien und den Niederlanden ist der deutsche Fußball wieder zum Markenartikel geworden – und das nicht nur mit den üblichen schweißtreibenden Ingredienzien aus hechelndem Kampfeswillen und unbändiger Willenskraft. Zum guten Schluss dieser WM zeigten die Deutschen, dass sie auch den Spaß am Spiel zu schätzen wissen. Mit Größen wie Bernd Schneider, dem „Brasilianer“ aus Leverkusen, Oliver Neuville, dem Flitzer unterm Bayer-Kreuz, oder dem im Endspiel leider gesperrten Neumünchner Ballsouverän Michael Ballack können Profis von Extraklasse Spurenbilder für Ästheten zeichnen (…) Die Menschen in Deutschland fühlten sich in einer romantischen Aufwallung durch ihre Nationalmannschaft beschenkt wie lange nicht – obwohl sie nicht gesiegt und sogar das Idol einen folgenschweren Fehler begangen hatte. Wenn ein verlorenes Spiel die Menschen anrührt und ein Ergebnis zur Randnotiz wird, ist der Fußball für einen schönen Moment der Herzensbrecher für ein ganzes Volk.“
Ralf Wiegand (SZ 29.6.) resümiert den bisherigen Turnierverlauf aus Sicht der Völler-Equipe. „Der Glaube an das, was unter dem Titel “der deutsche Fußball” Thema an den meisten Stammtischen nach jedem großen Turnier ist, ist wiederhergestellt. Nach dem Vorrunden-Aus bei der Europameisterschaft 2000 war dieser deutsche Fußball so platt wie frisch gewalzter Nudelteig, den die Öffentlichkeit nur noch in Streifen schneiden und weich kochen musste. Jetzt glänzt er wieder als solides Markenzeichen wie die Pfälzer Frühkartoffel, vielseitig verwendbar und vor allem festkochend (…) Völler hat sich als sehr zäh erwiesen und der Mannschaft einen Realismus gelehrt, der ihr geholfen hat, sich von der nicht sehr hohen Meinung der Außenwelt abzukapseln und ihr eigenes Ding durchzuziehen. Und wenn es mal nicht so schön aussah, dieses Ding, dann hat es Völler trotzdem goutiert. Darüber ist eine sehr haltbare Vertrauensbasis entstanden. Gegen diese Errungenschaften der letzten Wochen und Monate ist jeder Widerspruch zwecklos, unabhängig vom Ergebnis dieses einen, letzten Spiels am Sonntag (…) Ins Endspiel gestolpert ist schon manche deutsche Mannschaft in der Vergangenheit und bald darauf vergessen worden – gewonnen hat dieses Finale aber noch nie eine, die nicht weltweit als Symbol ihrer jeweiligen Zeit getaugt hätte.“
Über die Ursachen des deutschen Erfolgs schreibt Jan Christian Müller (FR 29.6.). „Ein Finale, dessen Erreichen sich viele Fachleute nur damit erklären können, dass der „deutsche Charakter“ durch diese Mannschaft, diese Modellstudie des „Machbaren“, geradezu in Vollendung symbolisiert wird. Linke, Jeremies und Schneider mussten einen schwierigen Weg gehen. Es ist kein Zufall, dass sich so Typen entwickelten, die es gelernt haben zu kämpfen und sich durchzusetzen. Und die zudem noch fähig sind, sich in einer Gemeinschaft unterzuordnen. Die Tage von Japan und Südkorea waren auch die Tage des neu entdeckten deutschen Kollektivs, der rückhaltlosen Unterordnung des Individuums im Sinne der Sache (…) Die ostdeutsche Kaderschmiede und ihre Denkmuster halfen dem deutschen Kollektiv auf dem Weg bis zur Endstation Sehnsucht.“
Der französische Kommentator Jean-Marc Butterlin (SZ 29.6.) singt ein Loblied auf die deutsche Elf. „Sie hat in der Demütigung, manchmal in der Gleichgültigkeit, oft in der Kritik wachsen können. Sie war nicht das arrogante Deutschland, wie oft die Neider oder die Verlierer von ihr behaupten. Sie hat ihren Weg durch alle Schwierigkeiten gemacht. Sie hat alle Fallen umspielt. Sie hat sich von innen aufgebaut, wie in einer Familie. Sie hat akzeptiert, dass man ihr schlechte Spiele nachsagt, darüber lächelnd, sie gewonnen zu haben. Sie hat letztlich nichts anderes gemacht, als das Prinzip der sportlichen Geste anzuwenden, also mit den zur Verfügung stehenden Möglichkeiten das Beste zu erreichen. Es ist eine Lektion, über die so manche, von Paris bis Buenos Aires, über Rom und London, sich Gedanken machen sollten (…) Man wird sich an die deutsche Mannschaft 2002 erinnern müssen, sicherlich nicht als die eleganteste der Geschichte aber vielleicht die schönste, wenn man sie von innen betrachtet. Man spricht oft vom sportlichen Geist, von der kollektiven Anstrengung. Deutschland hatte sich damit vollgesaugt, diese Mannschaft hat mehr gewonnen als ihre Siege, sie hat unsere Sympathie gewonnen.“
Über den deutschen Star schreibt Martin Hägele (NZZ 29.6.). „Nie zuvor hat ein Schlussmann mehr Einfluss genommen bei Weltmeisterschaften; Kahn wird deshalb in Japan mit dem Lew-Jaschin-Preis ausgezeichnet werden, obwohl er die russische Legende bereits jetzt übertroffen hat, den Mann, den sie die schwarze Spinne nannten, weil alles von den Stutzen bis zu den Handschuhen an ihm schwarz war. Vor schwarzen Spinnen haben Stürmer Angst zu haben. Oliver Kahn trägt meistens einen hellblauen oder hellgrauen Pullover, ist blond und hat manchmal auch Gel im Haar. Aber vor dem besten Torhüter der Welt haben nicht nur diejenigen Angst, deren Job es ist, Tore zu erzielen. Ganze Mannschaften, ja ganze Länder scheinen vor Furcht und Ehrfurcht vor diesem Mann zu erstarren, der in sechs Spielen dieser WM, in fast zehn Stunden also, erst ein einziges Mal bezwungen wurde – aus kürzester Distanz. Wenn sich im japanischen Fernsehen der Ball dem deutschen Tor schätzungsweise auf vier Meter nähert, dann beginnt der Reporter schon geheimnisvoll zu murmeln: Keeper Kahn. Wahrscheinlich halten die Leute in Nippon diesen Deutschen für den Sohn ihrer Comicfigur Godzilla.”
Direkter Freistoß
Porträt Bernd Schneider Tsp
Die Perspektiven der deutschen Elf hat Ralf Wiegand (SZ 28.6.) im Blick. „Lange genug hat der dreimalige Weltmeister darauf warten müssen, sich einmal eine gepflegte Außenseiter-Taktik zurechtlegen zu dürfen, für die er keinesfalls beschimpft werden wird. Denn obwohl das Team die Erwartungen in einer Weise übertroffen hat, als wäre Boris Becker noch einmal nach Wimbledon zurückgekehrt und würde dort das Endspiel erreichen, war es in allen Spielen irgendwie immer Favorit. Aus den Schwierigkeiten, die sie bisher hatte, auch weniger renommierten Gegnern wie USA, Paraguay oder Irland Herr zu werden, müsse man nicht zwangsläufig schließen, dass die Mannschaft gegen die besten des Turniers, Brasilien, zwangsläufig untergehen wird.“
Stefan Willeke (Die Zeit 27.6.) zu dem bevorstehenden Finale, “aus dem Deutschland als Fußballweltmeister hervorgehen wird: Ein Torwart lässt seine Koteletten wachsen und faustet sein Land ins Endspiel. Finale – zwei Mannschaften, zwei Trainer, und Deutschland gewinnt. Fußball ist ein einfaches Spiel. Entscheidend ist am Ende immer die Kahn-Frage.”
(27.6.) Die Entwicklung der deutschen Elf unter Rudi Völler skizziert Ralf Wiegand (SZ 27.6.). „Der dreimalige Weltmeister und nun siebenmalige WM-Finalist Deutschland hat das verblasste Bild der unbeirrbaren Turniermannschaft aus Germany in so grellen Farben restauriert, dass selbst die Engländer ihren wie teuren Wein gelagerten Spaß am 5:1 von München vom letzten Herbst verloren haben. Das Desaster aus dem Olympiastadion war die tiefste Stelle jenes Tales, in dem Rudi Völler den deutschen Fußball an die Hand genommen hat, um gemeinsam irgendwo einen kleinen Hügel zu finden. Seitdem ging es auf und ab (…) Vermutlich ist eine Turniermannschaft demnach eine Vereinigung von Fußballspielern, die ihr jeweiliges Können, das ihr gerade zur Verfügung steht, am effizientesten umzusetzen vermag. Im Spiel gegen Südkorea, klammert man Oliver Kahns Parade aus dem Frühstadium der Partie als erneute Überlappung des Phänomenalen mit dem Irdischen aus, war es kaum möglich, einen schlechtesten und einen besten Spieler auszumachen.“
Roland Zorn (FAZ 27.6.) lässt den deutschen Turnierverlauf Paroli laufen. „Die deutsche Mannschaft ist mit dem Attribut „bedingt WM-tauglich“ nach Japan und Südkorea gereist, und so ganz schien das Team diese Einschätzung nicht loszuwerden. 8:0 gegen Saudi-Arabien: ein nettes Vorbereitungsspiel; 1:1 gegen Irland: in letzter Minute einen sowieso glücklichen Sieg verpasst; 2:0 gegen Kamerun: erst mit zehn Mann wach geworden; 1:0 gegen Paraguay: ein besserer Freizeitkick; 1:0 gegen die Vereinigten Staaten: unverdienter Sieg; 1:0 gegen Südkorea: die Trendwende. Endlich ein zum Feiern schönes 1:0. Jetzt schwenkt so mancher um und entdeckt die Tugend der Selbstverteidigungskunst. Wer sich in sechs Turnierbegegnungen erst einmal, dazu in der Nachspielzeit, einen Gegentreffer anrechnen lassen musste, der kann nicht nur auf einen faszinierenden Torhüter bauen. Wer aus wenigen Gelegenheiten pro Spiel entscheidend Kapital zu schlagen versteht, der versteht sich auf das Entscheidende in einem Fußballspiel. Wer sich nicht einreden lässt, dass er nur Glück habe, den wirft so schnell nichts um. Seit Dienstag jedenfalls werden die vorher oft nur beifällig registrierten Erfolge der Mannschaft von Teamchef Rudi Völler auch mit einem Gütesiegel versehen: deutsche Wertarbeit, Aufbau Fernost.“
Die Times beleuchtet den deutschen Sieg mit erwarteten Argwohn: „Man kann ein romantisches Bild oder eines mit Komplott und Verschwörung bemühen, um den außerordentlichen Erfolg des Erreichen des Halbfinales der Südkoreaner zu erklären, aber die Deutschen fuhren gestern mit der Dampfwalze durch alle Theorien, als sie mit einer unbarmherzigen, soliden Auftreten ins Finale einzogen. Die Begeisterung für den Gastgeber stieg von Tag zu Tag bis es ein ohrenbetäubendes Crescendo erreichte, aber das deutsche Team versteht es immer noch am besten, wie man eine Party ruiniert. Es ist fast unmöglich, das deutsche Team zu bewundern, aber ihre Beharrlichkeit muss respektiert werden.“
Jan Christian Müller (FR 27.6.). „Eine WM braucht ihre Dramen, damit man sich an sie erinnert. Dafür waren die Deutschen mit ihrem stocknüchternen Teamchef Rudi Völler einen Monat lang die falschen Ansprechpartner. Erst Michael Ballack mit seiner Gelbsperre fürs Finale und dem fast im Gegenzug folgenden entscheidenden Tor hat nun da für gesorgt, dass es eine aufregende Geschichte gibt, eine schicksalhafte Begegnung mit Schienbein und Ball und Tor, die in die Welt transportiert werden kann. Und vielleicht bald die eines Weltmeisters, der sich selbst schwer tut, das bisher Erreichte logisch zu erklären.“
