indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

Ballschrank

Themen

Themen: die Qualitätskriterien des FC Bayern – sensationeller Transfer in Wolfsburg – soziale Typbeschreibung Fußballfan – Jovialität in Schalke – neues Leitbild VfB Stuttgart

Thomas Klemm (FAS 13.7.) erläutert die Qualitätskriterien des FC Bayern bei der Spielerwahl. „Warum aber rechnen die Bayern-Verantwortlichen damit, daß aus einem stillen Techniker urplötzlich eine extrovertierte Führungsfigur wird? Auch Hoeneß und Rummenigge kennen doch den Charakter des Nationalspielers, den sie vor einem Jahr verpflichtet haben und den schon Trainer Röber bei Hertha BSC dazu anhalten wollte, sich zu öffnen. Vor Deislers Wechsel riet Röber gar, in München das Spiel mitzumachen. Ebenjenes Schau-Spiel, in dem es keine Nebenrollen zu geben scheint, sondern jeder mindestens eine kleine Hauptrolle bekleiden muß. In der Filmstadt München geht es an der Säbener Straße zu wie bei Dreharbeiten: Klappe auf, Klappe zu – Action. Mehr als bei anderen Erstligaklubs, wo sich die Spieler im Verdrängungswettbewerb durchsetzen müssen und, wie im Falle des neuen Dortmunder Jung-Kapitäns Christoph Metzelder, durch ihr Auftreten das Vertrauen der Führung gewinnen, muß ein Bayern-Profi spielend und sprechend seinen Willen zur Macht zeigen. Immer nach dem Motto: Der FC Bayern ist toll, ich bin beim FC Bayern, also bin ich toll. Werktags trainieren und am Wochenende spielen, das reicht nicht – da mache Deisler laut Rummenigge einen gedanklichen Fehler. Im Zweifelsfall, so die insgeheime Botschaft der Bayern-Chefetage, sollten die Profis lieber beim Aufmucken über das Ziel hinausschießen und Geldstrafen in Kauf nehmen.”

In der FR lesen wir. „Aufregung in Wolfsburg: Im Stadtbad hatte sich ein Hornissenschwarm eingenistet. Gottseidank hat die Feuerwehr die Sache mittlerweile unter Kontrolle.“

Javier Cáceres (SZ 15.7.) porträtiert den spektakulären Neuzugang des VfL Wolfsburg. „Dass Andrés D’Alessandro, 22, bisher Regisseur beim argentinischen Rekordmeister River Plate, künftig Angestellter des VfL sein wird, ist eine der Sensationen der ereignisarmen Fußball-Sommerbörse. In Spanien galt seit Ende vergangenen Jahres als ausgemacht, dass sich Barcelona und Real Madrid um den Mittelfeldspieler der „burlesken Dribblings“ (El País) prügeln würden, und noch am vergangenen Freitag versicherte die italienische Gazzetta dello Sport, dass die Führungskräfte der Serie-A-Clubs Juventus Turin und AC Milan D’Alessandro umgarnten – unter anderen, selbstverständlich. Die Auktion aber gewann Wolfsburg, der Klub einer Stadt also, die den Experten der argentinischen Sportzeitung Olé nicht besonders bekannt zu sein scheint: außer Autos seien dort auch hübsche Häuser im Kolonialstil und „einige der besten Weine Deutschlands“ zu erstehen. Dass sich Wolfsburg die Dienste des argentinischen Nationalspielers sichern konnte, hat viel mit der Ebbe in italienischen und spanischen Vereinskassen, aber auch mit der Volkswagen AG zu tun. Vor vier Jahren übernahmen die Autobauer 90 Prozent der Anteile an der VfL-GmbH, seither läuft der Versuch, den titelfreien Klub in einen global player der Fußballwelt zu verwandeln. „Zukunftsweisend“ hat VfL-Manager Peter Pander D’Alessandros Verpflichtung genannt, weil der Kicker dabei mithelfen soll, den Verein mittelfristig, bis 2007, in der Champions League zu platzieren. Die Bundesliga werde viel Freude an D’Alessandro haben, glaubt Trainer Jürgen Röber. Wegweisend ist der Transfer aber auch in anderer Hinsicht. Denn Wolfsburg macht sich nunmehr das VW-Firmennetz zwecks Aufrüstung der Fußballmannschaft zunutze. Ähnliches ist auch von Bayer Leverkusen bekannt. Doch beim Werksklub beschränkt sich die Unterstützung durch die brasilianische Filiale vorrangig auf logistische Unterstützung bei Spielertransfers. VW hingegen fädelte über seine Vertretung in Argentinien eine strategische Partnerschaft zwischen dem VfL und River Plate ein, dessen Nachwuchsarbeit in der Branche als vorbildlich gilt.“

Philipp Selldorf (SZ 15.7.) war auf der Pressekonferenz und beobachtete die Stimmung innerhalb der Führungsriege. „Offensichtlich rätselt der Chef des WM-Komitees darüber, warum er so intensiv zum Weitermachen gedrängt wird, nachdem ihn Hoeneß und Rummenigge oft genug für abweichende Meinungen gerügt hatten. Und auch gestern bewies er wieder, dass seine Ansichten nicht jederzeit übereinstimmen mit den strategischen Bemerkungen des AG-Vorstands. Hatte Uli Hoeneß kürzlich noch Real Madrid wegen des Aufsehens um David Beckham als „Circus“ verspottet, meinte Beckenbauer gestern: „Wie die das mit Beckham machen wollen, ist zwar deren Geheimnis, aber diese geballte Kraft in einem Klub – ich find’s großartig.““

