Donnerstag, 25. März 2004
Ballschrank
The Scotsman
Die schottische Tageszeitung The Scotsman lässt an der englischen Leistung gegen Brasilien kein gutes Haar: „Unter der unerbittlichen Sonne und einem Himmel ohne Mitleid verbrannte England und vor allem der Torhüter. Ein Mann kurz vor der Rente wurde in die Verzweiflung getrieben. Anstatt ihm für die vielen Jahre zu danken, wurde der 38-Jährige als eine Art Andenken präsentiert. Seaman brach vor der ganzen Welt in Tränen aus, und bewies damit, dass Torhüter, obwohl verrückt, nicht komplett einem anderen Stamm angehören. Sie können wie auch wir zerbrechen. Das Bild der Hand, die er über sein Gesicht hielt, um die Tränen zu verdecken, trugen zu einer Szene mit unglaublichen Pathos, die nur schwer zu ertragen war. „Wir haben viel gelernt“, sagte Eriksson nach dem Spiel. Sie haben vor allem gelernt, wie man nicht gegen zehn Mann spielt. England bewies sich selbst, dass sie so zweitklassig sind, wie es viele befürchteten.“
Ronald Reng (FR 22.6.) über das Spiel Brasilien gegen England. „Es war ein solider Erfolg für Scolaris Team. Der größere Sieg war aber vielleicht, dass nun, aufgrund des Renommees des geschlagenen Gegners, wohl erstmals die Massenmedien und das breite Publikum zuhause die Tugenden dieses Teams zu schätzen beginnen. Bislang war Scolaris Brasilien über Gebühr, vor allem von den nationalen Medien, kritisiert worden. Weil die Offensivkräfte Ronaldo oder Rivaldo sich mit ihren Einzelaktionen über jede Kritik stellten, wurde das diffuse Gefühl, dass etwas mit diesem brasilianischen Team nicht stimmt, an den Defensivkräften ausgelassen. Innenverteidiger Lucio von Bayer Leverkusen lieferte mit einer haarsträubenden Vorlage für Owen zu dessen Tor zwar wieder Bildmaterial für nationale Entrüstung. Doch konnte niemandem verborgen bleiben, wie gut Brasilien im Gesamtverbund verteidigte, gerade mit nur zehn Mann.“
Bei Martin Hägele (NZZ 22.6.) lesen wir. „“Good old England“ ist nämlich keinesfalls im Spielrausch der viermaligen Champions untergegangen. Die Engländer unterlagen ganz einfach, weil selbst neun brasilianische Feldspieler mehr rannten und rackerten als zehn vom Mutterland. Die einzige Samba-Nummer hatte Ronaldinho in der Nachspielzeit der ersten Hälfte auf den Rasen gelegt. Soll bloß kein Mitteleuropäer versuchen, in solchem Tempo mit Übersteigern und Side-Steps eine komplette Abwehr auszutanzen (…) Man kann über die Rechtmäßigkeit der roten Karte für Ronaldinho streiten – und auch ganz anderer Meinung sein. Hinterher aber weiß man, dass er den Kollegen damit sogar einen Dienst erwiesen hat. Ähnlich wie die Deutschen gegen Kamerun nach Ramelows Ausschluss traten die Brasilianer nun als homogenes Team auf; jeder, selbst Ronaldo und Rivaldo, verteidigte erst einmal den Vorsprung.“
Peter Heß (FAZ 22.6.) zum selben Spiel. „Die beiden charismatischsten der noch im Turnier verbliebenen Teams auf dem Feld, die beste Abwehr gegen den besten Angriff, Samba-Fußball gegen Beckham-Magie – es gab viele Gründe, die Vorfreude ins Unermessliche zu steigern. Aber am Ende wurde es ein ganz normales Fußballspiel, angereichert mit ein paar glanzvollen und ein paar grotesken Szenen (…) Die oft gescholtene Abwehr erwies sich bis auf Lucios Aussetzer als hervorragend aufeinander eingespielte Einheit. Sogar die gefürchtete Kopfballstärke der Engländer nach Flanken und Ecken von Beckham kam nicht zum Tragen. Mit wässrigen Augen bat Scolari noch um ein Schlusswort ans brasilianische Volk: „Glaubt, glaubt: Wir Brasilianer können noch viel mehr. Nicht nur im Fußball, überhaupt.“ Nach dieser disziplinierten Meisterleistung mit einigen Blitzen großer Klasse darf Brasilien auf jeden Fall an ein gutes Ende dieser WM glauben.“
Holger Gertz (SZ 22.6.). „Ein großes Spiel? Naja, jedenfalls hatten die Brasilianer Großes geleistet, wenn das bedeutet: diszipliniert spielen, den Gegner stören, die Kunst dem Resultat unterordnen.“
Gewinnspiel für Experten
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Die Sonntagsspiele der Bundesliga in Stuttgart und München
VfB Stuttgart – Borussia Dortmund
Martin Hägele (SZ 11.2.) erfreut sich an Stuttgarter Bescheidenheit „Man mag sich kaum vorstellen, wie manch einer von Magaths lauten Vorgängern, Winfried Schäfer oder Christoph Daum etwa, nach solch einem wunderbaren Abend mit über 40.000 glücklichen Anhängern auf einen 1:0-Sieg gegen den Meister Borussia Dortmund reagiert hätten. Vermutlich hätten sie sich sofort zu offiziellen Bayern-Jägern ausgerufen. Magath hat das nicht getan, obwohl der VfB nur wegen der schlechteren Tordifferenz noch hinter Dortmund auf Platz drei liegt. Man könne nicht ständig seinen Kurs korrigieren, sagte Magath, man habe ja schon in der Winterpause das ursprüngliche Saisonziel angehoben. In einer andern Stadt oder mit einem anderen Kader herrschte jetzt Alarm eins, die Vorstufe zum Größenwahn. Der Stuttgarter Musterjahrgang 02/03 kommt auch seinem Meister gefeit vor gegen die branchenüblichen Prozesse. Wo endet der Lauf dieser Sonderklasse hochbegabter und äußerst lernwilliger Kicker? (…) Ähnlich wie den preisgünstigen Überfliegern aus Stuttgart der Himmel offen zu stehen scheint, hat das Dortmunder Star-Ensemble seine Grenzen erkennen müssen. Die Champions vom vergangenen Mai mussten am Neckar wohl nicht nur den Traum von der Titelverteidigung abschreiben. Menschen mit den Ambitionen, die in Dortmund mittlerweile dazugehören, haben kritisch registriert, wie die Rosicky, Ewerthon, Amoroso und Koller von den Lehrlingen der Magath-Schule nicht nur neutralisiert, sondern kontrolliert worden sind. Solche Urteile hasst Trainer Sammer, er mag es nicht, wenn seinem Team schon wieder ein Rückschlag attestiert wird. Das Grummeln der Anhänger und die Suche nach der Form des Vorjahres gehen weiter. Und die Geräusche werden lauter, je näher die Spiele gegen Real Madrid rücken.“
Über die Reaktionen nach dem Spiel lesen wir von Oliver Trust (FR 11.2.). “Über Schwaben geht das Gerücht, sie wüssten genau, wo am billigsten einzukaufen sei. In der Tat verkaufen sich die Schnäppchenführer nirgendwo anders besser als in Baden-Württemberg. Und es macht Schwaben besonderen Spaß, wenn sie viel günstiger als andere ein Markenprodukt nach Hause schleppen. Auch deshalb war es ein besonderer Sieg über den deutschen Fußball-Meister Borussia Dortmund, über diese Mannschaft der millionenschweren Stars. 43.000 Zuschauer machten ein Fußballfest daraus, als die Mannschaft der jungen, wilden Billigkicker auf Platz drei der Tabelle stürmte, nur durch die Tordifferenz vom Zweiten aus Westfalen getrennt. Über Das Wunder von Stuttgart steht fast jeden Tag etwas in den Zeitungen, weil die Burschen, die teilweise für 10.000, 15.000 Euro im Monat spielen, diejenigen schlugen, die ein paar Nullen mehr auf dem Kontoauszug stehen haben. Die Verlierer hatten es eilig am Sonntagabend. Nur schnell weg. Die Krawatten saßen schief, die Gesichter sahen bedrückt und fast grantig aus. Wir müssen mehr Ausstrahlung zeigen und mehr Selbstvertrauen, sagte Dortmunds Kapitän Stefan Reuter. Warum sie es partout nicht hin bekommen, endlich selbstbewusst schönen Fußball zu zeigen, wusste keiner. Von Meisterschaft oder so was brauchen wir gar nicht zu reden, sagte Sportdirektor Michael Zorc. Torsten Frings sagte klagend: Wir müssen eher nach unten schauen. Und Trainer Matthias Sammer meinte seltsam ernüchtert: Die Meisterschaft interessiert mich überhaupt nicht. Die Angestellten der Aktiengesellschaft zogen sich in die Einsamkeit zurück. Den schwäbischen Jubelarien wollten sie nicht länger zuschauen.“
Roland Zorn (FAZ 11.2.) meint zum selben Thema. „Traumatisch war dieser für sie trübe Sonntag nicht einmal für die Dortmunder Verlierer, die sich darum bemühten, gelassen zu bleiben. Trainer Matthias Sammer, sonst schon mal ein Hitzkopf, zog sogar eine am Sonntag verwegen anmutende Parallele zur vorigen Saison, als sein Team an derselben Stätte 2:3 verlor – und später doch noch den Titel gewann. Da sah es auch so aus, als ob alles vorbei wäre, und dann haben wir doch noch die Kurve bekommen. Wollen die Westfalen, nun schon um acht Punkte hinter Tabellenführer FC Bayern München zurückgefallen, in Zukunft geradewegs und geradeheraus Pluspunkte gegenüber dem Rekordmeister sammeln, müssen sie allerdings in der Hauptsache wie Champions auftreten. Wir müssen auswärts eine bessere Ausstrahlung haben, forderte Spielführer Stefan Reuter. Dem altgedienten defensiven Mittelfeldspieler war die zögerliche, abwartende Grundhaltung manches Kollegen negativ aufgefallen. Erst mal nicht in Rückstand geraten und dann sehen, wo sich eine Chance auftut: So agiert auf Dauer kein Meister mit dem Anspruch, die Nummer eins seiner Klasse zu bleiben. Was daraus die Konsequenz sein muß, erklärte Sportmanager Michael Zorc zur Dortmunder Klassenarbeit: Es wäre utopisch, jetzt von der Meisterschaft zu sprechen. Wir müssen eher nach unten schauen und unsere Hausaufgaben machen. Die hausinternen Examina fragt beim VfB Felix Magath mit Akribie ab. Mit den besten Ergebnissen für Magaths Schulklasse, wie sich beim dritten Rückrundensieg in Serie zeigte. Die nach der Winterpause bisher erfolgreichste Bundesliga-Mannschaft sei weiter gereift, lobte ihr Lehrer. Denn gegen Dortmund war nicht jugendlicher Überschwang, sondern die von den erfahrenen Balakow und Soldo vorneweg beherzigte Fähigkeit gefragt, Geduld zu zeigen und einen schwachen Dortmunder Moment auszunutzen. So ein Spiel, hob der VfB-Trainer hervor, hätten wir vor einem Vierteljahr nicht gewonnen, inzwischen aber sind wir cleverer im Umgang mit dem Gegner.“
Dortmunder Reaktionen Tsp
Bayern München – Hamburger SV 1:1
Joachim Mölter (FAZ 11.2.) schreibt. „Für den FC Bayern München traf es sich ganz günstig, daß am Sonntag abend der Hamburger SV zur Bundesligapartie ins Olympiastadion kam, denn der brachte seinen neuen japanischen Stürmer Naohiro Takahara mit, samt 28 Landsleuten aus der Medienbranche. Eine prima Gelegenheit also, die geplante Eroberung des japanischen Fußball-Marktes zu verkünden. In einer auch in japanischen Schriftzeichen verteilten Presseinformation ließ der FC Bayern jedenfalls vor dem Spiel wissen, wie er demnächst in Kooperation mit seinem Sponsorenpartner adidas an die japanischen Geldbeutel gelangen will, nämlich mit Engagement, Intensität und einem erstklassigen Konzept, wie Bayern-Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge zitiert wurde. Daß Takahara in letzter Spielminute einen Kopfball ganz günstig zum 1:1 traf, gehörte wohl eher nicht zum erstklassigen Konzept der Münchner. Die haben aber trotz des Unentschiedens ihren Vorsprung an der Tabellenspitze vergrößert, weil Titelverteidiger Borussia Dortmund gleichzeitig in Stuttgart verlor, und deshalb war Trainer Ottmar Hitzfeld dann auch nicht ganz so kritisch: Zehn Punkte Vorsprung wären schön gewesen, aber auch mit acht kann man gut leben. Und ein paar andere gute Aspekte konnte man dem Tor von Takahara außerdem abgewinnen: Dann sieht man, daß es in der Bundesliga doch nicht so einfach ist, fand Bayern-Torhüter Oliver Kahn angesichts des Engagements seiner Vorderleute, das nach dem 1:0 durch Claudio Pizarro (11. Minute) und einiger weiterer Torchancen mit zunehmender Spieldauer nachließ. Da muß mehr kommen von der Mannschaft, das ist zuwenig, forderte er im Hinblick auf kommende Aufgaben.“
