Donnerstag, 25. März 2004
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Jörg Berger bei Alemannia Aachen in der Erfolgsspur – Stefan Kuntz hofft bei LR Ahlen u.a.
Schon toll, was hier entstanden ist
Jörg Stratmann (FAZ 10.11.) hat Jörg Berger, Trainer von Alemannia Aachen, ins Gesicht geschaut: „Daß Bergers Miene stets diesen skeptischen, oft bekümmert wirkenden Zug trägt, mag an der jahrelangen Erfahrung liegen. Vor allem, weil der notgedrungen weitgereiste Berger auf seinen beruflichen Stationen bei abstiegsbedrohten Klubs zumeist der Arbeitsplatzbeschreibung Feuerwehrmann gerecht werden mußte. Das prägt. Und das galt lange auch in Aachen, wo es Berger kurzerhand zum Wunder erklärte, als er im vorigen Jahr den Abstieg aus der Zweiten Liga knapp vermied. Trotz der Erlebnisse bei Vereinen, die ganz unten gestanden und kein Konzept, keine Ruhe und eine zu hohe Sensibilität gehabt hätten – so etwas wie bei der Alemannia habe er noch nie erlebt. Denn, so brachte er die boulevardeske Betrugsaffäre am Tivoli auf den Punkt: Wie solle man Spieler herlocken, wenn dort andere im Knast hocken, Koffer verschwinden, die Polizei vor der Tür und kein Geld da ist. Seitdem blieben nicht nur Klassenverbleib und Lizenz gewahrt. Mit einem Etat von nur noch sieben Millionen Euro, zwei Millionen Euro weniger als zuvor, dazu der Vorgabe, immer noch 2,51 Millionen Euro Schulden abzubauen, schaffte es die Mannschaft nun abermals auf Rang eins der Tabelle. Zusätzlich wurde Bundesligaklub 1860 München aus dem Pokalwettbewerb geworfen. Eigentlich eine Menge Gründe, auch einmal zufrieden lächelnd Zwischenbilanz zu ziehen. Der so grüblerisch wirkende Berger versuchte es. Nachdem er den Sieg über München wie weiland Weltmeister Franz Beckenbauer bei einem stillen Spaziergang über den Rasen abseits des Trubels genossen hatte, freute er sich zumindest kurz für alle, die hier nach der Krise in Ruhe weitergearbeitet haben. Denn ich vergesse nicht, wo wir waren vor eineinhalb Jahren. Auch Mannschaftsführer Karlheinz Pflipsen, der selbst einst mit der Sammelbüchse in der Aachener Fußgängerzone gestanden hatte, erging sich gern in Erinnerungen. Schon toll, was hier entstanden ist, schwärmte der Profi.“
Ulrich Hartmann (SZ 10.11.) drückt Stefan Kuntz, Trainer bei LR Ahlen, die Daumen: „Stefan Kuntz muss auf seiner vierten Trainerstation weiter mit Entlassung oder Abstieg rechnen. Ersteres ist ihm vor einem Jahr in Karlsruhe passiert, Letzteres im Sommer in Mannheim. Kuntz schämt sich dieser Misserfolge nicht, sondern stilisiert sie lieber zum Lebensmotto hoch: „Ich habe es mir noch nie leicht gemacht“, sagt er. Und vor diesem Hintergrund hat er sich mit dem launigen Retortenklub LR Ahlen natürlich genau den richtigen ausgesucht. Kuntz ist der siebte Trainer im vierten Zweitliga-Jahr bei LR Ahlen. In der westfälischen Provinz zwischen Münster, Bielefeld und Hamm hat man seit dem Sprung ins Profigeschäft noch nie auf Kontinuität gesetzt. Jupp Tenhagen, Peter Neururer, Uwe Rapolder und zuletzt Werner Lorant hießen die wichtigsten Übungsleiter, die alle nur auf sehr überschaubare Amtszeiten gekommen sind. Und schon droht wieder Ungemach. Die Mannschaft ist Letzter, und da wäre es in Ahlen jetzt eigentlich traditionell an der Zeit, sich vom Trainer zu trennen. Doch das ist bislang nicht passiert. Im Gegenteil. Der Verein hat sich ausdrücklich zu Stefan Kuntz bekannt. Präsident Spikker hat mitgeteilt, man wolle mit Kuntz weiter arbeiten, „bis dass der Tod uns scheidet“. In jedem Mafiafilm wäre das eine lustige Pointe – in diesem Fall jedoch wollte man Vertrauen suggerieren, das diesem Verein allerdings keiner so richtig abnehmen mag. Wenn neuerdings vom Richtungswechsel die Rede ist, von langfristiger Planung und der Integration vereinseigener Talente, dann wiederholen die Vorstandsmitglieder nur das, was sie schon gesagt haben, als der Trainer Rapolder vor zwei Jahren aus Mannheim nach Ahlen gewechselt war, um die Strategie der ständigen Zukäufe durch langfristige Nachwuchsarbeit zu ersetzen. Das Thema hatte sich zwölf Monate später erledigt, als Ahlen in der Abstiegszone überwinterte und danach als Retter den launigen Werner Lorant präsentierte. Nun hat der sanfte Stefan Kuntz das Sagen. Er geht mit seinen Spielern in die Fabrik und ins Kino – genützt hat das bislang nichts. Es geht in Ahlen nämlich drunter und drüber seit Saisonbeginn. Viele Fußballer haben sich verletzt oder ihr Potenzial nicht ausgeschöpft. Die Bundesliga-erfahrenen Zoran Mamic, Ansgar Brinkmann, Pawel Wojtala oder Daniel Felgenhauer haben die Erwartungen nicht erfüllt. Der Manager Joachim Krug ist suspendiert worden, weil er Trainer Kuntz nicht davor bewahren konnte, beim Pokalsieg in Siegen vier Nicht-EU-Ausländer einzuwechseln. Da im Pokal nur drei erlaubt sind, ist Ahlen vom DFB disqualifiziert und der Manager vom Verein beurlaubt worden. Rausgeschmissen haben sie ein paar Wochen später auch noch die Spieler Samuel Ipoua und Ansgar Brinkmann. Über Letzteren erzählt man sich, es soll zu Handgreiflichkeiten zwischen ihm und Präsident Spikker gekommen sein. In allen drei Fällen jedenfalls hat man in Ahlen wieder zuverlässig aufgezeigt, wie unsicher der Arbeitsmarkt dort ist.“
Wer glaubt, er macht auf dicke Hose, der täuscht sich
Siegbert Heid von der Friedrich-Ebert-Stiftung hört und sieht genau hin: „In einem vor einiger Zeit übertragenen Zweitligaspiel Alemannia Aachen gegen Spvgg. Unterhaching glaubte der Reporter, auf zwei Spieler näher eingehen zu müssen. Als der Aachener Spieler für sein 450. BL-Spiel geehrt wurde, hob er dessen Bescheidenheit mit den Worten hervor: „Wer glaubt, er macht auf dicke Hose, der täuscht sich.“ Der untere Bereich des Körpers, der erwiesenermaßen für einen Fußballspieler besonders wichtig ist, wurde zudem mit den Worten gewürdigt: „Der hat so dicke Oberschenkel wie Dolly Buster oben herum.“ Der brasilianische Gegenspieler Copado hatte dafür offensichtlich keinen Blick. Völlig unzutreffend, denn ich habe das Spiel ja auch gesehen, erzählte der Mann am Mikrofon den Unbedarfteren unter uns, dass „er immer mit den Augen am Spielgerät sei.“ Da ich außer dem für alle 22 Spieler gedachten Ball kein anderes Spielgerät erkennen konnte, muss ich sagen, hier irrte sich unser wackerer Berichterstatter. Gerechterweise muss man sagen, dass sich auch Trainer irren können. Eine schöne Szene soll aus dem Spiel Eintracht Frankfurt – Borussia Dortmund aufgehoben werden. Frankfurts Trainer Willi Reimann muss von seinem letzten Korea-Besuch sehr beeindruckt gewesen sein. Über eine Spielsituation im Dortmunder Strafraum urteilte er: „ Cha hat gesagt, er sei klar gefoult worden. Und er kommt aus einem Land, wo die Menschen gut erzogen sind und die Wahrheit sagen.“ Im Fernsehen konnte man aber erkennen, dass Du-Ri Cha im Dortmunder Strafraum ohne gegnerische Einwirkung zu Fall kam. Was folgern wir daraus? Cha muss auf seinem Weg von Korea nach Frankfurt über krumme Touren gekommen sein.“
Christian Eichler (FAS 9.11.) schaut nicht in die Glaskugel, sondern in die Bibel: „Es ist ein langer Weg zurück nach oben. Ob der erste Schritt gegen Frankreich gelingt? Auch da spricht die jüngste Statistik nicht für die Deutschen. Deren Bilanz seit der WM 2002: sieben Siege, fünf Remis, drei Niederlagen, 23:15 Tore. Die der Franzosen: 16 Siege in 18 Spielen, 52:8 Tore. Vorerst also sollte man den deutschen Fußball nicht in einen Topf mit den Besten werfen. Doch zumindest für bibelfeste Ballfreunde besteht Hoffnung. Nach sieben fetten Jahren 1990 (WM-Sieg) bis 1996 (EM-Sieg) wären sieben magere (1997 bis 2003) bald überstanden. Und dieser seit Moses bekannte Zyklus ist ja nicht irgendein Zahlenspielchen aus der ran-Datenbank – sondern die älteste Statistik der Welt.“
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Sonstiges
sehr lesenswert! Die Zeit veröffentlicht ein Kapitel aus Marcel Reifs Autobiografie – Ultras haben in deutschen Stadien an Bedeutung, Macht und Stimme gewonnen (taz) – „bei Manchester United könnten Leute das Sagen bekommen, die mit Fußball nicht viel am Hut haben“ (FR) – Bernd Hölzenbein, der Jet von Frankfurt, klärt Holländer auf u.v.m.