Thomas Klemm (FAS 13.7.) betreibt Fansoziologie. „Miteinander redet man nicht, sondern übereinander. Manager Uli Hoeneß habe eine Engelsgeduld bewiesen, hat Hörwick gesagt, Gesprächsangebote des Vereins, die es laut Fanklubs nie gegeben habe, hätten nichts gefruchtet. Was vordergründig als Münchner Problemfall erscheint, hat erhebliche Auswirkungen auf das gütliche Miteinander von Anhängern und ihren Vereinen. Manche Fanklubs haben Angst, sie könnten die nächsten sein, sagt Thomas Schneider von der Koordinationsstelle Fan-Projekte (KOS) in Frankfurt. Matthias Bettag, Sprecher des Bündnisses aktiver Fußballfans, schließt nicht aus, daß es sich beim Vorgehen des FC Bayern um einen Testballon des mächtigsten Vereins gehandelt habe. Demgegenüber fürchten Vereine, daß Fans vor allem mit pyrotechnischen Produkten die Gesundheit der Stadionbesucher gefährden. Von Ausschreitungen ganz zu schweigen.Zwar ist den Profiklubs mit Hilfe der Fan-Projekte weitgehend gelungen, Gewalt aus den Stadien zu verbannen; eine positive Entwicklung hinsichtlich der Weltmeisterschaft 2006 hierzulande. Doch genießen die Ultras, zu denen sich auch Schickeria München zählt, keinen guten Ruf. Mit ihnen wissen manche Vereine nicht umzugehen, sagt KOS-Leiter Schneider. Sie sollten gelassen hinnehmen, daß zu einer bestimmten Fankultur gehört, provokant aufzutreten. So wie die Münchner Fanklubs, die mit zahlreichen Aktionen gegen eine Kommerzialisierung des Großklubs wetterten. In der Regel seien Ultra-Gruppen weder Biedermänner noch Brandstifter, sondern kämen mehrheitlich aus gebildeten Milieus mit mittelschichtsorientiertem Verhalten, behauptet Schneider. Sie seien nicht asozial, undemokratisch und gewaltbereit wie einst Hooligans nach englischem Vorbild, sondern prosozial, urdemokratisch und kreativ wie ihre italienischen Rollenmodelle. Im Stadion sorgen sie vor allem mit Choreographien und Selbstinszenierungen für Stimmung. Gilt also für die Führungsetage der Profiklubs: Der Fan, das unbekannte Wesen? Die Ultras bezeichnen sich zwar als nicht gewaltbereit, aber zwischen Anspruch und Wirklichkeit liegen hier oft Welten, sagt Professor Gunter A. Pilz. Wie Bayern-Manager Hoeneß, der von gewissen Elementen sprach, hat auch Konfliktforscher Pilz einen Trend ausgemacht, daß die Ultras zum Sammelbecken auch für Gewaltbereite und Rechtsradikale würden.Die Ultraszene der Frankfurter Eintracht beispielsweise bezeichnet KOS-Leiter Schneider als tonangebend; für andere sind deren – verbotene – bengalische Feuer furchteinflößend.“

Philipp Selldorf (SZ 12.7.) zufolge ging es im Schalker Trainingslager gemütlich zu. „Am Vorabend der Abreise aus dem Trainingslager im Erzgebirge, nahe der tschechischen Grenze, dort wo eine Caipirinha 2,50 Euro kostet, hat der FC Schalke 04 die mitgereisten Journalisten zum „Elefantenrunde“ genannten Gesprächskreis mit Manager Rudi Assauer und Trainer Jupp Heynckes geladen. Man möchte sich ein bisschen besser kennen lernen. Statt Scampi und Langusten, wie sie Heynckes bis vor drei Wochen in der Wahlheimat Spanien vorgesetzt wurden, gibt es Rollmops und Brathering. Jeder Reporter führt sich mit Namen und Arbeitgeber ein, einer erklärt sich statt seiner Zeitung der 4. Panzer-Division zugehörig, und den neuen Trainer stellt, nicht weniger launig, Manager Assauer vor: „Gute Freunde dürfen ihn Josef nennen, weniger gute sagen Jupp zu ihm.“ Am Ende des geselligen Abends mit dem verblüffend fröhlichen Coach waren die meisten Berichterstatter möglicherweise versucht, Josef zu sagen, und es hätte einen nicht gewundert, wenn sie ihn nach dem Erinnerungsfoto beim Pils auf ihren Schultern aufs Zimmer getragen hätten. Beobachter meinten scherzeshalber, im Hotel „Am hohen Hahn“ in Bermsgrün sei der erste deutsche Heynckes-Fanklub gegründet worden. Zweifellos herrscht neuer Schwung rund um Schalke 04.“

Zur Situation beim VfB Stuttgart heißt es von Michael Ashelm (FAS 13.7.). „Viele Augen werden in den nächsten Monaten auf den Meisterschaftszweiten schauen, beobachten, ob das Modell im Jahr eins nach der großen Überraschung noch funktioniert. Die hohe Verschuldung hatte den Verein für Bewegungsspiele dazu gezwungen, vor allem junge, billige Arbeitskräfte einzusetzen und so den Wettbewerb mit den Schwergewichten aus Dortmund, Schalke oder Berlin aufzunehmen. An dieser Grundlinie hat sich vor Beginn der 41. Bundesligaspielrunde nichts geändert, selbst mit dem Erreichen der Champions League nicht. Zugänge wie Jurica Vranjes (Bayer Leverkusen), Imre Szabics (Sturm Graz), Cacau (1. FC Nürnberg) oder Philipp Lahm (Bayern München) sind nicht älter als 23 Jahre, ein Comeback des siebenunddreißigjährigen Krassimir Balakow, der seine Karriere zum Saisonende beendet hatte, wird vom Bulgaren selbst kategorisch ausgeschlossen. So wird der VfB Stuttgart immer jünger und setzt auch woanders Trends: Kein anderer Klub der Liga hat in seinen Funktionärsreihen mehr hochkarätige Wirtschaftsmanager sitzen, kein anderer vertraut so sehr auf die Zusammenarbeit mit dem Trainer.Der allmächtige Magath arbeitet seit der Trennung von Rolf Rüssmann in Personalunion als Teammanager und zieht in allen sportlichen Belangen des Vereins die Strippen. Abwerbeversuche wie von Schalke 04 im Mai hat er geschickt dazu genutzt, weitere Kompetenzen für sich zu gewinnen. Im Gegenzug bietet er sportlichen Aufschwung und neues Selbstvertrauen. Vor der Zukunft ist mir nicht bange. Warum sollen wir vor den Großen Real Madrid, Arsenal London oder AC Mailand Angst haben? Laßt sie doch kommen, wir werden uns gut verkaufen, sagt der Fußball-Lehrer. Solch markige Botschaft hört der VfB-Fan natürlich gerne, hat er doch lange Jahre mit der Mittelmäßigkeit auskommen müssen. Die Muskelspiele des Trainers passen gut zu den großen Plänen des neuen Präsidenten, des Nachfolgers von Manfred Haas, der aus dem Stuttgarter Traditionsklub eine Art Massenbewegung unter dem Arbeitstitel VfB Baden-Württemberg kreieren will. Herr Magath ist sehr, sehr positiv für uns. Er ist ein souveräner Mann, der jegliche Unterstützung von uns bekommt, sagt Staudt. Der 55 Jahre alte ehemalige Linksaußen vom TSV Eltingen ist im Hauptberuf Vorsitzender des Aufsichtsrates des Computer-Riesen IBM mit Sitz in Berlin. Doch bald, wenn er erst die Fußballsparte des VfB in eine Kapitalgesellschaft umgewandelt hat, soll er den Posten eines Vorstandsvorsitzenden oder bezahlten Präsidenten übernehmen.“

Eintracht Frankfurt vor der Saison Tsp

Gewinnspiel für Experten

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Vermischtes

Kopfschütteln in Köln und über Köln – in Leipzig baut man für viel Geld ein „Besichtigungsobjekt für Leute, die sich für Stadionarchitektur interessieren“ (FTD) – adidas presents David Beckham u.v.m.