Zur Bedeutung des Spiels heißt es bei Ralf Wiegand (SZ 11.2.). „Die Bayern suchen angesichts fehlender Feindbilder nach internen Herausforderungen, für Kahn war es eine, irgendwie 800 Minuten ohne Gegentreffer zu überstehen, was noch keinem Torwart zuvor gelungen war, nicht einmal Kahn selbst. „Die 800 wollte ich schon erreichen“, sagte er später, als er aus der Einsiedelei der Umkleide zurück gekehrt war. Dass es allerdings ziemlich genau nur 800 wurden, exakt 802, weil der Japaner Naohiro Takahara in der Nachspielzeit zum 1:1 für den Hamburger SV traf, hätte auch wieder nicht sein müssen. „Ärgerlich“ fand Oliver Kahn das. Man sah ihm an: ungefähr so ärgerlich wie ein Mückenstich. Mehr ist momentan nicht drin für die Bundesliga, als den Bayern irgendwelche virtuellen Rekordstatistiken zu versauen. Angesichts der Schwäche aller potenzieller Bayern-Jäger, der Dortmunder, der Bremer, der Schalker, findet die Bedrohung für den Tabellenführer generell nur noch im Konjunktiv statt, was sich dann so anhört: „Wenn die Konkurrenz gewonnen hätte, hätten wir jetzt schon vier Punkte von unserem Vorsprung verloren“ (Oliver Kahn). Oder: „Wenn wir gewonnen hätten, wären es zehn Punkte Vorsprung, jetzt sind es nur acht“ (Niko Kovac). Oder: „Daran sieht man, wie schnell es gehen könnte“ (Karl-Heinz Rummenigge). Zwei Unentschieden hintereinander, zuvor stand ein 0:0 in Bielefeld, und trotzdem den Vorsprung an der Spitze ausgebaut – so viel Großzügigkeit der anderen hätte der FC Bayern gar nicht nötig. Um die interne Spannung aufrecht zu erhalten, stilisierten die Münchner das 1:1 gegen schwache Hamburger zur heilsamen Lehre. Deswegen redete Kahn auch eisern davon, das Spiel sei „kurz vor Schluss verloren“ gegangen. Welch ein Luxus, sich Niederlagen selbst einreden zu dürfen.“
Jörg Marwedel (SZ 8.2.) porträtiert den HSV-Trainer. „Nicht, dass Kurt Jara nicht selbst schon Erfolge gehabt hätte. Sechs Meistertitel hat er als Trainer gewonnen. In seiner Heimatstadt Innsbruck haben sie ihn gar zum „König von Tirol“ ausgerufen. Aber es waren eben Titel in der Schweiz und in Österreich. In Hamburg dagegen hat er seit seinem Dienstantritt vor 16 Monaten erst einmal gelernt, was es bedeutet, in der norddeutschen Tiefebene zu arbeiten. Oft spielte der HSV schlecht, und die Punkte blieben aus. Wenn er zum Training fuhr, wies ihm ein von Fans gemaltes Schild am Straßenrand höhnisch die Richtung: „Nach Innsbruck links abbiegen.“ In der AOL-Arena sangen sie zur Melodie von „Heidi“: „Jara, deine Welt sind die Berge.“ Es war die Zeit, als nichts voranzugehen schien bei dem Traditionsklub. Und Jara tat einiges dazu, die Zweifel an seiner Person zu schüren: Die von ihm geholten Landsleute Baur und Kitzbichler erwiesen sich als Flops. Als der damalige Sportchef Holger Hieronymus das letzte Geld des Klubs verjubelte, um für vier Millionen Euro den noch grünen Argentinier Cristian Ledesma zu verpflichten, hat der Trainer erst nachgegeben und dann ausgeplaudert, Ledesma sei alles andere als sein Wunschspieler. Zudem verblüffte Jara mit einem radikalen Sinneswandel: Schwärmte er nach der Saisonvorbereitung, das Team sei fit für die Rückkehr in den internationalen Fußball, klagte er vier Spiele und drei Niederlagen später, ihm fehlten „die richtigen Typen“, ein weiterer Neubeginn sei nötig. Dieser Salto kostete ihn zunächst Glaubwürdigkeit und beinahe auch den Job. Doch es war Jaras vorerst letzte Krise in Hamburg. Der angedrohte weitere Schnitt beschränkte sich letztlich auf das Aussortieren des behäbigen Altstars Jörg Albertz, und die Mannschaft erlangte Stück für Stück mehr Stabilität, was der Trainer mittels Zahlen belegen kann: 17 Punkte holte der Hamburger SV im Herbst 2001, 23 im vergangenen Frühjahr, 25 in der Vorrunde dieser Saison. Platz 15 belegte das Team, als er kam, Rang sechs hat es vor dem Gastspiel am Sonntag beim FC Bayern München erreicht. Und Kurt Jara sagt: „Ich spüre zum ersten Mal, dass die Leute anfangen, mich zu akzeptieren.“ Das ist viel für einen, der nie ein Publikumsliebling war.“
Interview mit HSV-Vorstandschef Bernd Hoffmann FAS
Christoph Biermann (SZ 11.2.) über den Asien-Trend. „„Irgendwann werden wir in China mehr Fanartikel verkaufen als in Deutschland“, glaubt Willi Kühne, Merchandising-Leiter von Borussia Dortmund. „Letzte Woche stach mir in China überall das Trikot von 1860 München in die Augen“, sagt er. Nach seinem ersten Bundesligaspiel für die Löwen war Jiayi Shao auf dem Titel fast aller Zeitungen. Mit Bewunderung und etwas Neid konstatiert Kühne das, denn der deutsche Meister war als erster Bundesligaklub gezielt auf dem asiatischen Markt aktiv. Im Mai vergangenen Jahres hatte Kühne auf einer Fußballmesse in Shanghai festgestellt, dass die Chinesen an Borussia Dortmund sogar mehr Interesse hatten als an den Klubs aus Italien. Daher wurde im September ein chinesischer BVB-Fanklub gegründet, die Homepage des Klubs gibt es inzwischen auf Mandarin, und bald wird der Vertrag mit einem chinesischen Partner abgeschlossen, um Trikots und Fanartikel im bevölkerungsreichsten Land der Welt zu verkaufen. Würde Trainer Matthias Sammer einen Chinesen verpflichten, Kühne würde „einen dreifachen Salto schlagen“, denn damit kämen die Geschäfte richtig in Schwung. So aber saßen rund 230 Millionen Chinesen vor dem Fernseher, als Shao vor zehn Tagen bei München 1860 debütierte und die Blauen wenigstens einmal die Roten abhängten. Bayern München hat noch keinen asiatischen Spieler und muss sich bei der jüngst annoncierten Expansion nach Fernost auf den legendären Ruf von Kahn und Ballack verlassen.“
dazu auch NZZ
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Alle wollen beim Ligastart immer das Neue wissen
„Alle wollen beim Ligastart immer das Neue wissen. Was ist anders? Was wird? Was kann? Und warum nicht? Erst mal bleibt alles beim Alten“ kommentiert die FR den mit viel Spannung erwarteten, letztendlich jedoch „ernüchternden“ (SZ), Auftritt der „neuen Bayern“ beim torlosen Remis auf dem Gladbacher Bökelberg. Insgesamt war die erste Runde der Saison 02/03 kein Tag der Arrivierten, was allerdings angesichts der kurzen Vorbereitungszeit und des frühen Wettbewerbstadiums niemanden über die Maßen überraschte. Die Gunst der Stunde nutzten daher zwei Aufsteiger. „Die große Stunde der Kleinen und die Schwierigkeiten der Favoriten zum Start des Bundesliga-Alltags haben sich übers ganze Wochenende hingezogen. Arminia Bielefeld und für lange Zeit auch Hannover 96 erwischten nämlich jene Erfolgsspur, welche die Aufstiegskollegen vom VfL Bochum am Samstag in der neuen Klasse vorgelegt hatten“ schreibt die NZZ und deutet auf die Tabellenspitze, von der zwei Aufsteiger grüßen. Doch wird dieser erfreuliche Anblick wohl kaum von Dauer sein, denn: „Nie enden Zwergenaufstände erfolgreicher als zu Saisonbeginn“ (FAZ).
Zur Lage
Über die Ursachen des Fehlstarts der Favoriten schreibt Peter Heß (FAZ 12.8.). „In der Sommerpause sammeln die Kleinen Kraft, Mut und Selbstvertrauen, die Psyche ist von Misserfolgen noch nicht beeinträchtigt. Für die Großen dagegen reicht die Freizeit nicht aus, die Belastungen der vorigen Saison zu verarbeiten und die vielen neuen Spieler zu integrieren. Gerade in Jahren von Welt- und Europameisterschaften. Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen und Bayern München litten am Wochenende unter den Nachwirkungen des glorreichen Einzuges ihrer Nationalspieler in das WM-Finale. Zwei Wochen hartes Training reichen einfach nicht aus, um die Bestform wieder zu erreichen (…) Die Trainer Hitzfeld und Toppmöller forderten in fast gleich lautenden Textbeiträgen Verständnis für die Nationalspieler und vertrösteten die Fans um zwei, drei Wochen, bis die Spielzeit so richtig losginge. Und irgendwie mochte den Helden auch niemand böse sein. Denn die Erinnerung daran, wie sie sich in Japan und in Korea durchkämpften, ist noch frisch. Die Mär von den wehleidigen, bequemen Besserverdienenden in kurzen Hosen wird nicht mehr geglaubt.“
Michael Horeni (FAZ 10.8.) beschreibt die Gesamtsituation. „Obwohl der Liga die Luft an manchen Ecken auszugehen droht, hat der Fußball in Deutschland beim Publikum wieder Konjunktur. Der umjubelte Auftritt der Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft bis ins Endspiel schenkte dem Volkssport neue Kraft und Dynamik. Der in seiner bescheidenen und seriösen Art unbezahlbare Dienst am deutschen Fußball weckte bei den Anhängern Sympathien und Hoffnungen auf eine glänzende Zukunft, für die die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land steht. Die Errichtung neuer, wenngleich teurer und weitgehend konformer Stadien könnte schon die nächste Blüte des deutschen Fußballs andeuten. Der Umbruch, der sich in der Bundesliga vollzieht, mag zwar Profis und Vereine schmerzen. Aber die Zuschauer, an das Maßhalten schon lange gewohnt, dürften die Sparwelle zu schätzen wissen. Eine Rückkehr zur Normalität ist das zwar noch nicht. Aber immerhin eine Rückkehr aus der Stratosphäre von Selbstherrlichkeit und Profitgier.”
Christian Zaschke (SZ 12.8.) über den (ungewöhnlichen) Druck des ersten Spieltags. „In Kaiserslautern: Andi Brehme, hoch gewettet als erste Entlassung. In Gladbach: Ottmar Hitzfeld, vom ersten Spieltag an sollte er Erster sein, und dabei gefälligst noch schön spielen lassen. In Nürnberg: Klaus Augenthaler, früh wollten sie dort den Abstiegsplätzen entfliehen; nun sind sie Letzter als Folge des Geschenks an Bochum. Dieser erste Spieltag, der sonst eher ein munteres Vorspielen ist, ein Tasten – er fühlte sich beinahe an wie ein letzter Spieltag. Es geht von Beginn an um alles.“
Borussia Mönchengladbach – FC Bayern 0:0
Zum Auftritt der „neuen Bayern“ beim 0:0 in Mönchengladbach schreibt Andreas Burkert (SZ 12.8.). „Der FC Bayern gibt beim 0:0 in Mönchengladbach ein ernüchterndes Entrée und bittet um Geduld. Der neue FC Bayern, vor ihm haben ja alle ein wenig Angst gehabt, nicht nur die ersatzgeschwächten Gladbacher. Doch der neue FC Bayern spielte am Samstag wie der alte: kühl, wenig dominant, ideenlos, fast zaudernd und mit „Leichtigkeitsfehlern“, wie es Thomas Linke formulierte.“
Hartmut Scherzer (FAZ 12.8.) dazu. „Die Bayern haben viel Rouge aufgelegt. Rund 15 Millionen Euro ließen sich die Münchner die Schönheitskur durch Bayer Leverkusen kosten. Mit Zé Roberto und Michael Ballack will der Rekordmeister künftig nicht nur effektiv, sondern auch so attraktiv Fußball spielen wie zuletzt Leverkusen. Doch lässt sich Schönheit so ohne weiteres kaufen? Bei der Saisonpremiere rieben sich 34.500 Zuschauer auf dem Bökelberg und Millionen vor den Bildschirmen die Augen: Das sollen die neuen Bayern sein, „die besten aller Zeiten“? Ohnehin eine anmaßende Selbsteinschätzung, die Franz Beckenbauer, Gerd Müller und die glorreiche Mannschaft der siebziger Jahre beleidigt.“
Borussia Dortmund – Hertha Berlin 2:2
Die Schiedsrichterdiskussion in Dortmund beschreibt Freddie Röckenhaus (SZ 12.8.). „Der Dortmunder Trainer hatte die Begründung für die Fehleinschätzung des bei der WM so viel gelobten Merk parat: „Uli Hoeneß hat vor gut einem Jahr eine regelrechte Kampagne gegen Otto Addo eröffnet und behauptet, er könnte wegen seiner angeblich theatralischen Art im Zirkus auftreten. Damit hat Hoeneß viel Wirkung erzielt. Heute zum Beispiel, denn Herr Merk hat sich diesen Unsinn von Hoeneß offenbar gemerkt.“ Eine Freundschaft wird es zwischen Merk und dem BVB ohnehin nicht mehr geben. Ausgerechnet der international anerkannte Merk hat seine schwachen Tage oft bei Spielen in Dortmund, so dass Manager Michael Meier vor Jahren schon einmal beim DFB ersucht hatte, Merk nicht mehr in Dortmund einzusetzen.“