So, als wäre es die Parade eines Siegers
Sehr lesenswert! Die Zeit (19.2.) veröffentlich ein Kapitel aus Marcel Reifs Autobiografie: „Im Jahr 1994 starb mein Vater. Im Mai hatte er dem Krebs in seinem Magen nichts mehr entgegenzusetzen, und wie immer in solchen Momenten gab es plötzlich so vieles, worüber ich gern noch gesprochen hätte. Oder zumindest weiter mit ihm geschwiegen, wie wir es so lange getan hatten. Ich erinnere mich daran, wie mir fast 30 Jahre zu- vor der Brief ins Auge gefallen war. Auf einen Blick konnte ich erkennen, dass es keine Geschäftspost war, und ich wunderte mich darüber, dass mein Vater ihn mir nicht gezeigt hatte. Eigentlich war es nämlich üblich, dass er seinen fast volljährigen Sohn ums Gegenlesen bat, bevor er einen Brief abschickte. Sein gesprochenes Deutsch war gut, aber beim Schreiben schlichen sich Fehler ein, die ich auszubügeln hatte. Nun lag dieser Brief auf seinem Schreibtisch, und ich begann ihn zu lesen. Adressiert war das Schreiben an die Welt, ein Leserbrief also an die Tageszeitung, die mein Vater damals abonniert hatte. Über zwei Seiten, geschrieben in gestochener Handschrift, mit sehr vielen Fehlern. Doch sie waren ihm offensichtlich egal gewesen. Einige Tage zuvor hatte er in Heidelberg auf der Straße Albert Speer gesehen. Speer war der Architekt gewesen, der Hitlers größenwahnsinnige Visionen in Gebäude und Städte umsetzen und Germania bauen sollte, die phänomenale Hauptstadt des großdeutschen Reiches. Im Zweiten Weltkrieg wurde Speer dann Rüstungsminister und saß anschließend als Kriegsverbrecher in Berlin-Spandau ein. In der Haft hatte er seine Lebenserinnerungen geschrieben, die später ein großer Erfolg wurden. 1966 war er entlassen worden und nach Heidelberg zurückgekehrt. Die Empörung meines Vaters hatte weniger damit zu tun, dass er Speer noch weiter inhaftiert sehen wollte. Ihn hatte wohl eher die Haltung des Mannes aus der Fassung gebracht, der als ehemaliger Täter stolz, gerade und ungebeugt durch die Straßen ging. So, als wäre es die Parade eines Siegers, während die Opfer ihr Leid nie vergessen konnten. Mich überraschte das nicht. Es gibt Räume in großen alten Häusern, die für Kinder ganz besonders spannend sind; man hat sie nie betreten und stellt sich Drachen oder Feen hinter der Tür vor. Auch bei uns gab es diese geschlossene Tür, nur war mir klar, was dahinter war, und eigentlich mochte ich keinen Blick durchs Schlüsselloch werfen. Ich weiß nicht, ob mein Vater den Brief wirklich abgeschickt hat. Als ich ihn las, kam es mir jedoch so vor, als wäre er sowieso nicht an eine Zeitung adressiert, sondern an die Geschichte: „Sehr verehrte Geschichte, wie kannst du es zulassen, dass jemand, der…“ Es war der Beschwerdebrief an eine Historie, über die bei uns zu Hause nie gesprochen wurde, weil sie zu grausam, blutig und leidvoll war. Mit der wir lebten, ohne sie auch nur einmal zu erwähnen. Ich habe viele Juden kennen gelernt, die jammerten wie an der Klagemauer. Das ist keine Abwertung, es war eben ihr Umgang mit einem Grauen, in das sich niemand hineinversetzen kann, der es nicht selbst überlebt hat. Mein Vater hingegen schwieg, und an dieses Schweigen ist in unserer Familie nie gerührt worden. Mir war klar, dass es für ihn schrecklich gewesen wäre, über seine Erlebnisse zu sprechen, und der Tag, an dem das geschähe, sich in furchtbares Elend verwandeln würde. Ich wollte aber, dass es meinem Vater und mir mit ihm gut ging. Allein deshalb wäre ich nie auf die Idee gekommen, ihn zu bitten: „Jetzt erzähl doch mal.“ Welches Zeitzeugnis hätte ich mir denn bei ihm abholen sollen? Wie seine engsten Familienmitglieder verschleppt wurden und nie mehr zurückkamen? Oder wie er erlebt hatte, dass irgendwelche SS-Schergen Kinder an die Wand geklatscht haben? Vielleicht sogar seine kleine Schwester?“
Christoph Ruf (taz 19.2.) schreibt über die gewachsene Bedeutung der Ultras in den Stadien: „Eine halbe Stunde vor Spielbeginn setzen im D1-Block die Gesänge ein. Das branchenübliche Gedudel aus den Boxen nimmt hier keiner wahr, die Stimmung machen wir selbst, erklärt Manuel Haas von der Ultra-Gruppe Phönix Sons. Unter Fansein verstehen wir etwas anderes als zum Anton aus Tirol die Arme zu heben und sich jedes Jahr das neue Trikot zu kaufen, erklärt Fanclub-Kollege Tom Beck das Selbstverständnis in der Kurve. Ihre Fanartikel entwerfen sie selbst, unter der Woche werden in einer Turnhalle bis zu 50 Meter lange Transparente und Papptafeln vorbereitet, die – in der richtigen Anordnung und zum richtigen Zeitpunkt hochgehalten – eine der in der Szene so beliebten Choreografien ergeben. Tagelange Kleinarbeit für zehn Sekunden Glückseligkeit. Doch der aufwändige Support sei nur das äußere Erkennungsmerkmal der Szene, so Tom, der Vokabeln wie Widerstand und Rebellion gebraucht, wenn er über sein Selbstverständnis als Ultra spricht. Die Leute, die den Fußball durchorganisieren, wollen unsere Stimmung als Kulisse für die Kameras, aber nicht unseren Widerspruch. Mit Gruppierungen wie BAFF, der 1993 gegründeten kritischen Fanorganisation, sei man inhaltlich zu 75 Prozent einig. Dort habe man allerdings zu lange ignoriert, dass eine neue Fan-Generation nachgewachsen sei, die sich anders artikuliere. Tom, der stolz behauptet, dass die organisierten Rechten bei uns keine Chance mehr haben, will nicht die Politik über die Kurve stülpen, aber auch er stellt den Jüngeren Fragen: Warum kann der Bulle dich einfach so zusammenknüppeln? Die Antwort sei politisch. Ob Versitzplatzung, Kommerzialisierung oder Repression durch Polizei und Ordnungsdienst – was bereits in den Achtzigern angeprangert wurde, stößt nun bei den Ultras auf erbitterte Gegenwehr. Michael Gabriel von der Koordinierungsstelle der Fanprojekte in Frankfurt bestätigt, dass die Ultras in den letzten Jahren landesweit immer zahlreicher geworden sind. In der zweiten und dritten Liga, auch in Frankfurt, Hannover, Stuttgart und bei Bayern München gebe es starke Ultra-Gruppen, nur bei sehr traditionellen Fanszenen wie in Offenbach oder Schalke haben sie es ganz schwer. Ultras sind auch innerhalb der Fanszenen nicht unumstritten. Vor allem wirft man ihnen vor, sie nutzten das Stadion nur als Bühne zur Selbstdarstellung. Dass Sport und Fankultur sich entkoppelt haben, und mehr in die gegnerische Kurve als auf den Platz geschaut wird, hat auch Gabriel festgestellt – was Phönix Son Manuel nicht abstreitet: Wir zelebrieren unsere eigene Show, da ist 50 Prozent des Einsatzes für die eigene Gruppe. Das Bild vom kritiklosen Fahnenschwenker, der noch den peinlichsten Fehlpass mit niemals endendem Gesang unterlegt, empört ihn dennoch: Einzelne Spieler bejubeln wir aus Prinzip nicht. Beim nächstbesten Angebot würde doch jeder von denen in die Bundesliga wechseln, das sind eben nur Angestellte des Vereins. Der logische Folgesatz Der Verein sind wir bleibt zwar unausgesprochen. Er schwingt aber mit, wenn Tom über den sportlichen und finanziellen Niedergang seines Vereins spricht: Dass der KSC trotzdem an Attraktivität gewonnen hat, ist nur uns zu verdanken.“
„Bei Manchester United könnten Leute das Sagen bekommen, die mit Fußball nicht viel am Hut haben“, warnt Raphael Honigstein (FR 19.2.): „Wenn es um existenzielle Dinge geht, lassen sich die eigentlich stoischen Engländer nicht lange zu Protesten bitten: Vor zwei Jahren legten Aktivisten mit einer Blockade die Benzinversorgung des ganzen Landes lahm, weil ihnen der Ölpreis zu hoch erschien; 400 000 Menschen marschierten im September 2002 gegen das Fuchsjagdverbot durch die Hauptstadt, vergangenes Jahr schwappte eine riesige Protestwelle gegen den Irak-Krieg durchs Land und vor zwei Wochen kraxelten in Bristol, London und Newcastle ein Dutzend nicht mehr ganz junger Männer in Superheldenkostümen auf Autobahnbrücken, damit sie die Scheidungsrichter mehr Zeit mit ihren Kindern verbringen lassen. Für den nächsten Monat plant die Independent Manchester United Supporters Association (Imusa) einen ähnlichen Stunt: Beim Cheltenham Festival, einem der wichtigsten Pferderennen der Saison, will der Fanclub mit Bannern und Störaktionen Stimmung gegen John Magnier und JP McManus machen. Die Rennpferd-Milliardäre haben nach einem neuerlichen Zukauf ihre Anteile an United vergangenen Mittwoch auf 28,89 Prozent erhöht; nur noch ein Prozent mehr, und die Gesetze der Aktienaufsichtsbehörde würden ein Übernahmeangebot vorschreiben. Nicht nur der United-Vorstand (Wir haben ehrlich gesagt keinen blassen Schimmer, was die vorhaben) ist besorgt. Weil Alex Ferguson mit seinen ehemaligen Geschäftspartnern vor Gericht um etwa 75 Millionen Euro für Decktaxen des Preishengstes Rock of Gibraltar streitet, wird die Einlassung der Iren von der Basis als persönliche Vendetta gegen den Trainer interpretiert. Der Druck der schwerreichen Coolmore Mafia hat zwar nicht gereicht, um Sir Alex aus dem Amt zu jagen, doch der Schotte musste sich peinliche Fragen zu Transfer-Kommissionen gefallen lassen sowie eine Vertragsverlängerung zu deutlich schlechteren Konditionen akzeptieren. 7,5 Millionen Euro jährlich bis 2007 hätte das Salär betragen sollen, jetzt wurden es sechs Millionen. Magnier und McManus sind geldgierige Spekulanten, die kein Interesse an Manchester United haben, keine Fans sind, keine Spiele besuchen und sich nicht um die Interessen des Vereins sorgen, hieß es auf einem Imusa-Flugblatt. Der Unmut der Fans könnte die Falschen treffen, denn seit ein paar Tagen macht ein neuer Akteur den Iren die Rolle des Bösewichts streitig. Nachdem Malcolm Glazer seine United-Anteile auf 16,3 Prozent erhöht hat, rechnet man im Londoner Finanzbezirk mit einem Übernahmeangebot des reichen US-Amerikaners. Die Aufsichtsbehörde sah sich am Montag veranlasst, eine offer period für United vorzuschreiben: Bis Glazer, der die NFL-Mannschaft Tampa Bay Bucaneers besitzt, sich konkret für oder gegen eine Übernahme ausspricht, dürfen Vorstandsmitglieder nicht mit Aktien handeln, und der Club muss seine 37 000 Anteilseigner ständig über die Entwicklungen informieren.
Mutter aller Niederlagen
Was macht Bernd Hölzenbein in Holland? Christoph Biermann (SZ 19.2.) sagt es uns: „In der ersten Nacht schläft Bernd Hölzenbein schlecht. Sein Hotel liegt am Ende von Rotterdams Straßenbahnlinie Nummer 5. Die Eisenräder der Bahnen kreischen, weil die Schienen dort einen Bogen machen. Hölzenbein macht kein Auge zu. Am nächsten Morgen fährt er mit seiner Frau ans Meer, am Nachmittag interviewt ihn ein holländisches Fernsehteam. Die Frager sind gut vorbereitet; sie wissen sogar, was Hölzenbein am Morgen des 7. Juli 1974 zum Frühstück gegessen hatte. Später an jenem Tag vor fast drei Jahrzehnten hatte Hölzenbein Fußball gespielt. In der 26. Minute des Spiels war er von der linken Seite mit dem Ball am Fuß in den Strafraum gelaufen. Ein Gegenspieler hatte den Ball wegzuspitzeln versucht, Hölzenbein war gestürzt, der Schiedsrichter hatte Elfmeter gepfiffen. Paul Breitner verwandelte den Strafstoß zum 1:1 im Endspiel der Weltmeisterschaft zwischen Deutschland und Holland, das die Mannschaft von Helmut Schön schließlich mit 2:1 gewann. Holland ist besessen von diesem Spiel. Die Psychologin Anna Enquist nennt es die „Mutter aller Niederlagen“. Seit dem Finale von München ist die holländische Sprache um ein deutsches Wort bereichert: „Schwalbe“. Vielleicht hat Hölzenbein nicht allein wegen der quietschenden Straßenbahn kaum geschlafen. Abends sitzt er auf der kleinen Bühne des Goethe-Instituts in Rotterdam. Dort wird es über das ganze Jahr hinweg Veranstaltungen zum deutsch-holländischen Fußballverhältnis geben, das problematisch zu nennen eine freundliche Untertreibung wäre. Andererseits: Wie könnte man sich besser näher kommen, als im Gespräch über das, was so viele Menschen in beiden Ländern beschäftigt. Also, war es eine Schwalbe? „Wenn ein englischer Schiedsrichter einen Elfmeter für eine deutsche Mannschaft gibt, muss es einer gewesen sein“, sagt Hölzenbein. Das Publikum lacht. Er sei ein schneller Stürmer gewesen und die Verteidiger oft zu langsam. Überhaupt sei nach dem Spiel der Strafstoß kein Thema gewesen. Mit Wim Suurbier hätte er die Trikots getauscht, niemand hätte ihn der Schauspielerei bezichtigt. Später veröffentlichte Bild ein vermeintliches Geständnis von Hölzenbein, er erwirkte eine Gegendarstellung, aber die Legende war in der Welt. Aber, behauptet Hölzenbein, die Holländer hätten nicht wegen des Elfmeters verloren, sondern weil sie nach ihrer frühen Führung durch den Strafstoß von Neeskens, „versucht haben, uns zu verarschen“. Das Publikum lacht, und Johnny Rep nickt. Der holländische Linksaußen sieht seine Mannschaft nicht als Opfer von Schiedsrichterwillkür. „Wir wollten sie erniedrigen, das hat sie wütend gemacht“, sagt er.“
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Matthias Sammer verliert Kredit in Dortmund – René C. Jäggi feuert Erik Gerets in Kaiserslautern – die Sonntagsspiele in Freiburg und Hannover: Ärger in Leverkusen, ungewohnte Harmonie in Hannover – Robson Ponte, Leverkusener Star (FAS) u.v.m.