Komplett enteiert

if-Leser Rico Mielke kommentiert die Lage in Köln: „Beim 1.FC Köln ist das Prinzip, wonach man immer in der „besten aller möglichen Welten“ lebt, schon lange konsequent verinnerlicht. Es heißt hier nur ein bisschen anders: „Et hätt noch immer joot jejange“. Gut gegangen hat es aus FC-Perspektive, wenn nach Ablauf dieser Saison Fortuna Düsseldorf weiterhin viertklassig bleibt, Bayer Leverkusen wieder nix reißt und keinen internationalen Wettbewerb erreicht, vorzugsweise entscheidend verursacht durch eine Niederlage gegen den 1.FC Köln, und am besten Borussia Mönchengladbach gleich mit absteigt in die zweite Liga. Dann ist die Welt wieder in Ordnung, und alle können feiern, schunkeln und singen: „Isch bin ne kölsche Jung, wat soll isch maache“. Und nächstes Jahr wieder aufsteigen. Aber jetzt kommt die kölsche Lichtgestalt ins Spiel: Wolfgang Overath! „Un et weed widder joot…“ Dass indes die Rekrutierung von lokaler Prominenz aus der Fußballhistorie keineswegs ein Garant für eine erfolgreiche Gegenwart und Zukunft ist, hat man vor allem in Frankfurt mit 74er-Weltmeister Hölzenbein und beim HSV während der ziemlich kurzen Präsidentschaft Uwe Seelers schon hinreichend erfahren. Was also hätte Wolfgang Overath beim 1.FC Köln bewirken, wofür genau zuständig sein sollen? Ob der Hauptgrund für Overaths unerwarteten Rückzug wirklich die von ihm geltend gemachten Differenzen mit einem amtierenden Frühstückspräsidenten Caspers sind? Wie dem auch sei – die Entscheidung des derzeitigen Leitungspersonals, Overath nicht die von ihm geforderte „alleinige Führung des Vereins“ zu überlassen und sich damit selbst komplett zu enteiern, ist richtig. Wenn die vorliegenden Berichte stimmen, hätte das Angebot an Overath ihn zum quasi allmächtigen Vizepräsidenten gemacht. Das allein wäre schon ein hohes unternehmerisches Risiko gewesen. Mehr ist nicht zu vertreten. Und wenn der Verein 1.FC Köln weiter konsequent ist, dann bleibt er bei seiner soliden Linie und nimmt es in Kauf, vorübergehend zu einer „Fahrstuhl-Mannschaft“ zu werden. Wohin das Hantieren mit ungedeckten Wechseln auf die Zukunft führt, wird schließlich beinahe täglich in allen großen Geld-Ligen Europas vorgeführt, nicht nur im Ruhrgebiet. Man sollte sich also entscheiden: Entweder den finanziellen Irrsinn mitmachen und sich hoch verschulden (oder einem Sponsor aus der Öl-Wirtschaft ausliefern), in der Hoffnung mit teuren Neueinkäufen in absehbarer Zeit wieder Europacup spielen und viel Geld einnehmen zu können. Oder Geduld haben und abwarten, bis die ganzen aufgeblähten Fußballunternehmen der Reihe nach Pleite gegangen sind und Spielerpreise sowie Gehälter wieder ein halbwegs realistisches Niveau erreicht haben, so dass auch ein solide geführter Verein wieder mitbieten und -halten kann – auch wenn dies für den FC ein paar Spielzeiten in Liga Zwei beinhalten könnte. Letzteres ist natürlich völlig unrealistisch, weil Fans, Sponsoren, Lokalpresse, Umfeld, also quasi „der ganzen Region“, nicht zu vermitteln. Es ist aber mindestens genauso unrealistisch, von Wolfgang Overath die Erlösung von allem Bösen zu erwarten. Denn auch er hätte beim Blick in die Kasse feststellen müssen: „Drei mal null is null, is null“. Und das Ergebnis beim Blick auf die Klasse (der Spieler) wäre nicht viel anders ausgefallen. Aber immerhin, optisch würde das künftige Auf und Ab beim FC einen besseren Eindruck machen: Ein Weltmeister als Fahrstuhlführer.“

Frank Heike (FAZ 5.3.) meint, dass Ralf Rangnick in Hannover normal behandelt wird: „Eine Entlassung bei vier Niederlagen in sechs Spielen folgte nur den Gesetzen der Bundesliga. Gewönne Hannover, hätte Kind in der Tat ein Problem, das in einer Phase der Annäherung im System Kind/Rangnick käme: Denn ohne daß es die Öffentlichkeit groß gemerkt hätte, gab es zuletzt weitaus weniger Spannungen zwischen dem asketischen Erfolgsmenschen Kind und dem intelligenten, gern an seinen Fehlern festhaltenden Taktik-Freak Rangnick. Nach dem Streit zwischen Moar und Rangnick im Trainingslager im Januar hatte Kind ein Machtwort pro Rangnick gesprochen und ihm die volle Rückendeckung gegeben. Ich bin überzeugt, daß er ein wirklich guter Trainer ist, sagte Kind dieser Zeitung noch vor einiger Zeit, er leistet seine beste Arbeit bisher hier ab und ist absolut loyal. Kind beklagte seinerzeit, daß er in der Schublade stecke, Rangnick zu mobben und sich immer hinter dessen Rücken nach anderen Kandidaten umzusehen. Das sei längst vorbei. Daß er sich in dieser Woche zu keiner schnellen Entscheidung durchringen konnte, hat damit zu tun, daß Kind gern eine Trennung möchte, die Rangnick die Möglichkeit läßt, sein Gesicht zu wahren. Zum Beispiel einen ehrenvollen Rücktritt nach einem Sieg. Natürlich hängt das zögerliche Festhalten am Trainer auch damit zusammen, daß Kind zwar mit anderen Trainern gesprochen hat, aber entweder keine Zusage bekommen oder einen geeigneten Nachfolger noch nicht gefunden hat. Der Grund für die Lupe, die man derzeit über die Roten hält, ist denn auch ein anderer. Sie hat mit der Entwicklung in der Liga zu tun. Nach den unwürdigen Trainerentlassungen in Hamburg von Jara zu Toppmöller (Stichwort Lüge) und in Berlin von Stevens zu Meyer (Stichwort Ultimatum) schaut die Öffentlichkeit ganz genau auf das Krisenmanagement der Profiklubs, wenn es um den Trainertausch geht. Hier verhalten sich die Hannoveraner mit ihrem kleinen Stab von Verantwortlichen (ohne Pressesprecher) derzeit nicht chaotischer oder ungeschickter als Dutzende andere Vereine vor ihnen.“