Interview mit Matthias Sammer FR
Energie Cottbus – Bayer Leverkusen 1:1
Zum 1:1-Remis zwischen Energie Cottbus und Bayer Leverkusen schreibt Katrin Weber-Klüver (SZ 12.8.). „Nun beginnt das Spiel von vorn für ein Team, das noch keines ist. Ein Schwung junger Zugänge wie Juan und ein Schwung WM-Spieler, die erst seit zwei Wochen trainieren, können schwerlich aus dem Stand der anspruchsvollen Spielanlage gerecht werden, die Leverkusener Selbstverständnis ist. Noch beunruhigender ist: vielleicht geht es ohne Michael Ballack sowieso nicht (…) Sorgen dieser Art gibt es in Cottbus nicht. Die Cottbusser haben ihren Ballack noch, der hier Vasile Miriuta heißt. Und weil der Glatzkopf trotz angelegentlicher Ankündigungen, den Verein zu verlassen, doch wieder mal geblieben ist, ist im dritten Erstligajahr alles wie immer: Man rennt und rackert, und wenn es gut läuft, springen ein paar Torchancen heraus. Gegen Leverkusen mit seiner illustren Verteidigung um Weltmeister Lucio war das erstaunlich häufig der Fall.“
Matti Lieske (taz 12.8.) zum selben Spiel. „Auch mit schlappen Beinen und einem gewissen Grad an vizeweltmeisterlicher Überheblichkeit ließ Bayer hin und wieder seinen Spielwitz schillern und anklingen, dass die Abgänge von Ballack und Zé Roberto möglicherweise doch verschmerzbar sind. Neuzugang Hanno Balitsch bestach durch Emsigkeit und Initiative, Jan Simak wirkte zwischen Schneider und Bastürk zwar oft etwas überflüssig, zeigte aber mit seinem Treffer, dass er das Zeug hat, in Ballacks Fußstapfen als Produzent wichtiger Tore zu treten. Was den Leverkusenern fehlte, war die Kaltblütigkeit und Entschlossenheit, nach dem 1:0 die Sache endgültig zu entscheiden. Eine lässliche Sünde am Beginn einer Saison, sollte man meinen, aber wie viele Punkte waren es doch gleich, die vergangene Saison die Meisterschaft kosteten?“
Markus Völker (FR 12.8.) dazu. „Schenkte man den Verantwortlichen von Bayer Leverkusen Glauben, so waren sie mit dem 1:1-Unentschieden hochzufrieden. Das klingt zunächst ein wenig paradox, spielte doch ein erklärter Meisterschaftsfavorit gegen einen Abstiegskandidaten. Doch Bayer plagt sich eben noch mit Altlasten aus der vergangenen Spielzeit herum: als sich die Saison wie ein Gummiband dehnte und die Bayer-Profis nicht nur im Finale der Champions League und des DFB-Pokals standen, sondern für einige aus dem Kader auch noch eine Weltmeisterschaft folgte. Die Dauerbelastung hatte zu einem hohen Verschleiß geführt. Deswegen, und weil viele Profis erst kürzlich aus dem Urlaub zurück kehrten, steht es um die Fitness nicht zum Besten.“
Das Verhältnis zwischen Bayers Trainer und seinem Neuzugang kommentiert Matthias Wolf (FAZ 12.8.). „Toppmöller und Simak – das ist eine argwöhnisch beäugte Beziehung, in der beide äußerst sensibel agieren. Schließlich ist der Tscheche mit Eskapaden belastet, von einer Alkoholfahrt bis hin zu Wettschulden und Prügeleien. Der 23jährige Offensivspieler gibt sich darum betont vorsichtig. Obwohl er sich auch auf deutsch artikulieren könnte, gab er nur Interviews in seiner Muttersprache. Simak sagt, er wolle vermeiden, dass ihm ein falsch gewähltes Wort zum Verhängnis werden könnte. So bleibt nicht zu klären, ob er oder nur sein Dolmetscher dafür verantwortlich waren, dass nur Belanglosigkeiten übersetzt wurden. Er wolle nach seinem ersten Tor nicht feiern, weil es nicht zum Sieg gereicht habe. Und er sei stolz, von so vielen WM-Teilnehmern lernen zu dürfen.“
FC Schalke 04 – VfL Wolfsburg 1:0
Zum letztendlich erfolgreichen Einstand Frank Neubarths, Trainer des FC Schalke 04, heißt es bei Roland Zorn (FAZ 12.8.). „Wie dünn das Seil ist, auf dem ein Berufsanfänger in der ersten Trainergilde balancieren muss, bekam Neubarth schon bei seinem Debüt zu spüren: Etwa, als die Schalker Fans unter den 59.000 Zuschauern in der Arena den schwachen Auftritt der ersatzgeschwächten Mannschaft bei Halbzeit mit einem lautstarken Pfeifkonzert bedachten oder als sich der Trainer die Freiheit nahm, den beim Volk beliebten Nationalspieler Böhme gegen den noch populäreren Rekonvaleszenten Mpenza auszuwechseln. Da murrte die Basis, und der linke Flügelmann bedankte sich demonstrativ applaudierend, obwohl der Personaltausch schon vorher abgesprochen war. Neubarth hat Glück gehabt und darf das Finale dieser mäßigen Partie durchaus als gutes Omen für seinen weiteren Berufsweg auffassen.“
VfB Stuttgart – 1. FC Kaiserslautern 1:1
Über Kaiserslauterns Verpflichtung von Ciriaco Sforza lesen wir bei Jan Christian Müller (FR12.8.). „Es gehört zur Ironie dieser Geschichte, dass der später gegen Rehhagel aufbegehrende Sforza vor kaum zwei Jahren vom Berg gejagt wurde und von Glück sagen konnte, dabei nicht noch geteert und gefedert zu werden. Und es gehört zu der derzeit reichlich unübersichtlichen Unternehmensstrategie des 1. FC Kaiserslautern, dass einer, dem man schlicht den Charakter abgesprochen hat, ein guter Roter Teufel zu sein, nun als Retter in der Not auf den berüchtigten Berg zurück holt.“
Zur Bedeutung des 1:1-Unentschiedens in Stuttgart für die allgemeine Lage in Kaiserslautern heißt es bei Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 12.8.). „Am Samstag kommt Schalke, haben die Lauterer mit Sforza, der einst im Unfrieden mit Cheftrainer Otto Rehhagel von dannen zog und als Störenfried abgestempelt wurde, ein Heimspiel. Und wieder wird das Ergebnis die Weiche stellen für eine Bewährungsfrist, die maßgeblich von der Formkurve bestimmt wird. Dagegen geht es in Stuttgart geradezu beschaulich zu. Von Neugier auf eine neue Bundesligasaison ohne neue Gesichter war nichts zu spüren. Auch nichts von Herzklopfen über das mutmaßliche Abschneiden der Fußballprofis im Musterländle. 28.000 zahlende Kunden waren Magath wie Manager Rolf Rüssmann auch viel zuwenig an einem Nachmittag, für den Starkregen vorhergesagt war. Es kam meteorologisch so ganz anders wie atmosphärisch für Andreas Brehme. Der geriet vorübergehend in eine Schönwetterzone. Ob das Hoch anhält? Am Samstag werden es 40.600 im nach Lage der Dinge ausverkauften Fritz-Walter-Stadion wissen wollen. In Stuttgart grantelte Magath, dass die Stadt wohl eher ein akademisches Leichtathletik-Publikum habe. Das ist in Kaiserslautern garantiert ganz anders.“
Martin Hägele (NZZ 9.8.) über den DFB-Präsidenten. „Gerhard Mayer-Vorfelder, 25 Jahre lang der Sonnenkönig vom Cannstatter Wasen, lässt sich mittlerweile als Verbandspräsident hofieren; in dem irrigen Glauben, er habe entscheidend zur WM-Finalqualifikation und zum neuen Boom im deutschen Fußball beigetragen. Der 69-jährige Politiker a. D. fühlt sich mittlerweile als Messias der WM 2006; ihm und dem von ihm initiierten millionenschweren Förderprogramm soll es im Sommer in vier Jahren zu danken sein, wenn die Bundesliga-Kicker zum vierten Mal den Rest der Welt als Champions grüßen. Mit solchen Visionen vor Augen und der Selbstkritik eines gewieften Aussitzers erträgt der Multifunktionär ungeniert den Blick auf sein Erbe im „Ländle“: Am Ende eines Vierteljahrhunderts MV sind im Roten Haus gut und gerne 20 Millionen Euro Schulden aufgelaufen.“
1. FC Nürnberg – VfL Bochum 1:3
Volker Kreisl (SZ 12.8.) sah die Auftaktniederlage der Nürnberger gegen Aufsteiger Bochum. „Der 1. FC Nürnberg offenbart zum Saisonauftakt gleich alle seine Schwächen. Diese Nürnberger treten auf wie vergangenes Jahr. Abgeschottet vom Publikum, verbindungslos untereinander, jeder in seiner eigenen Welt (…) Verbindend für alle Nürnberger Beteiligten dürfte die falsche Vorstellung sein, dass der neue Kader nun selbstsicherer ist als die Mannschaft der letzten Saison. Das Team ist neu zusammengestellt, die Positionen stehen immer noch nicht fest, und Erfahrung nach gezählten Bundesligaspielen gibt es auch nicht viel mehr, weshalb auch die Aussicht auf den Saisonverlauf die gleiche ist wie vergangenes Jahr: Einbrüche wie gegen Bochum wird es noch eine ganze Reihe geben. Ziel sei es, nicht mehr bis zum Schluss der Saison um den Klassenerhalt zittern zu müssen, hatte die Nürnberger Führung gesagt. Mit dieser falschen Hoffnung müssen die Nürnberger nicht lange leben, sie war schnell korrigiert worden. Nach sechs Minuten.“
Direkte Freistöße
1. FC Nürnberg – VfL Bochum 1:3 FR
Eintracht Frankfurt – St. Pauli 4:0 FR
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Von unserem Korrespondenten in London
Polnischer Nationaltorwart Dudek und Englands ehemaliger Nationaltrainer Terry Venables im Kreuzfeuer der Kritik
Von unserem Korrespondenten in London
Englands ehemaligem Nationaltrainer Terry Venables droht die Entlassung bei Leeds United. Nachdem sich der ambitionierte Premier-League-Club vor der Saison von seinem früheren Coach David O’Leary getrennt hatte und dafür Venables ins Boot an die Elland Road geholt hat, geht es bergab für den Champions-League-Teilnehmer der vergangenen Spielzeit. Gerade einmal drei Pünktchen aus den letzten sechs Spielen und nur noch zwei Punkte Abstand zur Abstiegszone lassen den Angstschweiß auf die Stirn der Vereinsführung tropfen. Weil sich der Verein vor der Saison millionenschwer verstärkt hat und jetzt der Erfolg ausbleibt, steht auch das wirtschaftliche Überleben von Leeds United auf dem Spiel. Den vorläufigen Tiefpunkt erlebten die 35.537 Leeds-Supporter am Wochenende beim Heimspiel gegen Charlton Athletic. Eine 1:0 Führung nach 80 Minuten vermochten die Venables-Schützlinge nicht über die Zeit zu retten und kassierten in der Nachspielzeit den entscheidenden Treffer zur 2:1-Heimniederlage: die siebte in dieser Saison vor den eigenen Zuschauern. „Time is running out for Tel“ schrieb unlängst die Times. Angesichts der schlechtesten Platzierung von Leeds United seit sieben Jahren scheint die Uhr tatsächlich abgelaufen für Terry Venables.
Auch beim FC Liverpool schrillen die Alarmglocken. Zwar besiegten die „Reds“ in der vergangenen Woche Vitesse Arnheim im Uefa-Pokal auswärts mit 1:0. In der Liga sieht es dagegen schlecht aus. Zwei Siege aus sechs Partien sind für die Ansprüche von Trainer Gérard Houllier zu wenig. Im Derby gegen Manchester United setzte es am Wochenende eine 1:2 Schlappe. Damit hat Liverpool nun wieder vier Punkte Rückstand auf den FC Arsenal London an der Tabellenspitze. Tragischer Verlierer des Tages an der Anfield Road war der polnische Nationaltorwart Jerzy Dudek der einen harmlosen Ball durch die Beine rollen ließ und Manu so die 1:0 Führung in der 64. Minute durch Diego Forlan ermöglichte. 180 Sekunden später ließ Dudek erneut einen haltbaren Schuss des Argentiniers passieren und brachte sein Team entgültig auf die Verliererstraße. Da nutzte auch der Anschlusstreffer von Hypiä und ein phänomenaler Weitschuss von „Didi“ Hamann, den Fabian Barthez mit einer Weltklasseparade entschärfte, nichts mehr. Nachdem Jerzey Dudek erst im Oktober einen neuen Multimillionen-Pfundvertrag unterschrieben hat, droht ihm nach mehreren „Patzern“ in den letzten Wochen nun die Ablösung im Tor der „Reds“. Englands große Nachwuchshoffnung Chris Kirkland steht bereits in den Startlöchern und wird mit großer Wahrscheinlichkeit am nächsten Wochenende im Kasten des FC Liverpool stehen.