Sie sollten sich an finanziellen Gegebenheiten ausrichten, nicht länger am Standesdünkel
Martin Hägele (NZZ 3.2.) schildert die Lage in Dortmund: “Die schwersten Schmerzen, die ein Dortmunder nur bekommen kann, wenn sein Verein gegen den verhassten Nachbarn verliert, haben die schwarz-gelbe Firma ausgerechnet in einem Moment befallen, da niemand mehr die Mechanismen des BVB kontrollieren, geschweige denn die Nachrichten aus der Führungsetage koordinieren kann. Die Geschlossenheit der Chefs war schon während der Hitzfeld-Ära (1991 bis 1997) das Dortmunder Erfolgsgeheimnis. Doch anders als vor sieben Jahren, als der ehrgeizige Niebaum seinen Startrainer Hitzfeld aus egoistischen Gründen geopfert hat, wird das Triumvirat diesmal nach den Gesetzen der Branche zerrissen. „Da man die Mannschaft nicht auswechseln kann, muss man sich vielleicht vom Trainer trennen. Ich sehe keinen Ansatz zur Besserung. Es fehlt an Begeisterung und Leben.“ Wenn Udo Lattek, der als Ziehvater von Matthias Sammer und als enger Freund von Niebaum und Meier gilt, solche Sätze ganz offen im DSF sagt, weiss man schon, wem die Stunde schlägt. Sammer, in seiner ersten Saison 2001/02 als Cheftrainer gleich Deutscher Meister, steht zur Disposition. Kurioserweise kann ihn nur sein Gehalt vor der Kündigung retten. Sammers Abfindung würde Borussia Dortmund geschätzte 7,5 bis 8 Millionen Euro kosten; woher dieses Geld nehmen, nachdem der Klub seinen Professionals bereits die Gehälter gekürzt und Probleme bekundet hat, den laufenden Geschäftsbetrieb zu begleichen? In dieser bescheidenen Lage hilft nur eins. Niebaum und Meier müssen möglichst schnell ein Konzept vorlegen, das Borussia Dortmund sportlich und wirtschaftlich neu ausrichtet. Sie sollten sich an den finanziellen Gegebenheiten ausrichten, nicht länger am Standesdünkel, wonach sie zu den G-14 und ihre Mannschaft zum Stamm der Champions League gehört. Denn ohne einen klaren Orientierungspunkt ist es aus der Krise nicht mehr weit bis zum Chaos.“
1. FC Kaiserslautern: Jäggi feuert Gerets Tsp
SC Freiburg – Bayer Leverkusen 1:0
Wir waren sorglos, arrogant und überheblich
Michael Ashelm (FAZ 3.2.) teilt Leverkusener Enttäuschung und Ärger mit: „Drei Punkte weg, den Anschluß an die Spitze verpaßt und dann auch noch die wichtigste Offensivkraft verloren (Robson Ponte) – schlimmer hätte das Fußballjahr für Bayer Leverkusen gar nicht beginnen können. Dementsprechend harsch gehen nun die maßgebenden Personen auf seiten des Bundesligaklubs mit sich ins Gericht, so selbstkritisch, wie es zuletzt nur in der desaströsen Vorsaison zu hören war, als sich die hoch bezahlte und mit einer ganzen Schar von Nationalspielern ausgestattete Werkself fast in die Zweitklassigkeit verabschiedet hatte. Von Schlafwagen-Fußball sprach Kapitän Jens Nowotny, Torwart Jörg Butt bezeichnete die Leistung der Mannschaft als Rückschlag, während Cheftrainer Klaus Augenthaler ganz schnell zu den arbeitstechnischen Konsequenzen überging: Da müssen wir jetzt Extra-Einheiten einlegen. Wie schwer werden die kommenden Wochen?Nach der respektablen Hinrunde und dem Anliften der Ziele für den zweiten Teil der Saison hat sich die Situation für die Leverkusener plötzlich wieder verändert. Die überraschende Niederlage wirft Fragen auf, die sich in den vergangenen Monaten eher nur am Rande gestellt hatten. Wir waren sorglos, arrogant und überheblich, so die Analyse des Geschäftsführers Reiner Calmund.“
Wie ein ungezogenes Kleinkind
Thomas Klemm (FAS 1.2.) porträtiert Robson Ponte: „Als einziger aus der Leverkusener Stammelf hat der Brasilianer mit italienischem Paß noch nie ein Länderspiel absolviert; selbst Aufrücker Hanno Balitsch hat bereits ein A-Länderspiel hinter sich. Auch für die Zukunft macht sich Robson Ponte nicht allzuviel Hoffnung. Der brasilianische Nationaltrainer Carlos Albert Parreira schöpft schließlich aus dem vollen, so daß Ponte bei Bayer wohl in puncto Auslandseinsätze jene Ausnahmeerscheinung bleibt, die er in der Bundesliga-Hinrunde auch als Leverkusener Spielgestalter war. Er ist ein Leader, der nicht nur Südamerikaner mitreißt, sondern auch unsere Deutschen, sagt Bayer-Manager Ilja Kaenzig. Die Gründe für die erfolgreich verlaufene Hinrunde sieht Trainer Klaus Augenthaler zwar in der allgemeinen Auf- und Einstellung begründet. Doch aus der kollektiven Stärke ragte Robson Ponte an vielen der 17 Spieltage heraus: mit zwei Treffern und acht Vorlagen, den zweitmeisten der Liga-Hinrunde. Als er einmal fehlte, erlebte Bayer seine größte Enttäuschung, verlor im Achtelfinale des DFB-Pokals beim Regionalligaklub TSG Hoffenheim 2:3. Erst jetzt, im vorgerückten Fußballeralter von 27 Jahren, habe Ponte angefangen, sein Potential abzurufen, behauptet Kaenzig, der dem Offensivspieler nun Reife auf und neben dem Platz bescheinigt. Diese Platzreife erlangte Robson Ponte indes nicht in Leverkusen, wohin er 1999 vom FC Guarani für neun Millionen Mark gekommen war, sondern auf seinem Umweg über Wolfsburg. Nachdem er bei Bayer nach 36 Bundesligaspielen, zwei Toren und einer Roten Karte ins Abseits gedribbelt war, entschloß er sich zum Wechsel. Zu ungeduldig und unbeherrscht sei er gewesen, sagt Ponte; wie ein ungezogenes Kleinkind, meint Kaenzig. Das Vertrauen des damaligen Wolfsburger Trainers Wolfgang Wolf habe ihm geholfen, vom eigenbrötlerischen Schönspieler zur allseits engagierten Offensivkraft zu werden, behauptet Ponte. Was blieb ihm auch anderes übrig als einzigem Südamerikaner beim niedersächsischen Bundesligaverein?“
Hannover 96 – Hamburger SV 3:2
Nun hat Moar, der stolze Spanier, seine Ehre wieder
Sascha Zettler (FR 3.2.) stellt ungewohnte Harmonie in Hannover mit: „96 hat neue Helden. Gestern saßen fünf Neue wie auf der Hühnerstange in der Firma des Präsidenten, um sie der Öffentlichkeit vorzustellen. In alphabetischer Reihenfolge: Wladimir Butt, Clint Mathis, Jaime, Stanko Svitlica, Abel Xavier. Seit dem Aufstieg 2002 hat 96 damit nicht weniger als 28 Spieler verpflichtet. Dass die ausgerechnet Moar, aus dem winterlichen Machtkampf mit Rangnick als Verlierer herausgegangen, fünf potenzielle Verstärkungen hervorgezaubert hat, passt ins schnelllebige Bild. Der spanische Sportdirektor vollzog binnen sieben Tagen den Wandel vom Deppen zum Helden: Erst verpflichtete er Clint Mathis, der einst mit Irokesenfrisur bei der WM 2002 für Aufsehen sorgte und bei seinem Bundesliga-Debüt gegen den HSV glänzend Regie führte und zum 2:1 traf. Dann holte Moar in einem Pokermarathon mit La Coruña Mittelfeldspieler Jaime zurück nach Hannover, der gegen die Hamburger ebenfalls traf. Und abschließend wiederholte er das, was ihm im Vorjahr den Titel heimlicher Retter von Hannover eingebracht hat. Er verpflichtete einen Hochkaräter: Abel Xavier, 31-jähriger Abwehrstar der Portugiesen bei der EM 2000, zuletzt von Liverpool an Galatasaray Istanbul ausgeliehen und nach Vertragsauflösung arbeitslos, kommt ablösefrei bis 2005. Mein Traum ist die Euro 2004, sagte Xavier gestern, ich hoffe, dass ich das über Hannover schaffe. Moar hatte den bunten Vogel gelockt: Hannover ist wie eine Vitrine, in der Du ausgestellt wirst. Genau wie Fredi Bobic vor einem Jahr. Nun hat Moar, der stolze Spanier, seine Ehre wieder.“
Frank Heike (FAZ 3.2.) ergänzt: „Es scheint so, als habe das winterliche Reizklima zwischen Rangnick und Moar durchaus gute Erfolge für den Verein hervorgebracht. Das dürfte vor allem einen freuen: Präsident Martin Kind. Er steht als Schlichter vom Dienst nun als der große Sieger da.“
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Erzgebirge Aue
Markus Völker (BLZ 3.6.) gratuliert Erzgebirge Aue zum Aufstieg in die Zweite Liga. „Es wird viel geklagt im Fußballosten. Reklamiert wird, dass die großen Vereine aus der DDR-Oberliga im Niemandsland kicken. Dass wegen Strukturschwäche und Wirtschaftsabschwung nichts zu holen sei. Das ist richtig. Faktisch. Aber die Vereine selbst, Dynamo Dresden, Rot-Weiß Erfurt oder VfB Leipzig haben sich ganz gut eingerichtet in der Bedeutungslosigkeit. Es ist kuschelig geworden in der Nische der Unterklassigkeit (…) Aue ist da anders. In fast schon insularer Abgeschiedenheit haben sie seit 1992 ihr Vorhaben durchgesetzt, den Fußball im Erzgebirge voranzubringen. Das Präsidium muss den Klub nicht melken wie der Geselle den Goldesel, es muss keine Gelder in dunkle Kanäle fließen lassen, weil in Aue Unternehmer sitzen, die in der freien Wirtschaft genug Geld verdienen. Der FC Erzgebirge gilt als Geizhals und ist in seiner Vorsicht, den Euro auszugeben, ein seltenes Beispiel in der Szene der Raffzähne. Der Fußball im Osten, der in der Tradition erstickt und an der Gegenwart leidet, braucht mehr Aue und weniger Erfurt oder Leipzig. Aber das ist leicht gesagt, wenn sich eine ganze Branche der Verwaltung eines Zustandes verschrieben hat, der ohne Zukunftsbegriff lebt.“
In der taz (3.6.) lesen wir dazu. „Im Wismut-Kombinat wurde unter sowjetischer Aufsicht von 1947 bis 1990 Uranerz gefördert. Wismut fungierte als Geldgeber des Vereins. Viele Spieler arbeiteten im Bergbau. Das alte Wappen der Betriebssport-Gemeinschaft (BSG) Wismut Aue zieren zwei gekreuzte Hämmer, Insignien der Knappen, mit denen die Fans lieber ins Stadion gehen als mit dem neuen Vereinszeichen. Die montane Ära ist in Aue freilich vorbei, der 18 000 Einwohner zählenden Stadt an der Lößnitz. Ein paar Fanclubs spielen aber noch an auf die Vergangenheit. Sie nennen sich Die Schachtis oder Die Uranies. Das Erzgebirge brachte bislang sehr erfolgreich Nussknacker und Schwibbögen unters Volk, jetzt soll der Fußball exportiert werden. Aue beruft sich auf eine gewisse Tradition. Im Überschwang des Erreichten schwärmte Präsident Uwe Leonhardt: Aue hat viel mehr Tradition als Energie Cottbus, wir waren zu DDR-Zeiten eine Kultmannschaft, da wollen wir jetzt wieder hin.“
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Engagement Wolfgang Overaths
Jürgen Ahäuser (FR 6.3.) kommentiert das Engagement Wolfgang Overaths: „Der außerrheinische Rest der Republik ist in der fünften Jahreszeit auf allen Sendern ausgiebig mit Kölner Humor eingesalbt worden. Doch mit Kölle alaaf war es am Aschermittwoch noch nicht vorbei. Die Jecken vom 1. FC Köln stehen immer noch in der Bütt. Egal ob Manager Rettig, Trainer Koller oder Präsident Caspers den bedröppelten Saal zum Schunkeln aufforderten, am Ende klang es immer wie Viva Colonia. Es lebe Köln, das ist nicht nur rund um den Dom der Hit der populären Band De Höhner. Höhner, das klingt irgendwie nach Hühnerhaufen und beschreibt die Szenerie am Geißbockheim treffend. Orientierungslos irrten die von einer immer bedrohlicher werdenden Allianz aus Fans und Medien aufgescheuchten Clubverantwortlichen von einer Kappensitzung zur anderen – bis sie endlich das Wunder-Ei legten – Wolfgang Overath mitsamt Klüngel. Das wird jetzt eine harte Zeit am Rhein, denn der Alt-Internationale versteht auf dem Platz noch immer keinen Spaß, duldet keine Spielmacher neben sich.“
FR-Interview mit Andreas Rettig
FR: Herr Rettig, wie kann Wolfgang Overath dem Club kurzfristig helfen?
AR: Zunächst mal freuen wir uns alle, dass er sich entschieden hat, an Bord zu gehen. Da entsteht automatisch eine Aufbruchstimmung, und wir werden uns in den nächsten Tagen zusammensetzen, um zu erörtern, wie die Zusammenarbeit aussehen soll und wie wir im Einzelnen vorgehen wollen.
FR: Ist Overath jetzt als Präsidiums-Partner der starke Mann im Club?
AR: Ach wissen Sie, ich halte nicht viel von solchen Attributen. Dick oder dünn, groß oder klein, stark oder schwach. Der Starke umgibt sich mit Starken. Da ist es dann im Dienst der gemeinsamen Sache letztlich egal, wer wie viele Sterne am Revers hat.
FR: Was bedeutet diese Entwicklung für Sie, den sportlich Verantwortlichen?
AR: Meine Aufgabe bleibt davon formal zunächst mal unberührt. Aber eines ist doch auch klar: Wir stehen auf dem letzten Tabellenplatz. Den Schuh muss auch ich mir anziehen. Ich will mich da auch gar nicht drücken und nehme mich ausdrücklich mit in die Verantwortung. Overaths Mitarbeit ist doch selbstverständlich. Wenn er also künftig sagt ,links rum‘, und das ist sinnvoll, marschieren wir eben links rum.
FR: Ist nach Overaths scharfem Kurs gegen Präsident Albert Caspers überhaupt eine gedeihliche Zusammenarbeit möglich?
AR: Ein ganz klares Ja. Das haben die geführten Gespräche gezeigt. Es gab natürlich schon einen Funkenschlag während dieser Stunden, aber am Ende, und das ist für meine Begriffe entscheidend, kam die einzig vernünftige Lösung dabei rum. Wir sind alle nicht zart besaitet. Wir haben uns die Hand gereicht und damit ist es auch gut.
FR: Mit Rettig, hieß es mal, habe der Kölsche Klüngel beim FC keine Chance mehr. Stimmt das noch?
AR: Wenn mit Kölschem Klüngel gemeint ist, dass sich hier Dinge zum Nachteil des Vereins und zum Vorteil handelnder Personen im Umfeld abspielen, dann gilt auch weiterhin: Mit mir ist das nicht zu machen. An der Grundausrichtung, ohne unangebrachte Emotionen, ohne Seilschaften, ohne Klüngelei die Geschicke in der Geschäftsführung zu bestimmen, ändert sich nichts.