Michael Ballacks Spielsperre kommentiert Ludger Schulze (SZ 27.6.). „Wenn kleine Jungs träumen, mal ein großer Fußballer zu sein, dann haben sie dieses Bild vor Augen: sich selbst neben zehn anderen Nationalspielern, wie sie zu den Klängen der Hymne stramm stehen, ehe das Weltmeisterschafts-Endspiel beginnt, bei dem zwei Milliarden Menschen vor den Fernsehapparaten mitfiebern. Ein herrlicher Traum, mit dem kleinen Haken einer widerspenstigen Realität. Von den vielen Millionen Balltretern auf dem Erdball schaffen es in jedem vierten Jahr höchstens 28 Spieler. Ein verschwindend kleiner Promillesatz. Michael Ballack hat davon geträumt, als er mit sieben beim BSG Motor Karl-Marx-Stadt seine Karriere begann. Und er hat es tatsächlich bis vor das wichtigste aller Fußballspiele geschafft. Hat sogar selbst das Tor geschossen, das den Deutschen die Pforte zum Finale aufstieß. Und doch hat er nun nicht mehr in Händen als dieses riesige Meer kleiner Freizeitkicker, für die der Traum vom WM-Finale so unerreichbar bleibt wie der Wunsch nach Unsterblichkeit (…) Ballacks durchaus verwarnungswürdiges Foul war ein Selbstopfer aus Staatsraison. Damit hat er ein mögliches Gegentor verhindert, aber gleichzeitig seinem Lebenstraum die Rote Karte gezeigt.“
Michael Horeni (FAZ 27.6.) war bei der Pressekonferenz von Rudi Völler. „Was folgte, war eine Ehrung erster Klasse für den 25 Jahre alten Mittelfeldspieler, den Völler in den Stand eines Weltklassespielers erhob – ein Ziel, das zu erreichen Ballack sich bei dieser WM vorgenommen hatte. Der Weltmeister von 1990 jedenfalls war gewillt, dem wichtigsten deutschen Feldspieler diese Auszeichnung nun honoris causa zukommen zu lassen, nachdem Ballack beim 1:0 gegen Korea zur tragischen Figur geraten war. Im Ausland ist dieser letzte Schritt Ballacks zum Weltstar mit der für ihn bittersüßen Endstation Halbfinale ebenfalls schon weitgehend nachvollzogen worden (…) Als Ballack vor dem Turnier behauptete, er sei nur einer unter elf Spielern, schien das auch ein wenig Koketterie eines Stars mit seiner Rolle zu sein. Tatsächlich aber füllte Ballack diese dienende Aufgabe bei der WM so aus wie kaum ein anderer Spieler. Die Gelbe Karte, die er sich nach einem „taktischen Foul“ kurz vor dem Strafraum einhandelte, wurde in Deutschland und weltweit als persönliches Opfer gewürdigt
Philipp Selldorf (SZ 27.6.) registriert, dass neben Oliver Kahn weitere deutsche Spieler an der hervorragenden Defensivquote (ein Gegentreffer in sechs Spielen) beteiligt waren. „Damit haben die Deutschen einen WM-Rekord eingestellt. So billig ist außer den Niederländern 1974 um Cruyff, Neeskens und den verschrobenen Torwart Jongbloed noch kein Team ins Finale gelangt (…) Außer dem deutschen Sturm, der vor der WM weltweit als nicht existent angesehen worden war, galt die Abwehr als Schwachstelle von der Dimension des Lecks in der Titanic. Zumal ihr der Kapitän abhanden gekommen war, Jens Nowotny, allgemein als Schlüsselfigur in Rudi Völlers Deckungskonzeptangesehen (…) Dieser Rekord beruht auch auf dem Zusammenspiel einer Gemeinschaft, die sich jedes Mal aufs Neue gedanklich schnell findet. Zwar haben Metzelder, Linke, Frings noch keine Partie versäumt, Kahn ohnehin nicht. Aber sie mussten fortwährend einem anderen strategischen Standard gerecht werden. Die Ordnung in der deutschen Deckung wurde manchmal innerhalb einer Partie zweimal grundrenoviert.“
Philipp Selldorf und Ludger Schulze (SZ 24.6.) führen eine Debatte über deutschen Fußballstil und wie er zu rezipieren sei. Selldorf. „Bei der 15. Teilnahme kommen sie zum neunten Mal unter die ersten Vier. Lohnt angesichts dieser Daten überhaupt eine Debatte? Sind die ewigen Zweifler noch bei Trost? Allein mit diesen Fakten könnte man die in derzeit mindestens 204 Staaten über den deutschen Fußball zeternden Kritiker ins nächstgelegene Meer jagen. Wer mehr Tore schießt, hat recht. Dieses Prinzip entspricht dem spezifisch deutschen Realismus wie auch dem Geist des Spiels, das von allen Völkern als geniale Schöpfung anerkannt wird. Es wäre, fände die Debatte auf dem Spielfeld statt, ein leichter Sieg; nie würde der Gegner in die Nähe unseres Tores gelangen.“
Schulze hält dagegen. „Fußball – das ist im Grunde eine Sportart für zwei völlig verschiedene Interessengruppen. Die einen, die Spieler, verdienen damit ihr Geld. Wenn sie gewinnen, verdienen sie viel Geld. Wenn sie verlieren, weniger. Deshalb steht für sie das nackte Ergebnis im Vordergrund. Hauptsache Sieg. Die andere Gruppe sind die Zuschauer. Sie zahlen viel Geld, um spannend und möglichst attraktiv unterhalten zu werden. Nicht aber, weil sie die Wiederholung ihres Arbeitsalltags erleben wollen (…) Die Partien der Deutschen gegen Paraguay und die USA hatten die Ästhetik eines Stellungskriegs. Wenn der Fußball zum reinen Selbstzweck wird, hat er seinen Sinn verloren. Der enthält doch den Begriff „Spiel“ – also das Zweckfreie, Schöne, Überflüssige, Sinnliche. Käme irgendjemand auf die Idee, einem Schauspieler nur deshalb begeistert zu applaudieren, weil er den Hamlet zwar ohne groben Versprecher hinkriegt, aber ohne jede Gefühlsregung?“
Mark Schilling (NZZ 24.6.) betrachtet den deutschen Fußball aus der Perspektive südlicher Nachbarschaft. „Eigentlich, tief in unserem Innern, mögen wir sie ja, die Deutschen. Kein Nachbarland ist uns Deutschschweizern vertrauter, keine Mentalität geläufiger als die der Anrainer im Norden. Wenn es aber um Sport geht, wird er wahrnehmbar, der antideutsche Reflex, der Futterneid ob deutscher Erfolge. Diese doch ziemlich verbreitete Grundhaltung fällt an dieser WM-Endrunde wieder einmal auf fruchtbaren Boden (…) Nimmt man es nüchtern mit den Fakten, dann sieht die Lagebeurteilung des deutschen Teams am Vortag des Halbfinals so aus: Die Deutschen können sich sicherlich nicht über mangelndes Glück in der Auslosung und im Spielplan beklagen. Die Gegnerschaft war zweifellos deutlich schlechter als etwa jene in der England/Argentinien-Gruppe. Zudem war nach Wochen der nagenden Ungewissheit über die Kompetitivität das Warm-up gegen völlig überforderte Saudiaraber willkommen und ideal für das Selbstbewusstsein. Auch nachher im Achtel- bzw. Viertelfinal erwuchs den Deutschen in den Auswahlen von Paraguay und den USA höchst modeste Konkurrenz. Im gleichen Atemzug gilt es jedoch darauf hinzuweisen, dass die Deutschen ja wirklich nichts dafür können, wenn sie Günstlinge des Turniertableaus werden. Und zudem muss man eine solch vorteilhafte Konstellation auch noch auszunützen verstehen. Dass das DFB-Ensemble bisher größtenteils spielerisch enttäuscht hat, ist nicht von der Hand zu weisen, und es war tatsächlich frappant, wie die Amerikaner während zweier Drittel der Partie die Deutschen dominierten. Noch besteht jedoch kein Verbot, schlechten Fußball zu bieten, und wenn die anderen Equipe eben nicht clever genug sind, die Strafe auf dem Rasen auszusprechen.“
Zur Stimmung im deutschen Lager bemerkt Jan Christian Müller (FR 24.6.). „Die Spieler und die sportlich Verantwortlichen erwarten mehr Anerkennung für das Geleistete, als ihnen in den Medien entgegengebracht wird. Sie schlurfen völlig ausgepumpt aus der Umkleidekabine, immerhin unter die letzten Vier einer WM gekommen, nur, um danach zum wiederholten Mal eine Verteidigungsstrategie zur Entschuldigung für den zweiten 1:0-Sieg in Folge entwickeln zu müssen. Aber natürlich muss eine Diskussion über den Weg zum Ziel erlaubt sein. Wenn zu Hause 20 Millionen und noch mehr Menschen sich Urlaub nehmen, um Fußball schauen zu können, wollen sie auch unterhalten werden. Und das nicht nur durch die Paraden des Oliver Kahn.“
Benjamin Henrichs (SZ 21.6.) betreibt Sozialwissenschaft. „Bedauerlicherweise gibt es immer noch Deutsche, die sich vor einer deutschen Weltmeisterschaft panisch fürchten. Was sind das bloß für Menschen? Erstens: die Ignoranten. Die sich einfach vor dem Deutschlandgeschrei, dem anschwellenden Biergesang der Fans, dem Glücksgestammel selig verblödeter Politiker fürchten. Zweitens: die politisch ewig Besorgten. Für die eine deutsche Fußballweltmeisterschaft der Keim sein könnte für neue faschistoide Tendenzen im Land. Und drittens: die Feingeister und Ästheten. Für die es gerade bei einer Fußball-WM nicht um Deutschland oder Nichtdeutschland geht, sondern um den ewigen, mythenschweren Kampf des Schönen gegen den Schrecken. Der Fußballkünstler gegen die so genannten Kampfschweine. Der Zauberer gegen die Zerstörer. Das sind diese Leute, die vor dem Fernseher hocken, dabei gutes schweres deutsches Bier trinken – und dann Brasilien die Weltmeisterschaft wünschen. Pervers.“
Vor dem Spiel gegen die USA skizziert Philipp Selldorf (SZ 21.6.) die Entwicklung des deutschen Teams. „Trotz und Behauptungswille spielen eine Rolle. Viele hatten diese Nationalmannschaft vor ihrer Abreise so sehr abgeschrieben, dass sie sogar deren Zukunft negierten, weshalb zum Beispiel die SPD ihre Weissagung, Deutschland werde 2006 Weltmeister werden, nachträglich aus ihrem Programm bannte. Ein Akt der Abkehr, der sogar in England als Verrat aufgefasst und vergnügt als solcher gegeißelt wurde (…) Mehr zu verlieren hat Deutschland, dessen Team den Eindruck vermittelt, dass es noch etwas vor hat. Noch warten die Anhänger zuhause und mit ihnen die ganze Fußballwelt auf den Beweis seiner Größe.“
Zur Rolle Michael Ballacks bei diesem Turnier heißt es bei Michael Horeni (FAZ 21.6.). „Michael Ballack ist nicht fit, er wird es vielleicht auch nicht mehr – aber trotzdem wird er wieder spielen und der deutschen Nationalmannschaft, die mit außergewöhnlichen Kräften nicht gerade reich gesegnet ist, im Mittelfeld maßgeblich weiterhelfen. Die in Deutschland durch Franz Beckenbauer entfachte Diskussion um einen fehlenden Chef im Mittelfeld ist mittlerweile vollkommen verstummt. Die Sache wird nun, da es ernst wird im WM-Turnier, ganz pragmatisch gesehen (…) In der Nationalmannschaft wirkt der teuerste deutsche Spieler jedoch keineswegs wie der große Star, zu dem er vor dem Turnier gemacht wurde – eher wie ein erster Diener Völlers für ein großes, gemeinsames Ziel. Schlagzeilen hat er in dieser unauffälligen bis undankbaren Rolle in der Heimat nicht gemacht. Aber im Ausland wird Ballacks selbstloser und effektiver Einsatz für das große Ganze mit enormer Anerkennung registriert.“