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Fußballspiel als nationale Katharsis
begeisterte und kritische Rezensionen – SpOn-Interview mit Sönke Wortmann, dem Regisseur
Fußballspiel als nationale Katharsis
Holger Gertz (SZ 16.10.) erklärt die Ausstrahlungskraft der Berner Helden: „Die elf Fußballer von Bern eignen sich perfekt zur Verklärung: Sie kamen aus dem Nichts und in allem, was sie nach dem 3:2 gegen Ungarn taten und schrieben, nährten sie den eigenen Mythos; blieben sie die elf braven Freunde, als die sie mit ihrem WM-Titel 1954 ihrem Land ganz unabsichtlich sein Selbstwertgefühl zurückgegeben hatten. Sie gaben kaum Interviews, die schweigsamen Helden, zu diesem Sieg gab es nichts mehr zu sagen. Es ist das arglos Reine, das die Elf von Bern zum Mythos hat werden lassen. Die Szenen vom Spiel – nur in Schnipseln noch erhalten – illustrieren diesen Charakter: Zu sehen sind Männer mit hageren Nachkriegsgesichtern, die kämpfen, aber nicht foulen; deren Jubel Freude ausdrückt, auch Überraschung, aber niemals diese pubertäre Überheblichkeit wie die Siegesgesten der späteren Stars Effenberg oder Matthäus. Selbst als Fritz Walter den Coupe Jules Rimet entgegennimmt, den Weltmeisterpokal, wirkt er – durchnässt, schmächtig, mit hängenden Schultern – wie ein Junge, der sich fast schämt, das große Geschenk anzunehmen, das das Schicksal ihm und seinen Mitspielern gerade gemacht hat. Die deutsche Mannschaft wirkte wie ein Gegenentwurf zum deutschen Menschen des gerade vergangenen Dritten Reichs, aber auch wenn Bundespräsident Theodor Heuss später bei einer Feierstunde erklärte: „Aus Ihrem erfreulichen Sieg haben manche Leute ein Politikum gemacht. Wir wollen die echten Werte nicht verschieben lassen“ – zum Politikum wurde dieses Spiel überhöht, sobald die neunzig Minuten vorbei waren. Es lieferte den Interpretatoren eine perfekte, glatte Folie, um wieder und wieder ihre Geschichte von einem Fußballspiel als nationale Katharsis zu erzählen. Die Geschichten klingen so, als hätte es kein Wirtschaftswunder gegeben ohne dieses Spiel; als hätte sich das Land nicht aus der Umklammerung der Vergangenheit befreien können, wenn die Mannschaft in der Vorrunde ausgeschieden wäre. Dieser Mythos speist sich wie alle Mythen aus den Geschichten, die um ihn herum gestrickt worden sind.“
Größer als in der Szene mit dem Chef und der Putzfrau kann Kino nicht sein
Klaus Brinkbäumer (Spiegel 6.10.) ist berührt: „Vor knapp 50 Jahren schlugen die Deutschen die Türkei 4:1, sie verloren 3:8 gegen Ungarn, sie schlugen die Türkei noch einmal, jetzt 7:2, und auf Rechtsaußen spielte Berni Klodt. Der Boss saß auf der Zuschauerbank, er büxte aus und ging saufen. Im Wunder von Bern streift Sepp Herberger deshalb schlaflos durchs Hotel und trifft ein putzendes Mütterchen. Soll er Rahn morgen nach Hause schicken? Man muss auch mal fünfe gerade sein lassen, sagt die Putzfrau. Ohne Fleiß kein Preis, sagt Herberger. Wenn der Apfel reif ist, fällt er von selbst vom Ast, sagt die Putzfrau. Früher Vogel fängt den Wurm?, fragt Herberger. Der Ball ist rund, und ein Spiel dauert 90 Minuten, sagt die Putzfrau. Natürlich kann man diesen Film so sehen wie die Zeit-Kritikerin, die Wortmann vorhält, die Nachkriegszeit rosarot zu malen, doch wieso sollte man? Es ist Kino. Man kann sich immer eine andere Geschichte wünschen, man könnte ja immer auch eine andere erzählen. Wortmann hat diese erzählt, weil er früher seinen Vater persönlich für den Zweiten Weltkrieg verantwortlich gemacht hat und heute versöhnt ist, weicher, frei von Ideologie. Und größer als in der Szene mit dem Chef und der Putzfrau kann Kino nicht sein (…) Wortmann sagt, das Wunder von Bern sei exakt so geworden, wie es werden sollte. Er ist Regisseur, Produzent und Drehbuchautor, er hat seine eigene Geschichte und die Geschichte Deutschlands zum Thema gemacht, nirgendwo steckt so viel von mir drin wie in diesem Film, sagt er. Seine alten Filme mag Wortmann nicht mehr, er sieht sie sich nicht an, er entdeckt immer bloß Fehler. Kleine Haie zum Beispiel, als sein bestes Werk gefeiert: Da gibt es die Schlüsselszene, in der Jürgen Vogel vor die Prüfungskommission der Schauspielschule tritt und langsam begreift, wie spießig, wie dämlich die Damen und Herren sind. Jürgens Gesicht müsste man in Nahaufnahme sehen, aber ich habe das nicht gedreht, sagt Wortmann. Diesmal gebe es keine Fehler. Das ist es nun, sagt er. Das Lebenswerk. Ein Film dauert 118 Minuten. Nach dem Film ist vor dem Film? Diesmal nicht. Mehr kann ich nicht, sagt Sönke Wortmann, ich sollte jetzt aufhören, das meine ich ganz ernst. Zumindest eine lange Pause machen. Er macht eine kurze Pause. Und, fragt Wortmann dann, wie ist der Film? Der Film ist mutig, der Film ist voller Witz und voller Trauer. Besseren Fußball hat es im Kino noch nicht gegeben. Das Drehbuch wirkt überfrachtet, es gibt drei Ebenen: die Lubanskis, die Mannschaft, dazu einen Sportreporter plus Gattin. Auf der Leinwand tragen die Ebenen sich gegenseitig, es funktioniert. Aber?, fragt Wortmann. Aber es gibt Stellen, da rutscht Das Wunder von Bern über die Grenze zwischen Gefühl und Kitsch hinweg, vielleicht liegt das daran, dass der Regisseur seinem Publikum wenig zutraut. Am Ende sitzt Vater Lubanski neben seinem Sohn im Zug und weint. Muss Matthias wirklich sagen: Ich finde, deutsche Jungs können ruhig auch mal weinen? Das Bild hat Kraft, der Kommentar überlädt es. Das ist der letzte Satz des Films, sagt Sönke Wortmann, Scheiße.“
Sie haben das Wunder von Bern gesehen?! Ihre Eindrücke.
Dummes Verständnis von der eigenen Profession
Fritz Göttler (SZ16.10.) hält dagegen: „Als prächtiges Instrument der Geschichtsschreibung hat das Kino von seinen Anfängen an sich verstanden, und das keineswegs objektiv, sondern engagiert, mit Pathos und Emotionen. Die großen historischen Events festgehalten oder wieder belebt von der Kamera. Mit der Einfahrt eines Zuges in den Bahnhof von Essen beginnt die Geschichte bei Sönke Wortmann, im Sommer 1954. Ein Vater kehrt zurück, lange, viel zu lange ist er in russischer Kriegsgefangenschaft gewesen. Die Mutter und ihre Kinder haben gelernt, ohne ihn zurecht zu kommen. Bald werden wir wieder eine richtige Familie sein, hatte die Mutter bei der Nachricht von der Freilassung verkündet. Aber der Vater, der einst fehlte, ist nun fehl am Platz. Bahnhofszenen funktionieren immer fabelhaft im Kino. Momente, da nur die Blicke zählen, dieses Zögern im Aufeinanderzugehen, bei den Körperkontakten. Ein faszinierendes Ineinander von Nähe und Fremdheit. Nach dem großen Bahnhof fangen die bitteren Lehr-Wochen des Vaters an. Er muss umlernen für seine Rolle. Er muss seine Verkrampfung loswerden, muss wieder spielerisch frei werden. Wenn er ihm dabei auf den Fersen bleibt, gewinnt der Film selbst eine angenehme Lockerheit. Aber dann wendet er sich wieder der parallel laufenden Geschichte von der Berner Weltmeisterelf zu – und alles wird steif und zäh (…) Sönke Wortmann hat den Film zu seinem magnum opus erklärt – mehr könne ein Regisseur nicht schaffen in diesem Land. Eine groteske Attitüde, ein dummes Verständnis von der eigenen Profession, ausgerechnet bei einem, der sich gern aufs amerikanische Kino beruft, der in Hollywood einen Film dort bereits realisieren konnte. Wird das „Wunder von Bern“ seinen eigenen Standards wirklich gerecht? (Der beste Fußballerfilm bleibt, nebenbei gesagt, „Die entführte Braut – Roxi und das Wunderteam“, 1938, von Johann Vaszary, mit Hans Holt. Entstanden im Schatten der Niederlage einer ungarischen Fußballelf gegen das österreichische Wunderteam.)“
Diedrich Diedrichsen (Zeit 16.10.) wirft ein: „Es ist eine in diesen Tagen viel beschworene Wahrheit, dass man keine Filme über Fußball drehen kann. Die Ausnahme bildet Helmut Costards Fußball wie nie, der ein ganzes Spiel nur die Beine von George Best, dem „Fußball-Beatle“ der sechziger Jahre, beobachtete. Selten indes werden die Gründe für die Regel benannt. Hier wären welche: Ein Spielfilm muss immerzu einen Sinn ergeben, darf keinen Leerlauf zulassen, muss um Aufmerksamkeit und Empathie buhlen und ist daher selten wirklich überraschend. Er unterliegt dem mittlerweile die gesamte Konsumkultur strukturierenden Zwang, einem Plot zu dienen. Ein Fußballspiel hingegen kennt endlose, öde Phasen quälender Ereignislosigkeit, erzählt nicht, wird nicht sinnvoll, gerät völlig außer Form und Gestalt, versinkt im Matsch und – jederzeit kann alles passieren. Wenn es passiert, dann versöhnt dieses große überraschende Ereignis mit allen anderen Ereignissen im Leben. Gleich beginnt das Wirtschaftswunder – In Wortmanns Film kickt sich der Nachwuchs durch den dunkel-schlammigen Ruhrpott Deswegen haben die Deutschen auch geglaubt, dass mit dem überraschenden Gewinn der Fußballweltmeisterschaft von 1954, dem so genannten Wunder von Bern, alles Böse vorbei und vergolten sei. Der gleichnamige Film von Sönke Wortmann handelt denn auch weniger von Fußball als von diesem deutschen Gefühl, den Zweiten Weltkrieg eher erlitten als veranstaltet zu haben und nach der schrecklichen Niederlage auf dem einen Feld nun auf dem anderen endlich Recht bekommen zu haben. Und der Film gibt den Deutschen weitgehend Recht bei ihrem Gefühl. Ein abschließend über den Zug mit den heimkehrenden Weltmeistern geblendeter Text meldet, dass direkt nach diesem Sieg auch das Wirtschaftswunder losging. Die einzige Person, die kurz auf deutsche Verbrechen verweist, ist der kommunistische Bruder unserer Hauptfigur. Und er tut in vorauseilendem Gehorsam, was Volkes Stimme von Kommunisten erst zehn Jahre später lautstark verlangte: Er geht nach drüben. Aber auch dort, im FDJ-Hemd, verfolgt der im Herzen deutsche Junge gebannt das Endspiel. Sönke Wortmann, der selbst einmal eine Fußballerkarriere anvisierte, weiß um den unverfilmbaren Fußball und hat sich für zwei andere Filme entschieden: zum einen für eine Schmonzette über Vater, Sohn und die Deutschen als Opfer, zum anderen für einen heiteren Bilderbogen über die Fünfziger, ihre Tapetenstoffe, ihre DKWs, ihre Frisuren.“
Kino ist immer ein bisschen Mythos
SpOn-Interview mit Sönke Wortmann
SpOn: Warum haben Sie einen Stoff, gewählt, den Sie gar nicht persönlich erlebt haben, sondern eher aus Nacherzählungen kennen?
SW: Kino ist ja immer ein bisschen Mythos. Es darf ja immer ein bisschen größer als das Leben sein. Natürlich habe ich 1954 noch nicht gelebt. Aber Wolfgang Petersen, der ja mit Das Boot den besten deutschen Nachkriegsfilm gedreht hat, war auch nie U-Boot-Fahrer. Es schließt sich nicht aus, dass man einen Stoff in den Griff bekommt. Um das ganz mal etwas positiver anzugehen: Der WM-Gewinn war die größte sportliche Sensation des 20. Jahrhunderts. Zumindest aus deutscher Sicht. Es war mehr als ein Spiel. Es hat das Land verändert. Wenn das kein Thema für einen Kinofilm ist, dann weiß ich gar nichts mehr.
SpOn: Was macht den Mythos der ‚54er-Mannschaft aus?
SW: Aus sportlicher Sicht ist damals ein Selbstvertrauen entstanden, das jede Nationalmannschaft der Deutschen heute noch auszeichnet. Immer denkt man, die können das noch drehen. Zum Beispiel WM 1982, Deutschland gegen Frankreich: In der Verlängerung schießen die Franzosen zwei Tore und führen 3:1. Ich hatte damals das Gefühl und die Spieler eben auch: Wir schaffen das noch. Vielleicht kommt dieser Wille von dem 54-Spiel her.
SpOn: Aber an der ‚54er-Mannschaft haftete ja immer noch ein bisschen vom Atem des Nationalsozialismus, beispielsweise durch die personelle Kontinuität von Trainer Sepp Herberger oder die Rolle des DFB im dritten Reich. Es war ja nur neun Jahre nach Kriegsende.
SW: Neun Jahre sind schon kurz. Ich kann dabei aber nichts Schlimmes finden. Wenn ein Land durch ein Sportereignis wieder neuen Lebensmut schöpft, hilft das ja auch der demokratischen Entwicklung. Ich glaube, es war ganz gut, dass die Deutschen 1954 Weltmeister geworden sind. Ein Land oder ein Volk, welches am Boden liegt, ist immer leichter anfällig für Rechtsradikale als eine gesunde Demokratie.
SpOn: Was hat Sie an der Figur Helmut Rahn als Hauptakteur der ‚54er-Mannschaft gereizt?
SW: Es war das Lebenslustige. Er hatte Ecken und Kanten, das war in den fünfziger Jahren nicht unbedingt üblich. Die sind alle noch in Befehl und Gehorsam aufgewachsen. Rahn war meines Wissens der einzige, der auch mal Widerworte gegeben hat, eine eigene Meinung hatte und die auch vertreten hat. Er war ja am Anfang der WM nur Ersatzspieler und hat sich im Verlaufe des Turniers durchgesetzt. Wenn man im Endspiel ein Tor vorbereitet und selber zwei schießt, ist das natürlich ein Heldenstück. Deswegen Helmut Rahn, außerdem kommt er noch aus dem Ruhrgebiet wie ich. Das verbindet.
SpOn: Wie nah sind Sie an Helmut Rahn heran gekommen?
SW: Leider gar nicht. Ich war einer von den vielen, die sich an ihm die Zähne ausgebissen haben. Er hatte sich ja bereits vor 20 Jahren, nachdem er ein bisschen Ärger mit der Presse gehabt hat, völlig aus der Öffentlichkeit zurückgezogen mit den Abschiedsworten: Ihr könnt mich alle mal, ich sag‘ gar nichts mehr. Das hat er knallhart durchgehalten, bis zu seinem Tod. Leider war es nicht möglich, ihm den Unterschied zwischen Presse- und Kinofilm klar zu machen. Sobald Rahn eine Kamera in der Nähe erspähte, hat er sofort abgewinkt. Schade war, dass er den Film nicht mehr sehen konnte. Ich hatte zwar nicht damit gerechnet, dass er zur Premiere kommt, aber ich hätte ihm natürlich ein Video geschickt, das er sich mal in Ruhe hätte angucken können.
(15.10.) Interviews mit Regisseur Sönke Wortmann, Fritz Walter-Darsteller Knut Hartwig, Hauptdarsteller Peter Lohmeyer – kritische und gemäßigte Rezensionen
Ich stehe unheimlich auf Pathos
FR-Interview mit Sönke Wortmann
FR: Warum steht Rahn im Vordergrund?
SW: Er bot sich wegen seiner Persönlichkeit einfach dazu an, er hat nun einmal die entscheidenden Tore im Endspiel geschossen. Dazu war er immer das Enfant terrible, während die anderen in der Mannschaft doch mehrheitlich brave deutsche Arbeiter waren. Rahn war immer jemand, der seine Meinung gesagt hat, und das war in den 50ern noch schwieriger als heute. Er hat immer die Leute polarisiert; mal hat er einen zu viel gehoben, dann ist er aus dem Hotel abgehauen, und es gab während des Turniers ja noch die Auseinandersetzung: Spielt Berni Klodt den Rechtsaußen oder eben Rahn. Das ist natürlich eine Filmfigur, wie man sie sich nicht besser wünschen kann.