Gerhard Fischer (SZ 6.3.) porträtiert Claus Reitmaier: „Reitmaier hat nichts Gesetztes. Seine Bewegungen sind rhythmisch, er kaut oft Kaugummi, manchmal kommt er daher wie ein Reggae-Sänger. Er besitzt 2500 CD, vorwiegend schwarze Musik. Mit Techno, einer Musik, die seine jungen Mitspieler mögen, kann Claus Reitmaier nichts anfangen. Es gibt noch etwas, was ihn von den Jungen trennt: Früher hat man sich hinten angestellt, wenn man als Profi angefangen hat. ¸¸Heute wollen die Jungen gleich zu viel und sind schnell unzufrieden, sagt Reitmaier. Er erzählt von einem jungen Spieler, der gerade mal fünf Wochen dabei gewesen ist. Als er keinen Stammplatz bekam, habe er gesagt, er mache das nicht mehr lange mit; bald sei er weg. ¸¸Das ist ein Extrem, sagt Claus Reitmaier, ¸¸aber es zeigt die Tendenz. Reitmaier musste Geduld haben, nachdem ihn Röber aus dem Tor getrieben hatte. Erst Ende August kam ein Anruf von Gladbachs Manager Christian Hochstätter: Torwart Stiel habe sich verletzt, man brauche Ersatz. ¸¸Mir ist das Herz hochgesprungen, sagt Reitmaier. Dass er Borussen-Fan ist, wussten auch die Anhänger auf dem Bökelberg. Wenn er mit Wolfsburg oder Karlsruhe nach Gladbach kam, riefen sie ihm zu: ¸¸Clausi, wink einmal! Einer der ersten Anrufe nach Bekanntgabe des Wechsels kam von – Wolfgang Kleff. ¸¸Hast du mein Trikot noch?, fragte Kleff. Nun ist Reitmaier in Gladbach, ein Kreis hat sich geschlossen. Er ist ehrgeizig, fühlt sich jung, Borussias Arzt sagt, Reitmaier habe eine sensationelle Wirbelsäule. Bislang hat er nur ein Spiel für Gladbach gemacht, als Stiel verletzt war, aber die Zeitungen in Mönchengladbach schreiben seit Wochen, er zeige ¸¸überragende Trainingsleistungen – und nun deutet alles darauf hin, dass Reitmaier anstelle des formschwachen Stiel gegen Hannover spielen wird.“
Ballschrank
Mehmet Scholl
Mehmet Scholl, Ausnahmefußballer in doppelter Weise – FAS-Interviews mit Hans Meyer und Felix Magath – „die schönen Jahre des BVB könnten fürs erste vorbei sein“ (FAZ) – Gerhard Poschner, überdurchschnittlicher Spieler mit durchschnittlicher Karriere, verstärkt vielleicht 1860 München – Diskussion um Anstoßzeit und TV-Rechte u.v.m.
Du wechselst doch auch nicht zu Neun live
Sehr lesenswert! Thomas Hüetlin (Spiegel12.1.) stellt uns Mehmet Scholl, altbekannt, neu vor: „Eine Zeit lang schien es, als könnte Mehmet Scholl so etwas wie der deutsche David Beckham werden. Aber der Popruhm wurde ihm zu viel, und auch sein Körper rebellierte. Endet er als großes Talent, oder kann er nach der Winterpause seine Karriere vollenden? (…) Scholl liebt Adidas und hasst Puma. Puma, sagt Scholl, tragen Leute, die im Grunde spießig sind, aber sagen: ,Heute bin ich der Lockermann. Und außerdem hab ich in Puma-Schuhen einen eleganteren Fuß.‘ Aber noch mehr als Puma geht Scholl der Bachelor auf die Nerven. Eigentlich ist der Bachelor nur ein weiterer Import amerikanischen Reality-Fernsehens, aber für Scholl ist dieser Typ, dem sich die Frauen reihenweise vor die Puma-Turnschuhe werfen, damit er sie auserwählt, ein Vollschleimer, den sie sogar im Puff rausschmeißen würden. Scholl schüttelt sich vor Ekel. Dann malt er mit seinem rechten Zeigefinger kleine Kreise in die Luft. Einer, der so die Oberarme von Frauen streichelt, grässlich. Und da er schon einmal dabei ist, sich die Nervensägen der deutschen Unterhaltungskultur vorzunehmen, darf auch Dieter Bohlen und sein Deutschland sucht den Superstar nicht fehlen. Scholls Sohn, der bei seiner geschiedenen Frau lebt, hat die CD der Nachwuchssänger und hört sie gern. Aber jedes Mal, wenn der Papa zu Besuch kam, durfte der Sohn die CD am nächsten Morgen im Mülleimer in der Küche suchen. Das war unser Ritual, sagt Scholl. Er hat sie immer wieder rausgeholt, ich hab sie immer wieder reingeschmissen. Mit solchen Ansichten ist Scholl zum Liebling der vielen Leute geworden, die von Fußballern nicht nur schöne Dribblings, sondern auch feine Sätze verlangen. Denn ein Fußballspiel dauert heute nicht mehr 90 Minuten, sondern eine ganze Woche. Es ist nicht mehr damit getan, dass 22 Leute hinter einem Ball her rennen, Fußball ist heute Teil der Unterhaltungskultur – ein Sport, der an Dramatik mit einem großen Hollywood-Spektakel mithalten und der die Fans so pausenlos unterhalten muss wie ein Fortsetzungsroman. Dieses Non-Stop-Spektakel braucht Stars mit dem Talent eines Mehmet Scholl – einen, der nicht nur ein Spiel gestalten, sondern es auch erzählen kann. Einen, der mit seinen Sätzen Risiken eingeht. Einen Fußballer, der zuverlässig Pointen liefert wie Gerd Müller früher Tore, einen, der auch über Musik reden kann, übers Kino, über Mode und über Turnschuhe. Er ist bestimmt einzigartig, sagt eine Redakteurin der Harald Schmidt Show, in der Scholl schon mal plaudern durfte. Kein anderer deutscher Kicker kann es mit ihm an Schlagfertigkeit und Witz aufnehmen. Das Problem dieses idealen Fußballers, der den Fußball so schön verkaufen kann, ist allerdings, dass er nur noch selten Fußball spielt. Operation am Sprunggelenk, Muskelfaserriss – und die Bandscheiben knirschen derart, dass er kurz vor der Winterpause der Bundesliga noch unters Messer musste. Offenbar fällt es Scholls schmächtigem Körper immer schwerer, die Anforderungen des Profigeschäfts zu erfüllen. Sein Leben lang war sein Talent viel größer als sein Körper (…) Damals, als Scholl neu war bei Bayern, sagte ihm niemand, dass man die Klappe hält, wenn man neu ist bei Bayern. In der Kabine fragte er den damaligen Torwart der Mannschaft, Raimond Aumann, ob der zu den 15 bestverdienenden Bayern-Spielern gehöre. Worauf Aumann ihn anstarrte und antwortete: Ich bin nicht der Einzige, der hier glaubt, dass der Club die sechs Millionen, die er für dich ausgegeben hat, besser hätte anlegen können. In einer Fragebogenaktion schrieb der junge Bayern-Spieler unter der Rubrik Lieblingswitz: Hängt die Grünen, solange es noch Bäume gibt. Lacher blieben aus, stattdessen musste Scholl sich offiziell entschuldigen und 5000 Mark spenden. Erst daraufhin zog ein Lokalpolitiker seine Klage wegen Aufforderung zum Mord zurück (…) Dieser Scholl ist kein Fußballsklave, und deshalb war er logischerweise einer der letzten Gäste jener Show, in der acht Jahre lang Fußballsklaven dem Publikum zum Lachen vorgeworfen wurden. Anfangs läuft Harald Schmidt – Scholl sitzt noch in der Garderobe – mit einem Blatt Papier durchs Publikum und fragt, was er Scholl fragen soll, er habe keine Redakteure mehr, alle auf Jobsuche, deshalb kriege das Publikum seine Chance. Das Publikum nutzt sie nicht, den Leuten fällt nichts ein. Einer träumt davon, dass der Bayern-Millionär beim 1. FC Köln seine Karriere beenden solle. Schließlich kommt Scholl herein, weißes Nadelstreifenhemd, Designer-Militärhose, Designer-Militärstiefel und natürlich kein Sponsor am Kragen von einem Baumarkt oder einem Herrenausstatter. Schmidt stellt die Köln-Frage, und Scholl antwortet : Du wechselst doch auch nicht zu Neun live. (…) Noch ein, zwei Jahre schönen Budenzauber wünscht sich der 33-Jährige, damit er eine Karriere vollenden kann, die bisher unvollendet ist, so zerrissen wie die von Sebastian Deisler, so unentschlossen wie die von Michael Ballack. Wenn man darüber lamentiert, warum große deutsche Fußballer keine Weltstars mehr werden, dann bietet dieser Mehmet Scholl Erklärungshilfe: vielleicht zu schlau, vielleicht zu sensibel, vielleicht zu wenig Sklave.“
Über meine Trennung von Gladbach ist viel Schwachsinn verbreitet worden
FAS-Interview mit Hans Meyer
FAS: Es ist erstaunlich, daß Sie noch mal eine solche Herausforderung angenommen haben. Als Sie im Frühjahr 2003 bei Borussia Mönchengladbach aufgehört haben, wirkte das wie ein entnervter Rückzug aus dem Trainergeschäft.
HM: Über meine Trennung von Gladbach ist viel Schwachsinn verbreitet worden, auch in seriösen Medien. Es stimmt einfach nicht, daß ich vor der Boulevardpresse kapituliert habe. Die hat null Anteil an meinem Rücktritt. Ich habe meine Entscheidung in großer innerer Ruhe getroffen. Ich glaube, ich bin noch nie so gelassen gewesen wie am Tag meines Rücktritts.
FAS: Was hat Ihnen denn diese innere Ruhe gegeben?
HM: Mein letzter Kontrakt mit Borussia Mönchengladbach beinhaltete die Klausel der beliebigen, einseitigen Auflösung. Das zeigt deutlich, daß ich mich seit langem mit dem Gedanken des Rückzugs befaßt hatte. Zum Zeitpunkt der Trennung spürte ich deutliche Zweifel durch Präsidium, Spieler und Zuschauer an meiner Arbeit. Übrigens, bei unserem Tabellenplatz zu dem Zeitpunkt absolut verständlich. Im Rückblick haben es alle Beteiligten deshalb richtig gemacht, weil Borussia mit den nachfolgenden Trainern eine mehr als komplizierte Situation zufriedenstellend gelöst hat. Ewald Lienen hat den Klassenerhalt geschafft, und Holger Fach liefert zur Zeit hoffnungsweckende Resultate.
FAS: Fühlen Sie sich noch als Ost-Trainer wahrgenommen?
HM: Was verstehen Sie darunter? Wenn Sie meinen, ob die vielen Fußballfreunde im Osten Deutschlands meinen beruflichen Weg mit viel Interesse und Anteilnahme verfolgen, dann fühle ich mich immer noch gern als Ost-Trainer. Ansonsten sollte man meinen, daß diese Ost-West-Thematik genug strapaziert wurde.
FAS: Sie und Ihr Cottbuser Kollege Eduard Geyer gelten als harte Hunde und Schleifer. Ist Härte ein Merkmal von erfolgreichen Trainern aus Deutschlands Osten?
HM: Es wundert mich, daß Sie auf diese dummen, albernen Klischees der Boulevardpresse mit Ihrer Frage eingehen. Es ist schlimm genug, daß Trainer, die in ihrer Arbeit nur konsequent sind, in unserer Leistungsgesellschaft besonders hervorgehoben werden – wenn auch mit negativem Unterton.
FAS: Gibt es schon etwas, was Sie in Berlin gelernt haben?
HM: Ich bin 61 Jahre alt und seit sechs Tagen in Berlin, da ist die Wahrscheinlichkeit, daß mich Überraschendes beziehungsweise Neues trifft, nicht so groß.
FAS: Im Moment sind Sie Herthas amüsantester Öffentlichkeitsarbeiter. Selten wurde in Pressekonferenzen so viel gelacht. Ihnen wird von den Medien viel Kredit gegeben.
HM: Welche Chancen der Konfrontation bestehen in dieser Sauregurkenzeit für Fußballberichterstatter? Noch keine Niederlagen, noch keine gravierenden Auswechselfehler, keine alten Lügengeschichten (die werden durch ständige Wiederholung nicht wahrer), ich kann noch nichts Neues von der Hertha erzählen. Das sind die Voraussetzungen für harmonische Pressekonferenzen in Wärme und beim Kaffee.
Das Thema Geld ist bei uns jetzt ein kritisches Thema
FAS-Interview mit Felix Magath
FAS: Ihr junges Team hatte zum Ende der Hinrunde mehr und mehr Schwierigkeiten, das hohe Niveau zu halten. Könnte es in der Rückrunde gar einbrechen?
FM: Ich weiß nicht, ob wir einbrechen. Aber wir sind in einer kritischen Phase. Wir haben die Situation, daß plötzlich Geld bei uns eine Rolle spielt, was in den letzten beiden Jahren nicht der Fall war. Mit dieser neuen Situation müssen wir jetzt zurechtkommen, damit die mannschaftliche Geschlossenheit, die uns in den vergangenen Monaten stark gemacht hat, beibehalten wird.
FAS: Sie meinen, Neid und Mißgunst unter den Spielern könnten das Projekt gefährden?
FM: Genau das.
FAS: Wie sieht das konkret aus?
FM: Das Thema Geld ist bei uns jetzt ein kritisches Thema. Wir müssen sehen, daß die jungen Spieler die Sache mit dem Geld nicht so hoch bewerten und weiter an ihrer sportlichen Entwicklung arbeiten. Unsere Talente werden sich nur weiterentwickeln, wenn sie die sportliche Perspektive in den Vordergrund stellen. Deshalb waren es auch wichtige Zeichen für uns, daß Andreas Hinkel und Kevin Kuranyi ihre Verträge bei uns verlängert haben und auf höhere Angebote anderer Klubs verzichteten.
