indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

Ballschrank

Das „Double“ ist nur ein Trostpflaster

Vor zehn oder fünfzehn Jahren wäre das „Double“ ein außerordentlicher sportlicher Erfolg gewesen. Für den FC Bayern München des Jahrgangs 2002/03 ist der Gewinn von Meisterschaft und Pokal innerhalb einer Spielzeit nur ein „Trostpflaster“ (taz) für das frühe Ausscheiden auf internationaler Bühne. „Nie ist die Champions League für den Verein so präsent gewesen wie in diesem Jahr, als sie abwesend war“, fasst die Financial Times Deutschland (FTD) die Einsichten und Empfindungen der Münchner Wortführer zusammen. Wie nach der Entscheidung im Titelrennen Ende April sprach Manager Uli Hoeneß auch nach dem 3:1 im Pokalendspiel gegen den 1. FC Kaiserslautern hauptsächlich über die Ambitionen seines Klubs in der europäischen Königsklasse und wie die diesjährigen Erfolge in Relation zur „Schande“ im vergangenen Herbst zu setzen sind. Bedenklich, welchen Wertverlust die nationalen Wettbewerbe hierzulande erfahren haben. Bedenklich auch – das führte das schnell entschiedene Finale noch einmal vor Augen –, wie dominant der deutsche Branchenführer geworden ist. Die „Riesen in einem Land der Zwerge“ (SZ) sind ihrer Konkurrenz aus Dortmund, Gelsenkirchen und Berlin derzeit weit voraus: sportlich, ökonomisch und politisch. Folglich vernachlässigen die Autoren der Tageszeitungen die Berichterstattung über das einförmige Geschehen auf dem grünen Rasen und gewinnen statt dessen ihre Erkenntnisse aus den Signalen nach dem Schlusspfiff.

So geht’s im Alles-besser-macher-Klub

Ralf Wiegand (SZ 2.6.) blickt in die Münchner Zukunft. „Seit Wochen taumeln die dem Rest der kleinen Bundesliga-Welt Entrückten von einer Festivität auf die andere, bewirtet von Sponsoren der Premium-Klasse. In der dunklen deutschen Wirschaftslandschaft steht die Bayern AG als Leuchtturm da. Eifrig sein, Visionen haben, positiv denken – so geht’s im Alles-besser-macher-Klub. Der Misserfolg vom vergangenen Herbst? Kompostiert und längst organisch abgebaut wie das Laub der Blätter aus dieser finsteren Zeit. Aber die nationale Konkurrenz inklusive des ehrfürchtigen Pokalfinalisten Kaiserslautern war nicht mehr als eine Glatze, auf der die Bayern ihre Kringel drehten. So wenig, wie man ermessen kann, wie die Saison hier zu Lande gelaufen wäre, hätten es die Bayern in der Champions League länger ausgehalten als eine jämmerliche Vorrunde, vermag man sich den Fortgang der Champions League vorzustellen, wären die Bayern noch dabei gewesen. Kann Robert Kovac van Nistelrooy in den Griff bekommen, wird Owen Hargreaves weniger Respekt vor Zidane haben, traut sich Claudio Pizarro, auch einem dieser italienischen Defensiv-Druiden den Ball durch die Beine zu spielen und in den Winkel zu lupfen wie einen Wattebausch? Und woher soll, nach einer nationalen Saison der Superlative, die Demut kommen, aus der Konzentration erwächst?“

Wie einst bei der Tafelrunde von König Artus

Matti Lieske (taz 2.6.) seziert die Machtzirkel der Fußballnation. „Die Welt des FC Bayern München ist nach dem Gewinn des DFB-Pokals zwar nicht heil, jedoch immerhin halbwegs gekittet. Vor allem aber ist sie fein säuberlich geordnet. Alle, die wirklich wichtig sind für den Meister und Cupsieger, durften beim Saisonabschluss-Bankett am lang gestreckten Tisch 1 Platz nehmen. Wie einst bei der Tafelrunde von König Artus bildete das Monstrum den Mittelpunkt, um den sich alles andere gruppierte: die Spieler, die Wirtschaftspartner und die übrigen Gäste minderer Wertigkeit. Die ganz Minderen mussten draußen im Foyer der Berliner Zentrale von Sponsor Telekom verweilen. An Tisch 1 saßen also mit Begleitung die Herren Rummenigge, Hoeneß, Müller-Wohlfahrt, Scherer, Hopfner, Hitzfeld; es saßen dort Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber und Innenminister Otto Schily, einige herausragende Geldgeber, und selbst für Franz Beckenbauer hatte sich noch ein Plätzchen am Rand gefunden. Fehlte eigentlich nur Leo Kirch, dessen Beitrag zum viel zitierten Double in dieser Saison ja nicht unerheblich gewesen war. Auch der größte Tisch bietet jedoch nur eine begrenzte Anzahl von Plätzen, weshalb es zum Beispiel Justizministerin Brigitte Zypries nicht geschafft hatte ins Bayern-Elysium. Auch Gerhard Mayer-Vorfelder, der DFB-Präsident, war nicht wichtig genug und musste an Tisch 15, weitab vom Nabel der Macht. Ein Schicksal, das er mit Leverkusens Reiner Calmund teilte. Während im Foyer sonnenbebrillt Udo Lindenberg umherschlich, erhob sich drinnen Vizepräsident Karl-Heinz Rummenigge, um den kurzen offiziellen Teil mit einer kleinen Rede zu eröffnen. Bemerkenswert vor allem, dass er Schily vor Stoiber begrüßte – für die fußballerische Vertretung eines Freistaates eine erstaunliche Konzession an den Föderalismus – und in seinen umfangreichen Danksagungen den jüngst durch vorwitzige Äußerungen in Ungnade gefallenen Klub-Präsidenten Franz Beckenbauer wegließ. Das versuchte anschließend Telekom-Vorstand Josef Brauner auszubügeln, der zudem Frau Zypries an ihrem Katzentisch entdeckt hatte. Ansonst äußerte sich Rummenigge versöhnlich und erneuerte vorsichtig seine einstige These vom besten Bayern-Kader aller Zeiten. Kein Wort mehr von Schande und Blamage, dennoch wurde auch an diesem Abend deutlich, dass Meisterschaft und Pokal den Schmerz über das internationale Debakel lediglich gedämpft hatten. Weit häufiger als der Begriff Double tauchte nämlich das Wortpaar Champions League auf – jener Wettbewerb, in dem die Bayern diese Saison so gar keine Rolle gespielt hatten, höchstens die des Klassendeppen.“

Es gibt bessere Orte, die Glückwünsche des Landesvaters entgegenzunehmen

Sven Goldmann Michael Rosentritt (Tsp 2.6.) berichten von bayerischen Feierlichkeiten. „Wenn Karl-Heinz Rummenigge eine Rede hält, ist das ein bisschen wie früher bei den Parteitagen der SED. Bevor er zur Sache kommt, wird erst einmal eine ellenlange Liste der anwesenden Würdenträger verlesen. Nur betet Rummenigge, der Vorstandsvorsitzende der Bayern München AG, nicht die Mitglieder von Politbüro, Zentralkomitee und Bezirksleitung herunter, sondern Aufsichtsratsvorsitzende, Generaldirektoren und Prokuristen. Als bekennender CSU-Wähler ist Rummenigge ohnehin aller kommunistischen Umtriebe unverdächtig. Als ersten Ehrengast begrüßt er zwar den „sehr geehrten Herrn Innenminister Schily“ vor seinem Spezi Edmund Stoiber, aber der ist dann auch schon, eine Spur wärmer, der „liebe Herr Ministerpräsident“. So viel Sympathie muss schon sein beim mitternächtlichen Bankett. Stoiber und Rummenigge sind einander an diesem Abend schon einmal begegnet. Das war viertel nach zehn im Bauch des Olympiastadions, und Stoibers Leibwächter hatten darauf bestanden, dass die Tür zur Mannschaftskabine einen Spalt breit offen blieb. Stoiber huschte in dem Augenblick in das Separee seiner siegreichen Bayern, als Karl-Heinz Rummenigge zur Dusche spazierte, ein Handtuch um die bloßen Lenden geschwungen. Stoibers Gattin wirkte ein wenig irritiert, und Rummenigge wird sich wohl gedacht haben, dass es bessere Orte gibt, die Glückwünsche des Landesvaters entgegenzunehmen (…) Es ist dies einer der wenigen Momente an diesem Pokaltag, in dem die Spieler ein wenig überfordert wurden: wie sie da mit Pur-Bandleader Hartmut Engler den Text eines Liedes singen sollten, das der Allgemeinheit wohl doch nicht so geläufig ist, wie es die Herren von Pur gerne hätten. Sebastian Deisler verdreht viel sagend die Augen, Zé Roberto lässt sich erst nach gutem Zureden von Giovane Elber zum Mitmachen überreden, und Oliver Kahn hat sich schon in eine Berliner Diskothek abgesetzt, wo er später noch Ärger bekommt mit einem Türsteher und einem aufdringlichen Fotografen. Aber so etwas erwartet man von dem Bayern-Torhüter in diesen Tagen genauso wie die arrogante Dominanz seiner Kollegen auf dem Rasen.“

Christian Frommert Jan Christian Müller (FR 2.6.) beklagen den Wertverlust nationaler Fußballwettbewerbe. “Um 19.45 Uhr konnten Käfers Köche schon mal damit beginnen, den geeisten Cappuccino mit einem Bouquet aus Früchten der Saison zu umlegen, den Rhabarber zu pochieren sowie Erdbeercrème und Vanilleeis in die Kühlkammer zu schieben . Double 2003 hieß die Komposition, die sich die rund 500 in die feudale Hauptstadtrepräsentanz der Deutschen Telekom zum Schlemmen geladenen Gäste kurz vor zwei Uhr morgens noch auf der Zunge zergehen lassen durften (…) Der FC Bayern hat den Pokal gewonnen. Ja! Na und? Zum 11. Mal! Der FC Bayern ist Deutscher Meister. Ja, ja! Na und? Zum 18. Mal! Schale und Pott, die eben nicht mehr die (Fußball-)Welt bedeuten und die schon bald kaum noch zu mehr taugen als zu Zwischenüberschriften über Menüfolgen. Der hausgemachte Eintopf in der Heimat muss da in Ermangelung internationaler Leckerbissen schon mal als Snack herhalten. Telekom-Vorstand Josef Brauner hat’s verstanden. Durch den FC Bayern haben auch wir wieder feiern gelernt, pries der Manager die Leistungen der kickenden Werbeträger, und weiß doch genau, dass das T-Team in Magenta ebenso nach internationalen Erfolgen lechzt wie das rot-weiße Bayern-Ensemble. Die Leiden der alten und neuen Monopolisten. So sehr sie sich auch mühten an diesem Abend im ehemaligen Telegrafenamt der Reichspost eine versöhnliche Botschaft zu senden, nämlich die, dass die Mannschaft doch Außergewöhnliches geleistet habe (Rummenigge) – so sehr dürstet es sie nach einer neuen Vision für die nächste Saison. Denn der FC Bayern hat sich verirrt. Gourmets im Schnellimbiss: mühelos Häppchen holen und verschlingen – Nährwert? Fast null.“

Verbannung

Katrin Weber-Klüver (FTD 2.6.) zieht eine Münchner Saisonbilanz. „Spieltag für Spieltag war deutlich, dass die Bundesliga eine einzige endlose, quälende Strafrunde für die Bayern war. Eine Saison, in der das Trauma, sieg- und chancenlos aus der Champions League geflogen zu sein, nicht abgearbeitet werden konnte. Die großen europäischen Mannschaften verglichen sich in der Champions League, Bayern bereitete sich auf Cottbus vor. Das Spektakel zwischen Madrid, Mailand, Manchester spitzte sich zu, Bayern wurde in der Wolfsburger Provinz Meister. Die Champions League erreichte ihr Finale, Bayern betrieb mühsam Spannungsaufbau vor dem Pokalendspiel. Alles nichts als Warten. Die Mannschaft hat in diesem Wartestand die Liga und auch den Appendix DFB-Pokal derart dominiert, sie hat so selten an ihre Leistungsgrenzen gehen müssen, dass sich durch Unterforderung womöglich ihr Niveau nach unten angepasst haben könnte. Sie kann es nicht wissen, sie hat seit Monaten keine Gegner mehr gehabt, um sich zu messen. Sie musste einfach nur warten, bis die Verbannung abgesessen war.“

Titel, Titel, Titel

Roland Zorn (FAZ 2.6.) porträtiert. „Der größte Sieger des Tages genoß seinen Tag wieder einmal leise: Ottmar Hitzfeld. Der badische Fußball-Lehrer des deutschen Rekordmeisters und Rekordpokalsiegers FC Bayern München ist mit 15 Titeln Deutschlands erfolgreichster Trainer und damit eigentlich unantastbar. Doch weil der 54 Jahre alte Mathematiklehrer von gestern so gut rechnen und kalkulieren kann, weiß er, wieviel selbst höchste Lobeshymnen auf Dauer wert sind. Nichts, wenn er nicht weiter in Serie produziert, was bei Hitzfeld eine Selbstverständlichkeit scheint: Titel, Titel, Titel (…) Nur international erfolgreiche und von Spiel zu Spiel geforderte Bayern können den zur Zeit flauen Binnenwettbewerb beflügeln. Schwächelt der Riese, werden die anderen, im Augenblick rezessionsgebeutelt, vielleicht wieder wagemutiger. Doch Vorsicht: Die Münchner haben den größten und besten Kader landesweit. Ihn auf Trab zu halten, versteht niemand besser als Hitzfeld, der als Meister des Tauschbefehls schon wieder das Wort Rotation die Runde machen läßt. Rotieren sollen dagegen immer die anderen, da Hitzfeld von Titeln und Siegen einfach nicht genug bekommen kann.“

Der imponierend teilnahmslose Kapitän Oliver Kahn

Ralf Wiegand (SZ 2.6.). „Die letzten Saisonbilder des FC Bayern haben nicht nur den 600 geladenen Gästen im alten Berliner Fernmeldeamt am Gendarmenmarkt eine Atmosphäre purpurfarbener Harmonie vermittelt. Mit dem schwerelos errungenen 3:1 hat sich jene Stresssituation endgültig in Wohlgefallen aufgelöst, die den Klub nach dem blamablen Europacup.-K.o. im Herbst beschäftigte wie ein bösartiges Geschwür. Samstag im Olympiastadion sah man die Profis in den edelweißen Hemden ausgelassen einen gewöhnlichen Münchner Titelgewinn feiern, wobei Giovane Elber in seiner beeindruckendsten Szene an diesem schwülen Hauptstadtabend den Manager Uli Hoeneß mit kühlem Weißbier übergoss. Hoeneß wurde später nochmals von Sammy Kuffour mit frischer Champagnerware gebraust, auch Vorstand Karl-Heinz Rummenigge sollte die Kabine in Ersatzkleidung verlassen. Allein an Ottmar Hitzfeld wagte sich kein Spaßvogel heran, der Coach hatte sich das verbeten, „ich habe die Spieler davor gewarnt“. Dass sie auf ihn gehört hatten, machte ihn ein wenig stolz. Er lächelte so befreit wie selten, als er das sagte. Nachdem alle Mann geduscht waren (wobei sich niemand am minutenlangen Kabinenaufenthalt der bayrischen First Lady Karin Stoiber störte) und der imponierend teilnahmslose Kapitän Oliver Kahn auf seiner Pritsche endlich das Stadionheft ausgelesen hatte, stand der Trainer auch beim gediegenen Empfang im Mittelpunkt der Danksagungen. Der Pokalsieg, da sind sich die Fachkräfte sicher, ist sein 16. Titel, kein deutscher Trainer hat mehr geholt als der nur seinen Prinzipien verpflichtete Mathematiklehrer aus Lörrach. Und niemand gewann zweimal das Double, wie ihm das nun gelungen ist. Im Herbst hatte Hitzfeld mit seiner Entlassung gerechnet, doch am Samstag erhoben Hoeneß wie Rummenigge den 54-Jährigen zum Gewinner der Saison.“

Katrin Weber-Klüver (FTD 2.6.). „Man kann seine Motivation daraus ziehen, ein Spiel oder einen Titel gewinnen zu wollen. Es kann aber auch ein Antrieb sein, nur nicht zu verlieren. Bei Ottmar Hitzfeld ist, folgt man seinen angelegentlichen Einlassungen zum Thema, Letzteres dominierend. „Es gibt nichts Schlimmeres, als wenn man nach einem Finale vom Platz geht und die andere Mannschaft jubelt“ , sagt der Trainer des FC Bayern München, „solche Momente will man sich ersparen“.“

Kein Platz für Sentimentalitäten welcher Art auch immer

Ralf Wiegand (SZ 2.6.) resümiert aus Perspektive der Verlierer. „Dann also war sie zu Ende, die seltsame Saison des 1.FC Kaiserslautern, und die Spieler sanken erschöpft ins dichte Grün des Olympiastadions. Hinter ihnen lag in diesem Moment, da aus den Lautsprechern die üblichen Champions-Arien für die anderen dröhnten, ein Ritt von der Hölle in den Himmel und zurück. Totgesagt, auferstanden und dann von den Bayern filetiert, als seien sie nur die Vorspeise gewesen zu deren opulentem Sieger- Menü später am Abend. Und hinter allem, was die Profis des FCK auf dem Rasen abliefern, steht auch noch René C. Jäggi mit dem Rechenschieber. Der Mann ähnelt manchmal doch sehr einem dieser seelenlosen Sanierer, die, wenn sie nicht gerade die Bilanz eines Fußballklubs reparieren würden, auch die Produktion von Fischstäbchen optimieren könnten – weniger Fisch, mehr Panade. „Betriebswirtschaftlich ist das heute gut gelaufen“, bilanzierte also FCK- Vorstand Jäggi nach der Pokalpleite, „denn wir müssen keine Prämie zahlen. “ Es war wohl als Scherz gemeint. Gelacht hat niemand. Schon zu lange schweben die Pfälzer zwischen zwei Welten, die unterschiedlicher nicht sein können. Hier die unerklärliche Macht des Fußballs, die den FCK nicht untergehen lassen wollte in dieser Saison und die ihren Trainer nach erfolgreicher Selbstentfesselung aus allen Abstiegsstricken daran glauben ließ, seine Spieler würden „sterben wollen“ für den Pokalsieg. Sie sind gestorben, aber anders als Gerets sich das vorgestellt hatte und auf seltsam lethargische Weise, herzlos, ohne einen Funken Glauben an sich selbst. Auf der anderen Seite steht die erdenschwere Finanzpolitik, die keinen Platz lässt für Sentimentalitäten welcher Art auch immer. Harry Koch: zu alt, zu teuer, keine Vertragsverlängerung. Sportlich scheint er noch wichtig zu sein, denn immerhin stand er im Endspiel in der ersten Elf, aber bilanztechnisch ist selbst für einen solchen Leib-und-Seele-Pfälzer mit einer Frisur aus der guten, alten Zeit kein Platz mehr.“

Friedhard Teuffel (FAZ 2.6.). „Bei all der Leichtigkeit, mit der die Spieler des FC Bayern München diesmal den DFB-Pokal gewannen, wäre beinahe eine Last in Vergessenheit geraten. Denn Michael Ballack schleppte bis zum Samstag noch ein schweres Stück Vergangenheit mit sich herum. Wenn die letzten Jahre über ihn und sein Fußballspiel etwas aussagen konnten, dann war es dies: daß er immer besser wird und immer weiter kommt, daß aber diese Entwicklung immer im Finale aufhört. Davon hat sich Ballack am Samstag beim DFB-Pokal-Endspiel im Berliner Olympiastadion befreit, ganz alleine mit zwei Toren und auch noch einer Torvorlage.“

(31.5.)