In Leipzig erkennt René Martens (FTD 5.3.) eine geworfene Perle vor den Vielzitierten: „Von der Papierform her gehört das Spiel zwischen Sachsen Leipzig und den Amateuren von Borussia Dortmund nicht zu den Schlagern der Regionalliga Nord, und dennoch ist es ein historisches Match, das da am Sonntag in der sächsischen Metropole stattfindet. Mit dem Drittliga-Kick wird das neue Zentralstadion eröffnet, in dem 2006 fünf Spiele der Fußball-Weltmeisterschaft stattfinden. Außerdem ist die 44 300 Menschen fassende Arena fest eingeplant für den umstrittenen Confederations Cup, der 2005 in Deutschland über die Bühne geht. Rund 90 Mio. Euro hat es gekostet, das ehemals größte Stadion Deutschlands – 100 000 Zuschauern bot es Platz – in eine hochmoderne Arena umzurüsten. Etwa zwei Drittel der Summe zahlten der Bund und die Stadt Leipzig, mit 27,4 Mio. Euro dabei ist die EMKA-Beteiligungsgesellschaft des Hasardeurs und Kinowelt-Pleitiers Michael Kölmel. Stolze Summen, wenn man bedenkt, dass die öffentlichen Kassen angeblich leer sind, und wenig Aussicht darauf besteht, dass in Leipzig bald Zweit- oder gar Erstligafußball gespielt wird. Der FC Sachsen kämpft um den Klassenerhalt in der Regionalliga, und der Rivale VfB steht bereits als automatischer Absteiger aus der Oberliga Nordost-Süd fest, nachdem er Anfang Februar schon zum zweiten Mal in seiner Vereinsgeschichte Insolvenz angemeldet hat. Wie es für den VfB weitergeht, wird auf einer Gläubigerkonferenz Mitte April entschieden werden. Als der VfB Leipzig 1994 wieder aus der ersten Bundesliga abstieg, war dies nur der Anfang vom Ende. Und nicht nur für den VfB, sondern auch für das alte Zentralstadion. Der Verein zog damals in das kleinere Bruno-Plache-Stadion um. Das große Zentralstadion wurde nun kaum noch genutzt. Dies soll sich durch den jetzt abgeschlossenen Umbau für die Weltmeisterschaft 2006 ändern. Nicht auszuschließen ist jedoch, dass der Bau nach 2006 hauptsächlich als Besichtigungsobjekt für Leute dienen wird, die sich für Stadionarchitektur interessieren – ähnlich wie manche Spielstätten der WM 2002 in Asien.“

Zwanzig Minuten brauche es noch, um seine Haare zu richten

adidas presents David Beckham. Gerd Schneider (FAZ 5.3.) ist dabei gewesen: „Es ist ein skurriles Szenario an diesem Abend in der sogenannten Konzept-Halle. Hainer, ein früherer Bayernliga-Kicker, hält eine Rede auf englisch, obwohl fast ausschließlich deutschsprachige Journalisten da sind – es geht ja um Weltfußball. Daß Beckham, leicht verspätet, erst um neun statt um sechs Uhr erscheint, soll an technischen Problemen seines Flugzeugs liegen, das eine Rückkehr nach Madrid erforderlich gemacht habe. Dann verbreitet sich in Windeseile die Kunde, daß er um 19.36 Uhr auf dem Flughafen von Nürnberg gelandet sei. Wenig später verkündet eine Stimme aus dem Lautsprecher, Beckham sei inzwischen eingetroffen und beeile sich, auf die Bühne zu kommen. Zwanzig Minuten brauche es aber noch, um seine Haare zu richten. Dann erscheint er, gleich dem Deus ex machina in einem antiken Drama, wie aus dem Nichts auf der Bühne. Der Engländer mit dem ausgeprägten Londoner Slang hat allerdings nichts Tragisches an sich. Er wirkt ungeheuer entspannt, was den Schluß nahelegt, daß er nicht zu den Fußballprofis gehört, die unter Flugangst leiden. Er wird wie ein seltenes Tier begafft, aber das ist ja überall so, wo er auftritt, ob in Sambia, Yokohama oder Herzogenaurach. Die Fotografen sind in sicherer Entfernung. Überhaupt kommt ihm niemand nahe außer Hainer und der englischen Fernsehmoderatorin Lisa Rogers, die auf Beckhams Wunsch hin eingeflogen wurde: nicht die Klatschreporterin von der Münchner tz, die von ihrem Chef den Auftrag erhalten hat, sich gemeinsam mit Beckham ablichten zu lassen; und auch nicht die vier deutschen Nationalspielerinnen, die auf ihren Trainingsjacken für Katzenfutter werben und ganz aufgeregt miteinander tuscheln. David Beckham ist ein lebender Beweis dafür, daß sich Popularität und Höflichkeit nicht ausschließen müssen.”

Wie der Admiral der Kriegsmarine

Philipp Selldorf (SZ 5.3.) auch: „Das sogenannte Global Headquarter der Firma adidas in Herzogenaurach ist nicht gerade das, was man sich unter der Kommandozentrale eines weltweit tätigen Erfolgskonzerns vorstellt. Der Bau steht irgendwo zwischen Feldern und Wäldern und strahlt den Charme einer Bundeswehrkaserne aus, und als hier am Mittwoch Abend der berühmte Besucher aus Madrid zunächst im Kunstnebel vor einer Hand voll Gäste und wenig später auf der Bühne vor der adidas-Belegschaftsversammlung Einzug hielt, ähnelte das in der Tat dem Truppenbesuch durch eine Königliche Hoheit. Hat nicht David Beckham, der berühmteste Fußballer der Erde, die Stellung eines Monarchs ohne Grenzen eingenommen? ¸¸Die Leute bei adidas arbeiten so hart, sagte er und stattete seinen Dank ab an die Mitarbeiter des Ausrüsters und Geschäftspartners. Beckham kam drei Stunden später als angekündigt zum PR-Termin, wegen eines Malheurs seines Privatjets aus Madrid, aber er sah natürlich trotzdem fabelhaft aus, im dunkelmelierten Anzug, schwarzes Hemd, braune Schuhe, Pferdeschwanz und dieses sanfte, fotogene Lächeln im Gesicht, das eben nicht nur Mädchen, Frauen und alte Damen begeistert. Vor zehn Tagen nach dem Spiel in München hatte sich auch Uli Hoeneß spontan in ihn verliebt (¸¸Mensch, ist der nett), während andere Offizielle des FC Bayern überlegten, ob sie ein Dankschreiben an Real schicken sollten – weil Beckham sich so großartig verhalten habe. Auch in Herzogenaurach bestätigte sich der Eindruck natürlicher Liebenswürdigkeit. (…) Ein von Zweifeln geplagter Star wie Oliver Kahn könnte glatt neidisch werden auf David Beckham, dessen Sicht auf das Leben so ansteckend positiv ist, obwohl ihm im Laufe seiner Karriere viel Ablehnung, Häme und auch Hass begegnet ist, besonders von seinen Landsleuten, die sich einst Diego Maradonas irrigem Urteil angeschlossen hatten (¸¸er ist zu schön, um aufs Feld zu laufen). Beckhams biographische Bilanz in Büchern, Aufsätzen und Interviews ist immer dieselbe: ¸¸How lucky I am – was für ein Glück ich habe (und hatte). Aufgewachsen ist er in einer kleinbürgerlichen Reihenhaussiedlung, sein Vater montierte Einbauküchen, die Mutter war Friseurin, und inzwischen ist er nicht nur Multimillionär (auf 50 Millionen Pfund taxierte ihn kürzlich die Sunday Times), sondern am Ziel seiner Träume: als Spieler von Real Madrid und – vor allem – als Kapitän der englischen Nationalelf, ein Ehrentitel erster Güte ¸¸in einem Land, in dem diese Funktion so viel gilt wie der Admiral der Kriegsmarine – mindestens.“