Der Werdegang von Teamchef Rudi Völler erinnert Michael Horeni (FAZ 20.6.) an denjenigen Beckenbauers. „Nicht nur die Mannschaft ist in Korea unversehens zur Zielscheibe geworden, auch der Teamchef. Der verteidigt furchtlos wie einst Beckenbauer seine Auswahl, die er aus den Trümmern einer Europameisterschaft wieder an die Weltspitze und vier Jahre später zum WM-Titel führen sollte. Aber ein wenig hat sich die Zeit seit 1986 natürlich verändert. Und die öffentliche Abschottung der Mannschaft, die Völler wie einst sein Fußballlehrer Otto Rehhagel unbeirrt gegen jede Veränderung zu verfolgen trachtet, stößt beim Medienereignis Nationalelf im 21. Jahrhundert an Grenzen, die der Teamchef, anders als Beckenbauer, nur schwer zu akzeptieren bereit ist. Nach fünf Wochen in diesem Fußball-Medienkosmos werden daher auch die Eigenheiten, das Profil des Teamchefs immer schärfer erkennbar: Der liebe Rudi, Eingeweihte wissen das längst, kann auch knallhart sein.“
Helmut Schümann (Die Zeit 20.6.) rätselt über die wahre Stärke der deutschen Mannschaft. „Die Mannschaft 2002 stochert und grätscht und krampft sich voran. Jedes der ernst zu nehmenden Spiele war ein Spiel am Abgrund. Irland hätte von den Spielanteilen den Sieg verdient gehabt, Kamerun war zumindest eine Halbzeit lang das herrschende Team auf dem Platz, Paraguays Lauf zum Sieg verhinderte Torwart Kahn. Im Grunde war nicht viel mehr zu erwarten gewesen als von Corinna May beim Grand Prix. So kam’s ja dann auch, das 8:0 über Saudi-Arabien zum Auftakt war mehr glücklicher Ausrutscher denn Prophezeiung. Aber nun ist Frankreich ausgeschieden, der elegante Weltmeister, Argentinien, der designierte temperamentvolle Nachfolger auch und Portugal, diese glutäugige Sehnsucht, ebenfalls. Sogar Italiens Rückzugskünstler sind gescheitert. Auf die deutschen Biedermänner warten die USA, deren Harmlosigkeit von bereits ausgeschiedenen Polen demonstriert wurde, und danach wartet das Halbfinale und, schwupps, schon sind wir wieder wer.“
Zum Imagewandel der deutschen Elf bemerkt Ludger Schulze (SZ 19.6.). „Die Mannschaft, die zur WM nach Asien reiste, wurde chronisch unterschätzt. Beim Abflug nach Japan hätte man am liebsten jedem Einzelnen sanft über den Kopf gestreichelt und tröstende Worte zugesprochen: Keine Angst, Jungs, wird schon nicht so schlimm. Inzwischen ist wegen des unerwarteten Erfolgs aus dem Mitleid wieder das gewohnte Muster der Antipathie geworden.“
Deutschen Fußballstil beschreibt Christian Eichler (FAZ 19.6.). „Typisch deutsch, dieses verstaubte Attribut erlebt eine Renaissance bei dieser Weltmeisterschaft. Im internationalen Gebrauch definiert es sich so: als umgekehrte Proportionalität von Aufwand und Ertrag – schlechtes Spiel, gutes Fortkommen (…) Typisch deutsch, das wäre bei unvoreingenommenem Blick immer noch viel mehr als nur Ergebnisfußball: die Fähigkeit, sich nicht selber zu schlagen; die Disziplin, sich bei Rückschlägen nicht selber leid zu tun; die Technik, in einem Spiel aus Fehlern zu lernen und sie abzustellen. Vor allem aber die Kunst, viele Wege zu wissen, um ein Spiel zu gewinnen: nicht nur den glanzvollen, aber auch nicht nur den glanzlosen. Für all diese Talente steht Fritz Walter.“
Die stereotype Darstellung einzelner Fußballstile kritisiert Dario Venutti (NZZaS 16.6.). „Fleiß, Disziplin und Pflichtbewusstsein gelten als „deutsche Tugenden“. Sie werden besonders im Fußball bemüht, weil sich dieser als Projektionsfläche von vermeintlichen Nationalcharakteren gut eignet. Das aktuelle deutsche Team scheint die Attribute exemplarisch zu verkörpern: Es hat den Einzug in die Viertelfinals mit Beharrlichkeit und Fleiß geschafft, ohne (außer gegen Saudi-Arabien) spielerische Akzente zu setzen (…) Dem Klischee von den „deutschen Tugenden“ entspricht dasjenige von den individualistischen, kreativen und ballverliebten Brasilianern, Italienern oder Argentiniern – allesamt vermeintlich undeutsche Eigenschaften. Solche Zuschreibungen sind im Kern nicht nur rassistisch, sondern auch falsch.“
Den Einfluss Völlers auf Deutschlands Fußball beleuchtet Frank Ketterer (taz 15.6.). „Am besten erkennt man den Wert von Völlers Wirken dann, wenn man zurückblickt auf jene Zeit, in der es Völler noch nicht gab, jedenfalls nicht als Bundestrainer. Ein paar Schlagzeilen von damals: „Schlimmer gehts nimmer“, schrieb der Spiegel, „Nationalelf der Schande“ die Bild, und eine „Sehnsucht nach dem anderen“ machte die taz aus. So war damals, vor zwei Jahren, als ein gewisser Erich Ribbeck bei der EM in Holland und Belgien die deutsche Nationalmannschaft abgewirtschaftet hatte, zurecht die Stimmung im Land. Das andere war am Ende und nach einigen Wirrungen Rudi Völler und tatsächlich wurde seit dem Tag seiner Teamchefwerdung doch manches anders in der deutschen Nationalmannschaft, und besser auch, das konnte man hier in Japan deutlich sehen. Das Team, das sich bei dieser WM präsentiert, ist nämlich nicht die Ruine, die Völler und natürlich auch Bundestrainer Michael Skibbe vor zwei Jahren übernommen haben. Es ist wieder eine Mannschaft, wenn auch nach wie vor eine limitierte, die ihren Fähigkeiten entsprechend manchmal mehr, manchmal weniger gut Fußball spielt, meist aber immerhin so, dass man den Eindruck hat, sie gibt ihr Bestes. Mehr kann ein Trainer kaum bewirken.“
Die Ausgangslage der deutschen Elf vor dem Achtelfinale beschreibt Peter Heß (FAZ 13.6.). „Wie lange können die Deutschen ihr Glück noch zwingen? Solange die zwei großen K-Fragen mit Ja beantwortet werden: Setzt Kahn seine Reihe von Weltklasseleistungen im Tor fort? Schießt Klose weiterhin in jedem Spiel mindestens ein Tor? Schon ein Nein würde den Verbleib im Turnier unwahrscheinlich werden lassen. Der psychologische Auftrieb aus der bestandenen afrikanischen Probe wird sogar schon im Achtelfinale gegen Paraguay nicht ausreichen. Denn die Südamerikaner gehen mindestens genauso selbstbewusst in die Partie. Fast schon ausgeschieden, erzielten sie die benötigten drei Tore gegen Slowenien in den letzten 25 Spielminuten.“
Am Stil der DFB-Auswahl hat Philipp Selldorf (SZ 13.6.) eine neue Seite entdeckt. „Vorsichtig beginnt man sich in Deutschland nun auch wieder seiner eigenen Legende zu erinnern. Der Mythos von der Unbeugsamkeit in der schwersten Stunde, tief begraben und oft betrauert, scheint sich in seiner Gruft zu regen. Wie die Mannschaft in ruinösem Zustand zur Pause schlich und wie sie dann komplett renoviert auf den Platz zurückkehrte, ist noch nicht der Stoff für Heldensagen. Aber vielleicht ein guter Anfang. Dieses Team fiel bisher vor allem durch seine pubertäre Sprunghaftigkeit auf: mal brillant und fröhlich verspielt, mal von allen guten Geistern verlassen. Eine konzentrierte Kraftanstrengung wie diesmal hatte sie aber noch nicht im Repertoire.“
Zu Miroslav Klose schreibt Holger Gertz (SZ 13.6.). „Es hatte nicht besonders ausgesehen für die Deutschen, sie waren ein Mann weniger nach einer roten Karte für Carsten Ramelow, die Luft war schwer von Feuchtigkeit im Stadion, und vier dieser riesigen Kameruner Spieler standen Klose im Weg, wie eine grüne Wand, vor Anstrengung dampfend. Aber wie er, sich halb windend, halb tricksend, die Gegner irreführte und – so zielsicher, als hätte sein Fuß dirigierende Finger – den Ball hinaus zu Marco Bode weitergab und damit zum 1:0, war ein genialer Augenblick, wie ihn die deutsche Nationalmannschaft vielleicht seit zehn Jahren nicht mehr herbeigezaubert hat (…) Vielleicht ist das Besondere an diesem Klose die Verbindung des Ungewohnten mit dem Traditionellen. Einerseits seine Fähigkeit, den Ball zu streicheln wie Figo oder Zidane. Andererseits seine Geschichte; eine Fußball- und Fußballergeschichte, die denen von anderen deutschen Stürmern ähnelt. Kloses Biographie ist irgendwie auch die von Uwe Seeler aus Hamburg, die von Gerd Müller aus Nördlingen, die von Rudi Völler aus Hanau, alle keine Entertainer, jedenfalls nicht am Mikrophon, alle bescheiden, rackernd, jeder Verkörperung dessen, was die Fußballkenner in aller Welt als „deutsche Tugenden“ fürchten.“
Über die Stimmung im deutschen Lager nach dem 2:0-Sieg gegen Kamerun schreibt Ludger Schulze (SZ 13.6.). „Selten in der Geschichte des deutschen Fußballs ist ein so kleiner Erfolg wie das schlichte Überstehen der Vorrunde mit derart großer Genugtuung begrüßt worden. Nicht mit lautem Jubel, dazu ist diese Mannschaft zu realistisch und zu klug. Doch die tiefe Zufriedenheit, sich bei dieser Weltmeisterschaft auf ganz andere Weise präsentiert zu haben als die zerstrittenen und egozentrisch durchsetzten Vorgängerteams der Turnierjahre 1998 (WM) und 2000 (EM), war zu sehen und zu spüren.“
Frank Ketterer (taz 13.6.) zum selben Thema. „Als der DFB-Küchenchef das Menü kredenzen ließ, das er extra für diesen besonderen Tag aus Wiener Schnitzel, Pommes und Salat komponiert hatte, stieg das Stimmungsbarometer der deutschen Kickerbelegschaft gleich nochmals um ein paar Grad.“
Jan Christian Müller (FR 11.6.) bemerkt vor dem entscheidenden Spiel gegen Kamerun. „Die tiefe emotionale Bindung in Deutschland mit den besten Fußballprofis des Landes lässt es nicht zu, dass eine Niederlage im Land klaglos hingenommen würde. Denn es wäre ja eine historische Niederlage, und auch eine für die Nation an sich. Für ein Land, das der Arbeitslosigkeit nicht Herr wird, dessen Wirtschaft im europäischen Vergleich nur im Zuckeltempo vorankommt, dessen Schulsystem als dringend modernisierungsbedürftig gilt, dessen Bezahlfernsehen vor der Pleite steht und eigentlich Hilfe aus dem Ausland benötigt. Und dann auch noch ein Land, dessen Fußballprofis noch nicht mal mehr gut genug sind für Irland und für Kamerun.”