Den Hörster konnte ich noch nie leiden

Jan Christian Müller (FR 31.5.) recherchiert die gemeinsame Vergangenheit von Tim Wiese und Thomas Hörster. “Aufgewachsen in Dürscheid in der Nähe von Bergisch-Gladbach wurde der schon früh sehr große und kräftige Wiese bald von Bayer Leverkusen verpflichtet. Als Stürmer. Seine Mutter transportierte den Jungen zu jedem Training: 40 Kilometer hin, 40 zurück. Dann forderte das schnelle Wachstum seinen Tribut: Wegen anhaltender Probleme an den Achillessehnen hat mich der Trainer gefragt, ob ich nicht ins Tor gehen würde. Das kam mir entgegen. Ich hatte sowieso nie so viel Lust zum Laufen, habe ich auch heute nicht. Seit seinem achten Lebensjahr ist Tim Wiese also Torwart, und womöglich würde er jetzt den Kasten von Bayer Leverkusen hüten, hätte er sich nicht Ende der 90er mit dem just bei Bayer ins zweite Glied zurückversetzten Thomas Hörster angelegt. Wiese hat die Geschichte von seinem letzten Trainingstag unter Hörster der Sportbild erzählt. Hörster wollte, dass der Keeper sich ein T-Shirt unter die Jacke zieht, Wiese wollte es nicht, Hörster drohte: Dann kannst du heimgehen. Also ist der A-Jugendliche nach Hause gegangen und nie mehr zu Bayer zurückgekehrt. Seine Berater von der Agentur Rogon haben ihm geraten, solche Geschichten nicht der Presse zu erzählen, schließlich sehe man sich immer zweimal im Leben. Wiese aber bleibt standhaft: Den Hörster konnte ich noch nie leiden, warum soll ich das nicht sagen? Jetzt muss er nur hoffen, dass Thomas Hörster nicht irgendwann Bundestrainer wird. Aber das ist noch viel unwahrscheinlicher, als dass Tim Wiese beim Rasen erwischt wird.“

Portrait Tim Wiese (1. FC Kaiserslautern) BLZ

Elisabeth Schlammerl (FAZ 31.5.) beleuchtet den Imagewandel Oliver Kahns. „Es dürfte nicht mehr in seiner Macht stehen, sich dem Röntgenblick der Öffentlichkeit ganz zu entziehen. Kahn ist in jener Welt angekommen, in der es keine Privatsphäre mehr gibt. Und er hat einiges dazu beigetragen, daß er nun dazugehört zum Kreis der deutschen Skandal-Prominenz. Er steckt in einer Schublade mit Dieter Bohlen und anderen Superstars, gibt sein Manager Ludwig Karstens zu. Die Weichen dazu hat der 34 Jahre alte Welttorhüter im Sommer 2001 gestellt. Bis dahin hat er nicht zum Medienereignis getaugt, weil ein bißchen mehr dazugehört als nur glänzende Paraden. Er galt als zu brav, zu bieder, zu langweilig. Ein Mann ohne Skandalgeschichten, einer, der nur seinen Sport im Kopf hat. Aber gerade deshalb hat sich Uli Hoeneß gut vorstellen können, daß Kahn 2006 seine Nachfolge als Manager beim FC Bayern antritt. Irgendwann im Urlaub nach dem Champions-League-Sieg hat Kahn offenbar beschlossen, sein Image zu ändern. Jedenfalls behauptet er, daß es seine Idee war und nicht die eines Imageberaters. Es haben einfach nur menschliche, natürliche Entwicklungen bei mir stattgefunden. Er erschien mit Trendfrisur zum ersten Training, bald darauf mit flippigen Klamotten, und dann wurde er schon mal in Diskos gesichtet, was früher undenkbar gewesen war. Kahn, so schien es, hat nun endlich entdeckt, daß sich das Leben nicht nur auf einem 110 mal 55 Meter großen Rasenstück abspielt.“

Hart schießen

Thomas Becker (FR 31.5.) verabschiedet Michael Tarnat vom FC Bayern (und aus der Bundesliga?). „Ein Berufsleben als Notnagel: Sechs Jahre lang hat er das mitgemacht beim FC Bayern. 122 Mal trug er in der Bundesliga das Trikot der Münchner – nicht viel für einen, der 19 Länderspiele aufweisen kann. Heute, im Pokalfinale gegen Kaiserslautern, wird er vielleicht seine letzten Minuten für den FCB spielen – falls Lizarazu sich verletzt oder dann, wenn nichts mehr schief gehen kann. Ansonsten wird er da sitzen, wo er meistens saß: auf der Bank. Und er wird nicht murren, wird eher bei der Abschlussfeier wieder einer der Letzten sein. Die zwei Gesichter des Michael Tarnat: Dr. Genügsam und Mr. Party. In der Winterpause hatte Manager Uli Hoeneß dem 33-Jährigen reinen Wein eingeschenkt: Sie brauchen ihn nicht mehr. Sie holen den Rau von Wolfsburg. Der ist 21 und soll mal ein Guter werden. Im vorigen Jahr wurde das Mittelfeld runderneuert, jetzt ist die Abwehr dran: Der 21-jährige Argentinier Demichelis, noch so ein Junger, soll Linke ablösen. Für mich brach die Welt zusammen, sagt Tarnat. Er hatte auf eine Vertragsverlängerung gehofft, hat gerade ein Haus gebaut, fühlt sich noch nicht reif fürs Altenteil: Zwei, drei Jahre will ich noch spielen. Erste Liga, vielleicht England. Markus Babbel hat immer von diesem Gänsehaut-Gefühl geschwärmt. Noch hat sich niemand gemeldet, obwohl der Linksfuß ablösefrei zu haben ist. Die Eigenwerbung hält sich in Tarnatschen Grenzen: Wer mich kauft, weiß, was er an mir hat, weiß, was ich kann und was ich nicht kann. Was Tarnat kann? Hart schießen zum Beispiel.“

BLZ-Portrait Ottmar Hitzfeld

Tsp-Interviewmit Mario Basler

(30.5.)

Daniel Pontzen (Tsp 30.5.) widmet sich dem Karriereanfang Ottmar Hitzfelds. „Es hätte ja nun auch Werner Hofstetter sein können am anderen Ende der Leitung. Damals, in der unruhigen Zeit. Ottmar Hitzfeld saß in seinem Wohnzimmer und hatte Angst, jedes Mal, als das Telefon klingelte in jenem Winter. Der Präsident war unberechenbar. Einmal hatte er ihn nach einem Spiel gewürgt, dann hatte er ohne Hitzfelds Wissen drei Spieler verpflichtet. Ottmar Hitzfeld fürchtete die Launen des Mannes, der dem Schweizer Fußballklub SC Zug vorstand. Damals, vor zwei Jahrzehnten, als Hitzfeld zum ersten Mal Trainer war. „Man kann nie wissen“, sagt Hitzfeld, „wenn so ein Präsident durchdreht, dann fliegst du als junger Trainer, und alle nehmen das wahr.“ Beinahe, glaubt Hitzfeld, wäre damals seine Trainerkarriere vernichtet worden, ehe sie richtig begonnen hatte – damals, im Winter 1983/84, beim SC Zug, zweite schweizerische Liga. Zum Glück hatte Hofstetter, ein Bauunternehmer mit 18-Stunden-Tag, Wichtigeres zu tun, als Hitzfeld zu entlassen. Also blieb er Trainer. Und ab Sonnabend könnte er der erfolgreichste Trainer sein, den Deutschland je hervorgebracht hat. Wenn sein FC Bayern München das DFB-Pokalfinale gegen Kaiserslautern (19.30 Uhr/live in der ARD) gewinnt, wäre es Hitzfelds 16. Titel – einer mehr, als Udo Lattek gewonnen hat, der rotköpfige Pensionär, der mal den FC Barcelona trainierte und der ihm schon den Rücktritt nahe gelegt hatte. Im Herbst 2002 war das, der FC Bayern hatte gerade den sportlichen Totalschaden erlitten, das Aus in der ersten Runde der Champions League, und Hitzfeld war schnell als Teilschuldiger ausgemacht. Er sah damals blass aus, ausgemergelt, die Furchen hatten sich noch tiefer in sein Gesicht gegraben. Es war seine schwierigste Zeit, seit er vor knapp zwölf Jahren in Dortmund in der Bundesliga begonnen hatte. Viele glaubten, er würde an dem Druck zerbrechen. Ein halbes Jahr später sitzt Ottmar Hitzfeld, 54, in einem Speisezimmer am Münchner Vereinsgelände vor Schweinebraten und Kartoffelknödel. Aus dem Fenster kann er auf die riesigen Trainingsplätze schauen. Er hat den obersten Knopf seines Hemdes geöffnet und nippt geduldig an seinem Mineralwasser. Im Vergleich zum Herbst wirkt er, als hätte er wochenlang an einem Aufladekabel gehangen.“

Wir tragen Trainingsanzüge, er auch

Thomas Plünnecke (FTD 30.5.) porträtiert dessen Gegenüber. “Binnen kürzester Zeit avancierte er zum Liebling der Massen. Seit Karlheinz Feldkamp wurde auf dem Betzenberg kein Übungsleiter so gefeiert. Gerets genießt die Sympathie und gibt die Komplimente artig zurück. „Es ist für mich eine Ehre, in Kaiserslautern Trainer zu sein. Wir haben hier den Himmel auf Erden. Der Klub hat es nicht verdient, so weit unten zu stehen.“ Gerets und der 1. FCK – da haben sich zwei gefunden. Dabei war der Anlauf auf dem Rasen ziemlich holprig. Über die Hälfte der ersten 16 Pflichtspiele wurden vergeigt. Gerets war der Verzweiflung nahe: „Ich war es nicht gewohnt, so oft zu verlieren.“ Vorstandsboss René C. Jäggi blieb der Frust nicht verborgen: „Er hat damals an sich gezweifelt. Es hat richtig an ihm genagt.“ Jäggi erstickte die vom Aufsichtsrat angezettelte Palastrevolution und verband das eigene Schicksal mit dem des Trainers. „Da ist etwas entstanden, das erst beruflich war und jetzt privat weitergeht“, sagt Gerets. „Freundschaft.“ Mario Basler würde den Belgier am liebsten in die Wüste schicken – damit er auch bei seinem künftigen Brötchengeber in Katar unter ihm die Stollenschuhe schnüren kann. „Wir sind Brüder im Geiste“, witzelt Basler und ergänzt: „Gerets gibt allen das Gefühl, dass er mit der Mannschaft auf einer Stufe steht. Er ist einer von uns. Wir tragen Trainingsanzüge, er auch.“ Der Fußballlehrer ist kein Zampano. „Ich habe sehr gerne ein gutes Verhältnis zu meinen Spielern“, sagt er. „Ich liebe es, wenn sie sich wohl fühlen und viel lachen.“ Den Schlüssel dazu sieht er im Dialog.“

Gewaltige Kulisse für Machtdemonstrationen des Nationalsozialismus

Stefanie Kneer (FR 30.5.) berichtet den Stand der Umbauarbeiten im Berliner Olympiastadion. „Sport, Sport, Sport – dafür wurde das Olympiastadion gebaut! Während dieser Satz ertönt, flimmern bunte Bilder über die Leinwand im Haus des Deutschen Sports. Hertha BSC gewinnt ständig gegen Anorthosis Famagusta; Paul Breitner trifft fortwährend im Weltmeisterschaftsspiel gegen Chile; und Jesse Owens holt laufend vier Goldmedaillen. Die Ausstellung zur Modernisierung des Berliner Olympiastadions zeigt die große Vergangenheit; die Zukunft lauert in Form von Computeranimationen gleich nebenan; und die Gegenwart ist nur zehn Minuten zu Fuß entfernt. Die Baustelle Olympiastadion, am Samstag Spielort für das DFB-Pokal-Finale, verbindet Gestern mit Morgen. Würden nicht sieben Kräne wie eiserne Antennen in den Berliner Himmel ragen, würde draußen keiner merken, dass im Olympiastadion etwas vor sich geht. Denn von außen präsentiert sich die Arena immer noch als monumentales Bauwerk wie 1936, als sich 3956 Athleten zu den elften Olympischen Sommerspielen in Berlin versammelten. Dafür war das Stadion damals in 27 Monaten auf dem Gelände des Reichssportfeldes erbaut worden, als gewaltige Kulisse für Machtdemonstrationen des Nationalsozialismus. Noch heute wirkt das Stadion erdrückend, einschüchternd.“

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Nationaltrainer Albaniens

Oliver Trust (FR 26.3.) besuchte den Nationaltrainer Albaniens. “Briegel und sein Assistent, Ex-Lautern-Profi Axel Roos, sollen ein Team mit Perspektive aufbauen. Aufbau der Nationalmannschaft und Sichtung von Talenten. Die Leute erwarten nicht die EM-Qualifikation für 2004, aber sie sprechen über die WM 2006, sagt Briegel, dessen Vertrag bis Oktober 2003 läuft. Per einseitiger Option kann er ihn bis 2006 verlängern. Gegen die Schweiz reichte es in der EM-Qualifikation zum bislang einzigen Punkt. Heilsbringer Briegel tingelt durchs Land, meist über holprige Straßen. In der Hauptstadt Tirana ist der Verkehr eine Herausforderung. Ampeln gibt es kaum. Die Leute springen zwischen neuen Hotels, den Läden mit italienischem Marmor und teuren Elektrogeräten und dem bröckelnden Enver-Hodscha-Barock der Diktatur über die Straße. Deutsche Fußballhelden haben hier Renommee. Die kennen alle Namen, jedes Ergebnis, sagt Briegel. Der Bayern-München-Fanklub in Tirana hat ihn eingeladen. Dort taugt auch ein Pfälzer als Botschafter des bayrischen Fußballs.“

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Spitzenspiel der Zweiten Liga