FAS: Das heißt, die harte Realität des Fußballgeschäfts hat die jungen Überflieger vom VfB erwischt.
FM: Wir haben in der Vergangenheit völlig unbelastet gespielt, weil Geld bei uns kein Thema war. Aber es ist nun mal eine wichtige Sache im Profisport, deswegen muß man sagen, beginnen wir nun langsam, uns der Realität zu nähern. Wir müssen uns mit der Realität anfreunden.
FAS: Wie sieht es mit der Psyche Ihrer jungen Spieler aus?
FM: Wir hatten einen Riesenvorteil, daß wir in den letzten beiden Jahren freier waren als die anderen. Wir wollten einfach spielen, Spaß haben. Da gab es keine Zwänge, wir hatten keine Verpflichtungen zu erfüllen, die uns mit viel Geld vom Verein vorgegeben wurden. Wir waren unbekümmert, dementsprechend haben wir gespielt. Das hat uns viel Lob und Anerkennung gebracht. Ich arbeite daran, daß wir das in der Rückrunde beibehalten können.
FAS: Wie können Sie das als Trainer steuern?
FM: Ich versuche, mit den Spielern über die Situation zu reden. Vor allem über die Gegebenheiten der Branche, und ich versuche ihnen weiterhin den Spaß am Spiel zu lassen. Ich muß den Druck richtig lenken, damit wir bessere Leistungen bringen als andere. Der Druck darf nicht so groß werden, daß er uns lähmt.
FAS: Müssen Sie sich in der neuen Situation verändern?
FM: Ich muß immer flexibel sein. Flexibilität ist für mich sowieso das entscheidende Wort. Ich reagiere immer darauf, was mir die einzelnen Spieler anbieten. Ich bin nicht von vornherein auf ein festes Konzept festgelegt. Ich will unberechenbar bleiben.
FAS: Wie stellt man sich darauf ein, daß es, wie zum Ende der Hinrunde, nicht mehr ganz so rund läuft?
FM: Ich bin immer ganz wachsam und versuche, alle Signale rechtzeitig zu sehen, die darauf hindeuten, daß wir in eine schwächere Phase kommen könnten. Meine Hauptaufgabe liegt darin, dagegen anzusteuern. Deswegen ist es für mich unbedingt notwendig, daß ich jede Trainingseinheit selbst miterlebe. Wenn ich auch aktiv nicht mehr so viel mache wie früher, ich muß beim Training immer dabeisein, alles mitkriegen, um die Dinge richtig einordnen zu können.
Die schönen Jahre des BVB könnten fürs erste vorbei sein
Roland Zorn (FAZ 23.12.) sorgt sich um Borussia Dortmund und ihren Präsident: „Gerd Niebaum ist gern angriffslustig. Als Herausforderer der nationalen und internationalen Fußballgrößen hat er sich in seinen mittlerweile siebzehneinhalb Präsidentenjahren bei Borussia Dortmund einen guten Namen gemacht und große Erfolge mit seinem BVB – drei Meisterschaften, Champions-League-Gewinner, Weltpokalsieger – gefeiert. Alles längst Vergangenheit? Dieser Tage wirkt der 55 Jahre alte Dortmunder Wirtschaftsjurist angegriffen wie selten – und das, obwohl er sich herausgefordert sieht wie vielleicht noch nie in seiner Amtszeit als Präsident eines führenden deutschen Fußballklubs und Geschäftsführer des börsennotierten Unternehmens Borussia Dortmund GmbH Co KGaA. Eigentlich wollte ich schon längst im Skiurlaub sein, sagt Niebaum in Gedanken an eine weiße Pracht, die ihm angesichts der schwarzgelben Nachtummalung, mit der sein Klub zuletzt koloriert wurde, wie ein fernes Traumziel vorkommt. Das sportliche Verlustgeschäft in dieser Saison, das manche schon auf 50 Millionen Euro hochgerechnet haben, die ins Auge gefaßte Anleihe in Höhe von vielleicht 100 Millionen Euro, die nicht wenige auch als einen Deal zum hastigen Stopfen finanzieller Löcher einschätzen, die Aufrechnung längst vollzogener Transfers (Amoroso/Evanilson) unter der Anmutung eines Verschleierungstatbestandes – und die konkrete, auch von Niebaum nicht verhehlte Sorge um die Geschäftslage seiner Vereinsfirma in dieser sportlich und damit finanziell schon verkorksten Saison: Das alles hat dem Vormann des westfälischen Traditionsklubs unüberhörbar zugesetzt. Daß ihm nun auch noch vorgehalten wird, er beherrsche die Borussia nahezu absolutistisch und sei deshalb längst beratungsresistent, macht dem nicht uneitlen Anwalt schwer zu schaffen. Alles, was ich hier gemacht habe, ist mit den Gremien und Entscheidungsorganen abgesprochen, entgegnet er auf den Vorwurf, selbst bestimmt und andere nur abgenickt lassen zu haben. Wenn alles so wäre wie jetzt dargestellt, frage ich mich, warum mir vor vier Wochen mit nahezu hundertprozentigem Vertrauen das Mandat für drei weitere Präsidentenjahre erteilt worden ist. Doch die schönen Jahre des BVB 09, sie könnten fürs erste vorbei sein.“
Borussia Dortmund setzt sich sportlich unter noch höheren Zugzwang
Im Wirtschaftsteil der FAZ (23.12.) liest man dazu: „Das Millionenspiel Fußball-Bundesliga birgt tatsächlich Risiken. Auf dem Platz und in den Bilanzen der Vereine. Seit Gründung 1963 waren die Klubmanager daran gewöhnt, mit immer steigenden Summen jonglieren zu können. Geflossen sind die Gelder in oft absurd hohe Spielergehälter. Das war bei Borussia Dortmund nicht anders als bei manch anderem Bundesligisten. Aber von einem börsennotierten Fußballklub darf mehr finanzielle Weitsicht erwartet werden als von Hansa Rostock oder Hannover 96. jetzt steckt der BVB, der sich gern zu den finanzstärksten Klubs Europas rechnet, in der Klemme: Den in guten Jahren eingegangenen Millionenverpflichtungen stehen die nach der Kirch-Pleite wegbrechenden Fernseherlöse und der zum Erliegen gekommene Spieler-Transfermarkt gegenüber. Und was macht der Verein? Anstatt die Kosten den Einnahmen anzupassen, will er die klaffende Lücke im operativen Geschäft über eine Anleihe auffangen. Das ist ein Wechsel auf die – schwer planbare Zukunft. Borussia Dortmund setzt sich sportlich unter noch höheren Zugzwang. Es ist zu befürchten, dass das Dortmunder Beispiel Schule macht. Auch das ist eine Erkenntnis aus 40 Jahren Bundesliga.“
Philipp Selldorf (SZ 5.1.) sucht und findet europäische Vergleiche: „Vor den tollsten Beträgen im Fußball steht jedoch leider vermehrt das Minuszeichen. Eine willkürliche Auswahl vom Wochenende führt kreuz und quer durchs alte Europa: Aus Griechenland meldet Meister Olympiakos Piräus Verbindlichkeiten von 61,58 Millionen Euro und der Traditionsklub und Lazio Rom nach den Crashs ihrer Besitzerunternehmen vor dem Kollaps; in England phantasiert der Erstligaklub Leeds United von chinesischen oder arabischen Investoren, die den Schuldenstand von mehr als 100 Millionen Euro fortzaubern; in Schottland ist einschließlich des Spitzenklubs Glasgow Rangers die halbe Scottish Premier League pleite. Und auch die Bundesliga hat ihre Patienten: Borussia Dortmund fehlt bis Saisonende die Deckung von 20 bis 25 Millionen Euro; vom ambitionierten, doch tief gefallenen Hauptstadtklub Hertha kommen ebenfalls beunruhigende Signale. Wer keinen Scheich aus Bahrain oder Milliardär aus Sibirien kennt, der hofft, sich mit Spielerverkäufen zu sanieren. So hört man es in Rom, in Leeds und auch in Dortmund, wo Profis wie Koller, Kehl und Frings als kapitalfähiges Potenzial gehandelt werden. Doch auf diesem europäischen Marktplatz treffen sich Problem und Trugschluss: Wo die Depression die Lage beherrscht, da fehlen ganz einfach die Abnehmer.“
Vielleicht war Poschner einfach nicht der Typ, der ein Großer wird
Christian Zaschke (SZ 14.1.) blickt zurück auf die Karriere Gerhard Poschners, möglicher Zugang von 1860 München: „Es ist nichts daran auszusetzen, zum Ende der Laufbahn noch einmal in die Bundesliga zurückzukehren, es ist auch nichts daran auszusetzen, bei 1860 zu spielen, doch Poschner war zu Beginn seiner Karriere einer, der ein ganz großer Spieler zu werden versprach. Irgendetwas ist passiert zwischen den Anfängen als Profi mit 17 und heute, da Poschner sagt: „Ich kann es nicht genau erklären, aber ich will mir noch einmal etwas beweisen.“ Wenn er die Geschichte dieser 17 Jahre erzählt, sind es Kleinigkeiten, die im Wege standen, eine kleine Verletzung hier, eine Formkrise dort, schließlich größere Verletzungen, natürlich zum falschen Zeitpunkt. Fußballer mit weit weniger Talent haben weit größere Karrieren hingelegt, und woran das liegt, ist im Rückblick nicht einmal zu sagen. Schon gar nicht, wenn alles so beginnt: Poschner, 13 Jahre alt, spielte bei der Sportvereinigung Bissingen, er war immer bester Mann, aber nie lud ihn jemand zur Kreisauswahl ein, zur Bezirksauswahl schon gar nicht. „Irgendwann hat mein Trainer damals gesagt: ,Gerhard, pack‘ deine Sporttasche, wir fahren jetzt zur Bezirksauswahl.’“ Die sollte zum Freundschaftsspiel antreten, der Bissinger Trainer sagte dort: „Das ist der Gerhard, der spielt jetzt mal mit.“ Danach wurde Poschner genau einmal zu einem Spiel der Auswahl eingeladen, der C-Jugend-Trainer des VfB Stuttgart sah ihn, und am nächsten Tag kam der Anruf: Ob er, Poschner, zum VfB kommen wolle? Poschner kam. „Bis zum 13. Lebensjahr war alles ruhig in meinem Leben, und dann, von einem Tag auf den anderen ging es Schlag auf Schlag, es kam der VfB, die DFB-Auswahlmannschaften, wir wurden Deutscher B- und A-Jugend-Meister.“ Poschner wurde noch als A-Jugendlicher Profi. „Mir fiel immer alles in den Schoß. Problematisch wurde es erst, als ich mir einen Muskelfaserriss holte. Ich musste aussetzen und hatte den Anschluss verpasst, und es war neu, dass ich meinen Platz erkämpfen sollte. Ich bin vielleicht mit den ersten Schwierigkeiten nicht fertig geworden. Dann kam sofort der nächste Faserriss. Dann kam der Druck von außen, und der Druck von innen war noch belastender. Das habe ich irgendwie nicht gepackt.“ Vielleicht ist es der Faserriss, der vieles vereitelte. Vielleicht war Poschner einfach nicht der Typ, der ein Großer wird. Heute kann Poschner über diese Karriere nicht bloß reden, sondern reflektieren. Er sieht, wo die entscheidenden Punkte waren, und er ist keiner jener ungezählten Spieler, die so gern erzählen: „Ohne diese eine Verletzung damals wäre ich ein großer Spieler geworden.“ Er sagt: „Manchmal war ich verbohrt, ich hatte Scheuklappen, ich glaubte, jeder wolle mir was Böses.“ Es ist ja keine misslungene Karriere, über die er spricht, eher eine, die das Versprechen nicht ganz hielt, das sie so früh zu geben schien.“
SpOn-Interview mit Stefan Beinlich, Hamburger SV
Unbezahlbarer Wert der Chiffre 15.30
Roland Zorn (FAZ 8.1.) kommentiert die Diskussion um eine Veränderung der Anstoßzeiten: „Die Medien, nicht nur die vom Boulevard, bemächtigten sich des Themas, als handelte es sich um ein Fait accompli. Davon indes kann nicht die Rede sein, da sich das Gros der Bundesligavereine dem Vorziehen einer oder mehrerer Bundesligapartien auf den Samstagmittag mit guten Argumenten widersetzt. Wenn dazu behauptet wird, daß sich der asiatische Markt dem deutschen Profifußball eher öffne, wenn man ihm wenigstens ein Spiel live zur besten Sendezeit anbiete, wird der Widerspruch nur noch heftiger. Niemand weiß genau, für wie attraktiv etwa die Chinesen die Bundesliga, verglichen mit der ungleich renommierteren Premier League, halten und wieviel Geld sie bei einem reizvollen Fernsehangebot zahlen würden. Jeder aber kennt den unbezahlbaren Wert der Chiffre 15.30. Das ist die Zeit, in der Samstag für Samstag auf dem ungleich wichtigeren heimischen Markt die Bundesligaspiele angepfiffen werden. Weil die deutsche Eliteklasse auch in turbulenten Fernsehzeiten seit der Spielrunde 2001/02 siebenmal samstags um 15.30 Uhr und zweimal sonntags um 17.30 Uhr den Ball rollen läßt, hat ihr Format Jahr für Jahr an Wert gewonnen. England, Spanien und Italien sind mit ihren zerstückelten Spielplänen schlechter dran. Wer auch in Jahren des spärlicher fließenden Fernsehgeldes Konstanten zu bieten hat, um die ihn andere beneiden, und nicht zuletzt deshalb stetig wachsende Zuschauerzahlen vermelden kann, setzt eine Erfolgsgeschichte nicht ohne Not aufs Spiel. Ebendeshalb ist ein einschneidender Wechsel in der Programmpolitik unwahrscheinlich.“