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Das System Sammer ist an seine Grenzen gestoßen

Wolfgang Hettfleisch (FR 26.5.) resümiert. „Das System Sammer ist an seine Grenzen gestoßen. In fortwährenden Wiederholungen hat sich die Wirkung der Wutausbrüche des BVB-Trainers gegen Journalisten ebenso erschöpft wie dessen Appelle an Ehre und Arbeitsethos seiner Spieler. Es steht schlimm um die Schwarz-Gelben, wenn einer wie der Berufsbesserwisser Udo Lattek am Sonntag im DSF-Stammtisch ungestraft die Ausbreitung einer brasilianischen Mentalität im Dortmunder Team und im Umkehrschluss einen Mangel an vermeintlich deutschen Tugenden beklagen darf.“

Tag des Ärgers und Zorns

Wilfried Wittke (FAZ 26.5.) schreibt über Reaktionen aus der Dortmunder Kurve. “Mit dem Saisonabpfiff von Schiedsrichter Peter Sippel entluden sich Enttäuschung und Zorn: 68.000 frustrierte Zuschauer entließen die Fußballprofis von Borussia Dortmund mit einem wütenden Pfeifkonzert, Buhrufen und Beschimpfungen in den Urlaub. Statt den Einzug in die Champions League zu feiern, waren sie Zeugen eines traurigen Finales einer für Dortmunder Verhältnisse schwachen Spielzeit geworden. Der vom FC Bayern München längst entthronte deutsche Meister krönte eine an sportlichen Peinlichkeiten kaum noch zu überbietende Rückrunde mit einem blamablen 1:1 gegen Absteiger Energie Cottbus und muß sich nun über den Umweg der Qualifikation (12./13. und 26./27. August) für einen Platz in der europäischen Königsklasse bewerben. Was hier passiert ist, war nicht gut für die Seele, sagte Manager Michael Meier verbittert, die Fans haben ihrem Frust freien Lauf gelassen. Der Dortmunder Mittelfeldspieler Sebastian Kehl gestand kleinlaut ein: Ich kann es nicht in Worte fassen und schäme mich für das, was abgelaufen ist. Aber das zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison. Zu einem Tag des Ärgers und Zorns paßte irgendwie gar nicht, daß die BVB-Profis nach Spielschluß auch noch Bier für die Fans zapfen mußten (die damit erlösten Gelder kommen der Irak-Hilfe zugute).“

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Die Themen: Lizenzierungsstreit in der Zweiten Liga, finanzielle Perspektiven (Bundesliga) und Forderungen (U. Hoeneß).

Der Schauplatz verlagert sich derzeit vom grünen Rasen an die Verhandlungstische. Die Themen: Lizenzierungsstreit in der Zweiten Liga, finanzielle Perspektiven (Bundesliga) und Forderungen (U. Hoeneß).

Zum Verhalten des Unterhachinger Präsidenten im Lizenzierungsverfahren lesen wir bei Richard Becker (FAZ 11.7.). „Nun hat Kupka durch den Mehrheitsbeschluss der Liga eine empfindliche Niederlage hinnehmen müssen, was ihn jetzt noch weiter in die Ecke getrieben hat. Die von ihm vermutete Solidarität mit einem sportlich und formaljuristisch scheinbar Benachteiligten hat sich als Seifenblase erwiesen. Jeder ist sich selbst der Nächste, vor allem dann, wenn es um den in seinem Inhalt geschrumpften Fleischtopf der Fernsehgelder geht. Kupka ist ein schlechter Verlierer (…) Dieses leidige juristische Gezerre beschädigt nicht nur das durch die Weltmeisterschaft endlich wieder aufpolierte Ansehen des Fußballs, sondern nachhaltig auch die Deutsche Fußball Liga und ihr gesamtes, nun neu zu überdenkendes Lizenzierungsverfahren. Die Selbstverwaltung der Profiligen hat gleich in ihrem ersten Jahr eklatante Schwächen offenbart, die ausgerechnet ihr Vorstandsmitglied Kupka aufgedeckt hat.“

Bei Roland Zorn (FAZ 11.7.) heißt es dazu. „Pech für die Unterhachinger, dass auch die überaus pointierte Fürsprache des Münchner Bayern-Managers Uli Hoeneß am Mittwoch ihre Wirkung verfehlte. Hoeneß widersprach während der Vollversammlung vehement den Ausführungen des DFL-Geschäftsführers Heribert Bruchhagen, der begründete, warum sich der DFL-Vorstand mehrheitlich für weiterhin 18 Vereine in der Zweiten Bundesliga ausgesprochen habe. Nach Hoeneß‘ Intervention schien Bruchhagen minutenlang zwar allein dazustehen, weil niemand so recht zu widersprechen wagte. Dann aber kam es zur anonymen Abstimmung, und der Hachinger Antrag war abgeschmettert. Warum? Das Gros der Zweitligavereine wollte an den mit 19 Klubs notwendigen vier zusätzlichen Spieltagen nicht den Winterurlaub im Dezember und Januar drangeben und im Sommer vielleicht zu jenen fünf statt vier Klubs zählen, die dann hätten absteigen müssen. Der deutsche Profifußball war aus praktischen Gründen gegen eine Lex Unterhaching.“

Volker Kreisl (SZ 11.7.) zum selben Thema. „Nach wie vor zweifeln die Unterhachinger aber auch inhaltlich den Schiedsspruch an: Die Vier-Millionen-Euro Bürgschaft der Landesbank Hessen- Thüringen für Eintracht Frankfurt sei zum entscheidenden Zeitpunkt, nämlich der Prüfung der Lizenz-Unterlagen, unzureichend gewesen. Sollte Unterhaching nun recht bekommen, müsste ein neues Schiedsgericht den Ablauf der dubiosen Bürgschaftserteilung nochmals Bewerten (…) Möglicherweise gelingt es tatsächlich, die Folgen des schief gegangenen Lizenz-Verfahrens einfach auszusitzen. Richtige Aufregung herrscht derzeit tatsächlich nur in den Gebäuden des Hachinger Sportparks.“