Vor dem heutigen Spitzenspiel der Zweiten Liga sprach Ingo Durstewitz (FR 5.5.) mit Jürgen Klopp, dem Trainer des FSV Mainz. “Irgendwie ist Jürgen Klopp ja eine Mischung aus Normalo und Paradiesvogel. Der Normalo Klopp trägt ein schwarzes T-Shirt und Jeansjacke, blättert in der Bild-Zeitung, schmunzelt über Effe, bodenständig, offen, locker, frei von Allüren, er duzt und wird geduzt. Der Paradiesvogel Klopp ist ein Paradiesvogel, weil er die Kraft der Worte entdeckt hat, weil er sich geschliffen ausdrückt, mit der Sprache spielt, Worte verhüllt; weil er Plattitüden hasst wie der Teufel geweihtes Wasser, weil er redet, aber nicht labert – und in der Welt der Phrasendrescher damit heraussticht wie ein Papagei inmitten einer Schar Amseln. Vor dem heutigen Fußballspiel zwischen dem von ihm trainierten FSV Mainz 05 und Eintracht Frankfurt hat Klopp, der Paradiesvogel, geredet wie ein Wasserfall, Sätze im Stakkato rausgehämmert, bis ihm nichts mehr eingefallen ist, dann hat der andere Klopp, der Normalo, den Jargon der Straße bemüht: Dieses Spiel ist geil. So richtig geil. Es sind Duelle wie diese, die Klopp, um in seiner Diktion zu bleiben, geil machen, die den etwas anderen Trainer packen und schütteln, die ihn antreiben. Mainz und Frankfurt, Kopf an Kopf, nur durch ein Tor getrennt, ein Spiel um fast alles oder fast nichts. Der seit Monaten ausverkaufte Bruchweg pickepacke voll, ein Gegner aus einer nicht mal 50 Kilometer entfernten Stadt, mit einem – zumindest in der zweiten Liga – Namen wie Donnerhall, das mediale Interesse riesig, das Fernsehen überträgt live. Klopps Augen funkeln hinter der Brille, die Vorfreude springt die Zuhörer an (…) Die Harmonie am Bruchweg ist aber ausgerechnet vor dem wegweisenden Spiel gegen die Eintracht ein bisschen gestört, denn Bayer Leverkusen ist an einer Verpflichtung Klopps interessiert. Der Begehrte tut die Geschichte als Gerücht ab. Das ehrt mich, das finde ich klasse, aber Kontakt bestünde nicht. So oder so: Calmund und Klopp – das hätte was.“

Rausschmiss nach Kabinendisput in Reutlingen. Eine „einzigartige“ Trainerentlassung, wie die SZ findet

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Arsenal London — Manchester United 2:2

Erste Reaktionen der englischen Presse

Unentschieden endete gestern Nacht der Klassiker. Das Aufeinandertreffen der beiden Giganten der Premier League Arsenal und ManU schlug bereits im Vorfeld hohe Wellen, da sich beide Teams in psychologischer Kriegsführung übten und die Inselpresse die Attacken dankbar verwertete. Matt Dickinson, Chief Football Correspondent der Times beschrieb die Situation im Vorfeld: „Die Zuschauer werden ein Match sehen, das weder eine Weltmeisterschaft, noch eine Europameisterschaft noch einen nationalen Titel entscheidet, aber welches dennoch nicht weniger wichtig erscheint. Es ist genug Zündstoff vorhanden, um einem Duell zweier Klubs, zweier Teams und insbesondere zweier Manager die nötige Würze zu verpassen, die sich in einen heroischen Kampf verwickeln, der mit den Jahren gar an Intensität zu gewinnen scheint.“

Tatsächlich lieferten beide Teams ein ansehnliches Match ab, mit vielen Höhepunkten und bei einem Endergebnis von 2:2 auch mit vielen Toren. Jim White (Guardian) fing die Stimmung in Highbury vor dem Match ein: „Vor Anpfiff zeigte die Videoleinwand für einige Minuten die Highlights der letzten Spiele: als Wiltord durch seinen Treffer in Old Trafford den Titel im Mai der letzten Saison sicherte, Barthez’ peinlicher Auftritt in Highbury in der letzten Saison oder von dem Banner, das Arsenal-Fans in Old Trafford entrollten, auf dem zu lesen war: „AFC: Old Trafford, Champions Section.“

Glenn Moore (Independent) beschreibt die mutige Aufstellung Fergusons: „United erreichte einen Punkt ohne David Beckham. Indem er ihn und Gary Neville auf der Bank ließ, blieb er seinem Motto treu, dass niemand größer als das Team ist.“

Matt Dickinson (Times) widmet sich dem verletzungsbedingten Ausscheiden Vieiras und der zweifelhaften roten Karte Sol Campbells: „Wenn Wenger zwei Spieler aussuchen dürfte, auf die er für den Rest der Saison auf keinen Fall verzichten solle, würde der Trainer Arsenals Patrick Vieira und Sol Campbell wählen, aber beide könnten ihm nun in den wichtigen anstehenden Spielen fehlen. Vieiras Knie braucht Ruhe doch Campbells drohende Sperre auf Grund der roten Karte letzte Nacht brachte Wenger in besondere Wallung.“ Der Linienrichter hatte dabei dem Schiedsrichter Mark Halsey angezeigt, Campbell hätte Solskjaer absichtlich den Ellenbogen ins Gesicht geschlagen, obwohl das ganze Stadion sehen konnte, das es sich um einen Zweikampf mit unglücklichem Ende für Solskjaer handelte.

Ein besonderes Lob stellt der Guardian auch den Fans der Gunners aus: „Jede Mutmaßung, dass der dauernde Erfolg den Enthusiasmus abschwächt, wurde von diesem Spiel zerstreut. Es schien, als wollten die Arsenalfans den geplanten Stadionumzug ins Ashburton Grove herbeiführen, indem sie durch ihre Gesänge Highbury zerstörten. Die erste Hälfte wurde von einem riesigen Chorus begleitet: jedes Mal, als Roy Keane eine Sense ansetzte, versuchten die Arsenal-Supporters mit ihrer Entrüstung das Dach einzureißen. Das passende Schlusswort findet ebenso der Guardian : „Jeder, der dachte, die Meisterschaft werde nach dem gestrigen Spiel entscheiden, hat wohl zu viel auf die Videotafel vor dem Spiel geschaut.“

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Al-Saadi Ghadhafi, „die gedopte Schnecke“ (NZZ) – Collinas Autobiografie u.a.

Peter Hartmann (NZZ 7.11.) bemerkt, dass Doping-Sünder Al-Saadi Ghadhafi, neureicher Sohn des lybischen Diktators im Trikot des AC Perugia, viel von seinen Lehrern gelernt hat: „Aus einer amüsanten Episode orientalischer Fussballfolklore wurde plötzlich eine kleine Staatsaffäre: Al-Saadi Ghadhafi, der 30-jährige Sohn des libyschen Revolutionsführers Muammar Ghadhafi, der seit August in Perugia das Leben eines Berufsspielers ausprobiert, war mit hoher Wahrscheinlichkeit gedopt. In seiner Urinprobe fanden sich Spuren von Norandrosteron, einem Metaboliten der Modedroge Nandrolon. Mit dieser Entdeckung endet der Fussballtraum des ehrgeizigen Diktatorensohnes, noch ehe er begann: Ghadhafi hat mit Perugia keinen einzigen Meisterschaftsmatch gespielt. Nach dem medialen Paukenschlag der Enttarnung begann sogleich die Ursachenforschung: Wie gelangte der unerlaubte anabole Kraftstoff in den hageren Körper des feudalen Gastarbeiters? Ghadhafi selber, ein studierter Ingenieur, stellte die Kernfrage: „Nandrolon, was ist das?“ Perugia-Präsident Luciano Gaucci vermutete ein Schmerzmittel gegen die Rückenbeschwerden, die Ghadhafi in München behandeln liess. Nach einigen Stunden verstieg sich Alessandro Gaucci, der Sohn des Besitzers, zur Verschwörungstheorie: „Mit einer Persönlichkeit diesen Ranges ist alles denkbar, auch ein Komplott der italienischen Regierung, um Libyen in der Frage der Bootsflüchtlinge unter Druck zu setzen.“ Eine Anspielung auf die illegalen Einwanderer aus Afrika, die vom libyschen Ufer auf die italienische Insel Pantelleria verschifft werden. Vor drei Jahren wurde das Nandrolon in Perugia noch auf dem Teller serviert. Als die Spieler Bucchi und Monaco als Erste einer langen Reihe von Nandrolon-Sündern des Calcio ertappt wurden, musste ein verseuchter Wildschweinbraten als Ausrede herhalten (…) Die hohen Werte in Ghadhafis Sample (2 Nanogramm pro Milliliter) sprechen gegen eine zufällige Einnahme des Mittels. Der italienische Trainer Francesco Scoglio, der ihn als libyscher Nationaltrainer kennen lernte (und nur ein einziges Mal in der Aufstellung berücksichtigte, was seinen Rausschmiss zur Folge hatte): „Er hat ein paar Nummern auf Lager. Er hat eine hervorragende Vista, seine individuelle Technik ist gut. Aber seine evidente Schwäche ist seine Langsamkeit.“ Im Klartext: Ghadhafi ist eine Schnecke. Gegen eine Gage von 5 Millionen Dollar liess er sich von Diego Maradona Privatlektionen erteilen, und in diesem Sommer holte er Ben Johnson, den Doping-stigmatisierten Sprinter, als persönlichen Fitnessguru nach Perugia. Der junge Ghadhafi residierte in Perugia mit einem Hofstaat aus Leibwächtern, Dienstpersonal und Freunden im Fünfsternehotel Brufani, der signalgelbe Lamborghini und der gepanzerte Mercedes fahrbereit vor dem Eingang, der Helikopter auf dem Flughafen Sant‘Egidio stets startklar für einen Hupfer zum Einkaufen nach Rom.“

Andreas Rüttenauer (taz 8.11.) hat Pierluigi Collinas Autobiografie gelesen: „Eigentlich gibt es keinen Grund, ein Buch zu kaufen, in dem sich ein eitler Mann pausenlos selbst beweihräuchert. Autobiografische Texte sind selten Zeugnisse von großen Selbstzweifeln und Ansammlungen von Eingeständnissen eigener Fehler. Aber es sind doch genau die Fehler auf dem Spielfeld, die den Schiedsrichter zu dem machen, was er für viele Fans ist: eine Figur, auf die Hass projiziert wird. Es gibt zwar ein Kapitel, in dem Collina zugibt, dass auch er nicht frei von Fehlern ist: Nobody is perfect …. Doch es geht darin nicht um die klassische Fehlentscheidung, einen nicht gegebenen Elfmeter, einen unangebrachten Abseitspfiff. Es geht vielmehr – wie kann es bei einem so besonderen Menschen, wie Collina einer sein möchte, anders sein – um eine ganz besondere Situation, in der ich mich heute anders verhalten würde. Es geht um ein Transparent, das er aus einem Stadion entfernen ließ, ein Transparent, das eine verletzende Meinungsäußerung dem Präsidenten des italienischen Schiedsrichterverbandes gegenüber zeigte. Durch das Entfernen des Stofffetzens habe er der Beleidigung eine Bedeutung zukommen lassen, die sie eigentlich nicht gehabt habe. Was für ein Fehler!“

Besprochenes Buch: Pierluigi Collina: Meine Regeln des Spiels. Hoffmann und Campe, Hamburg 2003, 17,90 Euro.

Die Eichler-Papiere. Christian Eichler (FAZ 8.11.) hat im Archiv gestöbert – oder in seiner Panini-Sammlung: „Früher hieß es: keine Späße mit Namen. Aber Spaß kann man in diesen Zeiten nie genug haben. Und es scheint, daß ein kleiner, aber nicht zu kleiner Teil sportlicher Unterhaltsamkeit auch mit Namen zu tun hat – eine, wie man sie in Politik, Wirtschaft oder Kultur lange suchen kann. Läßt sich etwa ein schönerer Name für einen Wintersportler ausdenken als der des britischen Bobfahrers Colin Snowball? Ein besserer für einen flotten Außen als der des früheren Ajax-Kickers Fritz Vlinkefleugel? Für einen Torwart als der des Belgiers Gert de Vlieger? Für einen Schiedsrichter als der jenes Schotten, der 1954 das torreichste Spiel der WM-Geschichte pfiff, Schweiz gegen Österreich 7:5: C. E. Faultless? Fehlerlos, das klang wesentlich vorteilhafter als bei jenem Vorgänger, der das englische Pokalfinale 1888 geleitet hatte: ein Herr namens Bastard. Der Fußballklub Lincoln City führte in der Saison 1958/59 den Verteidiger Ray Long und den Stürmer Joe Short im Kader. Ein Zufall? Long maß 1,91 Meter, Short 1,57. Es ist zu bewundern, wie Menschen mit solchen Namensvorgaben trotz der Hänseleien, die ihnen von klein auf gewiß waren, ihren Weg gemacht haben. Das gilt noch mehr für Sportler wie Urska Slapsak, eine slowenische Delphinschwimmerin bei der WM 2001. Oder für den wohl schwierigsten Namen der Sportgeschichte, Bob Ctvrtlik. Gegenüber solchen Konsonantenkaskaden hatten es Sportler wie Alfred Au (Fußball) oder Kimberley Po (Tennis) gewiß leichter. Solche Namen spricht und behält man auf Anhieb. Das gilt auch für so kraftvolle Namen wie die der früheren Bundesliga-Kicker Derbfuß und Kunstwadl; oder für solch klangvolle Silbenmusik wie die der Kollegen Olaidotter und Störzenhofecker.“

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Schon steht die Viererkette ziemlich blöd da

Heute: Thomas Häßlers Abschied – die Ursachen für den sportlichen Aufschwung Herthas – die Rivalität zwischen Bochum und Bielefeld – die wirtschaftliche Lage in Cottbus u.a.

Schon steht die Viererkette ziemlich blöd da

Thomas Becker (taz 10.5.) bedauert das Karriereende Thomas Häßlers. „Er schaut einfach nicht hin. Dabei redet der Trainer ausdauernd und sehr vernehmlich mit seinem Team. Es geht um die Viererkette und wie man sie aushebelt. Um kreatives Spiel halt. Thomas Häßler hört nicht zu. Doch dann ist er dran, bekommt – natürlich – den Ball: Körpertäuschung, Pass gegen die Laufrichtung, und schon steht die Viererkette ziemlich blöd da. Falko Götz raunzt: Hey, machts ihm doch nicht so einfach, Mann! Es wird Herbst in Icke Häßlers Karriere. Der Mann, der als Zehnjähriger bei Meteor 06 Berlin anfing, sieht sich derzeit von einem ebensolchen Himmelskörper bedroht. Haarscharf schlugen bereits mittelgroße Brocken rechts und links von ihm ein, und dass ihn der große, finale Stein über kurz oder lang treffen wird, weiß er so genau, wie wir sein Gesicht, seine Beine, seine Haken kennen. Bloß: Er will das nahende Ende nicht wahrhaben. Thomas Häßler wird hierzulande nicht mehr oft um Punkte spielen, dreimal vielleicht noch, dann wären es genau 400 Bundesligaspiele. Wenn denn alle relevanten Sechziger schön brav verletzt bleiben. Wenn der Trainer nicht doch noch einen laufstärkeren, irgendwie jüngeren Vertragsamateur auftreibt. Und wenn es der Präsident schafft, seine wunderlichen Gedankengänge ausnahmsweise mal für sich zu behalten (…) Es ist ein Jammer. Leider hat diese Art, mit verdienten Vereinsangestellten umzugehen, traurige Tradition bei den als so bodenständig-volksnah geltenden Löwen. Die Liste der Verprellten ist lang und prominent besetzt: Manni Schwabl, Mannschaftskapitän, suspendiert, nachdem er eine Abschlussfeier schwänzte. Bernhard Winkler, Held mehrerer Aufstiege, ins Nirwana geschickt wie ein unbekannter Probetraining-Absolvent. Olaf Bodden, einst gefeierter Torjäger, nach komplizierter Krankheit schlichtweg ignoriert. Die Wut bricht sich Bahn: Was soll man erwarten von einem, der kein Gehirn hat?, fragt Bodden eher rhetorisch in die Richtung des Präsidenten-Wirtes. Nun also Häßler. Und Martin Max. Und Davor Suker. Und Simon Jentzsch. Und wer weiß, wen es noch alles trifft. Karl-Heinz Wildmoser hat mal wieder Stillosigkeit bewiesen; die Leidtragenden sind der wohl populärste Sechziger seit Rudi Brunnenmeier und Petar Radenkovic – und natürlich wir Fans.“

Warum ist Hertha plötzlich wieder gut?