Peter Heß (FAZ 11.6.) zum selben Thema. „Ein erstmaliges Scheitern in einer WM-Vorrunde bedeutete nicht das Ende des deutschen Fußballs und würde von den meisten auch nicht so aufgefasst werden. Die Kette von bösen Überraschungen bei dieser WM-Endrunde für die traditionellen Fußballmächte wie Frankreich, Italien, Argentinien und für Teams aus der erweiterten Spitze wie Russland und Polen hat die Nachsicht mit der deutschen Mannschaft wachsen lassen. Dass sie nicht mehr zu den ganz Großen gehört, ist eine über mehrere Jahre gewachsene Erkenntnis. Immerhin muss man sich nicht mehr schämen, seit Völler die Mannschaft betreut. Die Reputation des Weltmeisters von 1990 würde auch durch eine Niederlage gegen Kamerun nicht nachhaltig leiden. Zu Völlers Kompetenz kommen hohe Sympathiewerte. Mit ihm als Teamchef will Deutschland die WM 2006 ausrichten.“
Stefan Hermanns (Tsp 11.6.) dazu. „Die offenkundige Gelassenheit von Völler und Co. korrespondiert nicht ganz mit den Sorgen der Heimat. Die Erfahrungen der Turniere von 1994 und 98 sowie die Europameisterschaft 2000 haben das Vertrauen der Deutschen in ihre Nationalmannschaft ein wenig erschüttert. Früher wäre das ja überhaupt keine Frage gewesen: ein Unentschieden gegen Kamerun? Ha! Aber die Zeiten haben sich geändert.“
Der Kapitän der deutschen Elf verweigert sich modischen Kategorisierungen. Michael Horeni (FAZ 11.6.). “Der globalisierte Fußball hat seine Richtung seit den Boom-Neunzigern nicht geändert, im Gegenteil. Er dreht sich weiter, schneller, wie wahnsinnig um die Idee des Investments, das nur dem kühlen Nutzen huldigt, dem operativen Ergebnis, der Reichweite, dem Imagetransfer, den Kontakten, den Klicks. Aber zum Beginn des 21. Jahrhunderts heißt die Leitfigur in Fußball-Deutschland Oliver Kahn. Mit dem Zeitgeist passt das nicht zusammen. Der deutsche Kapitän verkörpert in keiner Sekunde die Leichtigkeit eines Popstars wie David Beckham, der Ikone des modernen Fußballs und der Medien. Kahn ist einem genussfeindlichen Arbeitsethos verhaftet, das im Fußball wie in Deutschland schon lange von der Zeit überholt zu sein scheint (…) Er ist der Kapitän, und das bedeutet, repräsentative Pflichten gegenüber der Öffentlichkeit wahrzunehmen. Aber Kahn macht sich bei der Weltmeisterschaft nahezu unsichtbar. Er spielt und trainiert und sagt nur soviel wie unbedingt sein muss. Kein Vergleich zu Beckham oder anderen Spielführern. Kahn aber ist es gelungen, dass diese öffentliche Verweigerung nicht als Trotz oder Ignoranz wahrgenommen wird. Sie wird ihm zugestanden, als Teil des notwendigen Vorbereitungsprogramms eines sportlichen Asketen.“
Vor dem entscheidenden Spiel der gegen Kamerun reflektiert Christian Eichler (FAS 9.6.) den internationalen Stellenwert der deutschen Nationalmannschaft. „Ein 0:0, und wir sind mal wieder wer; ein 0:1, und wir sind nur noch irgendwer. Seltsam, wie abhängig deutsche Selbsteinschätzung von äußeren Einflüssen geworden ist. Uns kann keiner was, diese in Mimik und Körpersprache übersetzte Arroganz einer Fußballmacht, jahrzehntelang von Titel zu Titel zu tragen, verschwand mit dem späten Lothar Matthäus in der Mottenkiste; tatsächlich hat sie ja am Ende längst nicht mehr funktioniert. Nur hat sie immer noch keine passende Nachfolge gefunden, keine Neudefinition eines modernen Selbstbildes als Team; bisher nur eine allzu jugendliche Wankelmütigkeit von Leistung und Selbsteinschätzung.“
Über den Kapitän der deutschen Nationalmannschaft heißt es bei Frank Ketterer (taz 8.6.). „Kantig und manchmal heftig aufbrausend zwar – aber eben auch einer, der Fehler zugeben kann, auch wenn er das, zumindest was sein Wirken auf dem Fußballplatz anbelangt, nur äußerst selten tun muss. Außerdem kann man gefahrlos alles Geld der Welt darauf setzen, dass Kahn der Letzte wäre, der etwas tun würde, das die Erfolgsaussichten der Mannschaft auch nur im Geringsten schmälern könnte. Und wenn tatsächlich Harmonie das große Plus dieser deutschen Nationalmannschaft sein sollte, wie die DFB-Kicker immer wieder und mehr oder weniger im Chor behaupten, dann wäre Kahn der Erste, der sich für die Rolle als Harmonator hergeben würde.“
Philipp Selldorf (SZ 8.6.) kommentiert die Debatte um die „deutsche Chefsehnsucht“. „Die Deutschen sind gern Liebhaber des demokratischen, kooperativen Stils, solange er genehme Ergebnisse liefert. Aber wenn etwas nicht geklappt hat, wird spontan das Verlangen nach einem Anführer laut, der die Probleme für die angeblich herrenlose Gruppe löst.“
Über die Außendarstellung Michael Ballacks schreibt Michael Horeni (FAZ 8.6.). „Michael Ballack reagiert mitunter seltsam auf persönliche Fragen. Er antwortet so distanziert und ruhig, als würde da über einen Fremden gesprochen oder über jemanden, den er nur von ferne her kennt. Nach dem 1:1 gegen Irland wurde Ballack immer wieder dazu gedrängt, sich der Kritik von Franz Beckenbauer zu stellen, sie zu kontern, zu widerlegen. Beckenbauer hatte beklagt, dem deutschen Team fehle der Chef auf dem Platz – und das sind Sätze, die nachhallen, wenn in letzter Minute die sicher geglaubte Qualifikation entgleitet. Ballack aber bleibt ruhig, cool könnte man sagen. Er hebt auf dem Podium weder die Stimme, noch lässt er sich zu Protesten hinreißen. Er sagt vollkommen unaufgeregt, was er seiner Meinung nach sagen muss. Er benutzt dabei nicht ein einziges Mal das Wort ich. Er spricht stets von „wir“, von der Mannschaft, und viele meinen zu erkennen, diese Antworten im Kollektivbewusstsein seien das letzte Erbe der DDR, das aus dem in Görlitz geborenen und in Sachsen aufgewachsenen deutschen Ausnahmeprofi spricht.“
Alexander Osang (Spiegel 3.6.) über das Image des deutschen Kapitäns. „Er ist jetzt so weit oben, dass er fallen kann. Journalisten regen sich bereits über seinen Ferrari auf. Bei manchen gilt er als abgehoben, weil er nicht mehr mit jedem redet. Seine staatstragenden Bemerkungen auf Pressekonferenzen werden schon belächelt. Einige nehmen ihm übel, was sie aus ihm gemacht haben (…) Axel Kahn (Olivers Bruder, of) spielt in der Landesliga Fußball. Bei Auswärtsspielen bewerfen sie ihn mit Bananen, um sich an seinem Bruder zu rächen. Sie rufen ihn Olli. Sie denken, wenn sie ihn schlagen, schlagen sie den FC Bayern.“
Stefan Hermanns (Tsp 4.6.) kommentiert die harmonische Stimmung im deutschen Lager. „Ein wenig scheint es in diesen Tagen und Wochen, als habe das japanische Grundbedürfnis nach Harmonie auch den Tross des DFB ergriffen. Und der Sieg gegen Saudi-Arabien zum Auftakt der Weltmeisterschaft hat das allgemeine Wohlbefinden nur noch verstärkt.“
Die öffentliche Erwartungshaltung in Deutschland erahnt Sven Goldmann (Tsp 2.6.). „Die Deutschen werden Völlers Mannschaft in Fernost viel verzeihen, sofern sie sich sympathische repräsentiert sehen. So, wie sie selbst gerne sein würden. Ein gewisses Maß an Ästhetik. Zwei, drei schöne Spielzüge. Alles, nur kein Rückgriff auf Tendenzen, mit denen die Deutschen 1954 in der Schweiz Weltmeister wurden. Heute hört es kein Deutscher mehr gern, wenn diese Tugenden typisch deutsch genannt werden. Damals hat sich die junge Bundesrepublik grätschend und Rasen pflügend den Weg aus der Isolation erarbeitet. Die Deutschen von 1954 wollten Respekt, die von 2002 wollen Zuneigung. Gestern haben sie dafür schon mal acht Gründe geliefert.“
Michael Horeni (FAZ 1.6.) über Teamchef Völler. „Völler wirkt in diesen Tagen relativ entspannt. Es war in Mimik, Gestik und Tonfall in den Tagen der Vorbereitung in Miyazaki kein Unterschied zu erkennen zu einem gewöhnlichen Länderspiel. Der Teamchef führt seine Mannschaft auf eine angenehm beiläufige Art. Völler hält auch jetzt nichts von großen Ansprachen, lieber nimmt er sich auf dem Trainingsplatz mal einen Spieler zur Seite und erklärt, wie die Sache auf dem Spielfeld laufen soll. Oder er setzt sich beim Essen zu einem Spieler, um ihm en passant auf Dinge aufmerksam zu machen, die zu verbessern sind. Die Spieler schätzen es, wie es Völler versteht, solche Sachen ohne Tamtam auf den Punkt zu bringen.“
“Wenig Stars, viele Stripes” heißt es zum Zustand der deutschen Mannschaft und in Anspielung auf Christian Zieges schwarz-rot-goldene Haar-Streifen in Repubblica (1.6.): “Im Gegensatz zu Kanzler Schröder, der einen Prozess gegen eine deutsche Zeitung gewonnen hat, die ihm unterstellte, sich die Haare zu färben, hat sich Ziege mit seiner neuen Haartracht stolz den Fotografen gestellt.”