Philipp Selldorf (SZ 11.7.) kommentiert die Ankündigung der Zweitliga-Spieler aus Aachen und Karlsruher, sich künftig mit weniger Gehalt zu begnügen. „Unter Zwang gedeiht Solidarität aber immer noch am besten. Aus der Zweiten Liga, die seit jeher dem Darwinismus huldigt (denn darunter gähnt der Abgrund Regionalliga), kommen nicht nur die Signale der Angst und Abwehr, wie sie jetzt Haching spüren muss. Sondern auch das Zeichen eines Anfangs zur Bewältigung der Geldkrise im Fußball. Die (…) Es könnte so einfach sein: Wenn die Spielergehälter nur auf das Maß des Machbaren gestutzt würden, wäre der Profifußball nicht nur eine florierende Branche, sondern auch ein kerngesunder Betrieb. Würden die Modelle Aachen und Karlsruhe Schule machen, dann müsste der Fall Unterhaching nicht das System zerreißen und Solidarität könnte Teil der Praxis werden.“

Zu den Lizenzverhandlungen in der Zweiten Bundesliga heißt es bei Sven Astheimer (FR 10.7.). „Wie aber auch immer die Geschichte ausgehen mag, als wirklicher Gewinner kann sich am Ende keiner fühlen: nicht die Unterhachinger, die Gefahr laufen, als ewige Prozesshansel in die Annalen der Bundesliga einzugehen, auch wenn sie im Nachhinein noch Recht bekommen sollten; nicht die Eintracht, deren ominöse Bankbürgschaft vor einem ordentlichen Gericht wieder in den Fokus des Interesses rücken könnte und die sich in SachenFinanzpolitik einmal mehr als unsicherer Kantonist erwies; nicht der neu gegründete Liga-Verband und sein operativer Arm, die DFL, die schon jetzt in der öffentlichen Wahrnehmung im Verdacht stehen, ihre eigenen Statuten ohne richterliche Hilfe nicht korrekt auslegen zu können; und auch nicht der deutsche Fußball, der doch eigentlich den WM-Boom mit in die neue Saison nehmen wollte. Wer aber das Sommerpausentheater auf der Bundesliga-Freilichtbühne verfolgt hat, dem ist die Vorfreude gründlich vergangen.“

Zum Rückgang der TV-Einnahmen schreibt Wolfgang Hettfleisch (FR 11.7.). „Ungeachtet aller Hoffnungen auf einen Boom durch das unerwartet gute Abschneiden der deutschen Mannschaft bei der WM bedeutet das: Die Branche steckt knietief in einer Rezession (…) Viele Erst- und Zweitligisten stecken nicht deshalb in der Klemme, weil es nun kein TV-Manna mehr vom Himmel regnet, sondern weil sie in der naiven Hoffnung auf ein dauerhaftes Fortdauern der wundersamen Fernsehgeld-Vermehrung über ihre Verhältnisse gelebt haben, seit das Bosman-Urteil im Dezember 1995 ihre Personalkosten explodieren ließ (…) Tatsächlich ist die Abhängigkeit der Klubs von den Einnahmen durch die Veräußerung der Bundesliga-Fernsehrechte bis auf wenige Ausnahmen (Bayern München, Borussia Dortmund, Bayer Leverkusen) so groß, dass nun allenthalben der Gürtel enger geschnallt wird. Das gilt doppelt dort, wo von jeher kleinere Brötchen gebacken werden. Trotz aller Sparzwänge ist die Lage bei den so genannten „Kleinen“ aber nicht hoffnungslos. Mancherorts wurden rechtzeitig die richtigen Schlüsse gezogen.“

Michael Ashelm (FAZ 10.7.). „Wird jetzt im großen Stil abkassiert? Mit der weltmeisterlichen Anschubhilfe soll hierzulande das Geschäft mit dem Ball so richtig auf Touren kommen. Doch profitieren werden in erster Linie die Schwergewichte der Branche, die trotz kriselnder Fußballkonjunktur wieder neue Rekordzahlen schreiben werden. Allein für die vergangene Saison in der Champions League erhalten Bayer Leverkusen, Borussia Dortmund, der FC Bayern und Schalke 04 zusammen fast hundert Millionen Euro aus den Töpfen der Europäischen Fußball-Union. Rund vier Wochen vor Beginn der neuen Saison sieht das Tagesgeschäft der meisten anderen Vereine der Bundesliga aber ganz anders aus: Um zu überleben, muss hart kalkuliert und eisern gespart, müssen Investitionen zurückgestellt werden (…) Das Auseinanderdriften von Groß und Klein hat an Eigendynamik gewonnen; beschleunigt wird der Vorgang dadurch, dass sich die Verteilung der Einnahmen aus dem Fernsehvertrag (290 Millionen Euro pro Saison) vor allem an sportlichen Erfolgsfaktoren bemisst.“

Die FAZ (10.7.) kommentiert die Regressforderungen von Bayern-Manager in Sachen Deisler. „Sportrechtlich und sportmoralisch ist einiges unklar. Hoeneß‘ schadensersatzbegründende Formel, es müsse eine Lösung gefunden werden, „weil die Verletzung eindeutig in einem Länderspiel passiert ist“, lenkt den Blick in plumper Weise weg von den tatsächlichen Problemen. Mitnichten eindeutig sind nämlich die übrigen Tatbestandsmerkmale. Genügt schon der bloße Einsatz eines Nationalspielers, um Forderungen des Vereins auf Ersatz von Lohn zu rechtfertigen? Und ist der DFB tatsächlich der eigentliche Verursacher der Verletzung und nicht vielmehr Deislers damaliger Gegenspieler oder gar der zu zaghafte Zweikämpfer Deisler selbst? Auch die Frage eines Mitverschuldens von Uli Hoeneß ist zu erwägen, verpflichtete er doch sehenden Auges einen bekanntermaßen verletzungsanfälligen Jungstar und klagt nun lauthals über die Realisierung eines Risikos, das offenkundig war.“

Gewinnspiel für Experten

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Das Zweitbeste setzt sich durch