FR: Sie zerstören den Mythos der Helden nicht, war das Ihr Anspruch?
SW: Ich wollte auf keinen Fall die Spieler demontieren, die kann man gar nicht genug würdigen. Die sind unter sensationellen Bedingungen Weltmeister geworden gegen eine Mannschaft, die viereinhalb Jahre nicht verloren hatte. Natürlich wollte ich aber auch zeigen, dass auch damals Leute aus dem Trainingslager abgehauen sind, wie in jedem Trainingslager. Die haben sich aber so gut verstanden miteinander, das finde ich schon fast beängstigend. Bei meinen Recherchen habe ich gehofft herauszufinden, dass der eine vielleicht den anderen nicht mochte oder Helmut Rahn und Fritz Walter hätten sich auf dem Zimmer geprügelt. Aber das passierte einfach nicht, die waren wirklich befreundet.
FR: Sie entlarven aber gleichwohl die Mär vom absichtlich hoch verlorenen Vorrundenspiel gegen die Ungarn.
SW: Dieser Mythos ist in der Tat erst später entstanden. Leute, die dabei waren, haben mir das Gegenteil berichtet. Natürlich hat er einige geschont, aber Fritz Walter und Horst Eckel zum Beispiel haben ja gespielt. Aber wenn ich jemanden schone, dann doch in erster Linie Fritz Walter, die Seele des Spiels. Das hat Herberger nicht gemacht. Mir wurde gesagt: Er hat schon versucht, auch dieses Spiel zu gewinnen. Das ist einfach nur kläglich gescheitert.
Später wurde ihm das als großer Plan ausgelegt, Herberger wurde zum Weisen von Bern.
Das spricht für Herberger, dass er das später zugegeben hat. Aber das wollten ja die Medien hören, die Legendenbildung. Dass er das mit Absicht verloren hat, klingt ja viel schöner.
FR: Auf die enorme Wirkung des Sieges von Bern gehen Sie nicht weiter ein, warum?
SW: Ich hatte immer das Bild im Kopf, dass der Zug mit den Weltmeistern in die aufgehende Sonne fährt. Dieses Wir-sind-wieder-wer-Gefühl hat sich auch erst später eingestellt. Ich habe versucht, die Brücke zur Zukunft mit drei Einblendungen zu schlagen. Eine handelt von den zurückkehrenden Kriegsgefangenen, eine weitere vom Wirtschaftswunder, das damals begann. Bei der letzten Einblendung kriege ich immer eine Gänsehaut: Die Elf von Bern spielte nie wieder zusammen. Da ist eine Mannschaft, die vom Schicksal zusammengeführt wurde, um etwas zu erreichen.
FR: Kritiker sagen, einiges sei zu nah am Nationalismus und kommen dann mit der Hymne, deren erste Strophe nach dem Abpfiff von den deutschen Zuschauern gesungen wurde. Darauf verzichten Sie, hatten Sie da Berührungsängste?
SW: Nee, eigentlich nicht, ich trau mich, alles zu thematisieren. Auch Dinge, wofür ich im eigenen Lager stark kritisiert werden würde. Aber wenn so etwas auf ein Spiel hinläuft, dann ist der Höhepunkt die Siegerehrung und die Pokalübergabe. Warum soll ich den Fritz Walter wieder runterklettern lassen? Das ist völlig kontraproduktiv. Ich will ja ein Heldenepos machen!
FR: Das ist eine große Gefahr beim Fußball: Dass man abgleitet vom Pathos in billigen Kitsch.
SW: Ich stehe unheimlich auf Pathos, damit habe ich überhaupt keine Probleme. Aber man muss sich trauen, die Deutschen trauen sich einfach nicht. Allein dadurch, dass ich vor dem Spiel die deutsche Nationalhymne zeige, kamen schon Leute zu mir und sagten: Das kannst du nicht machen. Ich sagte dann immer: Wieso nicht? Wir sind ein Land, und es gibt die Nationalhymne, die vor jedem Spiel heute auch abgespielt wird. Das ist eine Schere im Kopf, die bei vielen Leuten vorher schon stattfindet.
Dietrich Kuhlbrodt (taz 15.10.) kritisiert die Nebenhandlungen: „ Drei zu zwei gegen Ungarn. Deutschland ist Weltmeister. Wir sind wieder wer. Gleich nach dem Fußballwunder kommt das Wirtschaftswunder. Leider folgt dem jetzt nicht das Filmwunder. Regisseur Sönke Wortmann hat den Film zwei zu drei vergeigt. Zwar schießt die Kamera (Tom Fährmann) treffsicher die von Uli Hanisch liebevoll gestalteten, inspirierten und detailgenauen Szenenbilder. Die Fünfzigerjahre des Ruhrgebiets, noch trist, aber von vager Hoffnung erfüllt, werden in Bauten, Kostümen und Requisiten präsent. Garantiert nostalgiefrei, die Heimat des Torschützen Helmut Rahn. Die Ausstattungsdramaturgie und die Gefühle, die sie weckt: ein glattes Tor. Und nun das zweite: das historische Fußballspiel, nachgespielt im Ruhrgebiet, da das Berner Wankdorfstadion in die Luft gejagt und zum ground zero gemacht ist – das Spiel ist grandios nachinszeniert. Richtig was zum Ankucken. Auch wenn man vom Fußball keine Ahnung hat. Aber, jetzt kommts, das Weltmeisterspiel ist gar nicht das Hauptthema des Films. Wir sollen uns stattdessen für das Schicksal eines Heimkehrers interessieren, im Weltmeisterjahr soeben aus sibirischer Kriegsgefangenschaft entlassen. Peter Lohmeyer spielt den wiedergewonnen Familienvater seltsam lieblos, undifferenziert und eindimensional. Ein zickiger Macho nervt nicht nur Sohn und Frau, sondern auch den Zuschauer. Schwer katholisch ist er auch, und so werden wir wieder stracks aus der klasse Fußballstimmung rausgerissen und landen in der Essener Kirche, wo Maria gebenedeit ist unter den Weibern. Foul, Sönke Wortmann! Bittschön, das geht schon in Ordnung, den Kontext zur Zeit herzustellen, in der Adenauer in Moskau für die Freilassung der letzten Gefangenen sorgte. Aber was nützt die perfekte Ausstattung, wenn der Hauptdarsteller nicht mitspielt?“
SpOn-Interview mit Peter Lohmeyer, Hauptdarsteller im „Wunder von Bern“
SpOn: Sie sind ein großer Fußballfan. Ist für Sie ein Traum in Erfüllung gegangen, beim Wunder von Bern dabei zu sein?
PL: Immer wenn ich höre, dass in Deutschland ein Fußballfilm gemacht wird, bekomme ich große Ohren. Wenn dieses Projekt ohne mich stattgefunden hätte, wäre ich todtraurig gewesen. Als ich das Gerücht mitbekam, dachte ich gleich: Fußball, 1954, mindestens elf Spieler – von denen will ich einer sein, das muss ich spielen.
SpOn: Wollten Sie Fritz Walter mimen? Oder Helmut Boss Rahn?
PL: Rahn wäre von der körperlichen Konstitution nicht gegangen. Aber insgesamt fand ich mich dafür auch nicht zu alt, die sahen ja verdammt alt aus nach dem Krieg. Aber am Ende hat es mich nicht mehr gefuchst, dass ich keiner der WM-Helden sein sollte. Schlussendlich habe ich im Film ja auch eine nette Fußballszene.
SpOn: Sie kicken alleine auf dem Spielfeld, mehr Acker denn Platz, mit einem aus Lumpen zusammen genähten Ball, den sonst die Kinder benutzen. Dann kommt Ihre spektakuläre Einlage und alles wird anschließend gut. Wird man durch einen Fallrückzieher ein besserer Mensch?
PL: Auch so eine Aktion trägt dazu bei, das Gemüt zu verbessern, sofern man den Ball erwischt. Natürlich reicht es nicht, um ein besserer Mensch zu werden. Aber als Bild reicht es vielleicht, einen Weg zu beschreiben, dass man irgendwo hinkommt, wo doch ein bisschen Hoffnung ist.
Den schwierigen Doppelpass zwischen Fußball und Film beschreibt Michael Althen (FAZ 15.10.): „Sollte Sönke Wortmanns Film Das Wunder von Bern ein Erfolg werden, dann hätte er ihn sich redlich verdient. Auch wenn das Thema zwingend erscheinen mag, ist seine Aufbereitung fürs Kino ein mehr als riskantes Unterfangen. Fußball und Film sind noch nie glückliche Verbindungen eingegangen, am allerwenigsten an der Kinokasse. Anders als Sportarten wie Baseball, bei denen die Kamera immer wieder auf die eindeutige Grundsituation von Werfer und Schläger zurückgreifen kann, die dem Mythos vom Duell entspricht, scheint sich das Fußballspiel der filmischen Umsetzung zu entziehen. Man hat allerdings den Eindruck, daß das eher am mangelnden Mut der Regisseure liegt als an einer tatsächlichen Unvereinbarkeit der Formen. Schließlich hat sich jeder Fußballfan in seiner Kindheit in jene spielentscheidenden Situationen hineingeträumt, die von derselben Personalisierung leben wie entsprechende Szenen aus Baseballfilmen. Es ist womöglich leichter, einen amerikanischen Schauspieler zu finden, der glaubhaft einen Baseball werfen kann, als einen deutschen Mimen, dem man den Fußballspieler abnähme. Als einst für Das große Spiel der entscheidende Schuß in den Torwinkel gedreht werden sollte, trat der Schauspieler so oft daneben, daß sein einziger Treffer im Film letztlich auch nicht verwendet werden konnte, weil alle 22 Spieler auf dem Feld vor Erleichterung über den endlich gelungenen Schuß gejubelt hatten. Sönke Wortmann war also klug genug, den Spieß umzudrehen: Er suchte nicht Schauspieler, die auch Fußball spielen können, sondern Fußballer, die auch als Schauspieler eine passable Figur machen würden. Daß sie tatsächlich eher durch ihre fußballerischen als ihre schauspielerischen Fähigkeiten überzeugen, stört insofern nicht, als man ja gewohnt ist, daß Fußballer außerhalb des Platzes auch im Fernsehen eher hilflos agieren (…) Wortmann hat die Fußballszenen bei einer Firma für Rollrasen gedreht und die Zuschauer erst hinterher digital einkopieren lassen, was tatsächlich lebendiger wirkt als alle anderen filmischen Verlegenheitslösungen. Was die fußballerische Seite angeht, ist Das Wunder von Bern also durchweg gelungen, auch weil es den Spielern gelingt, die etwas behäbigere Spielweise der fünfziger Jahre präzise nachzuahmen. Und wenn Sascha Göpel als Helmut Rahn das entscheidende Tor schießt, kann man sich genausowenig der Tränen erwehren, wie das vor fünfzig Jahren gewesen sein mag. Wenn am Ende das Resultat stimmt, neigt man beim Fußball dazu, etwaige Schwächen gnädig zu vergessen. Im Kino gelingt das naturgemäß weniger gut. Deshalb muß man feststellen, daß die Dialoge in Wortmanns Film manchmal ebenfalls so wirken, als hätte eine Drehbuch-Software sie in die Handlung einkopiert. Aber womöglich ist es gerade das Holzschnittartige der Rahmenhandlung, was die Fußballszenen und das Endspiel selbst so zur Wirkung bringt.“
Ich weiß jetzt, wie es 1954 beim Wunder von Bern zuging
SZ-Interview mit Knut Hartwig, Darsteller des Fritz Walter
SZ: Herr Hartwig, mit dem Gewinn der Fußball-Weltmeisterschaft ist Ihnen gelungen, wovon Generationen träumen. Wie ist es, als Held von Bern den Pokal überreicht zu bekommen?
KH: Atemberaubend, wunderschön. Wenn du den Pokal in den Händen hältst und von den Teamkollegen der Nationalmannschaft auf Schultern getragen wirst, kannst du den großen Moment spüren. Ich weiß jetzt, wie es 1954 beim Wunder von Bern zuging.
SZ: Für einen Amateur-Fußballer haben Sie es ja ganz schön weit gebracht?
KH: Stimmt, im wirklichen Leben spiele ich in der Oberliga Nordrhein für Borussia Wuppertal. Da sind wir Mittelmaß. Weltmeister werde ich ja nur im Kino. Im „Wunder von Bern“ durfte ich den Fritz Walter spielen.
SZ: Auf welchem Bolzplatz wurden Sie denn für diese Rolle entdeckt?
KH: Das ging schon alles sehr merkwürdig vonstatten. Vor drei Jahren las ich eine Zeitungsanzeige, in der der Regisseur Sönke Wortmann Fußballer mit Oberliga-Reife und Schauspielerfahrung für seinen WM-Film suchte. Die Bedingungen habe ich locker erfüllt. Auf dem Gymnasium spielte ich in der Theater-AG ein paar kleine Rollen und für den VfL Bochum saß ich 1990 vier Mal auf der Bundesligabank. Später absolvierte ich 74 Zweitliga-Einsätze für den Wuppertaler SV und war ich noch in der Regionalliga bei Preußen Münster und RW Essen aktiv. Da habe ich mich aus purer Neugier schriftlich bei Wortmann beworden.
SZ: Haben Sie sich beim Probetraining besonders angestrengt?
KH: Das Casting lief locker ab. 1000 Fußballer hatten sich beworben. Wir trafen uns in übersichtlicheren Gruppen an einem Februar-Sonntag bei null Grad auf einem Aschenplatz in Köln und spielten zehn gegen zehn. Wie ich nun mal so bin, habe ich versucht, mannschaftsdienlich zu spielen. Vorne grätschen, hinten aushelfen. Wortmann kickte mit und sagte mir, ich hätte einen guten Eindruck hinterlassen.
SZ: Was war Ihre größte Szene?
KH: Ganz klar die Einstellung zum 2:2 im Finale. Jeder kennt das doch aus dem Fernsehen. Ich schlug eine Ecke millimetergenau an den zweiten Pfosten, der Boss, also der Helmut Rahn, hat den Ball dann per Drop-Kick verwertet. Wahrlich kein leichtes Tor.
SZ: Hundertmal geprobt oder öfter?
KH: Nach fünf Einstellungen hatten wir die Szene im Kasten. Als ehemaliger Zweitliga-Profi kann ich ja wohl eine Ecke treten. Das müssen Trainer und Regisseure von mir erwarten können.