Michael Ashelm (FAS 4.1.) fügt hinzu: „Alles ist möglich, alte Visionen erhalten neuen Schwung. Die Top-Funktionäre der DFL sehen sich auf dem goldenen Weg, in Zukunft wieder mehr Geld für das Produkt Bundesliga einzuspielen, nachdem der Fernsehvermarktungsvertrag mit der Sportrechteagentur Infront zum Ende dieser Saison definitiv auslaufen wird. Die Entscheidung bietet eine neue Chance, daß sich die DFL selbstbewußt darstellt, sagt Werner Hackmann, der DFL-Aufsichtsratsvorsitzende. Geht es nach den Verantwortlichen, könnte sich die Liga bald mit neuem Gesicht präsentieren, ernsthaft diskutiert wird der eigene Fernsehkanal. Nach der Bekanntgabe der Infront AG, ihre Vertragsoption für weitere zwei Jahre Partnerschaft ungenutzt zu lassen, steht vor allem die Live-Berichterstattung im Bezahlfernsehen im Mittelpunkt des Interesses. 150 Millionen Euro pro Saison zahlt der Pay-TV-Sender Premiere bisher für dieses Recht, vor allem hier verspricht sich die Liga, mehr herauszuholen. Wir sind nicht auf Gedeih und Verderb mit Premiere verbunden, sagt Hackmann und spekuliert schon mit einer grundlegenden Veränderung: Wenn unsere finanziellen Vorstellungen nicht erfüllt werden, wäre eine Option, daß wir uns das Know-how einkaufen und einen eigenen Pay-TV-Sender aufbauen. Mit Premiere muß nach dem Ausstieg von Infront neu verhandelt werden – wie auch mit dem DSF über die beiden Sonntagsspiele (bisher 12 Millionen Euro pro Saison). Der ARD-Kontrakt (65 Millionen) für die Erstverwertung der Bundesligarechte im frei empfangbaren Fernsehen bis 2006 bleibt unberührt, da die DFL in diesen einsteigt. Im Hause des einzigen deutschen Bezahlfernsehsenders sorgen die Spekulationen des Ligachefs für wenig Aufregung. Wir sehen das gelassen, sagt Premiere-Sprecher Dirk Heerdegen. Experten trauen der Liga nicht zu, daß sie einen funktionsfähigen Sender stemmen könnte – schon gar nicht in einem halben Jahr.“
In einem Leserbrief an die FR (14.1.) zeigt Christoph Heisiger, mein ehemaliger Studienkollege, dem FR-Redakteur den Vogel: „Dass Sie die (wöchentlich neuen) und völlig absurden Ideen der Bayern-Oberen auf Kosten der Fußball-Basis (und das sind eben die Amateur-Kicker und die Fans des FC Kleinplittersdorf) unterstützen und die Rummenigge und Co. zur Revolte auffordern, finde ich skandalös. Die Bundesliga hat sich in über 40 Jahren als Traditions-Produkt bewährt und boomt wie nie zuvor. Besonders Traditionsvereine (Hamburger SV, Schalke 04, Eintracht Frankfurt) können gerade in schlechten Zeiten auf ihre Anhänger zählen, die Jahr für Jahr für neue Rekordzahlen sorgen. Der DFB steht für Tradition und versucht, diese auch weiterhin zu bewahren und die Fußball-Basis (Amateur-Fußball) zu schützen. Der Begriff anachronistische Strukturen ist fehl am Platz. Ein Aufbrechen traditioneller Strukturen (u.a. neue Anstoßzeiten), wie von Ihnen gefordert, führt (wenn überhaupt) nur zu kurzfristig schnellen Einnahmen, welche die besonders schlauen Club-Oberen in Form von fetten und unangebrachten Jahres-Gehältern für durchschnittliche Spieler (BVB) zum Fenster rausfeuern. So stellt man keinen Anschluss zur enteilten europäischen Konkurrenz (die hoch verschuldeten italienischen Vereine etwa?) her, sondern zerstört ein 40-jähriges Premium-Produkt.“
Einheitsfront aus Opposition, Lobbyisten und Leitartiklern
Auch Fritz Tietz (taz 15.1.) ärgert sich: „Da werden die Asiaten aber Schlitzaugen machen, so die vage Hoffnung, die sich allerdings spätestens bei so Bundesliga-Spitzenprodukten wie, sagen wir mal, Hertha gegen Frankfurt oder Rostock gegen Köln als vollends trügerisch erweisen dürfte. Kaum vorstellbar nämlich, dass die mit englischem, spanischem oder französischem Traumfußball längst fernsehverwöhnten Asiaten ausgerechnet nach der derzeit allenfalls semiattraktiven deutschen Fußballkost lechzen. Jüngste Markterhebungen bestätigen denn auch: Eher noch als vom deutschen Ballgeschiebe lassen sich die asiatischen Massen vom live übertragenen Umfallen eines Reissacks vor die Glotze locken. Neben dem Samstagmittagtermin werden weitere innovative Anstoßzeiten anvisiert. So verlangt FC Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge (bzw. Lummenigge, wie er sich für den asiatischen Markt umbenamsen lassen müsste), mit ein, zwei Spitzenspielansetzungen am Sonntag um 14 Uhr mehr Kreativität in den Spielplan zu bringen, soll heißen: mehr Fernseh- und Werbegelder einzustreichen. Der heimische Amateurfußball dürfte unter die Räder kommen, weil ihm mit einem regelmäßigen sonntäglichen Bundesliga-Anpfiff um 14 Uhr das eh schon knappe Zuschauerkontingent noch weiter ausgedünnt wird. Den Vorwurf der Entsolidarisierung zwischen Profis und Amateuren weiß Rummenigge in der typisch neowindigen und mittlerweile allseits gepflegten Arschlochdiktion Gerhard Schröders zu kontern: Wir können nicht immer Rücksicht nehmen, bläht es da aus der bisher für ihr rücksichtsvolles Gebaren weithin bekannten Chefetage des FC Bayern. So signalisiert man da dem rot-grünen Agenda-Pack samt der es bedingungslos sekundierenden Einheitsfront aus Opposition, Lobbyisten und Leitartiklern, dass man, wie Schröder sagen würde, verstanden hat: Seinen Wohlstand wird der Profifußball jetzt auch völlig ungeniert nach dem Vorbild rot-grüner Reformpolitik mehren, zu Lasten nämlich vor allem von Mittellosen oder Bedürftigen. Oder eben Amateuren. Ich bin immer ein Freund des Amateurfußballs gewesen, macht Rummenigge dazu mächtig einen auf hehren Opfermut. Aber man muss hier auch ein bisschen Flexibilität einfordern, salbadert er im besten Schrödersprech, so wie das mittlerweile auch der schmalstgespurte Sozialdemokrat draufhat, wenn es gilt, die durch seine Partei begünstigte zügellose Abgreife des globalisierten Halunkentums als prima Sache zu verkaufen. So werden wohl die Amateure auf den Dienstag- oder Mittwochvormittag ausweichen müssen.“
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Europas Fußball vom Wochenende: Resultate – Ergebnisse – Torschützen – Zuschauer NZZ
Europas Fußball vom Wochenende: Resultate – Ergebnisse – Torschützen – Zuschauer NZZ
Aston Villa vs.Arsenal London 1 – 1
Im Duell des Abstiegs- gegen den Meisterschaftsaspiranten schlugen sich die Gunners selbst. Nachdem Ljungberg die massive Abwehr Villas in der 56. Minute durch das 0:1 überwinden konnte, vollendete Arsenals Kolo Toure in der 71. Minute ein Durcheinander in der Abwehr, ausgelöst durch einen Eckball des Deutschen Hitzelsberger, durch einen fulminanten Schuss unter die Latte. Dass es sich hierbei um einen sicherlich sehenswerten Schuss handelte, dürfte Trainer Wenger wenig zufrieden stellen, konnten die Dauerkonkurrenten von Manchester United nun mit Arsenal in der Tabelle gleich ziehen. Das Aufeinandertreffen der beiden Giganten Arsenal und ManU am 16.04. darf also mit Spannung erwartet werden. In Sachen Meisterschaft herrscht spätestens nach diesem Spiel Klarheit: ManU muss die nächsten beiden Spieltage in Newcastle und in Highbury bestehen, um den Meistertitel doch noch zu holen.
Charlton Athleticvs. Leeds United 1 – 6
Heimlich, still und leise hatte sich Charlton Athletic mit 16 Punkten aus sieben Spielen in den letzten Wochen auf einen einstelligen Tabellenplatz vorgearbeitet und so die „Meisterschaft“ im Londoner Osten vorzeitig für sich entschieden, da West Ham United sich nur schwer von den Abstiegrängen trennen kann. Nach der Klatsche gegen das abstiegesbedrohte Team aus Leeds sind die Uefa-Cup-Träume des Arbeiterklubs, der im Stadion „The Valley“ um Punkte kämpft, wieder ein wenig unrealistischer geworden. Mit Blackburn, Liverpool und ManU in der Fremde sowie Southhampton zu Hause stehen Charlton nun Wochen der Wahrheit bevor. Für Leeds waren die drei Punkte äußerst wichtig, ist man mit nunmehr 37 Punkten sechs Punkte vor den Abstiegsrängen.
Manchester Unitedvs. FC Liverpool 4 – 0
Im Duell der Städtenachbarn erhielt der FC Liverpool eine Lektion, die sich gewaschen hatte. Beobachter des Spiels konnten sich bereits nach vier Minuten anderen Dingen widmen, als es im Strafraum Liverpools international zuging: Der Finne Sami Hyppiä erhielt nach einer Notbremse an Ruud van Nistelrooy die rote Karte, woraufhin der Holländer entgegen allen Fußballerweisheiten den dafür fällig Strafstoß gegen den Polen Dudek sicher verwandelte. Van Nistelrooy, Giggs und Solskjaer vollendeten die Schmach für Liverpool und brachten ManU damit auf Augenhöhe mit Arsenal.
FC Dundeevs. Celtic Glasgow 1 – 1
Ein überraschendes Unentschieden rang der FC Dundee (nicht zu verwechseln mit Dundee United, die mit dem Abstieg ringen), an der schottischen Ostküste der Midlands gelegen, dem Top Team aus Glasgow ab. Obwohl oftmals lediglich die direkten Duelle zwischen den Rangers und Celtic über die Meisterschaft entscheiden, lassen diese Saison die beiden Topteams auch bei anderen Vereinen Federn: Celtic erreichte lediglich Punkteteilung gegen Kilmarnock, Aberdeen und nun Dundee und erlitt eine Niederlage gegen Motherwell, die Rangers spielten Unentschieden gegen Kilmarnock, Aberdeen und erlitten eine Niederlage gegen Motherwell. Da die direkten Duelle mit einem Unentscheiden und je einem Sieg für Celtic und die Rangers endeten, führen die Rangers folgerichtig mit acht Punkten Vorsprung, bei zwei Matches Rückstand für Celtic. Da die Rangers aber derzeit 31 Punkte Vorsprung vor dem Drittplatzierten Team, den Hearts of Midlothian aus der Hauptstadt Edinburgh aufweisen, wird auch diesmal wieder die Meisterschaft nach Glasgow gehen. Der letzte Meister, der nicht Celtic oder Rangers hieß, war im übrigen der FC Aberdeen, der in den Saison 83/84 und 84/85 zwei Meisterschaften in Folg errang. Der ruhmreiche FC Aberdeen ist im übrigen ein perfektes Beispiel für den Niedergang der großen schottischen Traditionsclubs: Schlug man auf dem Weg ins Finale des Pokals der Pokalsieger 1983 noch Teams wie Bayern München, im Finale gar das große Real Madrid und gewann zudem zwei Meisterschaften in Folge, dümpelt man heute auf Platz acht der schottischen Premier League umher.
Gewinnspiel für Experten
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Folgt Marco Streller der Spur Stépahne Chapuisats? – „Sanierungsfall Borussia Dortmund“ (SZ) – FAS-Interview mit Gerd Niebaum u.v.m.