„Das Zweitbeste setzt sich durch – mit dieser selbstgebastelten Allerweltsweisheit wartete ein Freund zur Studienzeit immer dann auf, wenn’s um Wertungsfragen ging: die Beatles vor den Kinks, Goethe vor Kleist, Thomas Mann vor Musil, FC Bayern vor Borussia Mönchengladbach; die Welt- und Wirkungsgeschichte sei voller Ungerechtigkeiten, weil sie Massenkompatibilität favorisiere, sprich: weil das wirklich Große nicht das größtmögliche Glück der größten Zahl bewirke. So einfach sei das, jedenfalls für einen Engländer (…) Spätestens im Verlauf der Achtziger wurde es bei Intellektuellen wieder schick, sich als Fußballfan zu outen, vorzugsweise als einer des SC Freiburg, das kam gut – und hatte mit echter Leidenschaft, die sich ihr Objekt ebenso vernunft- wie hoffnungslos wählt, kaum mehr was zu tun. „SC Freiburg“, das konnte man so beiläufig sagen, wie man „Don DeLillo“ sagte, wie man „Beaujolais Primeur“ sagte, und wenn man dazu noch ein paar Abstiegssorgenfalten über die Stirn legte, konnten sogar weibliche Gesprächspartner Rührung zeigen (…) Keine Frage, lieber mit einem Reiner Calmund trauern als mit Matthias Sammer feiern, der Dortmunder Euphoriebremse. Bayer Leverkusen ist in dieser Szene so tragisch wie einstmals nur Borussia Mönchengladbach, wahrscheinlich ist Leverkusen nichts anderes als ein reinkarniertes Mönchengladbach – das wäre der Mythos, den zukünftige Dramatiker daraus stricken könnten. Dass die Wucht der Tragik dabei nicht mehr nur von den Spielern oder vom Trainer zu erleiden ist, sondern stellvertretend von deren Manager, macht die Katharsis so neu, so wirksam. Wer wird in 10 Jahren noch von Ewerthon reden, der 49 Sekunden nach seiner Einwechslung das entscheidende Tor für Dortmund erzielte? Aber eines Reiner Calmund im Leverkusener Anstoßkreis, das ist sicher, werden wir gedenken (…) Brasilianer kommen und gehen, selbst Ballack wird vom FC Bayern geködert, ein Calmund bleibt. Fast ein Grund, doch noch ein wenig länger Fußballfan zu bleiben.“ (Volltext)

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Es gibt kein Verhältnis mehr – nach Matthäus‘ Klage gegen den FC Bayern

Rufschädigend findet der FC Bayern das Vorgehen von Matthäus, der nicht mal mehr Greenkeeper im neuen Stadion werden dürfe, unter der Heile-Welt-Oberfläche verbergen sich mächtige Eisberge (mehr …)

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Nach Japans Ausscheiden

siehe auch Die Gastgeber

Zu den Reaktionen der japanischen Öffentlichkeit nach dem Ausscheiden ihrer Mannschaft bemerkt Anne Scheppen (FAZ 20.6.). „Das japanische Publikum ist großmütig, es freut sich über den Sieg – aber es verzeiht auch die Niederlage. Die Zeitungen sind voll von Hymnen der Dankbarkeit. Der Fußball, das Team haben das Land zumindest für kurze Zeit aus seiner Depression geholt, das Selbstbewusstsein aufblühen lassen: Für zwei Wochen durfte man sich der Illusion hingeben, dass es in schnellen Schritten aufwärts geht. „Die Nationalmannschaft inspiriert uns“, überschrieb die konservative „Daily Yomiuri“ ihren Leitartikel am Mittwoch. Seit mehr als zehn Jahren stecke Japan in der Wirtschaftskrise, die Reformen kämen nicht wie erwartet voran, die Konkurrenzfähigkeit habe nachgelassen: „Der Erfolg der jungen Mannschaft hat dem japanischen Volk einen Hoffnungsstrahl gegeben.“ „Danke Japan“, diese Inschrift trugen die Verlierer auf T-Shirts durchs Stadion von Miyagi. „Danke Mannschaft“, antwortet Japan am Mittwoch unisono. Die Spieler haben Kampfgeist bewiesen, Japans Fußball weitergebracht als jemals zuvor. Das Team hat sich aus den Kinderschuhen gespielt, ist erwachsen geworden, den Großen ebenbürtig – so will man es jetzt sehen. Die Leistungen werden aufgezählt, nicht die Defizite.“

Die Reaktionen der japanischen Medien auf das 2:2-Remis ihrer Mannschaft gegen Belgien analysiert Anne Scheppen (FAZ 8.6.). „Die Presse betätigt sich als Cheerleader für die Nation. Wieder und wieder werden die beiden Tore von Junichi Inamoto und Takayuki Suzuki im Fernsehen bejubelt. Nachdem sich die Gegner der nächsten Begegnung erstmals beim Training einem größeren Publikum gezeigt hatten, stellte die Zeitung Sankei Sports voller Genugtuung fest, die russischen Eisbären hätten offensichtlich größere Schwierigkeiten mit den hohen Temperaturen in Japan und der großen Luftfeuchtigkeit: Die Siegeschancen stehen also gut, denn der Wetterbericht sieht für Sonntag in Yokohama Hitze voraus. Die nicht zu ekstatischer Begeisterung neigende, überaus seriöse Yomiuri Shimbun vermerkte immerhin, es gebe keinen Grund, warum die Japaner sich nicht gegen die wechselhaften Russen durchsetzen sollten. Schließlich zögen Troussiers Soldaten mit etwas ins Stadion ein, das vor vier Jahren unter dem unerfahrenen Okada noch gefehlt habe: Vertrauen. Die Asahi Shimbun orakelt mit Weitblick: Japans Schicksal steht auf dem Spiel.“

Nina Klöckner (Berliner Zeitung 4.6.) über Japans Trainer Philippe Troussier. „Er hat vor allem versucht, sich nicht verbiegen zu lassen. Mit missionarischem Eifer trichtert er den Kickern seine Vorstellung des Spiels ein. Er ist sehr direkt, er schreckt nicht vor unpopulären Entscheidungen zurück. Und: Er sagt Nein (…) Die Japaner haben den eigenwilligen Franzosen letztlich akzeptiert, weil ihnen nicht verborgen blieb, dass sich die Mannschaft weiterentwickelt hat. Außerdem geht es für die Gastgeber nicht nur darum, bei der zweiten WM-Teilnahme endlich den ersten Punkt zu erspielen. Sondern um Hoffnung. Der nationale Spielbetrieb, anfangs als „Sushi-Liga“ verspottet, reißt kaum jemanden mehr von den Sitzen. Durch ein positives WM-Abschneiden, hoffen die Verantwortlichen, könnte der Negativtrend in der J-League erst einmal gestoppt werden.“