Javier Cáceres (SZ 10.5.) erkennt einen Strategiewechsel bei Trainer Stevens. „Manchmal wirkt es, als habe sich ein Idyll entwickelt. Wenn Huub Stevens, seit annähernd einem Jahr Trainer bei Hertha BSC, zum Beispiel in Arbeitskleidung vor ein paar Journalisten im Medienraum sitzt – kurze Hose, Badelatschen, T-Shirt – und lacht, sogar lauthals lacht, über kumpelhaft dahergebrachte Anekdoten. Der gleiche Stevens, der noch zu seiner Schalker Zeit Fragen als Ruhestörung zu empfinden schien, bestenfalls Phrasen herauspresste, gerne auch vorwurfsvoll. Ganz so, wie er es immer noch tut, wenn er noch angefüllt ist von 90 Minuten Fußball und eigentlich unansprechbar ist. Der Stevens, Version 2003 also sitzt da, lehnt sich zurück und sagt: „Es tut mir auch leid, dass ich immer dasselbe sagen muss.“ Und erfreut sich sogar daran, wie großartig es sei, dass Medien spekulieren, dass Namen von Kickern durch die Blätter rauschen, an denen Hertha angeblich oder ernsthaft interessiert ist. Es sei ja ein Zeichen dafür, dass sich „etwas tut“, dass der Fußball „lebt“. Ausgerechnet Stevens. Der „Knurrer aus Kerkrade“. Seit Monaten bietet Stevens tägliche Begegnungen mit den Hauptstadtmedien an. Und er hat, wie Herthas Pressestab versichert, höchstselbst darum nachgesucht, die Unterrichtung der Berichterstatter in einer Form zu institutionalisieren, wie man sie nicht einmal vom FC Bayern kennt, den Hertha am Samstag empfängt. Es war Stevens’ ureigenster Wunsch, heißt es; er habe auf Berlin zugehen, sich den Gegebenheiten der Kapitale anpassen und etwas geben wollen – durchaus auch von sich. Der Nebeneffekt ist, dass Stevens in den Gazetten kaum stattfindet, jedenfalls nicht in den schlagzeilenträchtigen Zusammenhängen. Stevens hat sich ein ruhiges Umfeld regelrecht erplaudert – und dadurch die Diskurshoheit gewonnen. Was allein schon wegen der anspruchsvollen Ungeduld der Hertha- Anhänger wie eine kleine Sensation anmutet. Aber eben auch wegen der bislang gezeigten Leistungen, die wahrlich nicht immer nach dem Geschmack von Fußballgourmets waren.“

„ So offen, wie er im Moment über die Personalpolitik spricht, hat Hoeneß es noch nie getan, und neu ist auch die Offenheit, mit der er Fehler einräumt.“ Friedhard Teuffel (FAZ 10.5.) stellt eine Veränderung in der Außendarstellung des Managers von Hertha Berlin fest. „Hoeneß kann erklären, warum es bei Hertha jetzt so gut läuft. Stevens dagegen fällt dazu nicht viel ein, außer, daß zwischendurch so viele Spieler verletzt gewesen seien. Hoeneß spricht von Störfaktoren, die das Spiel der Hertha belastet hätten. Auslaufende Verträge, mangelnde Integration der brasilianischen Spieler, fehlende Erfahrung der jungen Spieler, das meint er damit. Aber wir haben den Themen ins Auge geschaut und sie in den Griff bekommen. Werder Bremen hat das nicht geschafft, sagt Hoeneß. Anstatt sich, zum Beispiel, mit Stefan Beinlich auf lange Verhandlungen einzulassen, ließ Hoeneß den ehemaligen Nationalspieler zum Hamburger SV ziehen. Nichts dagegen hätte er auch, wenn Alex Alves den Verein verlassen würde. Vom Brasilianer ist der Manager enttäuscht, weil er sich nicht richtig eingebracht hat in den Verein, spielerisch nicht und persönlich schon gar nicht. Drei Anfragen von anderen Vereinen für Alves gebe es schon, zwei aus Brasilien und eine von einem anderen Klub, aber die ist noch loser als die anderen. Immerhin hat Alves die Berliner klüger gemacht. Sie wollen in Zukunft mehr Wert auf die deutsche Sprache legen, auf Integration, aber vor allem schon vor der Verpflichtung mehr auf den Charakter des Spielers achten. Daß Hoeneß sich von Alves trennen will, ist auch das Eingeständnis eines großen Fehlers. Zuvor hatte Hoeneß seine Verpflichtung immer wieder verteidigt. Auf fadenscheinige Verteidigungsreden will der Sportliche Leiter der Berliner nun offenbar nicht mehr angewiesen sein. Auf Alves sowieso nicht. Fredi Bobic würde Hoeneß gerne verpflichten, Oliver Neuville und Gerald Asamoah, Artur Wichniarek hat er schon aus Bielefeld geholt. Mit ihnen möchte er die offensive Schwäche seiner Mannschaft beseitigen. Doch erst einmal ist die Champions League das Ziel, wenn auch nicht das offizielle: Wir können den dritten Platz nicht aus eigener Kraft erreichen. Deshalb wäre es auch keine Motivation, die Champions League zum Ziel zu machen. Offenheit, wenn Offenheit sinnvoll ist, Logik, wenn Logik nötig ist, und größtmögliche Souveränität – das ist Hoeneß‘ aktuelles Führungskonzept.“

Interview mit Michael Preetz und Eyjölfur Sverrisson, die beide demnächst ihre Karriere bei Hertha Berlin beenden werden BLZ

Als ob die Zuschauer mit dem Traktor kommen würden

Christoph Biermann (SZ 10.5.) erläutert die Rivalität zwischen Bochum und Bielefeld. „Jenseits von Bochum und Bielefeld dürfte kaum jemand wissen, dass sich die beiden westfälischen Klubs mit einer Abneigung gegenüber stehen, die man durchaus komplett nennen darf. Die Spieler mögen einander nicht, die Fans nicht und selbst die Vereinsvorstände pflegen eine herzliche gegenseitige Abneigung. Wenn beide Mannschaften am Sonntag aufeinander treffen, wird der unbekannte fußball-ethnische Konflikt zwischen Ruhr- und Ostwestfalen auf der Alm wieder sehr lautstark ausgetragen werden, das Stadion ist schon jetzt fast ausverkauft. Nun hat jede Seite ihre Theorie, warum sich die Dinge so hochgeschaukelt haben. Lag es am Tritt von Silvio Meissner, der 1995 die Kniescheibe von Bochums Delron Buckley brechen ließ? Lag es am Stinkefinger, den Dariusz Wosz im Jahr darauf dem Bielefelder Publikum zeigte? „Der richtete sich gar nicht gegen die Zuschauer, sondern gegen Uli Stein“, sagt Wosz, „der hätte mir fast den Kopf abgetreten.“ Na, jedenfalls begrüßten die Zuschauer beim nächsten Spiel auf der Alm den gebürtigen Polen mit „Autodieb“- Sprechchören. Im letzten Jahr richteten die Bochumer Fans im Ruhrstadion per Transparent die Aufforderung an ihre ostwestfälischen Gäste: „Kniet nieder vor König Dariusz!“ Beim Rückspiel forderte ein Sponsor der Arminia per Anzeige im Stadionheft: „Wosz go!“ So geht es, von der Welt unbemerkt, hoch her im westfälischen Unfrieden zwischen Bielefeld und Bochum. Der Ton in den Kurven ist rau, die „Ruhrpottkanaken“ aus dem Revier revanchieren sich mit dem Chor „Kühe, Schweine, Bielefeld“, als ob dort die Zuschauer mit dem Traktor kommen würden. Neben der relativen räumlichen Nähe – zwischen beiden Städten liegen nur gut hundert Kilometer – sorgt vor allem die Ähnlichkeit der beiden Klubs für ein stimmungsvolles Verhältnis. „Wir sind halt beide klein, haben es schwer, uns gegen die Großen durchzusetzen und sind einander adäquate Sparringspartner“, meint Bielefelds Präsident Hans-Hermann Schwick. Eigentlich würden die Fans beider Vereine lieber Schalke und Dortmund als Rivalen sehen, wissen aber, dass es angesichts ungleicher Voraussetzungen so ist, als würde ein Hund den Mond anbellen. Zwischen Bochum und Bielefeld knurrt man sich wenigstens auf Augenhöhe an.“

Christian Ewers (FAZ 10.5.) sorgt sich mit den Verantwortlichen um die wirtschaftliche Zukuft von Energie Cottbus. „Die Budgetkürzung fällt beim FC Energie deshalb so kraß aus, weil sich der Verein hauptsächlich von Fernsehgeldern ernährt. Zeitweise betrug der Anteil der TV-Einnahmen 51 Prozent am Gesamtetat. Statt bislang zehn Millionen Euro wird Cottbus in der zweiten Liga nur noch 4,5 Millionen Euro kassieren. In den Vertragsverhandlungen bieten wir jetzt wesentlich kleinere Summen, sagt Manager Stabach. Spieler, die bei uns bleiben wollen, müssen Gehaltseinbußen von bis zu 65 Prozent hinnehmen. Während der Profikader verschlankt werden soll, müssen die 13 festangestellten Mitarbeiter auf der Geschäftsstelle nicht um ihren Job fürchten. Wir sind sowieso schon chronisch unterbesetzt, sagt Energie-Sprecher Ronny Gersch. Hier gibt es kein Kürzungspotential. Es ist jedoch wahrscheinlich, daß zumindest die Ticketverkäufer künftig weniger zu tun haben werden. Denn die Zuschauerzahlen des FC Energie waren schon in der ersten Liga enttäuschend. Durchschnittlich kamen nur 13.000 Fans pro Spiel ins Stadion der Freundschaft; nun muß mit einem weiteren Rückgang gerechnet werden. Dieter Zeumke, der Cottbuser Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes, befürchtet sogar einen deutlichen Einbruch der Besucherzahlen. Zeumke hat die sportliche Krise des Fußball-Klubs schon am eigenen Leib zu spüren bekommen. Mit seinem Sohn Ralf führt er einen Landgasthof in Drachhausen, einem kleinen Dorf vor Cottbus. Die Zahl der durchreisenden Fans hat stark abgenommen, seit Energie unten drin steht, sagt Zeumke. Immer weniger Leute trinken bei mir ihr Frustbier. Der Zapfhahn des Landgasthofes Zum Drachen stellt zwar einen recht plastischen Indikator für die wirtschaftlichen Folgen des Abstiegs dar, doch verläßliche Prognosen dazu sind in Cottbus nicht zu bekommen.“

Portrait Mikael Forssell (Borussia Mönchengladbach) FR

Michael Reinsch (FAZ 10.5.). „Tritt der Sport die Botanik mit Füßen? In Berlin bat eine Lokalpolitikerin händeringend um ein Einsehen. Die wilden Fußballspieler sollten den Rasen vor dem Reichstagsgebäude in Ruhe lassen, denn er sei schließlich ein Lebewesen. Vielleicht sollte die gutherzige Frau das ihr unterstellte Gartenamt anweisen, das Wesen regelmäßig zu wässern, um sein vergilbendes schwindendes Leben zu retten (…) Verfolgen nicht Trainer und Gärtner dasselbe Ziel? To train heißt erziehen: insbesondere Obst mit fester Bindung und scharfem Schnitt in Formen zu fächern und zu Spalieren zu zwingen. Selbstverständlich verlangt Umtriebigkeit im Garten wie auf dem Sportplatz Gegenmaßnahmen: Nur Konzentration aufs Wesentliche bringt Erfolg. Gärtnerei ist wie Sport eine Frage der Zucht. Schon bei Charles Darwin steht Sport für einen Sproß, der aus der Art schlägt, eine Spielart. Daran hat sich nichts geändert. Sport, Lusus naturae, ist in der Natur angelegt. Davor läßt sich auch Zierrasen nicht schützen.“

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Wie steht es um die deutsche Nachwuchsarbeit?

Wie steht es um die deutsche Nachwuchsarbeit? – Robert Huth, 20, hat sich beim FC Chelsea durchgesetzt; Uli Stielike kennt ihn auch

Es scheint unverhofft eine Generation heranzuwachsen

Christoph Biermann (SZ 12.11.) befragt Nachwuchstrainer Uli Stielike nach der Qualität des deutschen Nachwuchses: „Stielike ist ein Mann, dem Heiterkeit ein weitgehend fremdes Konzept ist. Worüber auch immer er öffentlich spricht, trägt er seine Ansichten in einem Ton heiliger Ernsthaftigkeit vor, der nahe legt, dass die letzten Tage der Menschheit gekommen sind oder es noch schlimmer steht. Das hat auch damit zu tun, dass Stielike als Nachwuchstrainer beim Deutschen Fußball-Bund arbeitet und dort für die U-21-, U-20- und U-18-Nationalmannschaften zuständig ist. In den letzten Jahren hatte er daher ständig zu erklären, warum es im deutschen Fußball an Talenten fehlt, er musste sich über deren geringe Einsatzzeiten in der Bundesliga beklagen und die Präferenzen der Klubs für die schon fast sprichwörtlich gewordenen „mittelmäßigen Ausländer“. Doch plötzlich ist alles ganz anders, und das ist für Stielike auch keine schöne Sache. Sein neues Krisenwort heißt „Abstellungsprobleme“, aber es ist eines, das auf eine Art von Jugendboom im deutschen Fußball hinweist. Neben Kuranyi und Hinkel hat Völler noch zwei weitere Spieler in seinem erweiterten Kader, die noch in der U-21-Mannschaft spielen könnten: Tobias Rau und Benjamin Lauth. „Ich kann mich nicht daran erinnern, dass es so etwas in den letzten zehn bis 15 Jahren einmal gab“, sagte Völler. Eine schlüssige Erklärung dafür hat der Teamchef allerdings nicht. „Ich würde jetzt gerne sagen, dass unsere Förderprogramme gegriffen haben, aber das gilt eher für die jüngeren Jahrgänge“, sagte Völler. Eher scheint unverhofft eine Generation heranzuwachsen, wie sie einst den Kern der Weltmeister von 1990 bildete. Damals gewannen in Völler, Matthäus, Brehme, Littbarski und Buchwald fünf Spieler den Titel, die zuvor gemeinsam in der U-21-Auswahl Europameisterschafts-Zweiter geworden waren.“

Raphael Honigstein (FTD 12.11.) besucht Robert Huth, Stammspieler beim FC Chelsea: „Nach zwei harten Lehrjahren beim FC Chelsea scheint es in dieser Saison, der ersten seit dem Einstieg des russischen Öl-Milliardärs Roman Abramowitsch, mit dem großen Durchbruch zu klappen. Man erkennt Huth auf der Straße. Obwohl der 19-jährige Innenverteidiger mit Marcel Desailly, William Gallas und John Terry drei Nationalspieler von Weltrang vor der breiten Brust hat und die Kabine vor lauter Spitzenspielern bald aus den Nähten platzt, durfte er seit dem Beginn der Saison bereits acht Mal für die Blauen auflaufen. Mit seiner Ruhe und einem abgeklärten Stellungsspiel raubte er dabei unter anderem schon Arsenals Stürmerstar Henry Thierry den Nerv, in der Champions-League-Qualifikation gelang ihm sogar ein Tor. Abgesehen von Michael Tarnat (Manchester City) hat in Englands oberster Liga kein Abwehrspieler einen härteren Schuss. Die Kritiken waren bisher nur positiv. Chelseas italienischer Trainer Claudio Ranieri hat seine Leistungen als „fantastisch“ eingestuft, auf der Vereinswebsite wird der Junge aus Berlin-Marzahn stolz als „Chelseas Berliner Mauer“ vorgestellt, selbst die um Neutralität bemühte Seite von Uefa.com sieht in dem 1,88 Meter großen Brocken einen „deutschen Verteidiger von bemerkenswerter Kraft und Größe“ (…) Anfang der Woche wurde er von Uli Stielike für die U-20-WM in den Vereinigten Arabischen Emiraten berufen: „Horst Hrubesch hat ihn mir ans Herz gelegt“, sagt der DFB-Trainer. Mit dieser freudigen Nachricht könnte diese Geschichte enden, wenn sie nicht so ein schlechtes Licht auf die Nachwuchsarbeit in Deutschland werfen würde. Denn Huth wäre längst so weit, in der U 21 zu spielen, die am Freitag um die Qualifikation für die EM kämpft; dass stattdessen Maik Franz oder Alexander Madlung gegen die Türkei in der Innenverteidigung stehen, hat hauptsächlich einen Grund: Weder Hrubesch noch Stielike haben sich bisher die Mühe gemacht, nach London zu kommen, um Huth im Stadion spielen zu sehen. Stielike gibt zu, „wenig“ über dessen Qualitäten sagen zu können; er vertraut auf seinen Assistenten Hrubesch und dieser auf Berichte von Moritz Volz (FC Fulham) und Huths Vereinskollegen Sebastian Kneißl – der spielt seit zwei Jahren in Jugendnationalmannschaften, ist aber bei Chelsea nur in der Reserve beschäftigt. In der Fulham Road laufen sie Huth begeistert nach, eine große Karriere ist ihm gewiss, doch in der Heimat muss er erst einmal achselzuckend den langen Weg durch die Instanzen antreten.“

Michael Horeni (FAZ 12.11.) protokolliert die Finanzen des DFB: “Auch für über Hundertjährige gibt es manchmal noch ein Novum. So hat der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Dienstag, 103 Jahre nach seiner Gründung, erstmals Einblick in seine Finanzen gewährt. Was der einstmals größte Fachverband der Welt dabei präsentierte, dürfte andere Sportarten gerade in diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten staunend erblassen lassen. Wir können unsere Aufgaben eineinhalb bis zwei Jahre erfüllen, ohne jegliche Einnahmen zu haben, sagte DFB-Schatzmeister Theo Zwanziger in Frankfurt über die Liquidität eines Verbandes, der sich selbst als äußerst gesund bezeichnete. Konkrete Vermögenszahlen nannte Zwanziger zwar nicht, aber er verwies vergleichend auf die Einkünfte und Ausgaben im Geschäftsjahr 2002, für das der DFB Zahlen vorgelegt hatte. Im Vorjahr konnte der Verband über 61,3 Millionen Euro nach Steuern und Abschreibungen verfügen. Von diesen Einnahmen hat der Verband gut 35 Millionen für seine eigentlichen Aufgaben aufgewendet, knapp 15 Millionen als Anschubfinanzierung für die Aktivitäten im Zuge der Weltmeisterschaft 2006 geleistet sowie Rücklagen von rund elf Millionen gebildet. Der DFB ist unabhängig von staatlicher Förderung, die in anderen Verbänden überlebenswichtig ist, sagte Präsident Gerhard Mayer-Vorfelder. Die wichtigste Einnahmequelle des Verbandes waren im Jahr 2002 die Fernsehgelder für die Nationalmannschaft.“

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Bedürfnis nach den Netten und Niedlichen