Jörg Kramer (Spiegel 27.5.) ist ob der deutschen WM-Aktien skeptisch. “Dass die DFB-Novizen ein Entwicklungspotenzial besitzen, das für die WM in vier Jahren in Deutschland Hoffnung macht, steht außer Frage. Ob die Vertreter dieser Generation 2006 jedoch in der Lage sind, schon 2002 die Kohlen aus dem Feuer zu holen, ist zweifelhaft. (…) Rudi Völler weiß Frechheit zu schätzen, solange sie überschaubar bleibt. Querelen muss er in Asien nicht fürchten. So sind Diadochenkämpfe, mit denen bei der WM 1994 alternde Leitfiguren wie Brehme, Thomas Berthold und Lothar Matthäus das Publikum unterhielten, beim bevorstehenden Event kaum zu erwarten.”
Ludger Schulze (SZ 29.5.) beschreibt die deutsche Mannschaftshierarchie. „Oliver Kahn genießt die absolute Ausnahmestellung, die ihm Fans, Medien und auch die Mannschaftskollegen zubilligen. Er repräsentiert das DFB-Team beinahe allein. Kahn ist nicht nur Kapitän, sondern Bundespräsident, Kanzler und Außenminister des deutschen Fußballs in einer Person. Im Gegensatz zu früheren Zeiten gebe es glücklicherweise, hat er neulich gesagt, in dieser Mannschaft „keine Primadonnen mehr“. Wie sollte sich auch im Schatten eines solch mächtigen Baumes eine außergewöhnliche Pflanze entwickeln?“
Peter Heß (FAZ 29.5.) übersetzt den Stellenwert Kahns in politische Kategorien. „Es mag ja ganz nett sein, was andere aus dem Team so zu erzählen haben: Wenn Kahn spricht, ist das wie eine Rede zur Lage der Fußball-Nation. Der einzige deutsche Weltklassespieler – so DFB-Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder – steht für die Nationalmannschaft wie Kanzler Kohl jahrzehntelang für die CDU stand.“
Holger Gertz (SZ 27.5.) kritisiert das Profil der deutschen Nationalmannschaft. „Wofür steht die Mannschaft von 2002? Die Fußballergesichter, die jetzt, wie vor jeder WM, aus den Schokoriegeln und Sammelbildertüten purzeln, sehen nett aus: Rehmer, Neuville, Linke, Bierhoff. Sie könnten in einer Bank arbeiten oder in einem Medienunternehmen. Die jüngeren, Metzelder oder Frings, könnten in einer dieser Boygroups mitmachen, denen nichtseinfällt, als Hits der Siebziger praktisch unverändert nachzusingen. Die Gesichter sind austauschbar, und wenn man sich fragt, ob man von einem der Spieler jemals etwas Bemerkenswertes gehört hätte, in einem der hundert Interviews, die sie gegeben haben, fällt einem nichts ein. Brave Jungs, reiche Männer, nichtssagend wie eine Tischfußballfigur, träge wie das Land, für das sie spielen (…) Es ist etwas Uninspiriertes im Land wie in seiner Mannschaft, etwas Leidenschaftsloses.“
Ludger Schulze (SZ 27.5.) sieht das nicht ganz so kritisch. Er beschreibt einen Protagonisten der deutschen Elf, der zudem ihre Geisteshaltung repräsentiert. „Abwehrchef! So wie früher Beckenbauer, Augenthaler, Matthäus oder Sammer. Eine mächtige Position, aber man fragt sich, passt Carsten Ramelow, semmelblond und winterblass, da hinein? Wo er doch wirkt wie ein kleiner Beamter, der mit Stollenschuhen herumläuft statt mit Ärmelschonern? Der Berufsfußballer aus Leverkusen ist die Korrektheit in Person, pflichtbewusst und anständig. Keiner, um den sich Agenturmenschen rissen, damit er Werbung mache für Aktienfonds oder Haarshampoo. Carsten Ramelows Image ist in einem Wort: langweilig (…) Wie doch die Dinge manchmal täuschen. Bei seinen Kollegen ist Ramelow äußerst beliebt, im Kreis der Nationalmannschaft gilt er als ausgesprochen witzig und unterhaltsam. Unter seinen bisherigen Trainern (z. B. Reinders, Daum, Vogts, Völler) gibt es keinen, der nicht über strategische Fähigkeiten, Zweikampfstärke und Mannschaftsdienlichkeit Carsten Ramelows ins Schwärmen geriete. Und charakterlich bekommt er ohnehin von allen, die ihn kennen, eine glatte Eins.“
„Über Ethik und Ästhetik des deutschen Spiels“ betreibt Dirk Schümer (FAS 26.5.“) Philosophie. „Die deutschen Fußballfans wollen gar nicht mehr mit Gewürge und Glück bis ins Finale vorstoßen. Sie wollen sich nicht mehr an den Stränden und auf den Campingplätzen dieser Welt für hässliche Siege schämen müssen. Vorbei soll er sein der minimalistische Hoeneß-Fußball, der nach dem Vorbild von Bayern München auf dem Platz die Spielmacher des Gegners und hinterher die Pokale abräumt (…) Die Deutschen haben viel gelernt. Vor allem, dass sie nicht immer gewinnen müssen. Sie haben vom Fußballgott in den in den vergangenen zwei Jahren jeweils eine Mannschaft beschert bekommen, die berauschend, stellenweise schmerzlich schön gespielt hat, die mit verrückten Ideen und Kombinationen, die wie eine Mozartmelodie flossen, die Hässlichkeit und Banalität des Lebens kurzfristig zu widerlegen schien: Erst Schalke, dann Leverkusen. Natürlich sind beide Traumteams niemals deutscher Meister geworden, natürlich musste das schmerzhaft heroische Leverkusen gegen beschämend öde Madrilenen sogar die Champions League verspielen.“
Auf der Suche nach der verlorenen Glorie wähnt die spanische Sportzeitung As (24.5.) Deutschlands Elf bei ihrer Mission in Fernost. „Die Deutschen haben in dieser Weltmeisterschaft die Gelegenheit zu beweisen, dass sei zu denjenigen Teams gehören, die allseits gefürchtet werden. Seit Anfang der 90er Jahre, als Deutschland die Weltmeisterschaft in Italien gewann, durchläuft der deutsche Fußball eine Dekadenzphase. Die Nachwuchsspieler haben nie das Niveau der ehemaligen Cracks Matthäus und Klinsmann erreicht. Nur Oliver Kahn, der Alma Mater der aktuellen Mannschaft, bewegt sich auf dieser Höhe. Talente wie Ballack oder Jeremies haben einen gewissen Ruf in der internationalen Szene, aber sie sind weit entfernt von den realen Möglichkeiten, die ihnen ihr Talent eigentlich bietet. Die fehlende Kontinuität ist das große Manko der deutschen Nationalmannschaft. Die Fans wissen, dass diese Weltmeisterschaft entscheidend ist, um auf die Zukunft optimistisch zu sehen oder um zu akzeptieren, dass früher alles besser war und sie ab jetzt nostalgisch auf die Vergangenheit zurück blickend leben müssen.“
Auf der Suche nach der verlorenen Glorie vermutet die spanische Sportzeitung As (24.5.) Deutschlands Elf bei ihrer Mission in Fernost. „Die Deutschen haben in dieser Weltmeisterschaft die Gelegenheit zu beweisen, dass sie zu denjenigen Teams gehören, die allseits gefürchtet werden. Seit Anfang der 90er Jahre, als Deutschland die Weltmeisterschaft in Italien gewann, durchläuft der deutsche Fußball eine Dekadenzphase. Die Nachwuchsspieler haben nie das Niveau der ehemaligen Cracks Matthäus und Klinsmann erreicht. Nur Oliver Kahn, der Alma Mater der aktuellen Mannschaft, bewegt sich auf dieser Höhe. Talente wie Ballack oder Jeremies haben einen gewissen Ruf in der internationalen Szene, aber sie sind weit entfernt von den realen Möglichkeiten, die ihnen ihr Talent eigentlich bietet. Die fehlende Kontinuität ist das große Manko der deutschen Nationalmannschaft. Die Fans wissen, dass diese Weltmeisterschaft entscheidend ist, um auf die Zukunft optimistisch zu sehen oder um zu akzeptieren, dass früher alles besser war und sie ab jetzt nostalgisch auf die Vergangenheit zurück blickend leben müssen.“
Die kroatische Zeitung Vecernji List (25.5.) befasst sich mit der Erwartungshaltung der Deutschen. “Die Deutschen sind große Realisten und erwarten nicht, solch einen Vorstoß bis zum Finale zu schaffen. „Alles über dem Achtelfinale wäre ein Erfolg“ meint der Kaiser, Franz Beckenbauer. Allerdings betont er, dass die Deutschen gerne die anderen bis zu den Sternen loben, während sie die eigenen Fähigkeiten gerne verschweigen. Der Kaiser erinnert daran, dass die deutsche Elf auch 1986 eine durchschnittliche Mannschaft hatte und trotzdem das Finale erreichte. Die Qualifikation verlief mühseliger als zunächst angenommen. Die große Niederlage gegen den„Blutfeind“ England (5:1) in München erschütterte grundlegend das Vertrauen, Völlers Jungs in Japan und Südkorea zu sehen. Am Ende dominierte dann doch die deutsche Tugend: Hartnäckigkeit. Das endgültige Ticket wurde mit dem Sieg gegen die Ukraine in der Relegation geholt.”