FR-Berichtvon den Dreharbeiten
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Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Name-Dropping-Sucht
Angesichts der Verpflichtung Kohlers blickt Christoph Biermann (SZ 28.3.) zurück in die Leverkusener Vereinsgeschichte. „Neulich beklagte sich Meinolf Sprink, der Sportbeauftragte der Bayer AG, dass die Berichterstatter unter einem „Name-Dropping-Trauma“ leiden würden. Denn ständig schwirrten die Namen von Kandidaten für eine eventuelle Neubesetzung des Trainerpostens oder die Bestallung eines Sportdirektors herum. Dieses Trauma mag es geben, es spiegelt aber nur die „Name-Dropping-Sucht“ des Vereins wider. Die reicht lange zurück, wenn man sich an die Verpflichtung von Rinus Michels erinnert, der 1988 als Trainer des niederländischen Europameisters nach Leverkusen kam. Später sollte Dragoslav Stepanovic seine berühmt gewordene „Zirkusluft“ über die Chemieausdünstungen legen. Mit Bernd Schuster wurde ein Weltstar heim ins Bergische Land und Glamour zu Bayer geholt. Schließlich kam Rudi Völler als populärster Spieler, den Deutschland nach Uwe Seeler hatte. Dafür gab es sportliche Gründe, auch wenn es nicht immer klappte. Bis heute aber hat das mit dem tief verwurzelten Gefühl zu tun, nicht recht akzeptiert zu sein. Gerne schmückt sich Bayer mit den Großen des Fußballs, was wie eine Kompensation für den latenten Vorwurf wirkt, kein richtiger Verein, sondern eine kickende Werbemaßnahme zu sein. Dem wird mit der Erfindung immer neuer Teammanager, Kompetenzteams oder Schnittstellenleiter begegnet, die eine Aura von Hyperprofessionalität schaffen sollen. Um diese wiederum Fan-kompatibel zu machen, müssen bei der Besetzung Namen her.“
Von den schönen Seiten des Berufs
Richard Leipold (Tsp 28.3.) beschreibt Wilmots´ ersten Arbeitstag als Trainer. „Anders als in anderen Krisengebieten des Fußballs ist auf Schalke in diesen Tagen nicht nur vom Ernst der Lage und von Disziplin und Ordnung die Rede, sondern auch von den schönen Seiten des Berufs. Bevor Wilmots die Details in Angriff nimmt, will er seinen früheren Kollegen den Spaß an Arbeit, Sport und Spiel zurückgeben. Der Teamchef läßt aufs Tor schießen, aus allen Lagen; nach einer Weile befreit er die Torhüter vorübergehend vom Dienst, damit die Feldspieler noch häufiger treffen. Selbst Frank Rost, von Beruf Torwart, gibt sich unter diesen Umständen mit einem Teilzeitjob zufrieden. Zuzuschauen, wie die Kollegen auf das leere Tor schießen, scheint ihm immer noch mehr Freude zu bereiten, als unter Neubarth zu trainieren. Als der Übungsleiter, der bei den meisten Spielern unbeliebt war, noch für die Mannschaft verantwortlich zeichnete, hatte Rost dessen Autorität mit einem letztlich folgenschweren Satz untergraben. Seit du hier bist, macht mir Fußball keinen Spaß mehr. Neubarths Entlassung kommentiert Rost auch am Tag danach kühl. Diese Entscheidung ist im Sinne des Vereins. Was soll er auch anderes sagen, wo doch immer deutlicher wird, daß die Spieler bei dem Personalwechsel zu den treibenden Kräften gehört haben?“
siehe auch:
Experiment mit dem hanseatischen Kopfmenschen gescheitert
Spannung abseits der Meisterschaftsfrage
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Thema Doping
Mit dem Thema Doping beschäftigt sich die spanische Zeitung El País (24.5.). Der Physiologe Alejandro Lucía setzt sich mit möglichen positiven Einflüssen auf die Kondition der Spieler auseinander. Die individuelle Technik, auch wenn sie überdurchschnittlich sein sollte, käme weniger zum Zuge, wenn motorische Koordination und Spielübersicht durch die Ermüdung beeinträchtigt sind. Lucía schreibt über das komplexe Anforderungsprofil eines Fußballers, das Ausdauer, Muskelkraft, Explosivität, Geschwindigkeit, Regenerationsfähigkeit vereint. Dopingmittel wie z.B. Testosteron, Anabolika, NESP oder EPO könnten zum einem die Muskelkraft der Sportler und zum zweiten die Sauerstoffaufnahme erhöhen. All dies ließe sich durch ein Trainingsprogramm nicht erreichen.
Dahingegen hatte sich die spanische Nationalmannschaft lediglich einer Urinprobe zu unterziehen. Blutanalysen gehören eigentlich zum Alltag aller Mannschaften, die sich vor der Weltmeisterschaft vor einem möglichen Dopingskandal schützen möchten. Die Spanier haben auf eine solche aber verzichtet, weil sie „zu aggressiv“ sei, so der Chefarzt der Nationalmannschaft. Wie El País kritisch feststellt, verfügten die Ärzte und Techniker somit nicht über die hämatologischen Werte der Spieler: ein entscheidender Referenzwert, um sich zu vergewissern, dass kein Spieler in seinem Verein auf das Blutdoping zurückgegriffen hat.
Die Fifa hat die letzten Details ihres Dopingbekämpfungsprogramm gefeilt. Neu ist bei dieser Weltmeisterschaft die Einführung einer Blutprobe, die in anderen Sportarten seit längerem praktiziert wird. Zu den Maßnahmen gehören vier Blut- und Urinproben pro Spiel und gelegentliche unangemeldete Proben. Damit möchte man neuen Dopingmethoden (NESP) auf die Spur kommen.
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Lothar Matthäus
Verhaltensforscher Wolfgang Hettfleisch (FR 20.11.) analysiert Motive und Gedankenwelt des gekränkten Lothar Matthäus. „Der einstige Anführer hatte seit seinem Ausschluss aus dem Rudel allein die Weiten der Savanne durchstreift, mal hier, mal dort Anschluss gesucht, aber nur vorübergehend gefunden. So war er denn prompt zur Stelle gewesen, als die kränkelnde Sippe von mordlüsternen Feinden umkreist wurde. Statt aber zu deren Verteidigung zu eilen, säte Matthäus lieber Zwist und pries die Rückkehr zur Absoluten Monarchie unter Franz Beckenbauer als Allheilmittel. Da schimmert mehr Kalkül durch, als dem jüngeren der beiden Weltmeister für gewöhnlich zugetraut wird; fällt sein Ruf nach dem kaiserlichen Retter doch just in die Zeit, da der mit Hoeneß und Rummenigge über Kreuz lag. Gelänge es, so mag sich der Franken-Machiavelli gedacht haben, die Trias zu sprengen und den darauf zwingend folgenden Machtkampf zu Beckenbauers Gunsten zu entscheiden, wäre ihm fette Beute in Form einer Führungsposition im Klub so gut wie sicher. Dort also hat sie sich wohl eingenistet, die Verbitterung: im letztlich doch gar zu grob gewirkten Netz aus der eigenen Intrigen-Manufaktur. Und weil er, wie es sich als Weltklasse-Fußballer ziemte, im Verlieren nie besonders gut war, schmeißt Matthäus dem FCB jetzt Freundschaft, Titel und Golduhr vor die Füße. Die können ihn mal. Angebote kriegt einer wie er in Hülle und Fülle. Etwa auf seiner Homepage – von „Martl“ per E-Mail: „Hey Loddar, du alte Memme. Mein Gärtner hat gekündigt.““
Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 20.11.) meint dazu. „Dem Besserwisser Breitner hat Hoeneß schon ordentlich die Meinung gesagt. Aber sie sind Kumpel geblieben. Breitner teilt aus und steckt ein. Matthäus‘ Nehmerqualitäten allerdings sind begrenzt, wie sich jetzt herausstellt. Ein Satz des Managers hat genügt, den Mann, der in 302 Bundesligaspielen das Trikot des FC Bayern überstreifte, aus der Haut fahren zu lassen: „Solange Rummenigge und ich was zu sagen haben, wird Matthäus nicht mal Greenkeeper im neuen Stadion.“ Gesagt am 10. November im DSF. Das, so findet Matthäus fünf Tage später in einem Brief an Hoeneß, müsse er sich nicht gefallen lassen. Und dann kommen alte Animositäten ans Tageslicht: „Uli war schon zu meiner aktiven Zeit nie mein Freund, hat mich weniger geschützt als zum Beispiel Scholl und Effenberg.“ Da meldet sich das Stimmchen einer unverstandenen, gekränkten, verletzten Seele, die die Scheidung provoziert und zugleich um eine Fortsetzung der Verbindung drängt: „Selbstverständlich bin ich jederzeit zu einem klärenden Gespräch bereit, um die Differenzen ein für allemal zu beseitigen.“ Erst weg mit der Verdienstnadel, die einem Ehering unter Sportsfreunden gleichkommt, und mit dem nächsten Atemzug das Buhlen um Versöhnung, „ein für allemal“. Erst denken, dann sprechen, ist „Loddar“ empfohlen worden. Der Ratschlag ist um das Schreiben zu erweitern. „Mein Herz“, hat er abschließend wissen lassen, „schlägt für den Verein FC Bayern.“ Also kein Bruch mit der Institution FCB, nur einer mit Uli Hoeneß.“
„Trainer Stevens kann bei Hertha positive Zwischenbilanz ziehen“ SZ
„Besonders revolutionär ist nichts an diesem Pilotprojekt“, schreibt Christoph Biermann (SZ 22.11.) über die Einführung des vierten Schiedsrichters SZ
Stellungnahme von Michael Preetz (Vizepräsident der Spielergewerkschaft VdV) zur Schiedsrichterdebatte (Welt)
„Günter Netzer und ein paar Investoren wollen mit der neuen Firma Infront Weltklasse werden“ (SZ)
Birgit Jennen (FTD 20.11.). „Mario Monti hat die staatlichen Hilfen für deutsche Fußballstadien im Visier. Der oberste Brüsseler Wettbewerbskommissar prüft, ob die Unterstützung für den Neu- oder Ausbau der Kicker-Arenen unter anderem in Köln, München, Leipzig, Berlin und Hannover eine mögliche staatliche Beihilfe sind. „Es gibt hier einen Klärungsbedarf“, heißt es in der Kommission. „Wir müssen zusammen mit der Bundesregierung noch einige Fragen in dieser Sache erörtern.“ Hintergrund sind die Pläne des Bundes, der Länder und der Städte, zahlreiche Fußballstadien mit Hilfe von öffentlichen Geldern neu oder auszubauen, um sie für die Weltmeisterschaft im Jahr 2006 fit zu machen. Der Bau des Müngersdorfer Stadions soll mit einer staatlichen Finanzspritze der Stadt Köln von rund 25 Mio. Euro finanziert werden. Der Bund will beim Ausbau des Stadions in Leipzig rund 50 Mio. Euro dazuschießen. Ähnliche staatliche Finanzspritzen sind für den Ausbau der Stadien in München, Hannover und Berlin geplant (…) Die EU-Regeln erlauben staatliche Hilfen für Infrastrukturprojekte nur dann, „wenn die Subventionen der gesamten Öffentlichkeit zur Verfügung stehen“. Es dürfe keine Partei diskriminiert oder bevorteilt werden. Bei den Hilfen für die deutschen Fußballstadien ist allerdings unklar, ob die zugehörigen Vereine überproportional von den staatlichen Hilfen profitieren.“
Sehr lesenswert: Peter Hartmann (NZZ 20.11.) porträtiert italienische Fußballfunktionäre. „Weshalb wird jemand Präsident? Aus Leidenschaft, Geltungssucht, Suche nach Macht? Aus krimineller Energie? Aus Nachahmungstrieb? Es gibt gemäss dem Verhaltensforscher Desmond Morris zwei italienische Archetypen von Stammesführern. Gianni Agnelli, der greise Ehrenpräsident von Juventus, Nachfahre der Renaissance-Fürsten, die sich Maler, Bildhauer, Dichter, Philosophen, Musiker hielten: Der klassische Mäzen, der Stars sammelt wie Platini und Zidane. Sein Vater Edoardo übernahm den Klub schon im Jahre 1922 ins Fiat-Portefeuille. Auf der Agnelli-Linie liegt der Inter-Präsident Massimo Moratti, der seinem Vater Angelo nacheifert, der in den sechziger Jahren mit dem Trainer Helenio Herrera grosse Erfolge feierte. Mutter Erminia drohte den Söhnen: „Wenn einer von euch Inter kauft, werde ich ihn enterben.“ In sieben Jahren warf Moratti jr. eine halbe Milliarde Euro für Spieler auf, er kaufte insgesamt 23 linke Verteidiger und Ronaldo, aber nicht den Erfolg. Der andere Leitwolf-Typ ist Silvio Berlusconi, der Abenteurer, der langfristige Allmachtsstrategien entwickelt, als Fernsehunternehmer in den Fussball einstieg und aus der so gewonnenen Popularität den nächsten Schritt entwickelte: den Einstieg in die Politik, die Eroberung Italiens.“
Die Situation in Russlands Liga – endet die Ära der Vorherrschaft Spartaks? Inwieweit beeinflussen politische Interessen das Geschehen auf dem Fußballfeld? SZ
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Die perfekte Verschmelzung von Popstar und Athlet
Themen: FC Bayern verbietet drei Fanklubs, die mit Unverständnis, Enttäuschung und Empörung reagieren – FC Bayern rettet ostdeutsche Amateurvereine; versucht es zumindest – FC Bayern hat eine neue Finanzpolitik – die problematische Rückkehr Jan Simaks nach Hannover – Aufwertung des UI-Cups – Wolfgang Rolff trainiert arbeitslose Profis – David Beckham, die „perfekte Verschmelzung von Popstar, Athlet und Menschendarsteller“ (FAZ) (mehr …)
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Toppmöller folgt auf Jara
Toppmöller folgt auf Jara – essenzielle Defizite in Frankfurts Nachwuchsarbeit (FAZ) – sehr lesenswert! Zeit-Interview mit Mehmet Scholl
Axel Kintzinger (FTD 23.10.) schildert den Trainerwechsel in Hamburg – Toppmöller folgt auf Jara: „Es ist, wie es so oft ist, wenn ein renommierter Klub in arge Turbulenzen gerät und in der Öffentlichkeit immer lauter die Trainerfrage gestellt wird. Erst verweigern die Spitzenmanager eines solchen Vereins Aussagen über den Trainer, dann stellen sie sich demonstrativ vor oder hinter ihn – und zuletzt schmeißen sie ihn in einer Nacht-und-Nebel-Aktion raus. Vorstandschef Bernd Hoffmann erklärte noch nach dem Debakel in Kaiserslautern: „Der gesamte Verein wird nun unter der Leitung des Cheftrainers auf das nächste Spiel hinarbeiten.“ Zuvor hatten Anhänger die Mannschaft während des Rückflugs aus der Ukraine stundenlang beschimpft und am Sonntag mit eine Sitzblockade versucht, die Abfahrt der Profis zu behindern. „Ich habe Verständnis für den Unmut der Fans“, sagte Hoffmann da, „und nehme das sehr ernst. Aber wir können unser Handeln nicht fremd bestimmen lassen.“ Den HSV, als 13. der Tabelle nur drei Punkte von der Abstiegszone entfernt, plagt nämlich nicht nur ein sportliches Problem. Der Klub ist hoch verschuldet und kann sich eine Trainerentlassung eigentlich gar nicht leisten. Erst vor wenigen Wochen hatte man Kurt Jara den Vertag verlängert – bis Mitte 2005. Und die Wahrscheinlichkeit, mit dem hoch gelobten Trainer in eine solch aussichtslos erscheinende Situation zu kommen, hatte die hanseatisch-kaufmännisch orientierte Vereinsführung sich wohl nicht vorstellen können.“
Sollen wir hier ein paar Seelenklempner einstellen?