Über einen Mainzer Bundesligisten würde sich Christoph Biermann (SZ 7.5.) freuen. „Die Bundesliga könnte sich schon einmal mit der Idee eines Aufsteigers Mainz 05 befassen. Schwer fallen dürfte das nicht, denn in vielerlei Hinsicht erinnert Mainz 05 an den SC Freiburg vor zehn Jahren, als der Klub mit Volker Finke zum ersten Mal in die Bundesliga aufstieg. Wie einst Freiburg ist Mainz noch auf dem Weg, eine Fußballstadt zu werden. Das Stadion am Bruchweg hat der Verein ausgebaut für ein begeisterungsfähiges Publikum, das noch nicht durch jahrelanges Auf und Ab im Profifußball übellaunig geworden ist, sondern sich mit der Rotbäckigkeit von Novizen freuen kann. Eine Nische fürs Anderssein ist ebenfalls gefunden. „Wir sind nur ein Karnevalsverein“ heißt die Losung und „Helau“ der dazu gehörige Schlachtruf. „Am Rosenmontag bin ich geboren“ singen Tausende vor dem Anpfiff, und schießen die Mainzer ein Tor, donnert aus den Stadionlautsprechern karnevalistisches Humtata. Vielleicht ist die Fasnacht bei Mainz 05 etwas überkommuniziert. In der Bundesliga gibt es ein Bedürfnis nach den Netten und Niedlichen, die kleinen gallischen Dörfern gleich den große Potentaten trotzen. Die Öko-Kicker aus Freiburg haben das bewiesen, die Totenkopf-Piraten aus St.Pauli, warum nicht auch eine rot- weiße Helau-Armee aus Mainz? Den Trainer dazu könnte man kaum passender besetzen. Wie Finke ist Jürgen Klopp ein Coach, dessen Mannschaft man auf dem Platz seine Idee von Fußball ansieht; nur so können geringere Geldmittel sportlich ausgeglichen werden. Zudem fällt der 35-Jährige aus dem üblichen Schema von Profitrainern, weil er nicht nur bemerkenswert eloquent ist, sondern sich im dritten Jahr auf der Bank noch eine humorvolle Leichtigkeit bewahrt hat. Diese zu verlieren hat er jedoch auch schon eine Option: Klopp wird als zukünftiger Trainer von Leverkusen gehandelt.“

Und nun der dritte Versuch

Ralf Weitbrecht (FAZ 7.5.) warnt. „Der Traum vom Aufstieg in die erste Liga, der greifbar nah ist. Zum dritten Mal übrigens innerhalb von sechs Jahren. Beim ersten Versuch scheiterten die Mainzer am letzten Spieltag in einem Krimi 4:5 beim VfL Wolfsburg. Im zweiten Anlauf, der exakt ein Jahr zurückliegt und im Stadion an der Alten Försterei kein Happy-End erfuhr, scheiterte die Mannschaft von Trainer Jürgen Klopp nicht nur an Union Berlin, sondern auch und vor allem an den eigenen Nerven. Und nun der dritte Versuch. Wochenlang hatte man sich in der Rhein-Main-Region auf dieses als Aufstiegsendspiel titulierte Duell zwischen Mainz 05 und der Frankfurter Eintracht gefreut. Als die Partie gespielt war, sahen sich alle in ihren Hoffnungen auf ein Fußballfest bestätigt. Das ist ein bedeutender Sieg für uns, sagte Harald Strutz hocherfreut. Der Präsident der Mainzer, der stets mit viel Herzblut um das Wohl seiner 05er bemüht ist, wollte es aber auch dabei bewenden lassen. Bedeutend ist dieser Erfolg, weil es ein Derby gewesen ist. Doch alles andere ist nur eine Momentaufnahme. Strutz hat ebenso wie Trainer Jürgen Klopp die Bilder vom vergangenen Jahr im Kopf, als der scheinbar uneinholbare Vorsprung von vier Punkten doch noch schmolz und der VfL Bochum auf dem Aachener Tivoli die Chance zum Last-Minute-Aufstieg nutzte. Die Mainzer, in Sachen Aufstieg Kummer gewohnt, können sich zumindest auch in schwieriger Lage selbst auf die Schippe nehmen. Deshalb besingen sich die Fans des Klubs ganzjährig und stimmgewaltig als Karnevalsverein. Das ändert nichts daran, daß es den Rheinhessen mit dem Unternehmen Bundesliga-Aufstieg aufs neue sehr ernst ist. Der Architekt des Mainzer Erfolgs, Trainer Jürgen Klopp, will spätestens zum Saisonfinale am 25. Mai mit der Auswärtspartie in Braunschweig sein Aufbauwerk vollenden (…) An das 3:2 von diesem 5. Mai wird vor allem der hessische Ministerpräsident Roland Koch zumindest für ein paar Tage zurückdenken. Als Gegenstand einer Wette mit seinem rheinland-pfälzischen Ministerpräsidentenkollegen Kurt Beck galt als abgemacht, eine Woche lang mit dem Sieger zu sympathisieren. Nicht irgendwie, sondern schon richtig greifbar. Und so muß sich Koch in der Wiesbadener Staatskanzlei ab sofort den Vereinswimpel des FSV Mainz 05 auf seinem Schreibtisch anschauen.“

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Das DFB-Pokal-Viertelfinale

Das DFB-Pokal-Viertelfinale zwischen dem 1. FC Kaiserslautern und dem FC Bayern München (3:5 nE) hatte ein Nachspiel. Wieder einmal stand der Schiedsrichter im Mittelpunkt der Kritik. Auch darin zog der FCK nach Meinung von Öffentlichkeit und Rechtssprechung den kürzeren.

„Endlich mal ein neuer Eintrag fürs kleine Wörterbuch der Verliererrhetorik: Man hat aufs falsche Tor geschossen“ schreibt Christian Eichler (FAZ 02.02) bezüglich des verbalen Ausrutschers von „Schnodderschnauze Basler“ (Jan Christian Müller in FR 31.01.), der mit seinem FCK beim Pokalspiel gegen den FC Bayern (30.01.) unterlegen war. „Früher Selbstdarsteller an der Säbener Straße, heute Provinzschauspieler auf der Heimatbühne Kaiserslautern“ (Roland Zorn in FAZ 01.02.), hatte Basler Schiedsrichter Jansen als „Hosenscheißer“ bezeichnet, nachdem dieser entschieden hatte, das Elfmeterschießen vor dem Gästeblock und nicht vor der Fankurve der Heimmannschaft austragen zu lassen. Konkret warf ihm der Spieler vor laufender Kamera vor, sich darin von Bayern-Manager Uli Hoeneß beeinflussen lassen gehabt zu haben. Der Unparteiische hatte im Nachhinein seine Entscheidung mit Sicherheitsapekten begründet. Durchaus nachvollziehbar, denn während des Spiels warfen die Fans des FCK immer wieder Gegenstände in Richtung Bayern-Gehäuse. Zorn sieht in dieser Debatte „die Krönung im Streit um Nichtigkeiten“. Schließlich war das Spiel selbst von vielen kindischen Nickligkeiten beiderseits auf und um das Spielfeld herum geprägt.

Baslers Aussage ist einerseits als „verbales Ablenkungsritual“ (Eichler) von sportlicher Niederlage zu bezeichnen. Völlig irrelevant schien die Angelegenheit aus Sicht der späteren Sieger andererseits nicht gewesen zu sein, sonst wäre Hoeneß nicht unmittelbar nach dem Abpfiff erregt aufs Spielfeld gerannt, um dem Unparteiischen nahezulegen, die Wahl des Tores auszulosen. Dessen letztendliche Entscheidung – die Regeln sehen hierfür keinen Münzwurf vor – hat sicherlich kaum Einfluss auf das Endergebnis genommen. Der vorliegende Fall erinnert vielmehr an das Ringen um die besten Plätze in einer Dorfkirche. Obwohl man von der ersten Reihe aus weder besser sieht noch hört, ist sie der beliebteste Platz. Warum? In der Sitz- spiegelt sich die Hackordnung. Man signalisiert anderen seine Vorrangsstellung. „Wenn der FC Bayern etwas will, dann wird das auch so gemacht. Der FC Bayern entscheidet im deutschen Fußball alles. Alle haben sie Angst vorm FC Bayern“ (Basler). Ähnlich kritisch hat das einmal Michael Horeni (FAZ 25.05.01) formuliert: „Heute sind im deutschen Fußball, in der Bundesliga wie im Deutschen Fußball-Bund, kaum mehr wichtige Entscheidungen gegen die Interessen des FC Bayern möglich.“

Immer wieder werden diese Vorwürfe indizienhaft gestützt. Klaus Smentek (kicker 04.02.) beispielsweise spricht vom „Bayern-Bonus“ und vergleicht den Fall mit dem verbalen Angriff des Bayern-Kapitäns Effenberg gegen Schiedsrichter-Assistent Trautmann im Pokal-Achtelfinale nur wenige Tage zuvor. Das Wort „Arschloch“ sei nachweislich gefallen. Jedoch wolle sich keiner mehr daran erinnern, wodurch eine Bestrafung verhindert wurde. Dahingegen kam Basler um eine Geldbuße nicht herum. In der letzten Saison durfte sich Bayern-Stürmer Carsten Jancker nach seinem Tor gegen Widersacher Leverkusen eine hässliche Szene gegenüber Bayer-Trainer Berti Vogts erlauben, mit der er sich für dessen Handlungen aus vergangenen Bundestrainertagen rächen wollte. Außerdem, so fragt Müller, „was hat der [Hoeneß, of] eigentlich mitten auf dem Spielfeld zu suchen?“ Auch diese Regelwidrigkeit blieb unbestraft, ganz im Gegensatz zum geradezu nichtigen Ausbruch Jürgen Röbers, Ex-Trainer von Hertha Berlin, welcher kürzlich auf die Tribüne verwiesen wurde, weil er einen Ball auf den Boden geworfen hatte. Man denke zudem an den rechtlichen Umgang mit Schiedsrichterschelten seitens der Funktionäre. Während Friedhelm Funkel, damals (Saison 00/01) Trainer von Abstiegskandidat Hansa Rostock, für eine nachvollziehbare und gemäßigte Kritik an der Spielleitung eine Geldstrafe zu leisten hatte, blieben die in ihrer Form einzigartigen und sachlich zweifelhaften Attacken Hoeneß´ einige Wochen später ungesühnt. Die DFB-Verantwortlichen rührten keinen Finger, als der Bayern-Manager Schiedsrichter Strampe nach dem Spiel in Dortmund geradezu bedrohte und Spieler der gegnerischen Mannschaft diffamierte. Zuguterletzt verstießen die Münchner bei ihren diesjährigen Transferaktionen wiederholt gegen Auflagen des DFB; unbehelligt von den verantwortlichen Rechtsausschüssen, die – wenn einzelne Vertreter ausnahmsweise Bedenken zu äußern wagten – von Hoeneß abgekanzelt werden durften. Außerhalb des Spielfelds wird offensichtlich zweierlei Maß angelegt.

Menschliches Miteinander unterliegt allgemeingültigen Regeln und provoziert universelle Verhaltensweisen; sei es in der Politik, im Büro, in Familie oder Freundeskreis, nicht zuletzt auch im Sport. Hierarchien bilden sich zwangsläufig aus, und dominante Akteure sind in der Lage, ihre Position auszunutzen. Wenn sie drohen, schimpfen und beleidigen, hat das eine ganz besondere Wirkung. Mit ihnen darf man es sich nämlich nicht ohne Weiteres verscherzen. Wenn sie über Macht, Geld, Medienzugang und eine folgsame Schar verfügen, riskiert man in einer Auseinandersetzung mit ihnen einen verheerenden Prestigeschaden. Daher können sie es sich erlauben, ihre Interessen auf solche Weise durchzusetzen; meist auf Kosten anderer. In diesem Zusammenhang sind Wutausbrüche und Gebärden nicht ausschließlich als unkontrollierte Emotionen zu deuten, sondern als Instrument, sowohl dem Gegenüber als auch Dritten eigene Macht zu demonstrieren: `Mit mir legst du dich besser nicht an!´ Wenn sich hingegen „Kleine“ in dieser Strategie versuchen, werden sie belächelt oder bestraft. Sie heißt man schlechte Verlierer und Jammerlappen. Dies kann im Einzelfall ebenso ungerecht und vorschnell hergeleitet sein wie der Vorwurf, die „Großen“ hätten wieder mal profitiert. „Wenn man verliert, dann sieht immer alles anders aus“ (Eichler).

Mario Baslers Auftritt wurde in der Öffentlichkeit nicht nur ob seines beleidigenden Tonfalls kritisch wahrgenommen, sondern als obligatorische Verschwörungstheorie des Verlierers gedeutet. Doch er war nicht der einzige, der an diesem Abend dem Schiedsrichter schlechte Leistung attestierte. Uli Hoeneß diktierte nach Ablauf der 90 Minuten (also vor der Verlängerung) einem ZDF-Reporter in gewohnter Drohmanier, was er von der Spielleitung gehalten hatte: Zwei eindeutige Feldverweise hätten dem FCK ausgesprochen werden müssen, womit er erstens eine exklusive Wahrheit vertrat und zweitens den Ellenbogencheck seitens des Bayern-Keepers Kahn großzügig übersah. Über diese Aussagen war jedoch nichts zu lesen.

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Champions League nur noch ein Experimentierfeld

Beide im aktuellen Champions-League-Wettbewerb verbliebenen deutschen Teams verzeichneten Niederlagen an diesem Spieltag; doch die jeweiligen Perspektiven sowie die Bewertungen sind sehr unterschiedlich. (mehr …)

Ballschrank

Europapokalspiele im Frühjahr

Europapokalspiele im Frühjahr sind gewöhnlich Festtage mit breiter öffentlicher Resonanz. Schließlich hat sich die Spreu vom Weizen bereits getrennt, und der Wettbewerb nähert sich seinen Höhepunkten. Der Modus der Champions League hingegen bringt es mit sich, dass in der Endphase der Gruppenspiele oft Mannschaften antreten, die entweder ihre Ernte bereits eingefahren haben oder (so gut wie) chancenlos sind. Letzteres trifft auf die beiden deutschen Teilnehmer zu.

Zwar hat Meister Dortmund durch das 3:0 gegen Lokomotive Moskau seinen Beitrag zur Qualifikation für das Viertelfinale geleistet. Jedoch – das zeigen die Kommentare in der Presse sowie die Reaktionen der Beteiligten – sind die Erwartungen auf eine Erreichen der nächsten Runde nach wie vor sehr gering. Zu tief sitzt noch der Schock des späten Madrider Ausgleichstreffers vor 14 Tagen.

Sorgenkind Bayer Leverkusen „strapaziert weiter die Leidensfähigkeit seiner Freunde“ (FAZ) und hätte Manager Calmund zufolge gerne auf das „tot geborene Spiel“ (SZ) beim ruhmreichen FC Barcelona verzichtet. So schnell werden sie in Camp Nou auch nicht mehr auflaufen. Immerhin – das ist mittlerweile eine Meldung wert – wäre ihnen fast ein Tor gelungen.