„Über Ethik und Ästhetik des deutschen Spiels“ betreibt Dirk Schümer (FAS 26.5.) Philosophie. „Die deutschen Fußballfans wollen gar nicht mehr mit Gewürge und Glück bis ins Finale vorstoßen. Sie wollen sich nicht mehr an den Stränden und auf den Campingplätzen dieser Welt für hässliche Siege schämen müssen. Vorbei soll er sein der minimalistische Hoeneß-Fußball, der nach dem Vorbild von Bayern München auf dem Platz die Spielmacher des Gegners und hinterher die Pokale abräumt (…) Die Deutschen haben viel gelernt. Vor allem, dass sie nicht immer gewinnen müssen. Sie haben vom Fußballgott in den in den vergangenen zwei Jahren jeweils eine Mannschaft beschert bekommen, die berauschend, stellenweise schmerzlich schön gespielt hat, die mit verrückten Ideen und Kombinationen, die wie eine Mozartmelodie flossen, die Hässlichkeit und Banalität des Lebens kurzfristig zu widerlegen schien: Erst Schalke, dann Leverkusen. Natürlich sind beide Traumteams niemals deutscher Meister geworden, natürlich musste das schmerzhaft heroische Leverkusen gegen beschämend öde Madrilenen sogar die Champions League verspielen.“
Für die deutsche Nationalmannschaft gibt es neben Kamerun, Irland und Saudi-Arabien einen weiteren gefährlichen Gegner: den Lagerkoller im Vorfeld des Turniers. Ludger Schulze (SZ 25.5.) berichtet von der „längsten Woche des Jahres“. „Wie viele seiner Kollegen sucht der Leverkusener Bernd Schneider harmlose Zerstreuung bei Computerspielen und an der Playstation, scheiterte aber an technischen Unzulänglichkeiten: „Keinen Anschluss gefunden, das macht uns Kopfzerbrechen.“ Schließlich hat nicht jeder eine Bibel dabei wie Gerald Asamoah oder gleich fünf Bücher wie Marco Bode.“
Ein Blick in die ausländische Berichterstattung über den deutschen Fußball ist immer aufschlussreich. Mit der Frage nach dem Kopf der Mannschaft befasst sich A. Buskulic von der kroatischen Tageszeitung Vecernji List (23.5.). Er kommt zu einer eindeutigen Antwort. “Seitdem Matthäus, Völler, Klinsmann, Hässler, Effenberg u.a. im Ruhestand sind, ist die deutsche Elf ohne wahre Stars. Vielleicht erinnert einzig der strenge Blick und die Stimme des Torwarts Olivera Kahn an diesen Status. Bedeutet dies also, dass einen deutschen Erfolg im fernen Osten einzig ein Kollektiv ohne herausragende Einzelspieler liefern kann?Allerdings weisen alle Experten auf die Frage, welcher Spieler die deutsche WM charakterisieren wird, auf einen Mann hin: Michael Ballack. Er ist der Motor von Bayer, der Mannschaft, die in dieser Saison den schönsten Fußball spielte – auch weit ueber die Grenzen Deutschlands hinaus, allerdings jedoch stets Zweiter geworden ist. Ballack hat keine Lust mehr, im Finale zu weinen. In der nächsten Saison werden wir ihn im Bayern-Trikot spielen sehen. In der Mannschaft hat ihm Trainer Völler die Führungsrolle zugewiesen, nachdem Scholl ausgefallen ist. “Er ist ein Spieler, der die Führungsrolle übernehmen kann”, meint Völler. Die Fans nennen ihn nicht umsonst den “kleinen Kaiser”, mit Blick auf den “großen” Kaiser Franz Beckenbauer. Auch Pele spekuliert nicht grundlos: “Ballack könnte der Spieler der vorstehenden WM werden!” Zurecht, denn gerade seine brillanten Spiele in der Relegation gegen die Ukraine führten Deutschland zur WM. Erst jetzt beginnen die Etiketten abzufallen, die ihm die Medien anhefteten: Talentiert, aber unausgebaut, arrogant und eher an seinem Aussehen interessiert als an den Geschehnissen am Spielfeld! Aber das “Mannequin”fing an, ernst zu machen und zeigte es ihnen. “Ballack ist talentiert wie Fritz Walter, Uwe Seeler oder Franz Beckenbauer. Er hat alle Voraussetzungen, Franz zu übertreffen, und sein Stil erinnert an Johann Cruyff. Er spielt mit dem Kopf, ist zweikampfstark und hat einfach keine Schwächen! Er ist immer am richtigen Ort zur richtigen Zeit. Er ist eine wahre Führungspersönlichkeit! Er kann sogar der beste europäische Spieler werden”, kann Bayer-Trainer Klaus Toppmöller seine Begeisterung kaum verbergen. Zeigt er auch nur einen Teil dieser Begabungen in Japan und Südkorea, wird er ein neues Etikett erhalten:Volksheld.”
Die Forderung an den Teamchef, Jörg Böhme statt Jörg Heinrich nachzunominieren, wurde immer lauter. Nun hat Heinrich selbst Völler die Entscheidung abgenommen.
Peter Heß (FAZ 23.5.) dazu. “Völler begründete noch einmal, warum er die in der Öffentlichkeit umstrittenste Personalentscheidung eigentlich zugunsten des Dortmunders getroffen hatte. Ich war auf Heinrich so fixiert, weil er ein dankbarer Spieler ist. Er ist in der Dreier- und Viererabwehrette auf jeder Position einsetzbar und dazu noch im defensiven Mittelfeld. Heinrichs Rückzieher nannte der Teamchef ungewöhnlich und mutig. Man muss Jörg Respekt entgegenbringen. Sein Ersatzmann Jörg Böhme hat mit dem Dortmunder nur den Vornamen gemeinsam. Der 28 Jahre alte Schalker ist ausschließlich für die linke Mittelfeldseite tauglich, und seine Stärken liegen vor allem in der Offensive.
Philipp Selldorf (SZ 22.5.) schreibt zu diesem Thema. „Es klingt fast zu schön, um wahr zu sein, dass da jemand ohne Zwang zur Einsicht in das einzig Richtige gelangt ist. Insofern ist Jörg Heinrich als Meister der Selbstbescheidung ein Held der Weltmeisterschaft, obwohl er gar nicht an ihr teilnimmt. (Zunächst) schien es so, dass Böhme auch deshalb als Ersatzlösung für Sebastian Deisler schlechte Chancen hatte, weil Völler und Skibbe den Eindruck verhindern wollten, sie ließen sich nach der Laune der Öffentlichkeit einen Kandidaten einreden. Zumal da der Schalker, gern als schwierig verschrien, schlecht ins gängige Schwiegersohnschema passt.“
Berries Bossmann (Die Welt 22.5.) bemerkt dazu kritisch. „Völler ist in erheblichem Maß mitverantwortlich für die aktuelle Situation. Er ist bei der Nominierung seines vorläufigen Kaders ein Risiko eingegangen, er holte zahlreiche angeschlagene Spieler wie Sebastian Deisler, Christian Wörns, Jörg Heinrich, Christian Ziege, Marco Bode und Marko Rehmer. Völler hat hoch gepokert – und verloren. Nun muss er sich fragen lassen, ob es nicht besser gewesen wäre, gleich auf die Wackelkandidaten zu verzichten, um möglichst schnell zu einer Stammformation zu finden.“
Die Kommentatoren befassen sich weniger mit dem arg enttäuschenden Auftritt der deutschen Nationalmannschaft in Wales denn mit den Reaktionen darauf; insbesondere mit der Auseinadersetzung zwischen Teamchef Rudi Völler und Günter Netzer. Dieser hatte harsche Kritik an der Leistung geübt und Völler zur Vorsicht gemahnt, “dass er nicht auf der Strecke bleibt für eine Mannschaft, die ihm die Gefolgschaft verwehrt”. Darufhin konterte Völler, “man darf nicht so schwarz sehen”, und er werde sich gegen Angriffe zu wehren wissen.
Jan Christian Müller (FR 16.05.02) über die Netzers Rolle als TV-Kritiker: “Wenn die ARD überträgt, ist Günter Netzer ganz Deutschland. Mit Völler hat er gemein, dass er konsequent konservativ zu einer Frisur steht, wegen der man andere Menschen akuten Realitätsverlusts zeihen würde. Auch wenn die Haarlänge also geblieben ist, wie sie immer schon war, scheint sich Netzer weniger an seine eigenen Erfahrungen als Fußballprofi erinnern zu können als Kollege Völler. Derzeit spielt Netzer seine Rolle als mediengerecht formulierender Populist ähnlich perfekt, wie er früher Freistöße über die Mauer zirkelte. Wäre er nicht der allseits geschätzte Fachmann mit dem staubtrockenen Humor, man wäre fast versucht, ihm Stammtischniveau zu unterstellen.”
Philipp Selldorf (SZ 16.05.02) hat typisch britische Wahrnehmungsmuster registriert: “Auf der Suche nach Gelegenheiten, die Deutschen zu demütigen, werden die Briten täglich fündig. Die Belustigung über den gesunkenen Titanen, dessen 1:5 gegen England auf der Insel erinnerlich ist wie der Morgen des frischen Tages, ernährt inzwischen eine Industrie: in der Souvenirproduktion; in der Werbung, die kaum andere Motive mehr kennt als die Anzeigetafel aus dem Olympiastadion mit dem Zahlenverhältnis 1:5; in den Medien, die ständig neuen Spott ersinnen (…) So meldete der Beobachter der Irish Times erschüttert nach Hause, dass er sich die Augen gerieben habe, als er d i e s e Deutschen sah. Ein bisschen Zweifel aber bleibt: „Schreibt niemals die Deutschen ab!“, heißt es in Irland und Britannien. Ein Rest des Mythos lebt noch.”
Michael Horeni (FAZ 16.05.02) über Rudi Völlers Pressekonferenz: “Bei der Aufzählung all der entlastenden Argumente für seine meist uninspirierte, lauffaule und kampfscheue Auswahl verstieg sich der Teamchef zu der Behauptung, dass es doch keine Schande sei, in Wales zu verlieren. Er erinnerte an das 1:1 von Argentinien (ohne zu erwähnen, dass es sich dabei um eine Mannschaft handelte, die mit dem WM-Team kaum etwas zu tun hat) sowie an die Schwierigkeiten auch anderer Teams auf der Insel. Diese Schutzbehauptung forderte auf der Pressekonferenz allerdings hartnäckigen britischen Widerspruch heraus. Völler musste sich belehren lassen, dass Wales in den vergangenen drei Jahren nur zwei Heimspiele gewinnen konnte: gegen Weißrußland und gegen Katar. Völler beharrte trotzdem ärgerlich auf dem 1:1 von Argentinien. Er kam damit aber nicht durch und gab gegenüber dem Experten in walisischer Sache – der noch hätte anfügen können, dass Wales von den letzten fünfzehn Spielen nur eines gewann und daher auf der Weltrangliste in Richtung Nummer 100 abstürzte – als schlecht informierter Verlierer schließlich wie seine Mannschaft klein bei.”
Frank Ketterer (taz 16.05.02) sah in der Leistung der Deutschen kein indiz für überschäumende WM-Hoffnungen: “Bei der ganzen Konstellation mit angeschlagenen und fehlenden Spielern sowie den diversen Endspielen wussten alle, dass es nicht funktionieren würde in diesen Spielen, hat Rudi Völler am späten Dienstagabend deshalb gesagt – und das hat, zumindest aus Teamchefsicht, durchaus was für sich. Andererseits kann es nur Schlimmstes befürchten lassen, dass Völler sich mit einem ebenso ersatzgeschwächten wie angeschlagenen wie ausgelaugten Kader, der zudem so gut wie nicht eingespielt ist, nach Asien zum großen Fest aufmachen muss (…) Hinzu kam der offensichtlich fehlende Wille, aus einem Testspiel auch einen wirklichen Test werden zu lassen, obwohl man sich doch zur WM-Vorbereitung eigens ein dem britischen Fußball frönendes Team – als Einstimmung auf WM-Vorrundengegner Irland – ausgewählt hatte sowie eine überdachte Spielwiese, wie man sie zum WM-Auftakt im Sapporo-Dome vorfinden wird. Die Mühe hätte man sich auch noch sparen können.”
Demnächst stoßen die Leverkusener Spieler zum Kader hinzu. Ob damit viel Hoffnung zu verbinden sei bezweifelt Markus Hesselmann (Tsp 16.05.02): “Was sollen die vier Leverkusener ausrichten, wenn bei der Mehrzahl der Mannschaftskollegen die Einstellung nicht stimmt? Wenn einfach keiner da ist, der das Spiel rumreißen kann? Nicht das Ergebnis von Cardiff dämpft die Hoffnungen auf ein einigermaßen erträgliches Ergebnis bei der WM, sondern die schnöselige Art, mit der die Deutschen dort antraten (…) Der Abend von Cardiff muss Völler wehgetan haben. Der Weltmeister von 1990 setzte sich und seine Elf dem Spott aus. „Konnten Sie erkennen, welche dieser beiden Mannschaften zur WM fährt?“, fragte der walisische Stadionsprecher süffisant nach dem Spiel. Dann sangen die Beatles „Ticket to Ride. Die Deutschen haben das Ticket für die Fahrt nach Fernost. Die Waliser nicht. Doch die Nummer 96 der Fifa-Weltrangliste dominierte an diesem Abend. Und ein Länderspiel-Debütant von einem drittklassigen Klub, Cardiff Citys Robert Earnshaw, wurde als Torschütze auf Kosten der deutschen Abwehr zum Helden.”