Martin Hägele (NZZ 19.1.) weissagt Marco Streller, Schweizer Zugang des VfB Stuttgart, das Fortune seines Landsmanns Stéphane Chapuisat: „Der kleine „Chappi“ war damals noch keine internationale Grösse, wahrscheinlich hätte in ganz Deutschland niemand fehlerfrei den Namen jenes schmächtigen Angreifers buchstabieren können, der auf einmal bei Bayer Uerdingen in der zweiten Bundesliga mitkickte. Der Manager dort hiess übrigens Felix Magath. Mittlerweile hat es „Deutschlands Trainer des Jahres“ zum Teammanager geschafft: Als einziger Fussball-Lehrer der Bundesliga hat sich Magath jene Kompetenzen erarbeitet, über die sein Vorbild Alex Ferguson bei Manchester United verfügt. Zum „Mister VfB“ avancierte der ehemalige Regisseur des Hamburger SV aber nur durch seine zeitgemässe Aufbauarbeit mit Talenten und preiswerten Transfers. Ein Verein wie der VfB Stuttgart kann sich keine hochkarätigen Spieler leisten, für die Ablösesummen in zweistelliger Millionenhöhe fällig sind. Magath muss aus Talenten Stars machen, darin sieht er seine Hauptaufgabe. Und der 50-Jährige ist einer der ganz wenigen in dieser Branche, die es beherrschen, junge Professionals auf allen Ebenen in ihrem Beruf zu erziehen. Die jungen Nationalspieler Andreas Hinkel und Kevin Kuranyi, der Weissrusse Aleksander Hleb sowie die designierten Nationalspieler Timo Hildebrand und Philipp Lahm gelten dabei als Magaths Musterschüler. Genau in dieses Profil passt auch Marco Streller (…) Der VfB hatte dringend einen dritten Mann für seinen Sturm gesucht und auch gebraucht. Einen, der neben den beiden bisher Gesetzten Kuranyi und Szabics die Konkurrenz in der Angriffsreihe belebt, weil er sowohl mit diesen als auch anstatt des deutschen bzw. des ungarischen Nationalmittelstürmers eingesetzt werden kann. In dieser Rolle hatte sich der Grieche Ioannis Amanitidis nicht stark genug gezeigt. Er konnte Kuranyi und Szabics unter den mittlerweile verschärften Bedingungen einer Spitzenmannschaft, die um die deutsche Meisterschaft mitreden will, nicht mehr länger richtig herausfordern. Deshalb erhielt das Eigengewächs des VfB, das in den vergangenen Saisons noch zu den Stammspielern und als eine der Vorzeigefiguren der „jungen Wilden“ gezählt hatte, nach Strellers Zusage sofort die Freigabe für einen anderen Verein.“
Werder ist wieder etwas wert, er vielleicht der Wertvollste von allen
Frank Hellmann (FR 16.1.) teilt anschaulich die gewachsene Bedeutung Thomas Schaafs mit: „Ingrid Steeger, Bruce Springsteen und Dieter Bohlen haben in der Vergangenheit das Bremer Sechstagerennen gestartet. Weil die Veranstaltung im Norden eher Kirmes als Sport darstellt, waren in der Geschichte alle Stars und Sternchen recht. Ausgerechnet zum 40-jährigen Jubiläum haben die Macher sich mit einem nüchternen Fußball-Lehrer begnügt. Thomas Schaaf, 42 Jahre, seit 31 Jahren beim SV Werder. Kein schillernder sondern ein stiller Star. Mittlerweile zwängt er sich für einen solchen Auftritt in einen Anzug, lächelt an der Seite von DJ Ötzi und feuert den Startschuss ab. Die Leute haben gejohlt und gejubelt. Wie einst bei Steeger, Springsteen oder Bohlen. Ich habe mich darüber gefreut, sagt er, das war eine Auszeichnung für alle im Verein. Will heißen: Werder ist wieder etwas wert, er vielleicht der Wertvollste von allen.“
Nicht unbedingt der Urenkel eines preußischen Beamten
FAS-Interview mit Gerd Niebaum
FAS: Uli Hoeneß hat gesagt, abseits des FC Bayern täten sich wirtschaftliche Abgründe auf. Steht auch Borussia Dortmund am Abgrund, angesichts eines vermuteten Erlösrückgangs von 20 bis 30 Millionen Euro?
GN: Wir stehen nicht am Abgrund. Aber wir haben eine Mannschaft, die für die Champions League gebaut ist. Wenn wir nicht im positiven Sinne explodieren, werden wir auch in der kommenden Saison nicht in der Champions League spielen. Dann müssen wir die Kostenstruktur an die Einnahmemöglichkeiten anpassen. Das ist wie bei einem Unternehmen, das seinen Bedarf an hochqualifiziertem Personal an einem Großauftrag ausgerichtet hat und diesen Auftrag verliert. Unser Großauftrag ist die Champions League.
FAS: Es soll ein Angebot von Chelsea London für Tomas Rosicky geben. Wird er den Klub verlassen?
GN: Beim BVB liegt kein Angebot von Chelsea vor. Und zu Gerüchten möchte ich mich nicht äußern.
FAS: Beim Trainingsstart nach der Weihnachtspause haben drei südamerikanische Spieler unentschuldigt gefehlt. Nehmen manche Profis ihre Arbeit beim BVB nicht mehr ernst?
GN: Ich finde das Ganze nicht so dramatisch, wie es dargestellt wird. Wir kennen so etwas seit Julio Cesars Zeiten. Wenn wir einen Südamerikaner verpflichten, wissen wir, daß er nicht unbedingt der Urenkel eines preußischen Beamten ist, der morgens um sieben mit eingetauchter Feder am Schreibtisch sitzt. Die Spieler liegen aber nicht an der Copacabana, sondern sie absolvieren ein mit unseren Ärzten abgestimmtes Rehabilitationsprogramm.
Freddie Röckenhaus (SZ 19.1.) beschreibt den „Sanierungsfall Borussia Dortmund“: „Während die Öffentlichkeit lange Zeit dachte, dass Dortmund ein Gutteil der märchenhaften rund 130 Millionen Euro aus dem Börsengang als Konten-Reserven festgelegt hätte und Präsident Niebaum den BVB gerne als einen der „finanzstärksten Klubs Europas“ rühmte, wurden in Wahrheit in atemberaubender Geschwindigkeit die Millionen verheizt. Manager Michael Meier gab am Samstag in einem Interview mit der Westfalenpost erstmals auch öffentlich zu, der BVB habe seit den neunziger Jahren stets „im Vorgriff auf zu erwartende Einnahmen“ seine waghalsigen Einkaufstouren gemacht. Neben üppigen Darlehen (derzeitiger Stand: über 70 Millionen Euro) verkauften Niebaum und Meier unter anderem 20 Prozent der Sponsoring-Einnahmen an die Vermarkter-Firma Sportfive (ehemals Ufa), dann die Namensrechte an dem vereinseigenen Sportausstatter goool.de an den Gerling-Konzern (gegen eine jährliche Rückzahlungspflicht von mindestens 1,5 Millionen Euro) sowie die 75-prozentige Eigentümerschaft am Westfalenstadion an eine Fonds-Gesellschaft der Commerzbank. Jeweils, um auf Kosten langfristiger Verschuldung kurzfristig eine pro Jahr um 20 bis 30 Millionen Euro zu teure Mannschaft weiter finanzieren zu können. Vor allem der Verkauf des Stadions hat die Banken zu einem Umdenken bewogen. Mit den immer neuen außerordentlichen Geldquellen leistete sich Dortmunds Führungs-Duo Niebaum/Meier jahrelang Ablösesummen und Gehälter, die bei weitem die normalen Einnahmen des durchaus ertragsstarken Klubs überstiegen (…) Manager Meier hat inzwischen der Westfalenpost gegenüber eingestanden, dass der BVB sich auch selbst an den Londoner Finanzmakler Stephen Schechter gewandt hat, um eine hohe Anleihe nach dem Vorbild von Schalke 04 aufzunehmen. Meier hatte bisher stets behauptet, Schechter habe umgekehrt den Dortmundern seine Dienste angeboten. Offenbar sind die Verhandlungen mit Schechter um eine Anleihe zwischen 50 und 100 Millionen Euro nicht nur aus diesem Grund ins Stocken geraten. Dortmund braucht das Geld lebensnotwendig – Schechters Investoren brauchen Sicherheiten.“
Synonym für Durchschnittskicker
Jörg Marwedel (SZ 16.1.) stellt fest, dass Marcel Maltritz (HSV) sich verzockt hat: „Seit Maltritz beim HSV einen neuen Vertrag ablehnte, der ihm – erfolgsabhängig – ein Jahressalär bis zu 800 000 Euro beschert hätte, droht der Name des wackeren Kämpfers zum Synonym für jene Durchschnittskicker zu werden, denen es angesichts der wirtschaftlichen Gesamtsituation an Demut mangelt und denen Bayern-Manager Uli Hoeneß dieser Tage riet, sie sollten „jeden Morgen zwei Kerzen aufstellen, dass sie diesen Lebensstandard genießen dürfen“. Zwar weiß man beim HSV Maltritz’ solide Arbeit durchaus zu schätzen, gleichwohl weicht das Urteil des Sportchefs Dietmar Beiersdorfer ein gutes Stück von der Selbsteinschätzung des Profis ab. Für Beiersdorfer ist Maltritz einer jener Fußballer, die sich künftig mit bescheideneren Gagen begnügen müssen, weil sie nicht, wie der persische Dribbel- und Flankenspezialist Mehdi Mahdavikia, zu den Stars zählen, die mit ihren Künsten und ihrer Ausstrahlung ein Stadion füllen können. Mahdavikia, den die Fans regelmäßig mit langgezogenen „Mehdi“-Rufen feiern, wird nach seiner Vertragsverlängerung mehr als zwei Millionen Euro jährlich kassieren und neben Sergej Barbarez (2,3 Millionen Euro) der Topverdiener beim HSV sein. Maltritz dagegen durfte nicht einmal auf die Unterstützung des Trainers bauen. „Jeder ist ersetzbar“, teilte Klaus Toppmöller kühl mit, „wenn er nicht will, kommt eben ein anderer“. Kaum ein Klub geht so rigoros wie der HSV vor bei dem Versuch, die Kostenstrukturen zu korrigieren und dabei umzusetzen, was Experten schon lange empfehlen: viel Geld für die Topstars und immer weniger für das Fußvolk.“
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Story aus Lybien
Walter Haubrich (FAZ 4.4.) erzählt eine bemerkenswerte Story aus Lybien. „Der Mittelstürmer wurde auf dem Flughafen von Barcelona in dem für Staatschefs und andere ausländische Würdenträger bestimmten Salon empfangen. Im teuersten Hotel der Stadt wohnte er in der größten Suite ganz oben, bewacht von mehreren Leibwächtern; seine Mannschaftskameraden hingegen wurden tiefer, im ersten Stock einquartiert. Der Mittelstürmer, ein knapp dreißigjähriger Mann mit gestutztem Backenbart, heißt Al Saadi Gaddafi und ist Sohn von Muammar al-Gaddafi, seit 1969 de facto Staatschef von Libyen. Der libysche Fußballmeister Al-Itthad trat im Camp Nou gegen den Hausherren FC Barcelona an. Al Saadi Gaddafi ist Eigentümer, Präsident und natürlich Mannschaftskapitän von Al-Itthad, auf deutsch mit Einheit übersetzbar. Er hat sich das Trikot mit der Nummer neun reserviert, spielt meistens als Sturmspitze, will sich in Zukunft aber auch als Spielregisseur im Mittelfeld versuchen. Die Mannschaftsaufstellung bestimmt der Mittelstürmer, er berät sich allerdings manchmal mit dem italienischen Trainer Giuseppe Dossena. Al Saadi Gaddafi hat als einziger immer einen Stammplatz in der Mannschaft und bestimmt, ob und wann er ausgewechselt wird. Das ist nun mal so. Seine Entscheidungen werden nicht diskutiert. Es lohnt sich nicht, ihm zu widersprechen; schließlich ist er der Eigentümer und Präsident des Klubs, sagt Dossena, der auf eine erfolgreiche Spielerkarriere bei Sampdoria Genua zurückblicken kann und bei der Weltmeisterschaft im vorigen Sommer Adjutant seines Landsmannes Maldini als Trainer von Paraguay war. Im Nou Camp verlor der libysche Meister 0:5 gegen den FC Barcelona, der praktisch alle verfügbaren Stammspieler aufstellte und sich bemühte, den jungen Gaddafi und seine Mitspieler nicht zu demütigen. Mittelstürmer Gaddafi versuchte sich nur einmal mit einem Schuß aufs Tor. Von außerhalb des Strafraums getreten, landete der Ball mehrere Meter von Torpfosten wie von der Torlatte entfernt. In der 79. Minute ordnete Gaddafi an, ausgewechselt zu werden. Er verabschiedete sich von jedem Spieler Barcelonas mit Handschlag.“
Gewinnspiel für Experten
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Begeisterung um die senegalesischen Löwen
Zur anhaltenden Begeisterung um die senegalesischen Löwen im Netz schreibt Alain Just in der senegalesischen Le Soleil (3.6.). “Seit dem Erfolg der Löwen über Frankreich letzten Freitag sind Mitteilungen über unsere Zeitung hereingebrochen, sei es in Form von Emails oder sei es in Form von Beiträgen in unserem Forum. Die Absender, gleich ob Senegalesen oder nicht, haben uns von überall geschrieben, unter anderem aus den USA, aus Frankreich, Polen, Italien, Spanien und aus Deutschland. Für einen von ihnen „zeigt dieser Sieg über Frankreich, in dieser ersten WM des 21. Jahrhunderts, für alle Bürger des Globus das Ende der lange bestehenden, intoleranten und übersteigerten Bevormundung Frankreichs. Wir können davon ausgehen, dass eine Milliarde Zuschauer bei diesem Begräbnis der Geschichte Anteil genommen hat! Es ist auf jeden Fall schöner als in meinen kühnsten Träumen und ich weiß nicht, seit wann ich als Afrikaner ein solches Gefühl des Stolzes durchlebt habe; oberhalb des Sports, ist es dieses deutliche Symbol, das der Sieg demonstriert und das Millionen Zeugen (selbst die Aborigines haben den Sieg gefeiert) vernommen haben.“ Während sogar eine Französin über sich sagt, „zufrieden mit dem Ausgang des Spiels zu sein“, schreibt uns ein Algerier, „dass alle Algerier stolz auf die Senegalesen“ seien. Weitere Personen schreiben uns, dass sie ihre Freude kaum in Worte fassen können.
Wie man eine Niederlage in einen Sieg verwandelt, zeigt Jacques Buob (Le Monde 3.6.). Frankreichs Ehre sei beschmutzt, aber doch nicht so sehr. 21 von 23 senegalesischen Spielern kicken in französischen Ligen, die sich damit allen Unkenrufen zum Trotz als stärkste der Welt erwiesen hätten. “Das Volk aus Afrika spielt in Gueugnon, Strassbourg, Sedan, Lorient, Chaux usw. Unsere Aristokraten – die Verlierer haben sich über die Alpen, den Ärmelkanal und die Pyrenäen davongemacht. So könnte man argumentieren, dass die französische den brillantesten Vertretern der ausländischen Meisterschaften eine Lektion erteilt hat (…) Es ist aber nicht sicher, dass Jean-Marie Le Pen dafür besonders empfänglich ist. Der Führer des Front National hat bereits geurteilt, dass es zu viele Afrikaner in der Equipe Tricolore gebe; in der – wie er meint – richtigen.”