Borussia Dortmund – Lokomotive Moskau 3:0

Zur Stimmung in Dortmund lesen wir von Wiglaf Droste (taz 14.3.). „Enttäuschte Fußballfans sind gemein und vergesslich. In der letzten Saison trugen viele Anhänger Borussia Dortmunds dem Stürmer Marcio Amoroso noch das Heiland-, Retter- und Erlöserdiplom hinterher, spätestens seit dem 1:1 gegen Real Madrid vor 14 Tagen aber gilt er ihnen, neben Guiseppe Reina, als dümmster Dortmunder Spieler. Der hat doch nichts im Kopf als ,Mann, find ich mich wieder schön heute mit meinem Goldschmuck!‘, schimpfte ein schwarzgelb beschalter Mann am Mittwochabend auf dem Weg ins Westfalenstadion. Und sein Begleiter forderte meckernd: Amoroso in die Produktion! Gegen Moskau spielte Amoroso von Beginn an und präsentierte etwas Besseres als die Mischung aus verbissener Einzelwurschtelei und beleidigtem Herumstehen, die zuletzt die Gemüter von Mitspielern und Zuschauern erregt hatte. Er verteidigte, rannte, flankte, bereitete vor – kurz: Er war Teil seiner Mannschaft, und als er den 3:0-Endstand schoss, hatten sie ihn schon wieder ziemlich lieb. Ackern, malochen und sich kaputtmachen gelten hier mehr als das Potenzial zur Eleganz – vor allem, wenn es nicht ausgeschöpft wird. Dass einer schön Fußball spielen kann, wird im Erfolgsfall honoriert und gefeiert, aber wer die Grenze zur Schönspielerei überschreitet, macht sich unbeliebt. Damit hat Jan Koller kein Problem. Der lächelnde Riese wird in Dortmund gerade zur märchenhaften Gestalt. Er verkörpert, was Borussia sein möchte: die erfolgreiche Verbindung von harter Arbeit, Leidenschaft, Spielfreude und Glanz. Der Tscheche dribbelte, ließ brasilianische Ballbehandlung sehen und machte nach Vorarbeit von Amoroso das 2:0. Es scheint nichts auf dem Fußballplatz zu geben, das Jan Koller nicht kann oder doch unbedingt lernen will – sogar als Torwart machte er schon eine gute Figur. Here comes the sun, her name is Jan, reimte Fritz Eckenga, und man hört von Plänen, Koller zu klonen und dann auf mindestens sechs Positionen einzusetzen.“

Freddie Röckenhaus (SZ 14.3.) meint dazu. „Dortmunds großer Rückstand in der Bundesliga auf den FC Bayern und die Ohnmacht im kommenden Finale der Champions-League-Gruppe hat Mehltau auf die Stimmung gelegt. Trainer Sammer sieht das selbstverständlich als Gefahr. Denn Platz zwei in der Bundesliga ist für den fast schon entthronten Meister zum Minimalziel geworden, für das es sich viel schwieriger motivieren lässt als für den Meistertitel oder Spiele gegen Real und Milan. Zumindest auf der wirtschaftlichen Seite gibt sich der BVB unterdessen antizyklisch zur allgemeinen Konjunktur-Tristesse. Mit dem vor einigen Jahren in Dortmund ausgemusterten US-Sportartikelkonzern Nike ist ein 20Millionen-Euro- Ausrüster-Deal in Vorbereitung.“

Felix Meininghaus (FTD 14.3.) erkennt „Signale einer Diva“. „Nach dem Schlusspfiff war im Dortmunder Lager viel von Comeback, gar Wiedergeburt die Rede. Das klang, als habe Amoroso auf Grund körperlicher Malaisen monatelang gefehlt. Dabei war der 28-Jährige in diesem Jahr immer fit. Doch seine außergewöhnlichen Fähigkeiten, die hat der kapriziöse Zauberer dem Betrachter dennoch meist vorenthalten. Als sei seine Fußballkunst ein kostbarer Schatz, den man nur zu besonderen Anlässen hervorholt. Dem ist natürlich nicht so, schließlich brauchen die Dortmunder die Qualitäten ihres Ausnahmestürmers nicht nur, um auf der großen europäischen Bühne Großes erreichen zu können. Sondern auch für das Alltagsgeschäft in der Bundesliga. Das war so in der vergangenen Saison, als Amoroso den BVB mit seinen Toren zur Meisterschaft und ins Finale des Uefa-Pokals schoss. Doch so sehr die Diva in Schwarz-Gelb die Fans mit ihren Darbietungen in Verzückung versetzt hat, trieb sie die Anhänger zuletzt mit ihrer zwischen provozierend lässig und aufreizend arrogant pendelnden Art zur Verzweiflung. Matthias Sammer setzte seinen Star immer häufiger auf die Bank. Öffentlich begründet hat er das nie. Aber wer den Trainer kennt, der weiß, dass er wenig mit Spielern anfangen kann, die hauptsächlich für sich selbst und wenig für die Mannschaft spielen. Schließlich war er als aktiver Fußballer ein ziemlicher Malocher. Nach dem Sieg über Moskau sprach Sammer nun von einem „Neuanfang“. Wobei der strenge Richter auch gleich betonte, Amorosos traumhafter Treffer sei „nicht so entscheidend“ gewesen: „Das Wichtigste ist, dass er der Mannschaft signalisiert, dass er beißt.“ Wobei es Sammer, wie es seiner Art entspricht, tunlichst vermied, den besten Mann des Abends über Gebühr zu loben. Der Stürmer habe „fleißig gespielt“, hat der Coach zwar beobachtet, „aber er ist noch lange nicht da, wo wir ihn haben wollen“. Es fiel auf, dass sich Amoroso von der ersten Minute an sehr um Bindung zu seinen Mitspielern mühte.“

Weitere Spiele

Peter Burghardt (SZ 14.3.). „Es muss allerhand zusammenkommen, bis das Publikum im Bernabéu-Stadion dauerhaft in Stimmung gerät. Die Mehrheit sitzt in der Betonschüssel so anspruchsvoll wie in der königlichen Oper und langweilt sich, wenn drunten auf der Bühne nicht ununterbrochen Kunststücke aufgeführt werden – gewöhnliche Fußballspiele finden die Abonnenten schnell fade, schließlich halten sie ihre Arena für das Epizentrum von Pirouette und Hackentrick. Als ihre Showtruppe Real Madrid an diesem lauen Frühlingsabend im Rahmen der Festspielreihe namens Champions League die Showtruppe AC Mailand 3: 1 bezwang, da waren 75000 Augenzeugen selig wie selten. Das lag an Beiträgen von Weltstars wie Ronaldo, Zidane, Figo oder Roberto Carlos hier und Rivaldo, Seedorf, Schewtschenko oder Maldini dort. Und es lag vor allem an zwei einheimischen Berühmtheiten. Beide sind Madridern besonders wichtig, da können sie die teuren Gastartisten aus Rio de Janeiro, Buenos Aires, Lissabon oder Marseille noch so beglücken. Zinedine Zidane zum Beispiel hatte wieder einen dieser Tage, an denen man fürchtet, ohne ihn sei auch diese Wundertruppe nur die Hälfte wert. Niemand besitzt Eleganz und Übersicht wie der schmale Franzose mit dem Haarkranz. Doch gefeiert wurden zunächst Raúl González und José María Gutiérrez, genannt Guti, beide aufgewachsen in Madrid und beide groß in Form. Rauls 1:0 nach atemberaubenden Steilpass von Roberto Carlos und Ronaldos Zuspiel, Raúls 2:0 nach Figos Flügelwechsel, Zidanes Zauberdrehung und Roberto Carlos’ Hereingabe, Gutis 3:1 nach Doppelpass zwischen Raúl und Zidane: internationale Wertarbeit mit Abschluss nach Art des Hauses (…) Die größte Hommage erwiesen die Zuschauer schließlich trotzdem einem Mitglied des Gegners. Fernando Redondo kehrte nach zwei Jahren Verletzung im schwarzrotem Trikot zurück zum ehemaligen Arbeitgeber, mit dem er 1998 den Europapokal gewonnen hatte, und am Ende standen ihm die Tränen der Rührung in den Augen. Zehntausende riefen seinen Namen, über die berüchtigte Südtribüne spannte sich ein Spruchband: „Redondo, dein Einsatz und deine Qualität, unvergesslich.“ Zum Schluss bekam der Argentinier von der Radikalgemeinde Ultras Sur obendrein eine Plakette überreicht. Da sage noch einer, auf der Weltbühne seien sie undankbar gegenüber Fremden.“

Spielbericht Real Madrid – AC Milan (3:1) FR

Reaktionen in Englands Medien auf das 1:1 zwischen ManU und FC Basel NZZ

Dario Venutti (NZZ 14.3.) bericht von der Stimmung in Old Trafford. „Mit den Erfolgen des FC Basel in der Champions League hat auch das Selbstvertrauen der Anhängerschaft zugenommen und sich im Verlauf der letzten Wochen und Monate zu Ignoranz und Arroganz gesteigert. Etwa 3000 Basler Fans waren nach Manchester gereist, um in Old Trafford zum Besten zu geben: «Alles ausser Basel ist Scheisse.» Einmal in der Champions League, scheint sich in Basler Perspektive bereits alles um das Rheinknie zu drehen. Dabei werden Hakan Yakin und Marco Zwyssig auf eine Stufe mit David Beckham und Laurent Blanc gestellt. Als Beckham kurz vor Spielende doch noch eintrat, wurde er von den Basler Fans gnadenlos ausgepfiffen. Und als dem Popstar des Fussballs in der ersten Szene der Ball unter dem Rist ins Out rutschte, sangen die FCB- Anhänger: «Dä Beckham isch nervös.» Das war er, wenn überhaupt, sicher wegen des FCB; und die Sprechchöre haben ihn sicher auch total beeindruckt.“

In der NZZ (14.3.) lesen wir über das 3:2 Juves über Depor. „So unerbittlich kann Fussball sein. Drei Schritte noch bis zum Ziel, die Taschen schon fast voller Geld, und da kommt einer daher, der im letzten Moment alles auf den Kopf stellt. Der Reiche wird plötzlich arm, der Arme reich, oder in diesem Fall der Reiche noch reicher. So spannend kann Fussball sein, so nervenaufreibend. Igor Tudor, nach langer Verletzungspause noch lange nicht im Vollbesitz der Kräfte und wegen seiner Kopfballstärke von Juventus-Trainer Marcello Lippi für die letzte Viertelstunde aufs Feld beordert, stach als letzte Karte im taktischen Poker zweier Strategen. In der 93. und wirklich letzten Minute traf der Kroate volley zum 3:2. Deportivo La Coruña war damit weg vom internationalen Fenster, Juve (mit 99-prozentiger Sicherheit) für die Viertelfinals der Champions League qualifiziert. Und der Punktgewinn der Basler auf der britischen Insel wurde zur Makulatur. Fussball- Italien, dank Milan ohnehin schon unter den Besten und mit Inter und Roma zumindest noch im Rennen um insgesamt vier der acht Startplätze, schwelgt im Glück. Und wie immer in solchen Fällen sieht fast niemand einen Anlass, Emotionen zu unterdrücken, schon gar nicht die Medien. «Juve de la paura al trionfo» oder «Juve olé» sind mehr als attributive Ausschmückungen der auch fern der Heimat nach wie vor heiss umschwärmten «alten Dame». Umso erfreulicher, dass sich in der Beurteilung der sportlich keineswegs während der gesamten Matchdauer überzeugenden Leistung des Siegers ausgerechnet Marcello Lippi mit Kritik nicht zurückhielt und primär den Faktor Fortuna in den Vordergrund stellte. Tatsächlich beanspruchten die Piemonteser im Finish sämtliche Glücksreserven. Denn kurz nach der Pause nach Makaays herrlichem Führungstreffer zum 2:1 schienen sie noch weit von der Qualifikation entfernt. Bis zu diesem Zeitpunkt zeigte Italiens Meisterschaftsleader im kalten, uferlosen Stadion Delle Alpi ein Gesicht, dass bei weitem nicht mit dem Alltag korrespondierte. Abgesehen davon, dass wie zuletzt schon in Modena, Piacenza, Perugia und Udine ein später eingewechselter Spieler die Entscheidung herbeiführte. Juve, in der Meisterschaft zuletzt in fünf Partien in Folge siegreich, spielte gegen die vom Pragmatiker Javier Irureta erneut hervorragend eingestellten Galicier kaum einmal Fussball, wirkte uninspiriert, träge, unsicher, schlecht postiert, defensiv – vor allem über die Flanken – verletzbar und im Angriff zu statisch.“

Rassismusvorwurf gegen Vieri SZ

FC Barcelona – Bayer Leverkusen 2:0

Die FAZ (13.3.) schreibt zum Spiel. „Bayer Leverkusen strapaziert weiter die Leidensfähigkeit seiner Freunde. Das 0:2 am Dienstag abend gegen den FC Barcelona in der Champions League war schon schwer zu ertragen, obwohl die Meisterklasse nur noch als Vorbereitungswettbewerb für den anstehenden Abstiegskampf in der Bundesliga herhält. Aber der Kommentar zum traurigen Spiel von Cheftrainer Thomas Hörster steigerte noch das Unbehagen: In den ersten dreißig Minuten habe ich gesehen, was ich sehen wollte: Kampf, Leidenschaft und Herz, sagte Hörster nach der sechsten Champions-League-Niederlage in Serie. Das war eine gute Grundlage für den weiteren Saisonverlauf. Zugestanden, daß Schönfärberei einer verunsicherten Mannschaft ein bißchen Stütze geben kann: Des Trainers Aussage wirkte peinlich angesichts der mutlosen Vorstellung seiner Spieler. Die zwei großen Tormöglichkeiten für Berbatow in der Anfangsphase bewiesen nicht Hörsters These, sie waren lediglich das Resultat der Lässigkeit der unterforderten Spanier.“

Ronald Reng (SZ 13.3.) analysiert Reaktionen. “Dass Bayers Trainer Thomas Hörster erklärte, „ich fand es abwechslungsreich, unterhaltsam“, war zunächst die schrulligste Note der Nacht; als er hinzufügte, „ich habe viele Verbesserungen gesehen“, wurde daraus jedoch die bemerkenswerteste Erkenntnis von Barcelona: dass Hörster endlich aufhörte, öffentlich über seine Elf zu lästern, ist ein Anfang. Eine Mannschaft, die so sehr will und so sehr nicht kann wie derzeit Leverkusen, erreicht ein Trainer nicht, indem er sie kritisiert, wie es Hörster zuletzt zu oft tat („Wir kaspern rum, und die anderen machen die Tore“). Ob Hörster in der prekären Situation der richtige Mann ist, darf immer noch bezweifelt werden. Man kann darüber streiten, ob er wirklich mit solcher Radikalität das Gros seiner wichtigsten Kräfte für das eminent wichtige Heimspiel gegen Wolfsburg am Wochenende schonen musste. Oder wäre es in einzelnen Fällen wie dem von Bernd Schneider nicht besser gewesen, ihn vor 62.000 im Camp Nou in einer Partie mit viel Raum und Zeit mehr als 20 Minuten spielen zu lassen, in der Hoffnung, Schneider gewinne ein wenig Leichtigkeit zurück?“

Weitere Spiele

Spielbericht Manchester United – FC Basel (1:1) NZZ

Die NZZ (13.3.) berichtet den späten Sieg Juves über Depor (3:2). „Deportivos Trainer Irureta ist immer für Überraschungen gut. Personell wie taktisch gab er schon manchem Trainerkollegen Rätsel auf, beispielsweise Ende November im Heimspiel gegen Juventus‘ Trainer Marcello Lippi. Nach elf Minuten schon lag damals der Platzklub 2:0 in Führung, die Italiener wussten in jener Phase nicht, wie ihnen geschah. Es lag also nahe, dass der Baske jenes Erfolgsrezept auch diesmal versuchte: Tristan und Makaay als ungemein bewegliches, schwer berechenbares Sturmduo, Fran und Scaloni auf den Flanken, Duscher und Mauro Silva als Auffangstationen im zentralen Mittelfeld. Iruretas Idee, italienische Abwehrreihen müssten über die Flügel geöffnet werden, wurde denn auch in einigen Phasen der ersten Halbzeit hervorragend umgesetzt (…) Juve offerierte weiterhin nicht die Leckerbissen früherer Tage, die Brocken blieben den Piemontesern vielmehr einige Male fast im Halse stecken. Gründe dafür gibt es zwei: An straffer taktischer Leine erstickte La Coruña allfällige Unternehmungslust und Spielfreude der Italiener oft schon im Keime. Auf der anderen Seite kamen aber auch spielerische Mängel des Landesmeisters und Leaders zum Ausdruck, die einen neutralen Beobachter verblüffen mussten. Rückgrat, Zweikampfstärke, Rhythmuswechsel wie Konstanz fehlten über weite Strecken – bis in den Finish – ebenso wie der Mut zur konsequent offensiven Einstellung, selbst nach Lippis Umstellungen zur Pause. Aber die abwartende, oft minimalistische Haltung der Spanier birgt auch Risiken. Makaay brachte zwar mit einem placierten Ball aus 18m den Gastklub in Führung, doch dieser Treffer schien die Turiner vielmehr anzustacheln, statt ihnen das Genick zu brechen. Nach einigen Minuten schon hatte Juve den Rückschlag weggesteckt und zündete nun seinerseits das Feuerwerk. Trézéguet, zuvor mit der Brechstange erfolglos, löste sich endlich einmal von seinen Gegnern – 2:2. Sekunden später traf der Franzose nur den Pfosten. Szenen, die die Herrschaft der von Nedved inspirierten, tempofesten und druckvollen Italiener in der letzten halben Stunde deutlich unterstrichen, und ebenso plötzlich stand La Coruña im steifen Gegenwind. Die Geduld und Übersicht der Galizier auch in heiklen Situationen schien sich auch auszuzahlen – eben bis zur vermaledeiten Schlussszene.“

Christoph Biermann (SZ 13.3.) über die Überraschungself der Saison. „Von einer Wiedergeburt von Ajax Amsterdam kann man schon jetzt sprechen. Tief gesunken war der Klub in den Jahren nach dem Gewinn der Champions League 1995. Aufgrund des Bosman-Urteils war die große Mannschaft der Bergkamps und Kluiverts, Davids und de Boers innerhalb von nur zwei Spielzeiten über Europa verstreut. Die Versuche eines Neuaufbaus scheiterten schmählich, Morten Olsen gelang das als Ajax-Coach so wenig wie Co Adrianse. Der Zukauf routinierter Spieler wie Frank Verlaat ließ den Klub im Mittelmaß versinken. 1999 wurde Ajax in der holländischen Liga nur Sechster, eine ungeheuerliche Platzierung, im Uefa-Cup schied der Klub gegen solche Größen wie Lausanne Sports oder den FC Kopenhagen aus. Nun ist Ajax zurück, und ein wenig kommt das aus heiterem Himmel. Einige Spieler sind nämlich schon länger da und waren bereits bei Publikum und Presse durchgefallen. Libero und Mannschaftskapitän Cristian Chivu kam 1999, machte reihenweise elementare Fehler und flog in seiner ersten Saison dreimal vom Platz. Jetzt würde Real Madrid den Rumänen gerne verpflichten. Stürmer Zlatan Ibrahimovic, der aus Malmö geholt wurde, hielt das schwedische Aftonbladet bereits für den überschätztesten Spieler des Landes. In der Amsterdam Arena wird er auf Transparenten inzwischen als „Zlatan – Sohn Gottes“ gefeiert (…) Fast schon rührend war es, den Jungs in den rot-weißen Trikots zuzuschauen, die ihnen viel zu groß um die Körper wehten. Acht der zwölf eingesetzten Spieler sind 23 Jahre alt oder jünger, und so strahlte Ajax den Eifer einer Jugendmannschaft aus. Im Unterschied zu früher ist es nur kein holländisches Nachwuchsteam mehr. Zusammengestellt wurde es, als ob eine internationale Boygroup zusammengestellt worden wäre. Vom gefeierten Großtalent Rafael van der Vaart, dem Rechtsaußen Andy van der Meyde und Mittelfeldspieler Nigel de Jong abgesehen, kommen die Spieler aus acht weiteren Nationen. „Dass es innerhalb einer Partie auf und ab geht, ist typisch, wenn die Spieler so jung sind“, sagte Eindhovens Trainer Guus Hiddink, als er nach dem Spiel eine Cola trank. Denn mitunter verloren die Youngsters auch die Übersicht und wirkten wie zufällig unter die Erwachsenen geraten. Doch auch Bayer Leverkusen schien im Vorjahr immer wieder an seine Grenzen zu stoßen und schob sie nur weiter hinaus.“