Ob ein Fluch die Niederlage der Deutschen verursachte? Christian Eichler (FAZ 14.05.02) hegte bereits im Vorfeld Befürchtungen: “Seit die herrliche Arena für die Rugby-WM 1999 errichtet wurde, hat bei ernsthaften Wettkämpfen regelmäßig das Team verloren, das in der Südkabine einquartiert wurde. Vor zwei Monaten beauftragte der englische Fußballverband, der seit Schließung des Wembley-Stadions vor zwei Jahren seine Pokalfinals und Aufstiegsspiele in Cardiff austrägt, einen Feng-Shui-Experten, um den Fluch zu beenden. Der Mann verteilte Weihrauch und Meersalz in der sonst eher schweißfußgesättigten Kabinenluft, gruppierte Möbel um, entzündete Kerzen, ließ buddhistische Gesänge erklingen. Sechs Wochen später zog das Team des FC Chelsea in den von bösen Schwingungen befreiten Raum. Es verlor das Pokalendspiel gegen Arsenal 0:2 – der zehnte Verlierer in Folge aus der Südkabine.”
Ralf Wiegand (SZ 19.4.):“Die deutsche Nationalmannschaft hat sich abgesichert gegen Angriffe aus der internationalen zweiten Liga, sie kann an mäßigen Tagen die USA mit Mühe schlagen, an guten Israel deklassieren und an sehr guten gegen Spanien, Italien, England bestehen. Blamagen der Preisklasse Ribbeck sind nicht zu befürchten. Andererseits: Argentinien, Frankreich, wahrscheinlich auch Brasilien, sind für diese Deutschen inzwischen Prüfungen wie das Staatsexamen für einen schüchternen Juristen; eine Übung, die alle Konzentration erfordert und deren Ausgang von vielen Variablen abhängt. Von Glück, Form, von Einsatzbereitschaft, vielleicht Leidenschaft.”
Ludger Schulze (SZ 19.4.) sieht das ähnlich: “Man könnte sich leicht in die Tasche lügen mit dem Argument, dass im Daimler-Stadion zwei Reserveteams gegeneinander antraten, denn aus Völlers Stuttgarter Besetzung sind lediglich Nowotny und Ballack unumstritten. Dennoch blieb das Niveaugefälle an Ballfertigkeit und Gedankenschnelle unübersehbar. Unter Teamchef Völler haben sich die Deutschen gefestigt, aber zur internationalen Spitze, wie sie Argentinien, Frankreich, Portugal oder Brasilien repräsentieren, bestenfalls um Millimeter genähert (…) Mit dem Eifer eines Hündchens, welches das Bällchen apportiert, bis die Zunge raushängt, trugen sie die Kugel immer wieder in Gegners Hälfte, nur zu welchem Zweck? So oft sie kamen, so oft verhedderten sie sich im eng geknüpften Netz der Südamerikaner, ein hoffnungsloser Fall.”
Michael Horeni (FAZ 19.04.02) vernimmt ein “klares Bild” vom Leistungsstand der deutschen Nationalelf: “Von der sportlichen Mittel- und Unterklasse haben sich die Deutschen abgesetzt, Zugang zu den ersten Adressen haben sie noch immer nicht. Immerhin hat die Mannschaft aber gegen Argentinien angedeutet, dass die Konkurrenzfähigkeit auch gegen einen WM-Favoriten möglich ist (…) Tatsächlich aber leidet die Nationalelf wie vor vier Jahren vor allem darunter, noch nicht einmal ansatzweise auf eine eingespielte Mannschaft vertrauen zu können. Was vor der WM in Frankreich mangelnder Entschlußkraft des Trainers geschuldet war, ist vor der asiatischen Sommertour unvermeidliche Folge personeller Not.”
Außerdem sieht er seine “sportlichen Vorurteile über den aktuellen Stand des argentinischen und deutschen Fußballs bestätigt”:
“In der ersten Viertelstunde eines Testspiels mit Wettkampfcharakter wirkten die Deutschen noch ziemlich mutig. Ein Kopfball von Thomas Linke an den Pfosten blieb deutlichstes Resultat der Bemühungen, wieder mit der Weltspitze konkurrieren zu wollen. Aber wenn die Argentinier, die ebenfalls ohne zahlreiche Stars wie etwa Veron, Batistuta oder Ayala antraten, aufs Tempo drückten, waren die deutschen Leichtgewichte aus der zweiten Reihe schnell ausgemacht. Der Schalker Jörg Böhme bemerkte beispielsweise wie schon im vergangenen Spätsommer im Duell mit David Beckham, daß die Welt weit größer ist als die Schalker Arena. Auch Frank Baumann staunte nach seiner Einwechslung, mit welcher Geschwindigkeit man sich dem Ball nähern kann, als er in aller Ruhe die Flanke von Gustavo Lopez abfangen wollte – und ihm Sorin rasend schnell dazwischen kam und mit dem Kopf das 1:0 in der 48. Minute erzielte. Nach dem Rückstand bekamen Völlers verbliebene WM-Kandidaten bestätigt, was sie heimlich schon befürchtet hatten: daß zu ihren Fähigkeiten auch noch glückliche Umstände kommen müssen, um gegen einen spielerisch, taktisch und mannschaftlich erstklassigen Gegner zu bestehen.”
Für realistische Erwartungen beim WM-Turnier plädiert Thomas Kilchenstein (FR 19.04.02) angesichts der deutschen Unterlegenheit gegen den WM-Favoriten: “Die Erfolge gegen die Kleinen mögen fürs Selbstvertrauen, mögen für die Stimmung und fürs Binnenklima im Team ganz wichtig sein. Weit kommt man damit aber nicht, wenn mindestens gleichwertige Gegner auf dem Feld stehen. Dazu sollte man sich daran erinnern, dass die Spiele gegen die wirklich Großen im Weltfußball in den letzten Jahren verloren gingen: Frankreich (0:1)
Ballschrank
Beckham-Tansfer nach Madrid
Christian Eichler (FAZ 20.6.) erläutert die Motive der Madrider Vereinsführung, David Beckham zu verpflichten. „David Beckham, das Schnäppchen der Saison. Sportdirektor Valdano spricht von einem ziemlichen billigen Einkauf. Das mag klingen, als wäre der Mann jeder ökonomischen Realität enthoben. Doch hat seine Sichtweise im Binnenmarkt der Marketing-Millionen, zu denen die kleine Fußballwelt der großen Klubs geworden ist, eine innere Logik. Diesen Freitag beginnt bei Real Madrid der Verkauf des Beckham-Trikots, man rechnet mit riesiger Nachfrage. Es wird, nimmt man die Zahlen nach den fast doppelt so teuren Verpflichtungen von Zidane und Ronaldo, die Transferkosten schon zu einem Großteil abdecken. Im Vergleich zu den beiden weltbesten Fußballern hat der Spieler Beckham Grenzen. Das Vermarktungsobjekt Beckham hat keine. Deshalb kommt er Real wirklich billig. Daß der Einkaufspreis von maximal 35 Millionen Euro unter dem Marktwert blieb, liegt daran, daß Beckhams Beziehung zu Manchester United zu offensichtlich zerrüttet, sein Zug nach Madrid zu deutlich war. Spielerisch war er kein Gewinn mehr für United. Das Gehabe als Society-Star, das er seit der Ehe mit einer mittelmäßigen Popsängerin annahm, störte den Teamgeist. Bei der letzten Weihnachtsfeier saß Beckham mit seiner Entourage am eigenen Tisch (…) Wer nun fragt, wo Beckham die Weltelf aus Madrid überhaupt verstärken soll und ob nicht ein billiger knorriger Verteidiger der Schönspielequipe viel mehr nützte, outet sich vor diesem Hintergrund als hoffnungslos von gestern. Beckham muß das Team gar nicht verstärken. Es reicht, wenn er oft genug zu sehen ist, um die Geschäfte am Laufen zu halten. Ab und zu wird er einen schönen Freistoß schießen, vielleicht auch tolle Spiele machen, das wäre aber nur eine schöne Zugabe. Denn das Schnäppchen David Beckham muß nicht treffen, um seinem Verein Millionen einzubringen.“
Der Popballer
Ronald Reng (FR 20.6.) teilt dazu mit. „Der von monatelangen fiebrigen Spekulationen begleitete Vereinswechsel gibt dem Phänomen Beckham noch eine neue, im Sport ungekannte Dimension. In den USA, wo die Mehrheit Soccer als Sport für Frauen und Memmen betrachtet, erklärte die New York Times ihren Lesern in einem Leitartikel, dass Beckhams schlechtes Verhältnis zu Uniteds Trainer Alex Ferguson der Grund des Umzugs sei. In Madrid machte Reals Sportdirektor Jorge Valdano den Eindruck, sie hätten einen Werbestar und keinen Mittelfeldspieler verpflichtet: Er ist mehr als ein Fußballer, er wird unsere Marke stärken. Auf Tokios Flughafen Narita klickten hunderte Blitzlichter, als Beckham mit seiner Frau, Popsängerin Victoria alias Posh Spice, durch das Gate kam; Beckham lächelte und sagte: Ich bin entzückt. Entzückt, in Japan zu sein, entzückt, zu Real zu wechseln. Wer Beckham kennt, mag es manchmal nicht glauben: Welche Gefühlswallungen dieser höfliche, sympathische, aber ruhige, wortkarge 28-Jährige in Leuten auslöst. Doch ein Star, das war bei Marilyn Monroe schon so, muss nur die passende Hülle haben, auf die die Fans ihre Träume projizieren können: Sein schönes Lächeln wie seine Sanftheit, seine Ehe mit Posh sowie der Fakt, dass er aus England kommt, einem Land, dem weltweit, auch wegen der Sprache, mehr Aufmerksamkeit als den meisten zukommt, machen ihn zur Ikone für Millionen, die ihn nie haben Fußball spielen sehen. Der Popballer, nennt ihn Spaniens Tageszeitung, El País. Bloß als Fußballer hätte ihn Real nicht gebraucht. Ein Beckham im Team garantiert höhere Werbeverträge, mehr Fans, ein besseres Image. Natürlich wollte ihn Real auch deswegen unbedingt; und für 25 Millionen Euro Ablöse, die sich je nach Erfolg auf 35 Millionen erhöht, bekommt es ihn ein bisschen billig, weiß Valdano. Für ein Dutzend anderer Fußballer wurde in den jüngsten Jahren mehr gezahlt. Doch Beckham als Spieler kleinzureden, weil er als Popstar größer ist, ist eine törichte Masche. Seine Flanken sind einzigartig, sein Passspiel klinisch rein, in Bestform kann ihn jede Elf gebrauchen.“
O.F.: Ich sah den 6:1-Erfolg Manchester Uniteds über Arsenal London (März 2001) – die beste erste Halbzeit (5:1), die ich jemals sah – in einem englischen Pub, wo ManU-Hasser in der Überzahl waren. Als Beckham in der eigenen Spielhälfte an der Seitenlinie einen Gegner mit einer blitzschnellen und nicht zu beschreibenden Fußbewegung ausspielte und sein zentimetergenauer 60-Meter-Pass noch in der Luft war (den Ole Gunnar Solksjär sodann zum 3:1 verwertete), sagte ein Arsenal-Fan in resignierender Hochachtung: ‚Oh! He´s got marvellous feet!‘