Michael Eder (FAZ 23.10.) ermittelt essenzielle Mängel in der Jugendarbeit Eintracht Frankfurts: „Vierzehn Jugend- und Juniorennationalspieler hat die Fußballabteilung der Frankfurter Eintracht derzeit. Damit zählt ihre Jugendabteilung zu den herausragenden in Deutschland. Sechzehn Trainer beschäftigt der Verein allein für den Nachwuchs, drei davon sind hauptamtliche Kräfte. Doch trotz dieser eindrucksvollen Bilanz schaffen es die Frankfurter nur selten, aus ihren großen Talenten auch große Fußballspieler zu machen. Auffällig ist, daß die Eintracht immer wieder technisch hervorragende Spieler herausbringt – eine Art Frankfurter Jugendschule, die in der Tradition eines Vereins steht, der sich von Pfaff über Grabowski bis Bein immer dem schönen Fußball verpflichtet fühlte und das zumindest im Jugendbereich durchgehalten hat. Das herausragende Eintracht-Talent dieser Tage heißt Jermaine Jones, ein bulliger, spiel- und spurtstarker Stürmer, der für die nächste Saison einen Vertrag bei Bayer Leverkusen unterschrieben hat. Jones freilich hat Probleme, die ganz typisch für die Eintracht sind. Er kommt schon mal verschlafen und müde von nächtlichen Eskapaden ins Training, es fehlt ihm nicht an Talent, aber an Disziplin. Und wie seine Vorgänger bekommt er kaum Anleitung, kaum Hilfestellung vom Verein über das Sportliche hinaus. Cheftrainer Willi Reimann schickte Jones vor Wochen wortlos zu den Amateuren in die Oberliga, Gesprächen ist er prinzipiell abgeneigt. Wo Psychologie gefragt ist, liefert Reimann nur Zynismus: Sollen wir hier ein paar Seelenklempner einstellen? fragt er. Oder eine kleine Kapelle aufmachen? Womöglich wäre die erste Variante nicht die schlechteste: die Überlegung, problematischen Spielern nicht nur eine sportliche, sondern auch eine soziale oder psychologische Betreuung anzubieten. Klaus Lötzbeier, Leiter des Jugendzentrums, sieht die traditionellen Betreuer in dieser Funktion überfordert: Unsere Trainer und Betreuer sind eben keine Psychologen, sagt er. Sie sind nicht ausgebildet, um Kinder und Jugendliche in dieser Beziehung fachmännisch zu betreuen und zu führen. Dazu bräuchten wir tatsächlich einen Psychologen, der sich rund um die Uhr um die Jugendlichen kümmert, der permanent mit ihnen spricht und ihre persönlichen Probleme auslotet, aber das ginge so tief in den privaten Bereich, daß es ein Verein wie wir nicht leisten kann. Die soziale Betreuung bei der Eintracht beschränkt sich auf Einzelgespräche.“
Rainer Gansera (SZ 22.10.) war im Kino: „Wie Träume ihre Unschuld verlieren, wie sie Stück für Stück vom gnadenlosen Realitätsprinzip demontiert werden – davon erzählt Hübner sympathisch und einfühlsam, und es ist ein nüchtern-erhellender Blick, den er hinter die Kulissen des Profi-Fußballs wirft. Zu Beginn, 1998, hat die A-Jugend des BVB ihren großen Auftritt in der ausverkauften Arena des Westfalen-Stadions. Sie ist wieder einmal Deutscher Jugendfußball-Meister geworden und darf sich vor dem Bundesligaspiel feiern lassen. Aus dem Kader dieser Sieger-Mannschaft hat Hübner vier Jugendliche ausgewählt, um sie über den Zeitraum der nächsten drei Jahre in ihrem sportlichen und privaten Alltag zu beobachten und zu begleiten. Vier Karriere- und Charakter-Porträts, mosaikartig gefügt, chronologisch erzählt. Alle vier sind hoffnungsvolle Talente. Alle vier stehen vor den gleichen Fragen, stellen sich den gleichen Problemen. Haben die gleiche große Erwartung: Schaffen sie den Sprung ins Profi-Lager? Am weitesten bringt es der ruhig-besonnene, immens begabte Francis Bugri. Für kurze Zeit wird er in den Profi-Kader geholt, bis der Verein für 25 Millionen den Tschechen Tomas Rosicky einkauft, der auf Bugris Position zum Einsatz kommt. Aus der Traum. Die tragischste Figur: der impulsive Chilene Claudio Chavarria, der mit 17 zum BVB kommt, von Heimweh geplagt wird und sich mit der geforderten Spielereinstellung überhaupt nicht anfreunden kann: „In Südamerika wollen die Leute schönen Fußball sehen, nicht nur laufen und kämpfen wie in der Bundesliga.“ Der Trainer bescheinigt seinem Spiel: „Sieht elegant aus, ist aber total uneffektiv!“ Als sich Claudio einmal frustgeladen auf dem Trainingsplatz daneben benimmt, muss er seine Sachen packen.“
Besprochener Film: Die Champions, D 1998-2003 – Regie, Kamera: Christoph Hübner.
Da ist doch der Krach vom Scholl!
Sehr lesenswert! Zeit-Interview mit Mehmet Scholl
Mit 33 Jahren muss der frühere Nationalspieler Mehmet Scholl damit klar kommen, dass er beim FC Bayern nicht mehr erste Wahl ist. Aber das Älterwerden hat auch Vorteile: Er kennt jetzt seine Grenzen – und ein paar angenehme Münchner Discos
Zeit: Mehmet Scholl, Sie haben jetzt Ihre zweite CD mit Ihrer Lieblingsmusik bei einem Münchner Independent-Label herausgebracht. Angeblich hören Sie diese Stücke selber vor dem Spiel in der Kabine.
MS: Wieso angeblich?
Zeit: Weil die CD streckenweise sehr getragen wirkt, fast düster. Auf dem ersten Teil sind Grübel-Rock-Bands wie Tocotronic draufgepackt. Hört man so was wirklich vor dem Spiel?
MS: Das ist super. Ehrlich. Oder Coldplay. Es ist gut, wenn es einen etwas runterzieht. Am Spieltag bist du euphorisch genug. Du freust dich, du willst einfach nur losrennen auf den Platz. Da passt es gut, wenn du was hörst, was dir die Botschaft vermittelt: He, es gibt auch noch andere Sachen im Leben, es gibt nicht nur Fußball. Es stimmt, vieles von der Musik, die ich mag, ist eher schwer. Fast schon depressiv. Ich habe dem Oliver Kahn meine letzte CD gegeben, und da hat er später gemeint: „Willst du, dass ich mich erschieße, oder was?“
Zeit: Gibt es denn jemanden in der Mannschaft, der Ihren Musikgeschmack teilt?
MS: Ja, Roque Santa Cruz und Markus Feulner. Dem Roque bringe ich morgen die letzte Sportfreunde-Stiller-CD mit. Die anderen hören mehr so RB, Dancefloor und HipHop. Ich habe mal einen ganz subtilen Versuch gestartet und im Mannschaftsbus einen Mix eingelegt, der wirklich nur das Bekannteste enthielt, Oasis, Travis, Coldplay und so weiter. Nach dem dritten Lied haben sie von hinten gebrüllt: Mach den Scheiß aus! Da ist doch der Krach vom Scholl!
Zeit: Sie wirken nicht so, als ob Sie Ihrer Zeit als Teenie-Idol nachtrauern würden.
MS: In dieses Image wollte ich nie rein. Das habe ich damals, Anfang der Neunziger, einfach nicht überblickt. Ich habe es als Spiel gesehen, und es gab halt zwei Möglichkeiten: Entweder man blockt alles ab, wenn die Bravo auf der Matte steht – oder man spielt mit. Ich habe mitgespielt, aber das wurde dann ganz schnell gegen mich gedreht. Die Teenies haben mich vielleicht geliebt, aber die Fußballexperten hatten keinen Respekt vor mir.
Zeit: Günter Netzer hat noch nach der Pleite bei der WM 1998 gesagt, er hätte Sie nicht mitgenommen. Sie wären nur durch Dinge bekannt geworden, die nichts mit Fußball zu tun haben.
MS: Netzer und ich schätzen uns mittlerweile unglaublich, wir haben uns später ausgesprochen. Aber wahr ist, dass ich so was oft genug zu hören bekommen habe. Irgendwann habe ich mich komplett rausgenommen. Da kamen dann auch die üblichen Sachen. Die Bild hat mir eine Liebesgeschichte mit der Schauspielerin Radost Bokel angedichtet, bei der ich angeblich ganz blöd abgeblitzt wäre – obwohl ich die nicht mal gekannt habe. Dann ist meine Mutter gestorben, und selbst davor haben die im Boulevard keinen Respekt gehabt und rumgekramt. Das war der Punkt, an dem ich endgültig gesagt habe: Mit mir geht gar nichts mehr.
Zeit: Kann man als Fußballstar den Boulevardjournalisten überhaupt aus dem Weg gehen?
MS: Ich habe nichts gegen die, die machen halt ihren Job. Ich grüße die Boulevardjournalisten und mag die auch, aber ich muss nicht mehr ständig Auskunft geben, wie es mir geht oder warum wir Samstag gewinnen.
Zeit: Wären Sie trotz dieser negativen Begleiterscheinungen nicht auch gerne einer der ganz Großen im Fußball geworden?
MS: Ich war nie der Typ dazu. Wenn ich meine Karriere so anschaue, dann bin ich eher der Antiheld. Also, Held schon, weil ich überall dabei war und auch schon mal wichtige und schöne Tore schieße – aber ich bin nicht der, der im Champions-League-Finale das entscheidende Tor geschossen hat, der bei der Europameisterschaft 1996 das entscheidende Tor geschossen hat, der beim Weltpokal das Tor geschossen hat, der die Pokalsiege alleine rausgeschossen hat. Meine größte Leistung sind meine elf Jahre beim FC Bayern. Wenn du ein Blender bist, schießen die dich da schneller ab, als du gucken kannst. Mit einer Karriere als Weltstar hätte ich auch gar nicht umgehen können.
Zeit: Viele sehr gute Spieler machen ja auch noch mal einen Entwicklungssprung, wenn sie ins Ausland gehen. Warum sind Sie immer beim FC Bayern geblieben?
MS: Ich kann es mir gar nicht vorstellen, woanders zur Arbeit zu gehen. Ich kann mir auch gar nicht vorstellen, in einer anderen Stadt zu sein als in München. Es ist ein gutes Gefühl, zu wissen, dass man zu Hause ist. Ich kenne bei Bayern vom Jannis, dem Griechen, der bei uns putzt, bis hin zum Rummenigge, dem Vorstandsvorsitzenden, fast jeden persönlich.
Zeit: Das klingt sehr idyllisch – dabei gilt der FC Bayern den meisten Fans als kalt und arrogant.
MS: Ich distanziere mich von dieser Großkotzigkeit, die manchmal rüberkommt. So sehe ich mich nicht, so sehe ich den FC Bayern nicht. Wir haben mit Uli Hoeneß einen so menschlichen Manager, der so viel Herz und so viel Wärme hat, das ist unglaublich. Der ist immer für die Spieler da. Klar tritt der anders auf nach außen, da erlebt man immer nur, wie er den FC Bayern hart verteidigt. Aber wenn irgendein anderer Verein in Schwierigkeiten wäre, wenn Hertha morgen in finanziellen Schwierigkeiten stecken würde, dann wäre Uli Hoeneß der Erste, der sagt, der FC Bayern tut alles, damit ihr da rauskommt. So viel Menschlichkeit wie beim FC Bayern findet man anderswo im Profifußball nicht – glaube ich zumindest. Das ist wirklich eine große Familie. Fast alle leitenden Angestellten haben selbst lange für den Verein gespielt, für die ist das nicht irgendein Club, die hängen mit Leib und Seele dran. Der FC Bayern hat eigentlich das Zeug, ein cooler Verein zu sein, aber sie wissen nicht so recht, wie sie das rüberbringen sollen.
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Bei einer Trainingskontrolle ist Jan Ullrich auf Amphetamin positiv getestet worden
Bei einer Trainingskontrolle ist Jan Ullrich auf Amphetamin positiv getestet worden. Wie reagiert die deutsche Presse darauf?