Stefan Hermanns (Tsp 13.3.) über das Remis gegen Valencia. „Das Spiel gegen Valencia erinnerte an das Szenario eines amerikanischen Spielfilms. Die kleinen Jungs spielen friedlich auf dem Bolzplatz, als plötzlich die großen bösen Kerle aus der Nachbarschaft auftauchen. Weil sie ausnahmsweise gut gelaunt sind, bieten sie den Kleinen ein Match an, anstatt sie gleich zu verprügeln. Die Großen heißen Mauricio Pellegrino, Ruben Baraja und Kily Gonzalez und haben mit Valencia in den vergangenen drei Jahren zweimal im Finale der Champions League gestanden. In der ersten Halbzeit haben sie die kleinen Ajax-Spieler noch ein bisschen tricksen lassen, aber wenn es ihnen zu bunt wurde, sind sie humorlos mit ihren langen Beinen dazwischengegangen und haben sich den Ball geholt. Das 1:0 erzielte Gonzalez auf ähnlich prosaische Weise – per Elfmeter. In amerikanischen Filmen nimmt die Geschichte immer noch eine Wende zum Guten. So war es auch in der Amsterdam-Arena. Ronald Koeman hat seinen Jungs in der Halbzeit gesagt, dass sie mehr Vertrauen in ihre fußballerischen Fähigkeiten haben sollten, und fortan machten sie mit ihrem Gegner nahezu, was sie wollten. Und der finnische Vorstopper Petri Pasanen traf zum Ausgleich. Es ist atemberaubend, in welchem Tempo sich Ajax, das jüngste Team in der Zwischenrunde, zurzeit entwickelt. Man kann der Mannschaft quasi beim Wachsen zuschauen. Vor drei Monaten, im Hinspiel gegen Valencia, erreichte Ajax ebenfalls ein 1:1, aber trotz des identischen Ergebnisses können zwei Fußballspiele kaum unterschiedlicher sein. „In Valencia haben wir von 90 Minuten 95 verteidigt“, sagte Chivu, „sogar in der Kabine haben wir noch verteidigt.“ Damals war die Mannschaft noch nicht so weit, dass sie Teams wie Valencia mit spielerischen Mitteln hätte beikommen können. Jetzt ist sie es. Am Dienstag, in der zweiten Halbzeit, schien es, als habe Ajax zu sich selbst zurückgefunden: zu jenem angriffslustigen, aggressiven, wagemutigen Stil, der immer das Markenzeichen dieses Klubs und seiner Mannschaften war.“

(12.3.)

„Der Trainer ist mit schuld daran, dass Borussia Dortmund ein langer, spannungsfreier Saisonausklang droht“, schreibt Freddie Röckenhaus (SZ 12.3.). „Völlig frei gesprochen wird Dortmunds im allgemeinen als unantastbar geltender Trainer von der Schuld für das Abschneiden der letzten Wochen jedenfalls nicht mehr. Nicht wenige halten im Nachhinein Sammers ungeschicktes Auswechseln gegen Real Madrid für den Grund, warum der Sieg in der Nachspielzeit noch abhanden kam. Auch Sammers Personaltaktik der letzten Wochen bleibt nach dem Leistungs-Debakel von Mönchengladbach nicht mehr unangezweifelt. Wieder einmal hatte Sammer dort eine knifflige taktische Sonderrolle für den bekanntermaßen sonnigen, jedoch schlichten Evanilson ausgetüftelt, statt seinen Starstürmer Marcio Amoroso als klare Sturmspitze zu bringen. Zudem war der BVB auf der rechten Seite mit drei Flügelspielern über- und auf der linken Seite mit Dede unterbesetzt, Manndecker Madouni fand sich, weil unterbeschäftigt im Abwehrzentrum, öfters in der Rolle des Spielmachers wieder, die wiederum Torsten Frings nicht ausfüllte, während Spielmacher-Typ Ricken draußen blieb. Auch sonst war Vieles nur mit abgeschlossenem Studium in Fußball-Latein verständlich. Einmal abgesehen davon, dass Dortmunds Presse mäkelt, dass der Meister in vier Auswärtsspielen der Rückrunde gerade einen mickrigen Punkt geholt hat – und selbst das nur gegen dezimierte zehn Schalker, als mit mehr Mut ein klarer Sieg greifbar schien.“

Richard Leipold (FAZ 12.3.) vergleicht zwei Dortmunder Stürmertypen. „Allzeit bereit, wenn es sein muß, auch nach Dienstschluß: diese Berufsauffassung verkörpert Jan Koller, der Mittelstürmer des deutschen Meisters, von Natur aus. Der Tscheche steht in Dortmund für Kraft und Ausdauer – und mittlerweile auch für Treffsicherheit. Vor einem Jahr stand der brave Koller im Schatten des umjubelten Glamourboys Amoroso. Seine mäßige Trefferquote fiel nicht weiter ins Gewicht. Um den Abschluß kümmerte sich ja Amoroso mit großem Geschick, und Koller sammelte Fleißkärtchen, auch für seine Bereitschaft, schon im Angriff mit der Abwehrarbeit zu beginnen. Wer so groß ist wie ich, kommt nicht umhin, den kleineren Kollegen hinten zu helfen. Cheftrainer Matthias Sammer sprach ihn frei von dem Vorwurf, nicht torgefährlich genug zu sein. Der Fußball-Lehrer würde am liebsten verbieten, Koller an Treffern zu messen. Sein Wert für die Mannschaft spiegele sich weniger in Toren als in Tugenden wie Charakter, Kampfkraft und Kondition. Während Amoroso an Spieltagen nur noch als Teilzeitkraft arbeitet, bleibt Koller pausenlos im Einsatz; er spielt immer – und fast immer neunzig Minuten. Der hundert Kilogramm schwere, zwei Meter zwei lange Hüne – bei Sparta Prag nannten sie ihn Dino – hat seinem filigranen, schmächtigen Kollegen nicht nur physisch einiges voraus. Koller wirkt innerlich ausgeglichener. In seinem Kopf ist kein Platz für Kapriolen. Anders als Amoroso ist er ein Fußball-Facharbeiter ohne Allüren, nach Sammers Maßstäben geradezu der Prototyp des Profis. Er verrichtet gewissenhaft seine Arbeit und redet nicht viel darüber. Amoroso ließ zuweilen verlauten, wie wunderbar er die Revierstadt Dortmund und ihre Menschen finde. Er sagt so etwas, weil er als Showtalent weiß, was die Anhänger von einem Publikumsliebling erwarten. Seine Huldigungen an Land und Leute wirken aber wie Lippenbekenntnisse. Als es ihm in Dortmund noch gutging, kokettierte Amoroso damit, dorthin zu wechseln, wo es draußen warm ist und wo die Menschen seiner Meinung nach warmherziger sind. Weil er die Fans mit seinen Toren und mit seinem Lächeln für sich einnahm, konnten sie ihm nicht einmal böse sein. Keiner spielt so schön wie Amoroso, dichtete ein Schlagersänger, und die Borussenchöre auf der Südtribüne sangen mit. Niemand käme auf die Idee, Koller ein solches Lied zu widmen. Aber die Fans der Borussia mögen beide: die Diva und den Dino, den Künstler und den Kraftprotz.“

Felix Meininghaus (SZ 12.3.) porträtiert den Tschechen. „Als Jürgen Kohler am Ende der vergangenen Saison im Westfalenstadion seinen Ausstand gab, waren sich die Fans im legendären Block 13 der Südtribüne sicher: Die Zeit der Malocher im millionenschweren Ensemble des früheren Arbeiterklubs Borussia Dortmund ist endgültig vorbei. Kicker wie den Mann, den sie „Fußballgott“ nannten, werde es fortan nicht mehr geben. Doch mittlerweile haben die Jungs der Hardcore- Fraktion den legitimen Nachfolger ermittelt. Ein Tscheche hat sich ins Herz der BVB-Fans gerackert: Jan Koller. Die Liaison zwischen dem anspruchsvollen Umfeld und dem Mann, der im Juni 2001 für 21 Millionen Mark vom RSC Anderlecht geholt wurde, war allerdings keine Liebe auf den ersten Blick. Weil der lange Schlacks oft ungelenk wie ein Storch im Salat agierte und zudem auch noch beste Chancen ungelenk verstolperte, rümpften viele Beobachter skeptisch die Nase. Trainer Matthias Sammer ist solcher Geringschätzung stets vehement entgegengetreten (…) Mit seinem kahl geschorenen Schädel und den markanten Gesichtszügen könnte Jan Koller auch in Belgisch-Kongo Dienst schieben. Doch der Eindruck täuscht. Trotz seiner martialischen Erscheinung ist Koller ein betont ruhiger und bescheidener Vertreter. Wobei es der „lammfromme Riese“ (FR) privat auch gerne mal krachen lässt. Wer miterlebt, wie Koller mit blonder Langhaar- Perücke mitten im Karnevalsgetümmel in einer Kölner Hotelbar die Polonaise anführt, beginnt an Anekdoten zu glauben, die aus der Heimat des Goalgetters nach Dortmund herübergetragen werden. In seinem südböhmischen Heimatdorf Lhota, so wird erzählt, trete der gelernte Werkzeugmacher auch heute noch mit seinen Kumpels gegen den Ball, um sich danach mit ihnen für ein paar Bierchen an die Theke zu stellen.“

Wolfram Eilenberger (Tsp 12.3.) kommentiert das heutige Comeback Redondos. „Nach zweieinhalbjähriger Verletzungspause kehrt er in den großen Weltfußball zurück. Für den Anhang Madrids hingegen stellt sein Comeback die kaum noch erhoffte Gelegenheit dar, den einstigen Kapitän würdig zu verabschieden. Denn damals, vor knapp drei Jahren, ging alles furchtbar schnell. In einer hastigen und geheim gehaltenen Aktion wurde der Argentinier nach Mailand verkauft. Der Transfer Redondos war eine der ersten Amtshandlungen des Präsidenten Florentino Perez und deutliches Zeichen einer neuen Personalpolitik. Es galt, eine Ära zu verabschieden (…) Es gibt gute Gründe, in Fernando Redondo den eigentlich stilprägenden Mittelfeldspieler der vergangenen Dekade zu erkennen. Denn mit seiner eleganten Interpretation des defensiven Mittelfeldparts schuf der Argentinier ein neues Positionsverständnis, das – analog zu Beckenbauers beispielhafter Umakzentuierung der Rolle des letzten Mannes – in der Folge weltweit wirksam wurde. Spätestens seit Mitte der neunziger Jahre nämlich vermochte Redondos konsequent kluges Kurzpassspiel die Zone mit der höchsten Zweikampfintensität als eigentliches Zentrum spielerischer Gestaltung freizulegen. Unantastbar im Zweikampf, kultivierte Redondos feines Raumgespür den so unscheinbar wirkenden 10-Meter-Pass zur eigentlich spielbestimmenden Konstruktionsform. Wie kein anderer verstand er es, die gegnerische Abwehr, mit der filigranen Nutzung kleinster Lücken und Nischen, vorentscheidend zu destabilisieren. Und müsste man die wesentliche spielstrukturelle Veränderung der letzten dreißig Jahre in einem Satz zusammenfassen, so böte sich der Verweis auf die räumliche Distanz an, die Beckenbauers kaiserliche Nummer 5 von der souveränen Neuinterpretation Redondos trennt. Etwa 15 Meter sind es. So viel enger ist das Spiel seither geworden. Genau dort, im engen Zentrum, wird Redondo heute Abend auch auf die andere Nummer 5, auf Zinedine Zidane, treffen. Das zu erwartende, direkte Duell zwischen Redondo und Zidane steht dabei für zwei grundverschiedene Visionen, Fußball zu spielen und Fußball genießen zu lassen. Wo Zidanes unsagbare Ballfertigkeit und Einfallskraft beispielhaft für das neue stilistische Ideal von Real Madrid stehen, da verkörpert Redondos edles Kontrollvermögen und seine fein bedachte Kurzpassästhetik eine Spielauffassung, mit der sich die schwarz-roten aus Mailand bereits für das Viertelfinale qualifiziert wissen. Redondo und Zidane, das ist die Wahl zwischen zwei Formen der Meisterschaft.“

Ronald Reng (FTD 12.3.). “19 Tore, fast jedes Spiel ein Treffer, hat er diese Saison bereits in der Primera División geschossen, die Torschützenliste führt er mit sechs Treffern Vorsprung vor Ronaldo an. In der Champions League, wo er heute mit La Coruña gegen Juventus Turin den Weg ins Viertelfinale sucht, erledigte er in der Vorrunde Bayern München mit einem Hattrick und markierte bislang insgesamt acht Tore. So viel auch über andere, startauglichere Stürmer wie Ronaldo oder Christian Vieri geredet wird, besser als Makaay ist in dieser Saison allenfalls einer – sein Landsmann Ruud van Nistelrooy von Manchester United. „Was soll ich sagen?“, fragt Makaay, ehe ihm doch noch was einfällt: „Ich bin zufrieden.“ Es liegt in der Natur der Sache, dass Fußballprofis mit Worten weniger gut umgehen können als mit dem Ball, Makaay ist da keine Ausnahme. Ein junger Mann, der sich herumgestupst fühlt, es aber nicht schafft, sich dagegen zu wehren, der eine Wut in sich trägt, sie aber weder auf dem Fußballplatz ausleben noch in klugen Sätzen artikulieren kann, so hat man ihn aus den vergangenen Jahren in Erinnerung. Seit Makaay 1999 nach La Coruña kam, war er das Mädchen für alles im System von Trainer Javier Irureta. Der ließ ihn mal auf dem rechten Flügel ran, schob ihn beim nächsten Mal nach links oder einfach auf die Ersatzbank. Es war, als würde Makaay, der schnell, beidfüßig und taktisch gewieft ist, für seine Vielseitigkeit bestraft. Er würde die Nebenrolle noch heute spielen, wenn Depors lebenslustiger Mittelstürmer Diego Tristán nicht verletzt und übergewichtig aus dem Sommerurlaub zurückgekommen wäre. Makaay hatte wieder einmal einen Aushilfsjob – und machte ihn so gut, dass nun das Fragezeichen in La Coruñas Sturm ein anderes ist. Es heißt nicht mehr: Wo spielt Makaay, sondern: Wer spielt neben Makaay?“

Mark Schilling (NZZ12.3.) berichtet das Spiel Internazionale gegen Newcastle United (2:2). „Es war eine Partie mit vielen Geschichten im San Siro. Zum Beispiel derjenigen von Craig Bellamy. Der walisische Youngster hatte im «Hinspiel» im St. James’s Park seine Equipe schon früh auf die Verliererstrasse gewiesen, indem er nach einem Ellbogenstoss des Feldes verwiesen wurde. Als Newcastle-Trainer und Grandseigneur der englischen Coaches, Bobby Robson, sich am Vortag des Matches zum Gebet in den Mailänder Dom begab, dürfte er wohl auch den Heisssporn in seine frommen Wünsche aufgenommen haben. Bellamy liess sich diesmal denn auch nicht provozieren, sondern war während geraumer Zeit der gefährlichste Angreifer auf dem Platz. Und wie er beispielsweise kurz vor der Pause Guly düpierte und Shearer das 1:0 vorbereitete, war uneingeschränkt Weltklasse. Weltklasse wird wohl nicht in allen Mannschaftsteilen des englischen Meisterschaftsdritten verkörpert. Trotzdem vermochten die Magpies – unterstützt von einer «Toon-Army» in Bataillonsstärke (über.10000 Newcastle-Fans in Mailand) – über weite Strecken zu überraschen und die favorisierten Nerazzurri vor manche Probleme zu stellen. Speziell vor dem Seitenwechsel beschworen die Engländer mit schnellen Zuspielen in die Spitze zahlreiche Turbulenzen in der italienischen Abwehr herauf, während in der eigenen Defensive der (abermals) stereotyp vorgehende Platzklub ohne grössere Probleme unter Kontrolle gehalten wurde. Jedenfalls fiel der Führungstreffer kurz vor der Pause verdient, verzeichnete doch das Robson-Ensemble die klar besseren Chancen.“

Martin Pütter (NZZ 12.3.) porträtiert den Manager Manchesters. „Eins muss man Alex Ferguson lassen: Ehrgeizig ist der Manager von Manchester United nach wie vor. Das stellt in England keiner in Frage, am wenigsten seine Spieler. Wer etwa nicht spurte, wer auf dem Feld nicht so viel gab, wie sich der Schotte das vorstellt, bekam verpasst, was die Spieler die «Haartrockner-Behandlung» getauft haben. Für seine laute Standpauke stellte sich Ferguson jeweils so nahe vor dem betreffenden Spieler auf, dass dieser dessen heissen Atem im Gesicht zu spüren bekam. Aber nach über 16 Jahren im Amt mehren sich die Zeichen, dass diese Behandlung weniger wirkt als früher und dass Ferguson den Ehrgeiz nicht mehr so wie einst auf seine Mannschaft übertragen kann. Vor allem hat sich der Schotte öfter mal nicht mehr unter Kontrolle. So liegt die Stiefel-Affäre nicht lange zurück, als Ferguson nach der 0:2-Heimniederlage im FA-Cup gegen Arsenal in der Garderobe ausrastete, gegen einen herumliegenden Fussballschuh trat, der David Beckham am Kopf traf. Wer nach einer Niederlage gegen einen Erzrivalen die Fassung derart verliert, untergräbt seine Autorität. In England herrscht zudem fast einhellig die Ansicht vor, dass ein solcher Vorfall zum ersten Mal an die Öffentlichkeit geriet. Man kennt allerdings Fergusons Hang zum Jähzorn. Was in der Garderobe passiere, sei allerdings sakrosankt und solle auch nicht nach aussen dringen, sagt der Manager selber dazu. Da bleibt als Spekulation, wie wohl Profis wie Roy Keane oder früher Eric Cantona reagiert hätten, wenn sie von einem Fussballschuh am Kopf getroffen worden wären.“

Zur Lage des FC Basel vor dem Auswärtsspiel in Old Trafford NZZ

(11.3.)