Von Spanien-Korrespondent Peter Burghardt (SZ 20.6.) lesen wir dazu. „Die erste Präsentation war gleich ein großer Erfolg, wie sollte es anders sein. Als Victoria Adams und David Beckham am Mittwoch auf dem Flughafen Narita von Tokio eintrafen, da erwarteten sie bereits Hundertschaften enthemmter Japanerinnen und Japaner wie einst die Beatles. Zwischen dem umfangreichen Fanklub mit seinen Fotohandys und Videokameras hatten sich internationale Reporter in Stellung gebracht, und so erlebte auch das Publikum von Real Madrid, wie toll die neueste Errungenschaft 11000 Kilometer östlich ankommt. Sicherheitskräfte mit Megaphonen mussten das Empfangskomitee in Zaum halten, damit kreischende Jungen und Mädchen den Gästen aus Manchester nicht zu nah kamen. Japan liebt die Beckhams. Deshalb mag sie ja auch Florentino Perez so sehr. Fußballspiele stehen bei diesem Besuch nicht auf dem Programm, ein Jahr nach der Weltmeisterschaft ist das Ehepaar zu Werbeterminen nach Asien zurückgekehrt. David macht unter anderem Reklame für japanische Schokolade und japanische Kosmetik, wozu nebenbei bemerkt der Hinweis des künftigen Mitspielers Ronaldo passt, Beckhams Trikot rieche „nach Parfüm“. Die Privatverträge erweitern sein Grundgehalt von zuletzt 6,6 Millionen Euro (plus Prämien) jährlich um weitere 9,1 Millionen Euro. Außerdem wurde seine Biographie allein in Japan 330000 Mal verkauft, und im vormaligen WM- Quartier der Engländer kosten die Zimmer 35 Euro Beckham-Zuschlag. Da bekam der neue Arbeitgeber also gleich nach Vertragsabschluss bestätigt, was er schon wusste: „Es gibt keinen Zweifel“, verkündete Perez in seiner technischen Sprache, „dass uns seine Medienprojektion helfen wird, die Marke Real Madrid auf dem angelsächsischen Markt, in Asien und den USA zu konsolidieren.“ Darum geht es schließlich beim Handstreich des Jahres 2003, deshalb war an den Verhandlungen vor allem der PR-Chef beteiligt.“
Fleißig, aber menschlich eine Niete
Über den Konflikt zwischen Beckham und seinem Trainer heißt es bei Ralf Sotscheck (taz 19.6.). “Ein Freund von Ferguson sagt: Alex will Fußballer und keine Filmstars. Beckham ist mit seiner Frau Victoria, besser bekannt als Posh Spice, zuletzt öfter in den Klatschspalten der Regenbogenpresse als auf den Sportseiten aufgetaucht. Ferguson glaubt außerdem, Beckhams fußballerisches Können werde maßlos überschätzt. Für eine Reihe wichtiger Spiele der vergangenen Saison hat er ihn gar nicht aufgestellt. David war ein integraler Bestandteil aller Erfolge, die United in den vergangenen zehn Jahren errungen hat, sagte Ferguson vorgestern. Ich möchte ihm und seiner Familie Erfolg für die Zukunft wünschen und danke ihm für alles, was er für den Verein getan hat. Das ist nicht gerade überschwänglich. Wenn man solche Sätze im Zeugnis einer Sekretärin läse, würde man denken: Aha, fleißig, aber menschlich eine Niete. Bei den Fans war der Kapitän der englischen Nationalmannschaft lange eine Hassfigur. Nachdem er bei der WM 1998 gegen Argentinien vom Platz gestellt worden war und England ausschied, wurde Beckham monatelang ausgepfiffen. In London hängten sie eine lebensgroße Beckham-Puppe an einer Laterne auf. Das änderte sich, als Beckham eine Reihe wichtiger Tore für England schoss (…) Dass er bei Real nicht das Trikot mit der Nummer 7 bekommt, sondern die 11 tragen muss, ist lediglich für die Kaufhauskette Marks Spencer Anlass zur Trauer: Sie vermarktet die Beckham-Mode unter dem Label DB07.“
Geschäftsgebaren von angeblich guten Freunden
Felix Reidhaar (NZZ 19.6.) lässt Beckhams Karriere Revue passieren. „16 war er, als er im Sommer 1991 als Trainee zu Manchester United stiess. Zuvor hatte der aus der Grafschaft Essex gebürtige Nachwuchsmann mit Leyton Orient gespielt und Tottenham’s School of Excellence besucht. Sein Début im Fanionteam gab er Anfang April 1995, die folgende Saison bescherte ihm schon einen Stammplatz. Er trat die Nachfolge des Ukrainers Andrei Kantschelskis an, dessen Rushes auf der rechten Seite Berühmtheit erlangten. Vom 1.September 1996 wird noch heute gesprochen: Von der Mittellinie aus erzielte Beckham im Selhurst Park Wimbledons ein famoses Tor. 394 Mal hat er in acht Saisons den Dress von Englands erfolgreichstem Klub in dieser Phase getragen, 85 Mal getroffen und 60 Mal im Nationalteam gestanden. Jetzt schien ihm die Zeit reif für einen Wechsel – wirklich? Ob die ebenso polarisierende wie faszinierende fussballerische Pop- und Kultfigur ganz aus eigenem Antrieb das doch etwas risikobehaftete Abenteuer Real Madrid eingeht, wird man kaum je erfahren. Eine Schlüsselrolle ist auf jeden Fall Sir Alex Ferguson beizumessen. Was Mitte Februar als „The Dressing Room Incident“ [sic!] („Garderoben-Unfall“) Schlagzeilen machte oder von dem in Sachen Beckham angeblich am nächsten informierten Tabloid The Sun mit „Fergie decks Becks“ (sinngemäss „Ferguson verziert Beckham“) übertitelt wurde, riss eine tiefe bis heute nicht mehr verheilte Wunde in die zwischenmenschliche Beziehung zwischen den beiden (…) Auch die angeblich in langen Sitzungen festgelegten finanziellen Modalitäten verraten keinen guten Stil – oder hält nach einer Phase der Grossspurigkeit nun der Krämergeist Einzug? 30 Millionen Pfund war dem englischen Meister vor Jahresfrist der mittelmässige Verteidiger Rio Ferdinand wert gewesen, der charismatischste Star der Premier League geht weit darunter über den Tisch. Gemäss Manchester-Homepage werden von der durch Bankgarantien abgesicherten Summe von 25 Millionen Euro deren 7,5 Millionen sofort fällig; der Rest wird über vier Jahre hinweg abgestottert. Dazu sind von Real jährlich Erfolgsprämien von je 1,25 Millionen Euro für das Erreichen der Champions League bzw. den Vorstoss in deren Viertelfinals nach Manchester zu überweisen, womit im besten Falle nochmals 10 Millionen Euro hinzukämen. Dass Ronaldo noch nicht abbezahlt ist und Inter noch 10 Millionen Euro Ausstände reklamiert (in Verrechnung mit Figo?), passt in dieses Geschäftsgebaren von angeblich guten Freunden (Stichwort G-14).“
Macht- und Imagegewinn gegenüber der europäischen Konkurrenz
Die FAZ (20.6.) bezweifelt den sportlichen Wert Beckhams. „ist Real mit Beckham besser dran? Für die Präzisionsbälle des Briten in die Sturmmitte dagegen fehlt es in Madrid an einem klassischen Mittelstürmer: Real spielt nicht lang und hoch, sondern mit Vorliebe kurz und flach. Kopfballtore von Ronaldo sind die große Ausnahme. Gebraucht wird dagegen dringend ein schneller Mann in der Defensive. Gerade das jedoch ist Beckham nicht. Als ahnte er die Probleme, die auf seine Mannschaft zukommen, hat Präsident Pérez vorsorglich angedeutet, der Wert des Neuzugangs liege nicht allein im spielerischen, sondern auch im kommerziellen Bereich, im Macht- und Imagegewinn gegenüber der europäischen Konkurrenz.“
Peter Burghardt (SZ 20.6.) porträtiert den spanischen Verhandlungsführer. „Vereinschef Florentino Perez, 56 Jahre alt, gehört nicht zu den Funktionären, die sich gerne vor den Kameras produzieren. Vorgänger Lorenzo Sanz erinnerte an einen Paten aus Mafiafilmen; der aktuelle Amtsinhaber ähnelt eher einem Schalterbeamten, obwohl er längst zu den mächtigsten Männern Spaniens zählt. Sanz und Perez allerdings eint ihr Beruf: Beide sind wie die meisten Fußballpräsidenten des Landes Bauunternehmer, doch niemand nützt seinen Job so geschickt wie der gegenwärtige Herr über den weißen Mythos, Real Madrid. 2000 gewann Perez im zweiten Versuch nach 1994 die Wahlen, indem er den Mitgliedern Luis Figo versprach und dessen vormaligen Arbeitgeber FC Barcelona demütigte, den Erzrivalen. Damals war das königliche Kollektiv mit 300 Millionen Euro verschuldet und galt als besonders abschreckendes Beispiel der Geldverschwendung. Mittlerweile strotzt der frühere Patient trotz sagenhafter Einkäufe vor Kraft, obwohl das Finanzamt 61 Millionen Euro fordert und die Branche über schwindende Einnahmen jammert. Vom Weltverband Fifa wurde Real Madrid im Rahmen seines 100.Geburtstags 2002 zum bedeutendsten Klub des Jahrhunderts ernannt; er hat seit 1999 zweimal den Europacup gewonnen und besitzt eine Mannschaft, wie es sie noch nirgends gab.“
Pressestimmen aus England und Spanien FR
FR-Übersicht über die teuersten Transfers aller Zeiten
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Von wegen ‚Vive la France!‘
Liebe Leser! An dieser Stelle finden Sie das heute morgen angekündigte Update, das einige ausländische Stimmen zum Sieg Deutschlands sowie dem Scheitern der Franzosen und der Argentinier zusammenfasst. Die if-Redaktion, 16.20h
Zusammenfassung
„Von wegen: Vive la France! Lang leben die deutschen Tugenden!“ feiert die FAZ den 2:0-Sieg über Kamerun. „Der gute alte deutsche Fußball lebt.“ In der Tat war nicht spielerische Klasse die Ursache für den Erfolg, sondern die Besinnung auf kämpferische Qualitäten auf der Basis realistischer Selbsteinschätzung. Ein „Triumph des Teamgeistes“ formuliert es Die Welt, „reine Herzenssache“ die FAZ.
„Nahe am Abgrund“ sah die SZ die deutsche Elf stehen, nachdem die Afrikaner in der ersten Halbzeit mehrere Chance zum Führungstreffer ausließen und zudem Abwehrchef Ramelow noch vor dem Seitenwechsel des Feldes verwiesen wurde. „Reifeprüfung bestanden“ heißt es dort weiter, womit gleichzeitig die Hoffnung verbunden ist, Völlers Team könnte durch die überstandene Drucksituation, die „alles andere als ein Kinderspiel“ (FAZ) war, für den weiteren Verlauf gestählt sein.
Vorsichtige Kritik übt man am Schiedsrichter, der mit 14 gelben Karten und zwei Feldverweisen einen WM-Rekord aufstellte. Nieto habe eine „Hauptrolle für sich vorgesehen“, urteilt die SZ. Die FAZ sah ihn „erst kleinlich und dann überfordert“.
Gewinnspiel für Experten
« spätere Artikel — frühere Artikel »