Le Monde (31.5.) berichtet über die Veränderung des Aktienwertes von TF1: “TF1, das die Exklusivübertragungsrechte der Fußball-WM in Frankreich hat, legte bis zum Anstoß des Eröffnungsspieles um 1,14% auf 31,93 € zu, um bis zum Schlusspfiff 2,49% zu verlieren.”
Marion Aberle (FAZ 3.6.) berichtet von den Reaktionen der afrikanischen Öffentlichkeit auf das Auftaktwochenende. „der Triumph aus dem Eröffnungsspiel wirkt noch nach. Das Echo in der afrikanischen Fußballwelt ist nur mit der WM 1990 zu vergleichen, als Kamerun im Eröffnungsspiel in Italien Weltmeister Argentinien 1:0 besiegte. Wie damals hofft man nun in Afrika, den Anschluss an die internationale Fußballelite zu schaffen. Es trifft sich gut, dass der Triumph Senegal zugefallen ist, einem Land, das zu den hoffnungsvollen Staaten in Afrika gerechnet wird. Senegals Präsident Wade steht zusammen mit dem südafrikanischen Präsidenten Mbeki hinter einem neuen Aufbauplan für den Kontinent, das die konfliktreiche Vergangenheit beenden und ein demokratisches und wirtschaftlich aufstrebendes Afrika schaffen soll. Senegals Sieg wurde daher als gutes Zeichen für die „afrikanische Renaissance“ gewertet – nicht nur im Fußball.“
Le Monde (31.5.) über die Feiern im Senegal. “Wegen ihrer Freude nach dem Auftaktsieg des Senegals gegen Frankreich haben viele moslemische Senegalesen das Freitagsgebet vergessen. Das Gebet, das im Senegal jeden Freitag, dem heiligen Tag der Muslime, gegen 14:00 Uhr stattfindet, versammelt üblicherweise Tausende von Gläubigen. Der Fußball ist ein Sport und die Mohammedaner meinen, dass die Ausübung des Sports positive Auswirkungen auf die Gläubigen hat. Nach Meinung von El Hadj Aliou Moussa Samb hat die Tatsache, „dass sich elf Spieler zusammenfinden und gegen elf andere spielen einen föderativen Charakter“ und außerdem zur Folge, „dass man im Zusammenspiel ein kollektives Element entwickelt“. Dennoch musste der Prediger die wenigen teilnehmenden Gläubigen am Freitag zur Ordnung aufrufen, da diese den Kommentatoren des senegalesischen Sieges lauschten.
Die senegalesische Tageszeitung Le soleil (1.6.) publiziert die Gratulation des Staatspräsidenten. “Meine lieben Löwen, Ihr habt gerade das Pantheon des Weltfußballs betreten, indem Ihr konzessionslos den Fußballweltmeister geschlagen habt. Der Senegal, unser Land, und Afrika, unser Kontinent, die während der glorreichen 90 Minuten mit Euch gezittert haben, bewundern die Würde, die unerschütterliche Vorsehung und die Ehre, die in Euch gewohnt habt als Ihr die nationalen Farben vertreten habt. In der Tat ist dieser herausragende Sieg ein Zeichen der Zeit, da er ein wiedergeborenes Afrika und ein kämpferisches Afrika demonstriert.”
Dass selbst Fußballgroßmächte wie Frankreich ins Straucheln geraten, ist Balsam auf die arg geplagte schottische Fußballseele, weshalb der Scotsman (1.6.) schreibt: „Es war zwar nicht der Weltuntergang, aber für die geschlagenen französischen Superstars muss es sich so angefühlt haben. Es war nicht nur schlecht, es war furchtbar, wie die Weltmeisterschaftsdebütanten die Weltmeister mit einer brillianten Leistung demütigten. Frankreich muss nun Uruguay und Dänemark schlagen, um die nächste Runde sicher zu erreichen. Der Sieg gegen Frankreich war eine taktische Meisterleistung des französischen Trainers Bruno Metsu. Für Frankreich hingegen gab es nichts zu lachen. Der Senegal, dessen Mannschaft ausschließlich aus Spielern der französischen Liga besteht, verursachte einen der größten Schocks in der Weltcup Geschichte.“
Gewinnspiel für Experten
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Leipzig ist deutscher Olympiabewerber!
Hans-Joachim Waldbröl (FAZ 14.4.). „Wenn Erich Honecker das noch erlebt hätte: Leipzig ist deutscher Olympiabewerber! Gewählt mit großer Mehrheit des früheren Klassenfeindes, den der ehemalige DDR-Staatschef kurz vor der Wende mit dem waghalsigen Vorschlag, die Jahrtausendspiele nach Sachsen zu holen, düpieren wollte. Der amerikanische Präsident Ronald Reagan hatte zuvor die sportpolitische Idee verbreitet, Sommerspiele im damals noch geteilten Berlin sollten die Mauer zwischen den Blöcken durchbrechen. Was im Westen Deutschlands zum schnellen Verzicht von Dortmund mit der Rhein-Ruhr-Region, Frankfurt, Hamburg und Stuttgart zugunsten der heutigen Hauptstädter führte, provozierte im Osten Berlins die letzte vergebliche Trotzreaktion der Leistungssport-Diktatur. Eine Ironie der deutschen Geschichte, daß Honecker doch noch seinen letzten Willen bekommen hat – allerdings neun Jahre nach seinem Tod im chilenischen Exil und mit einer politischen Pointe, die den gebürtigen Saarländer am Samstag zu der vielzitierten Umdrehung im Grabe veranlaßt haben dürfte (…) Die politischen Neider regen sich unter den sportpolitischen Verlierern. Gehen schon wieder Geldgeschenke in den Osten? Die Antwort an den Steuerzahler ist vielleicht nicht beruhigend, aber einfach: Auch jede andere Stadt und Region müßte sich Olympia im wesentlichen von Land und Bund bezahlen lassen. Eine ganz andere Frage ist, wie die von Begeisterung getragene innenpolitische Wahl außenpolitisch zu verkaufen ist. Im Internationalen Olympischen Komitee (IOC) sitzen Wähler aus aller Welt, denen man keinen Allerweltsbewerber schmackhaft machen kann. Leipzig ein ganz eigenes, alternatives Profil zu geben, dazu hat der weltläufige Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker die drei deutschen IOC-Mitglieder Roland Baar, Thomas Bach und Walther Tröger aufgefordert: ein geradezu imperatives Mandat der deutschen Innenpolitik an die olympische Außenpolitik.“
Thomas Kistner (SZ 14.4.) fordert. „Ein harmonischer Auftritt mit sentimentaler Entführung in die deutsche Vergangenheit war Leipzigs Erfolgsrezept gegen das Sport Stadien-Gerangel der Mitbewerber. Daran besteht kein Zweifel. Ebenso eindeutig lässt sich aber auch die Frage beantworten, ob dieses politische Motto kommenden Prüfungen vor dem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) standhalten kann: Keinesfalls. Leipzig für Deutschland 2012 – die Formel muss mit neuen, packenden Inhalten gefüllt werden, und zwar in Windeseile. Das IOC verteilt keine Solidaritätszuschläge, dort waren Mauerfall und Montagsdemonstranten nie ein anrührendes Thema. Das verfing schon 1993 nicht mehr, als Berlin mit dem Vereinigungsmotiv eine Bruchlandung hinlegte. Wegweisendes muss her. Leipzig braucht ein Zukunftskonzept, das bei der Spielevergabe im Jahr 2005 durch das IOC nicht nur Weltmetropolen wie New York, Paris, Rio oder Madrid aussticht, sondern elektrisierend nach innen wirkt: drei Viertel der Bevölkerung muss sich hinter Sachsen versammeln. Auch das ist politische Vorgabe der Ringe- Herren, die zudem in Deutschland stets besonders gern ihre öffentliche Wirkung überprüfen. Mit Leipzig hat sich der deutsche Sport die teuerste Wahl geleistet. Die technisch schwierigste Bewerbung ist es überdies. Es muss nun in Rekordzeit ein Aufbau Ost hingelegt werden, wie er in den zwölf Jahren bisher nicht bewältigt worden ist. Die technische Überprüfung der internationalen Kandidaten durch das IOC beginnt schon im Januar 2004 – was schon mal leise die Frage aufwirft, ob diese Ost-Bewerbung nicht einfach zu früh kommt. In der Leere des Augenblicks allerdings liegt auch die Chance für Leipzig. Diese Bewerbung birgt andere Dimensionen als die der unterlegenen Konkurrenten, die allesamt nie ihr technokratisches Flachland verlassen haben: Wir Deutschen können das schon. Na und? Nur Leipzig lässt sich thematisch neu aufladen.“
Jörg Hahn (FAZ 14.4.). „Der Osten vermerkt stolz, daß Leipzig auch im Westen erste Wahl gewesen ist. Bei der Entscheidung über den deutschen Olympiabewerber für 2012 am Samstag in München setzte sich Leipzig zwar erst im letzten von vier nervenaufreibenden Wahlgängen gegen die favorisierten Hamburger durch, mit 81:51 Stimmen. Doch von Anfang an, das verrät die Statistik, hatten die Sachsen im Nationalen Olympischen Komitee (NOK) die Mehrheit für sich mobilisieren können. Stuttgart, Frankfurt und Düsseldorf, die in den ersten drei Durchgängen gescheiterten Städte, waren chancenlos. Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee als fesselnder Cellist und Conférencier, Altbundespräsident Richard von Weizsäcker und Stardirigent Kurt Masur als glaubwürdige Wahlhelfer, anrührende wie mitreißende Filmaufnahmen aus der Geschichte eines einst geteilten Landes – so sah am Samstag die Erfolgsmixtur aus, mit der Leipzig die Herzen der NOK-Delegierten eroberte. Sichtlich zufrieden, aber auch erhitzt, als hätte er selbst um den Sieg mitgekämpft, verkündete Bundeskanzler Gerhard Schröder den Gewinner eines Städte-Fünfkampfes, der am Ende etwas von einer zweiten deutschen Vereinigung hatte. Vertreter aus Politik, Sport und Wirtschaft lobten die richtige Wahl, forderten aber auch dazu auf, Leipzig nun mit der großen Aufgabe nicht allein zu lassen.“
Frank Ketterer (taz 14.4.). „In den Debattenzirkeln hatten sich nach Bekanntgabe des Ergebnisses die wichtigen Leute indes schnell darauf verständigt, dass es sich bei Leipzig in erster Linie um eine politische Wahl gehandelt habe; dass zuvor Rostock bereits im ersten Wahlgang mit 69 Stimmen den Zuschlag für die Segelwettbewerbe erhalten hatte, bestätigte diese Ahnung. Das ist gelebte Wiedervereinigung, formulierte es Hans-Georg Moldenhauer, Präsident des Nordostdeutschen Fußballverbandes und NOK-Mitglied. Ein kräftiger Schuss Sportpolitik wird bei dem Entscheid freilich schon auch dabei gewesen sein: Denn das Votum pro Leipzig dürfte zu gutem Maße auch eine Wahl gegen Hamburg und Düsseldorf gewesen sein; beide Kontrahenten hatten sich im Vorfeld der Wahl allzu öffentlich behakt. Vor allem Düsseldorf war mit seinem Wahlhelfer Ulrich Feldhoff zu sehr in die Negativschlagzeilen gerutscht. Feldhoffs oft dementierte Ankündigung, die Mehrheit der 32 Verbandsfürsten auf die Seite der Rhein-Ruhr-Bewerbung gezogen zu haben, ging ziemlich nach hinten los. Zwar versuchte der mächtige Kanu- und DSB-Vizepräsident mit Bekanntgabe seines Stimmverzichts am Freitag noch die Stimmung zu kippen, gelungen ist ihm das aber nicht mehr.“
Bernhard Honnigfort Ulrike Spitz (FR 14.4.). „An diesem Nachmittag ist Leipzig wieder die Heldenstadt. Wieder haben die Leipziger etwas geschafft, mit dem die wenigsten gerechnet haben. Durchgesetzt haben sie sich gegen die größeren und reicheren westdeutschen Städte. Leipzig, der ehrgeizige, aber arme kleine Vetter im Osten, geht für ganz Deutschland ins Rennen, nicht die wohlhabenden Westcousins. Das tut der Seele gut. Es ist etwas mit dem Vereinigungsprozess geschehen, sagt Altbundespräsident von Weizsäcker. Eine politische Entscheidung für den Osten, brummelt irgendwann ein ernüchterter Kommentator aus Hamburg, der großen Verliererstadt, von der Leinwand herunter, aber das stört niemanden mehr. Wenngleich es zur Wahrheit dieser wundersamen Geschichte gehört. Sie hat viel mit den Gefühlen zu tun, die Leipzig mit seiner an die Herzen gehenden Präsentation auch in München bei den Mitgliedern des Nationalen Olympischen Komitees (NOK) weckt, die mehrheitlich aus dem Westen kommen. Ich habe in einige glasige Augen gesehen, sagt Klaus Steinbach, der Präsident des NOK, die Präsentation von Leipzig war die einzige, bei der man im Bauch was gespürt hat. Als hätten die Leipziger sich genau an seinen Worten orientiert. In der Präsentation liegt eine unglaubliche Power, hatte Steinbach stets beschworen, es kommen ganz sicher Kopf- und Bauchargumente zusammen. Schließlich übermannt es auch die Westler im Ballsaal des Hilton Hotels, als Tiefensee die letzte der fünf Präsentationen mit den Worten beginnt: Ich stünde nicht hier, wenn es die Mauer noch gäbe. Tiefensee setzt damit den Ton. Die Leipziger genießen das Gefühl, mal wieder Heldenstadt zu sein.“
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