Peter Hartmann (NZZ 11.3.) fragt nach dem „Rätsel, weshalb die AS Roma in der laufenden Meisterschaft völlig abgestürzt ist. Nach 24 Runden liegt die Mannschaft, die 2001 den Titel gewann und vor einem Jahr zur gleichen Zeit punktgleich mit Inter die Tabelle anführte, hoffnungslos abgeschlagen auf Platz 8 mit 17 Punkten weniger auf dem Konto als letzte Saison. Ein freier Fall, vergleichbar vielleicht mit Bayer Leverkusen, auch wenn die Römer, im Unterschied zur deutschen Aspirin-Werkgruppe, in kaum veränderter Besetzung spielen. Eine Erklärung gibt es: Die Squadra des Erfolgstrainers Fabio Capello, der mit 4 Millionen Euro netto (annähernd 6 Millionen Franken) das höchste Jahreseinkommen der Branche hat, ist völlig von ihrem Spielmacher Francesco Totti abhängig. Die Statistik zeigt, dass die AS Roma von den 15 Spielen ohne die Nummer 10 nur 3 gewinnen konnte. Totti kehrte im Derby nach einer Grippe und einem Hexenschuss wieder in die Startaufstellung zurück. Zuvor hatte der 28-Jährige, der mit zwölf Treffern auch ein Drittel der Tore gleich selber beisteuerte, an Schäden in beiden Knien und diversen Muskelproblemen gelitten. Aber dank Totti hat die AS Roma, wenigstens bis am Dienstagabend, bis zum Spiel in London gegen Arsenal, noch eine europäische Zukunft. In der Zwischenrunde der Champions League entlockte Totti mit seinem meisterlichen Siegestor gegen Real Madrid sogar dem verwöhnten Bernabeu-Publikum einen spontanen Applaus, und am 26.Februar riss er mit seiner „Doppietta“ zum 3:0-Erfolg in Valencia die Mitspieler aus einer monatelangen Lethargie. Zu lange hatten Capello und vor allem der greise, geschwätzige Präsident Franco Sensi die Gründe des Niedergangs nicht im eigenen Leistungsdefizit erkannt, sondern ein theatralisches Komplott der Schiedsrichter und des „Palazzo“, des Lega-Chefs Adriano Galliani und des Verbandsführers Franco Carraro, gegen die AS Roma erfunden. Die Verschwörungstheorien Sensis wirkten besonders erheiternd, weil der steinreiche Roma-Boss, der die grössten Treibstofflager des Landes und in Rom ganze Wohnviertel besitzt, vor zwei Jahren sämtliche Schiedsrichter der SerieA mit Rolex-Uhren beschenkt hatte (die sie, unwillig, wieder an den Spender zurückgeben mussten). Sensi spielt sich gern als Robin Hood der Kleinen auf, als Kämpfer gegen die Machthaber im Norden, gegen Juventus, Inter und Milan, doch hat er selber vor vier Jahren mit der Idee des Splittings der Fernseheinkünfte, das die kleineren Klubs benachteiligt, wesentlich zur Existenzkrise des Calcio beigetragen. Der typisch italienische „Vittimismo“, die Mischung aus Opferhaltung, Selbstmitleid und dem Reflex, die Schuld bei andern zu suchen, zog die Mannschaft nur noch tiefer in die Abwärtsspirale.“

Stefan Hermanns (Tsp 11.3.) über die Überraschungself der diesjährigen Saison. „Ajax Amsterdam besitzt seit langem den Ruf, die beste Nachwuchsausbildung der Welt zu betreiben. Doch obwohl der Klub das System nahezu perfektioniert hat, garantiert es keine gleichbleibend hohe Qualität. Selbst bei Ajax gibt es gute Jahrgänge – und nicht ganz so gute. Der aktuelle ist nach einigen nicht ganz so guten ohne Zweifel ein sehr guter. Schon heute, im vorletzten Zwischenrundenspiel gegen den FC Valencia, kann sich Ajax für das Viertelfinale der Champions League qualifizieren. „Wir können noch immer rechnen“, sagt Trainer Ronald Koeman, „das ist mehr als wir erwartet hatten.“ Es wäre das erste Mal seit 1997, dass Ajax unter die besten Acht Europas käme. Von den 16 Zwischenrunden-Teilnehmern ist Ajax der bei weitem jüngste. Das Durchschnittsalter der Mannschaft, die Arsenal vor drei Wochen in London ein 1:1 abgetrotzt hat, lag bei gerade mal 22 Jahren. „Die Jungs scheinen alle sehr klein und fast fragil zu sein”, sagt Dennis Bergkamp, „aber jeder Einzelne von ihnen ist ein guter Spieler”. Cristian Chivu zum Beispiel, der Kapitän aus Rumänien, der Interviews nur auf Englisch gibt und sich seiner Position gemäß sehr staatsmännisch verhält. Chivu ist 22. Oder Rafael van der Vaart, 20, Nationalspieler und schon in der vorigen Saison Ajax’ bester Torschütze. Oder Wesley Schneijder, auch erst 18 und eine außergewöhnliche Begabung mit besten Aussichten, der nächste holländische Superstar zu werden. Oder, oder, oder. Wegen seiner Erfolge wird das Team bereits mit der legendären Ajax-Elf verglichen, die 1995 die Champions League gewann. Im Moment fällt das Ergebnis solcher Vergleiche noch eindeutig zu Gunsten des 95er-Teams um die jungen Davids, Seedorf und Kluivert aus.“

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Themen: veränderte Finanz- und Transferpolitik in der Bundesliga – die Lage beim Aufsteiger OsnabrückBeckham gerät in den Präsidentenwahlkampf von Barcelona

Christoph Biermann (SZ 12.6.) erkennt deutliche Veränderungen in der Transferpolitik von Bundesligaklubs. „Die Situation ist festgefahren, weil fast alle Klubs ihre Kader reduzieren und Personalkosten senken wollen. Mit 559 Millionen Euro sind die Klubs nach Angaben der Deutschen Fußball Liga (DFL) verschuldet. Neue Spieler werden meist erst verpflichtet, wenn vorher Stellen abgebaut wurden. So ist inzwischen selbst beim Wechsel aus laufenden Verträgen der Verzicht auf Ablösezahlungen üblich, wie etwa bei Niko Kovac’ Transfer vom FC Bayern zu Hertha BSC. Wenn nicht sogar Abstandssummen wie im Fall Ojigwe fällig werden, um die Kosten zu senken. In der Bundesliga hat die Deflation eingesetzt. Der neue Geiz ist angesichts des Schuldenstandes bei zugleich sinkenden Einnahmen notwendig. Die Panik nach einem missratenen Saisonstart wird im Herbst mit Sicherheit bei einigen Blockaden lösen. Also wird sich das Transfergeschäft, dessen Höhepunkt in den Vorjahren im Frühling lag, nach hinten verschieben. Bis dahin ist es für Spieler und Berater ein Nervenspiel. Bayer Leverkusen ist von der Situation dramatisch betroffen und muss sich wie ein Anleger am Neuen Markt zu Zeiten des großen Kurssturzes vorkommen. Die Mannschaft gründlich umbauen und gut 25 Millionen Euro sparen will der Klub. Noch vor Jahresfrist wäre das mit einem oder zwei Transfers leicht möglich gewesen. Für Bernd Schneider gab es damals ein Angebot des FC Barcelona, der 15 Millionen Euro zu zahlen bereit war. Der brasilianische Verteidiger Lucio wurde sogar mit 40 Millionen Euro gehandelt. Angesichts der Überschuldung in Spanien und Italien sind die Hoffnungen auf solche Beträge geplatzt (…) Ob Jan Simak, Christoph Preuß oder der Brasilianer Franca, Bayer hat etliche Optionen, in Weggänge zu investieren.“

Unterschiedlicher können Fußballfunktionäre kaum sein

Harald Pistorius (FR 12.6.) gratuliert zum Aufstieg. “Er gehörte zum Inventar der Zweiten Fußball-Bundesliga, spielte meist jenseits von Gut und Böse und machte vor allem Schlagzeilen durch spektakuläre Trainer-Rausschmisse. Der VfL Osnabrück war zwei Jahrzehnte lang eine Tochter der Unternehmensgruppe Piepenbrock. Hartwig Piepenbrock bezahlte an der Bremer Brücke die Kapelle und bestimmte ganz allein die Musik. Bis er 1996 die Lust am teuren Spielzeug verlor, seinen sportlichen Lebenstraum vom Aufstieg in die Bundesliga begrub und den Verein mit einem bösen Satz in die Unabhängigkeit entließ: Die Regionalliga ist ein Gefängnis, aus dem es kein Entrinnen gibt… Am Pfingstsonntag hat der VfL Osnabrück seinen Ehrenpräsidenten zum zweiten Mal nach 2000 Lügen gestraft. Doch diesmal soll die zweite Liga kein einjähriges Intermezzo sein, jetzt will sich der Verein dort etablieren, wo er nach seinem Selbstverständnis hingehört. Dass der Verein sich den Aufstieg erneut erarbeitet hat, ist eine beachtliche Leistung. Während andere Traditionsclubs wie Fortuna Köln, Darmstadt 98, Stuttgarter Kickers oder Fortuna Düsseldorf den Strukturwandel des Profifußballs nicht überstanden haben und abgerutscht sind, ist Osnabrück noch immer ein Standort mit Chancen. Seit dem Ende der Ära Piepenbrock hat der Verein mit Basisnähe und Familiengeist das Publikum der Region erobert. Seit 1998/99 liegt der Zuschauerschnitt stets um 10 000. Doch ohne zahlungsfreudigen Mäzen und ohne dominanten Hauptsponsor war das Wirtschaften schwer. Wir sind oft totgesagt worden, sagt Präsident Dirk Rasch. Der ehemalige Geschäftsführer eines Buchverlages führt den Club seit 1997, zusammen mit dem Gastronomen Dieter Prütz. Unterschiedlicher können Fußballfunktionäre kaum sein: Hier der feinsinnige Gourmet Rasch, ein linksliberaler Schöngeist, der Che Guevara zitiert und Solidarität als höchsten Wert preist. Dort der hemdsärmelige Selfmademan Prütz, ein entschlossener Macher mit Tendenz zum Poltergeist, der Geld heranschaffen kann und lieber aneckt als seine Meinung zurückzuhalten. Einig sind sich die beiden in ihrer Leidenschaft für den VfL, den sie schon als Jugendliche von den Stehrängen anfeuerten.“

Hauptquartiere wie Parteizentralen

„Eines haben sie beim FC Barcelona schon immer besser als anderswo gemacht: Viel Lärm um nichts. In diesen Tagen übertreffen sie sich darin selbst“, schreibt Ronald Reng (BLZ 12.6.) über die mit dem Barceloneser Präsidentenwahlkampf verbundenen Transfergerüchte um David Beckham. „Präsidentschaftswahlen in spanischen Fußballklubs sind einzigartig, sie werden wie politische Wahlkämpfe betrieben. Insgesamt rund sechs Millionen Euro investieren die ehemals neun, nun noch sechs Kandidaten in Barcelona für ihre Kampagnen, sie haben Hauptquartiere eingerichtet wie Parteizentralen, und überall in der Stadt kleben ihre Poster: „Zuerst: Barca. Joan Laporta“ – „Wir gewinnen. Lluís Bassat.“ 94.339 Vereinsmitglieder entscheiden am Sonntag an den Urnen über den Nachfolger von Joan Gaspart, der in nur drei Jahren den 16-maligen spanischen Meister sportlich wie finanziell dem Ruin nahe brachte. Lluís Bassat, 62 und Besitzer einer großen Werbeagentur, ist der übermächtige Favorit; das hat es ihm erlaubt, als einziger die Vernunft zu bewahren in diesem Wahlkampf. Die Anstrengungen der anderen haben zu den skurrilsten Aktionen geführt, nicht immer hatten sie Stil. Tausende Unterschriften, darunter die des Ministerpräsidenten von Andorra (und zwar gleich zweimal), wurden gefälscht, um die erste Hürde, die Empfehlung von 1529 Wahlberechtigten, zu erreichen. Kandidat Llauradó wurde antisemitisch ausfallend gegen Bassat. Laportas Abkommen mit United für einen Transfer Beckhams ist der vorläufige Höhepunkt des Fiebers. So wie Florentino Pérez im Jahr 2000 die Präsidentschaft von Real Madrid gewann, indem er die Verpflichtung des damals weltbesten Spielers, Luís Figo, versprach, versuchen die Kandidaten in Barcelona nun, die wählenden Fans damit zu ködern, sie würden ihnen den größten Star schenken. Glaubt man alles, was die Kandidaten bislang erzählten, spielen in der kommenden Saison 143 Superstars in Barcelona, von van Nistelrooy über Makaay bis eben zu Beckham. Nur Klaus Toppmöller, der derzeit beschäftigungslose rheinländische Trainer, band sich leider an den falschen Kandidaten. Jordi Medina präsentierte ihn als seinen Trainer – und schied am nächsten Tag aus, weil er die 1529 Empfehlungen nicht zusammenbrachte.“

Vertragliche Verfügungsmasse für wechselnde Unternehmensziele

Christian Eichler (FAZ 12.6.) kritisiert die Vorgehensweise der englischen Vereinsverantwortlichen. „Byebye, Becks: Das war der Kern der Meldung, in der Manchester United, ein sonst in Verhandlungssachen höchst diskretes Unternehmen, herausposaunte, man sei über einen Beckham-Transfer einig mit, ja wem? Nicht mit dem FC Barcelona, sondern mit einem, der gern am Sonntag dort Präsident werden will. Das war eine eiskalte Scheidung; eine, von der der andere aus der Zeitung erfährt. Beckham hat sich aus Amerika prompt enttäuscht und überrascht geäußert. Niemand sollte aber nun Überschriften wie Beckham nach Barcelona glauben. Barcelona ist nur ein Geplänkel, das die Verhandlungsposition von Manchester verbessert (vielleich auch die Wahlchancen eines gewissen Laporta). Nun, da man einen ersten Angebotspreis in Umlauf gebracht hat (gerüchteweise rund 40 Millionen Euro), gibt United die verhandlungstaktische Heuchelei auf, man wolle den Star unbedingt halten. Der kostet zuviel, paßt nicht mehr ins taktische Konzept und soll nach dem Willen des durch den Meistertitel wiedererstarkten Ferguson weg sein, ehe im Sommer die Vorabdrucke von Beckhams Autobiographie erscheinen. Und der erwartete Aufschrei bei Fans, Kollegen, Aktionären? Nur geschäftiges Tuscheln. Der Börsenkurs stieg nach der Meldung um vier Prozent (…) Die bizarre Auktion, die bevorsteht, könnte eine der letzten, heftigsten Zuckungen des guten alten Transfermarktes sein. Dessen Mechanismen sind längst von den Regeln der Rezession überholt. Es sind nur noch ein paar solvente big player übrig, und die schielen nun gierig auf den Happen, den Manchester in die Mitte geworfen hat. Längst ist der Mensch in diesem kalten Fußball-Monopoly nicht mehr nur Sportler, auch Werbeträger, Wahlkampfhelfer, Medienmarionette. Er ist einem globalen Trend unterworfen, der die Rolle des Arbeitnehmers immer mehr wandelt: vom menschlichen Mitarbeiter zur vertraglichen Verfügungsmasse für wechselnde Unternehmensziele. Der Unterschied zu anderen Angestellten: Bei einem Beckham gefährdet ein Rausschmiß nicht die Existenz. Er fördert die Prominenz.“

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