Christoph Albrecht-Heider (FR 6.7.) schreibt zum Imageproblem Ullrichs. „Angefeuert vom Konkurrenzkampf ausschließlich auf Quote und Auflage fixierter Medien hat sich auf dem Boulevard eine allumfassende Sorglosigkeit und Respektlosigkeit gegenüber Menschen öffentlichen Interesses breit gemacht. Die Kraft, sich den Grapschern zu entziehen, haben viele nicht (…) Jan Ullrich hat es nicht geholfen, dass mit seinen O-Tönen nicht viel anzufangen war. Immer und immer wieder haben sie ihn gefragt, obwohl er nichts zu sagen hatte. Jan Ullrich ist durch eine spezifische körperliche Fähigkeit, mit Beineskraft ein Rad schnell zu machen, in eine Welt katapultiert worden, die eine andere ist, als die, in der er sich als Mensch Jan Ullrich wohl fühlt. Ständig muss er sich an Maßstäben messen lassen, gegen die er innerlich rebelliert. Einer wie Franz Beckenbauer weiß sich auf vielen Hochzeiten wohl zu verhalten und zu fühlen, einer wie Oliver Kahn ist tatsächlich aufgestiegen, einer wie Jan Ullrich fremdelt auf Dauer.“
Michael Reinsch (FAZ 8.7.) äußert Verständnis. „Im Schulungsraum des Landessportbundes Hessen in Frankfurt war der Sport plötzlich so real wie selten im Fernsehen. Da war kein Platz mehr für Verklärung und Heuchelei, die in Sonntagsreden den Sport so gerne zur pädagogischen Veranstaltung machen; die Ehrgeiz und Kraft, Ausdauer und Bewegungstalent, nicht selten aber auch Beschränktheit und Rücksichtslosigkeit in Beispielhaftigkeit für die Jugend und in Animation der Volksgesundheit umdeutet. Das Maß solch unverantwortlichen Geredes bestimmt die Fallhöhe eines Athleten. Womöglich hat paradoxerweise ausgerechnet der schlechte Ruf des Radsports diesen Jan Ullrich in seiner tiefen Krise vor einem noch tieferen Sturz bewahrt. Ein Radprofi kann eben nicht auf einen Sockel aus Moral gestellt werden. Jeder hat am Samstag gesehen, dass da jemand Hilfe braucht – und keinen Stoß.“
Thomas Kistner (SZ 8.7.) hingegen kritisiert. „Wie realitätsnah ist diese Story? Wie oft wirft man spontan in der Öffentlichkeit Tabletten aus fremder Hand ein – und wie oft passiert das einem gut gedrillten Profisportler, einem, der sich besonders in seiner Disziplin mit der Pharma-Problematik seit Jahren täglich und öffentlich herumschlägt? Bisher kennt man keine Fakten, bekannt ist nur der Vortrag von Jan Ullrich. Und der ist vor allem in einschlägiger Hinsicht stimmig: Er hilft allen Betroffenen (…) Fakt ist bisher nur folgendes: Epo oder Anabolika machen in frühen Aufbauphasen wenig Sinn, Amphetamine schon. Sie lindern die Seelenqual, dämpfen die Schmerzen – und den Appetit. Solche Fakten wiegen um so schwerer, wenn Ullrichs Betreuer den Zeitpunkt der Trainingskontrolle rügen. Sollte ein Topathlet nicht jederzeit zu testen sein?“
Claus Dieterle (FAS 8.7.) übt Milde. „Man darf bei allem Wohlwollen für den neuen Offensivgeist nicht vergessen, dass der Fall Ullrich für die öffentliche Aufarbeitung – man könnte es auch Inszenierung nennen – geradezu prädestiniert ist. Die Leidensgeschichte eines Radprofis, dessen Talent mehr Fluch als Segen ist, weil er von Kindesbeinen an fremdbestimmt worden ist, der nach einer Verletzung in tiefer Depression menschliche Verfehlungen begeht – und sie sogar zugibt. Da ist man geradezu versucht, mildernde Umstände gelten zu lassen.“
Michael Reinsch (FAZ 5.7.) beleuchtet den gesellschaftlichen Kontext. „Mit Ullrich ist ein gesellschaftliches Problem ersten Ranges ins Blickfeld geraten: Millionen Suchtkranke, die unter Druck oder von hohen Erwartungen getrieben, in Versagensangst oder aus Langeweile nach pharmazeutischem Antrieb greifen. Andere Sportverbände als die Radsportunion lassen nur bei Wettkämpfen nach diesen Substanzen suchen, nicht aber bei überraschenden Trainingskontrollen. Sie irren, wenn sie glauben, dass Aufputschmittel im Training kein Doping und Hochleistungssportler mit einem Suchtproblem nicht ihr Problem sind. Und auch der Gesetzgeber würde viel zu kurz greifen, wenn er – was Politiker der Regierungsfraktionen im Sportausschuss jüngst ankündigten – Handlungsbedarf allein im Sport sähe. Der junge Mann in Bad Wiessee zeigt: Doping- und Drogenproblematik lassen sich nicht trennen.“
Über das öffentliche Bild Ullrichs schreibt Thomas Hahn (SZ 5.7.). „Ausgerechnet Ullrich, der Star, an dem sich nach seinem Tour-Sieg 1997 ein ganzer Markt neu aufrichtete, das Fernsehen, die Industrie, die Millionen von Hobby-Radlern, die im Urlaub über entlegene Pyrenäenpässe keuchen oder am Mont Ventoux den Leiden ihrer Idole nachjagen. Dieser Held auf dünnen Reifen, der den Starkult ja tatsächlich zurückzuführen schien auf den Kampf Mann gegen Natur. Der die Moral selbst in Momenten der Schwäche nicht fallen ließ. Dieser mustergültige Deutsche, der sich mit reiner Menschenkraft auf die vordersten Ränge schob. Und der natürlich sauber war, wegen des ach so lückenlosen Antidopingsystems daheim. Das kann man nun vergessen, als Botschaft an die Jugend bleibt: Dieses Vorbild ist offenbar gar keines, sondern einer dieser gewöhnlichen Protagonisten des Kommerzsports, die nicht mehr mithalten können mit den höheren Werten des Sports.“
Über die Folgen für das Ansehen des Radsports bemerkt Ulrike Spitz (FR 5.7.). „Was in den Köpfen bleiben wird, ist der Fakt, dass da gedopt worden ist. Das aber stärkt denjenigen den Rücken, die den Radsport ohnehin für eine der am schlimmsten mit Doping verseuchten Sportarten halten, wozu er ja dummerweise tatsächlich auch immer wieder Anlass gibt. Nach Pantani, Virenque, Zülle und, und, und – immerhin reicht die Doping-Vergangenheit des Radsports bis ans Ende des 19. Jahrhunderts zurück – jetzt eben auch Ullrich. Das passt doch bestens ins Bild – genau so kommt es in der Öffentlichkeit an. Der derzeit offensichtlich völlig indisponierte Ullrich hat also nicht nur sich selbst, sondern seiner ganzen Disziplin einen Bärendienst erwiesen. Ganz egal, ob da womöglich einer versucht hat, ganz persönliche Probleme zu lösen, oder ob der Griff in die Medikamentenkiste, wenn er denn durch die B-Probe bestätigt wird, etwa doch zweckdienlich gewesen ist.“
Thomas Kistner (SZ 5.7.) räumt mit einem Vorbehalt auf. „Dem deutschen Radsport haftete bislang nicht das Etikett an, das an der Profibranche insgesamt längst klebt: sie sei mehr oder weniger flächendeckend verseucht. Diese Naivität wird kräftig geschürt. Wie beim höchsten Volksvergnügen Fußball, das erst am vergangenen Wochenende die Politiker von Kanzler Gerhard Schröder bis Kandidat Edmund Stoiber zur WM nach Fernost lockte, werden auch die wenigen anderen Sporthelden der Nation seit Jahren mit wachsender PR-Gier von den Mächtigen vereinnahmt. Das lässt sich am Fall Ullrich gut aufzeigen: Angestellt im (vormaligen) Wirtschaftswunder-Team der Deutschen Telekom, gesponsert vom seriösen Ersten Deutschen Fernsehen, bei Training und Rennen gern begleitet vom Bundesverteidigungsminister persönlich – seht her, wie stolz das Land auf diesen starken Mann ist.“
Sebastian Moll (taz 5.7.) widmet seine Aufmerksamkeit den Ambitionen von Telekom. „Die Konsequenzen fürs Team Telekom könnten jedoch weitaus gravierender sein als der Verlust ihres Stars. Der Vertrag zwischen der Godefroot GmbH und der Telekom AG läuft zum Ende des Jahres 2003 aus. Dass sich Telekom zu Beginn dieses Jahres dazu entschlossen hatte, den FC Bayern zu fördern, wurde von vielen Beobachtern bereits als Zeichen dafür gewertet, dass das Interesse am Radsport abnimmt (…) Mit der Einnahme der kleinen Schlank- und Glücklichmacher könnte Ullrich das ohnehin bevorstehende Ende des Teams beschleunigt haben. Einen besseren Vorwand zum Ausstieg kann man einem ohnehin müden Sponsor jedenfalls nicht liefern.“
Zu den Reaktionen von Ullrichs Arbeitgeber heißt es bei Andreas Burkert (SZ 5.7.). „Jan Ullrich, diese Verteidigungsstrategie haben sie bei Telekom flugs entworfen, sei fraglos Täter – aber auch ein Opfer. Opfer einer Sinnkrise.“
„Viel Talent, wenig Disziplin“, resümiert Hartmut Scherzer (Tsp 5.7.) Ullrichs Karriereverlauf. „Jan Ullrich war damals, im glorreichen Sommer 1997, 23 Jahre alt. Die Welt stand ihm offen. Fünfmal die Tour gewinnen wie Anquetil, Merckx, Hinault und Indurain? Niemand zweifelte, dass dieser begnadete Sportler mit dem ästhetischen Fahrstil dazu die Klasse und das Talent besitzt (…) Was die Schwärmer 1997 nicht ahnen konnten: Krankheit und Stürze brachten Jan Ullrich aus dem Tritt. Außerdem genießt der Radstar das Leben und denkt nicht jeden Morgen beim Aufstehen daran, dass sein Beruf ein Knochenjob ist und höchste Disziplin erfordert. Ullrich sei keine kopfgesteuerte Tretmaschine wie Lance Armstrong, sagten seine Chefs. Sie übten stets, wenn auch gequält, Nachsicht, wenn ihr bester Mann Jahr für Jahr übergewichtig aus dem Winter kam.“
Zum positiven A-Test Jan Ullrichs schreibt Anno Hecker (FAZ 4.7.). „Unabhängig von der Frage, wer nun schuld hat oder nicht, wird sich das positive Ergebnis in jedem Fall negativ auf die Vorzeigetruppe des deutschen Radsports auswirken. Eine vielleicht dreimonatige Sperre für Ullrich ist zwar schnell abgesessen, so wie im Handumdrehen der Fahrradständer bezahlt wurde, den der Porschefahrer im alkoholisierten Zustand demolierte. Aber der Imageschaden, das erschütterte Vertrauen in einen bislang noch bei keinem Dopingvergehen erwischten Sportler, lässt sich nicht mit einem Scheck reparieren.“
„Die Geschichte ist politisch“, findet Robert Ide (Tsp 4.7.). „Der ganze deutsche Sport hat ein Dopingproblem. Der Fall des Langstrecklers Dieter Baumann, der Fall des Ringer-Olympiasiegers Alexander Leipold – das waren erste Schlaglichter. Besonders im Radsport gab es immer wieder negative Meldungen (…) Die bisherige Regelung geht aber am Problem vorbei. Sportler, die Dopingmittel besitzen oder konsumieren, können dafür nicht haftbar gemacht werden. Weil der Sport autonom bleiben soll, sind Razzien in Trainingslagern untersagt. Vielleicht muss der organisierte Sport vor sich selbst geschützt werden. In Deutschland fehlt dafür der gesetzliche Rahmen. Doping ist Betrug. Betrug muss bestraft werden. Auf der Grundlage eines klaren Gesetzes.“
Walter Delle Karth (Die Welt 4.7.) kommentiert die Beteuerungsversuche aus der Branche. „Anzunehmen, in der Radbranche gehe es mittlerweile auch nur mit halbwegs rechten Dingen zu, hieße, sich mit 40 Grad Fieber gesund und im Vollbesitz seiner Kräfte zu wähnen. Natürlich bestreiten Fachkräfte weiterhin, dass leistungssteigernde Mittel zum Geschäft gehören wie Felgen und Zahnkränze. Allerdings erweist sich die Realität sprintstärker als die meisten Konkurrenten.“
Die führenden Tennisspielerinnen Jennifer Capriati und Venus Williams empfinden die von der Tour-Organisation WTA angekündigten Trainingskontrollen als Zumutung. René Hofmann (SZ 4.7.) kommentiert diese Reaktionen. „Wie bei den Radfahrern, die sich über den rüden Umgang der Polizei mokieren, statt zu erkennen, dass sie mittlerweile offenbar permanent unter Generalverdacht stehen, hat es etwas mit der Historie der Sportart zu tun. Sich mit allen verfügbaren Mitteln aufzuputschen, wurde bei den Radfahrern schnell zur Gewohnheit, als sie Profis wurden. Und Doping ist bei den Tennisspielern eben nie ein Thema gewesen. Obwohl es gegen jede Logik verstieße, wenn dieser Sport der einzig saubere sein sollte. Obwohl es immer wieder unglaubliche Comeback-Geschichten gab und ergo immer wieder Verdächtigungen.“
Gewinnspiel für Experten
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Reformstau im deutschen Fußball, Holger Fach im Interview
Sonntags-Spiele in Mönchengladbach und Wolfsburg – Dortmund ist auswärts berechenbar erfolglos – Kritik an Matthias Sammer (Handelsblatt) – Holger Fach hat rasch Fuß gefasst in der Profi-Branche, sehr lesenswertes FAS-Interview – Sladan Asanin, unterschätzter Abwehrspieler Gladbachs (SZ) – Stefan Schnoor, Wolfsburgs überdurchschnittlich wertvoller Durchschnitt-Profi (FAS) – Spiegel beklagt „Reformstau“ – taz resümiert kritisch die Hinrunde – Klaus Allofs bekommt inzwischen sehr viel Lob für seine Arbeit als Sportdirektor Werder Bremens – „Beim FC Bayern dominiert plötzlich das Menschliche, die Verletzlichkeit, die Schwäche“ (SpOn) – die unterschiedlichen Werte der Marken Bayern München und VfB Stuttgart – Klaus Toppmöller beflügelt den HSV (FR) – Martin Max, ewig jung u.a. (mehr …)
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