Georg Blume (Die Zeit 29.5.) berichtet vom Schattendasein des Fußballs in Japan. „Fußball ist in Japan ein Sport der Unangepassten, der Außenseiter (…) Anders als in Europa ist er nicht Volks-, sondern Subkultur, Fluchtstätte für Pubertierende, für Außenseiter oder für solche, die zumindest am Wochenende am Rande der Gesellschaft stehen wollen.“ Dies gilt auch für Hidetoshi Nakata. „Der 25-jährige Spielmacher der Nationalelf ist bisher der einzige Japaner, der im Fußball auch auf internationaler Ebene mit seinen Leistungen auffällt: zuletzt beim Pokalfinale in Italien, als er seinem Verein, dem AC Parma, mit einem spektakulären Volleytor den Sieg über Juventus Turin sicherte (…) Nakata, der Mann mit den rot gefärbten Haaren, gilt als Einzelgänger.“ Auf seiner Homepage gibt er zu, wie er „beim jüngsten Gastspiel der Nationalelf in Warschau Hotel und Mannschaft am Abend allein ließ, um die polnische Küche auszuprobieren.“

Über eine Art Geburtsstunde des japanischen Fußballs berichtet Martin Hägele (SZ 24.5.): die Teilnahme einer Studentenauswahl bei der Universiade 1953 in Dortmund. “Mit 15 anderen Studenten hatten sie zum ersten Mal Japan verlassen. Nachdem sie ihr Eröffnungsspiel gegen den Favoriten Deutschland 3:4 verloren hatten, sprach keiner auf der Rückfahrt ins Quartier auch nur ein Wort. Als sie die Mensa betraten, wo die anderen Teams schon mit ihrer Mahlzeit begonnen hatten, senkten sie den Blick. Doch plötzlich hörte das Geklapper von Besteck und Tellern auf, alle sprangen von ihren Tischen auf und jubelten den unbekannten Asiaten zu – von diesem Moment an fühlten sich Ken, Shunichiro und die andern aufgenommen in der internationalen Fußball-Familie. Es sind überwiegend solch emotionale Szenen, aus denen die Fußballpioniere die Kraft zogen, diesen Sport in Japan voran zu bringen.”

An der Entwicklung des Fußballs in Japan war maßgeblich ein Deutscher beteiligt, schreibt Martin Hägele (NZZ 14.5.). “In der deutschen Bundesliga wird über den ehemaligen Meistertrainer Dettmar Cramer gelächelt, dessen Ära bei Bayern München vor allem deshalb in Erinnerung geblieben ist, weil sich der kurz gewachsene Fußballlehrer als Napoleon hatte porträtieren lassen. In der Chronik von Team Nippon bekommt der Entwicklungshelfer viel freundlichere Züge. Cramer betreute die Heimmannschaft an den Olympischen Spielen 1964 in Tokio. Und gewissermaßen als Übervater schwebte er vier Jahre später in Mexiko über dem Trainergespann Okana/ Naganuma, das mit dem Gewinn der Bronzemedaille den bisher größten Erfolg des japanischen Verbandes verzeichnete.”

Tunesien

Christoph Kieslich (FR 5.6.) hält die Mannschaft Tunesiens nicht zuletzt wegen der häufigen Trainerwechsel im Vorfeld der WM für einen krassen Außenseiter. „Tatsächlich sorgte Tunesien zuletzt mehr hinter den Kulissen denn auf dem Spielfeld für Wahrnehmung. Dem ungeliebten Italiener Francesco Scoglio folgte Henri Michel. Doch auch der international reputierte Franzose brachte den undurchsichtig organisierten, von viel en Egoismen bestimmten sowie dem Einfluss der Regierung ausgesetzten Fußball nicht voran. Der Auftritt beim Afrika Cup in Mali war desillusionierend, die Mannschaft erzielte keinen Treffer und hatte die Ausstrahlung einer Alt-Herren-Truppe.“

Nach Aussagen der tunesischen Tageszeitung La Presse (3.6.) sind „die Beobachter der Fußball-WM nicht dazu geneigt, der tunesischen Mannschaft eine reelle Chance zuzugestehen. Das Gesetz des Spieles könnte aber alles ändern. In einigen Stunden, werden wir eine Mannschaft bei ihrem Spiel sehen, die, wie man gestehen muss, für viele Beobachter die schwächste des Turniers sein könnte. Diese Situation ist auch mit einem Vertrauensmangel der eigenen Medien in das Team zu erklären. Für die tunesischen Spieler könnte diese gängige Einschätzung jedoch vorteilhaft sein. Ein Kämpfer ist dann besonders wirkungsvoll, wenn er mit einer ungünstigen Prognose startet.“

Der Schweizer Trainer Tunesiens – Michel Decastel – ist ob der Perspektiven der tunesischen Mannschaft pessimistisch. Matthias Erne (NZZ 30.5.) darüber. “Zwar ist Decastel als Ausländer gegenüber seinem Gastland der Höflichkeit verpflichtet, doch große Chancen mag er dem tunesischen Nationalteam nicht einräumen. Das gravierendste Problem, sagt er, sei das Nervenkostüm. Immer wieder würden tunesische Spieler unter Druck Konzentrationsfehler begehen. Fussballerisch seien sie ganz ordentlich, fügt Decastel hinzu, konditionell auch, der Wille sei vorhanden, aber eben: «Sie sind mental einer Situation, wie sie an der WM entsteht, nicht gewachsen.» Das Startspiel gegen Russland hält Decastel für die Schlüsselpartie. Eine Niederlage würde seiner Meinung nach bereits das Ende aller Träume bedeuten, «weil die Tunesier vermutlich nicht die Moral aufbringen würden.”

Russland

Die Ausschreitungen russischer Jugendlicher nach der öffentlichen TV-Übertragung des Spiels Russland gegen Japan kommentiert Elfie Siegl ( FAZ 11.6.). „Es ging am Sonntag in Moskau um mehr als um ein verlorenes Fußballspiel. Auch wenn Russen nicht selten schlechte Verlierer sind, wie die Olympischen Winterspiele erst im Februar gezeigt haben. Nicht die Misserfolge beim Fußball, sagte ein Vertreter des Nationalen Olympischen Komitees, seien Gründe für die Krawalle gewesen, sondern jene Lebensweise, die russische Jugendliche pflegten: eine Huldigung des Kults der Gewalt und des Alles-ist-erlaubt, der seine Wurzeln im Fernsehen habe, das unentwegt Reklame für negative Sachen mache (…) In Russlands Hauptstadt verherrlichen nicht nur bierselige Jugendliche Gewalt, sondern vor allem äußerst nüchterne Patrioten und Neofaschisten. Stunden vor dem Fußballspiel sind fünf japanische Studenten verprügelt worden. Keine Ausnahme: Seit Monaten läuft eine Hatz auf Menschen, die anders aussehen als Europäer. Die japanische Botschaft wird verstärkt geschützt. Viele weitere ausländische diplomatische Vertretungen in Moskau haben ihren Bürgern den Rat gegeben, sich äußerst vorsichtig auf Moskaus Straßen zu bewegen.“

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„VfB Baden-Württemberg“

viel Wirtschaftskompetenz beim „VfB Baden-Württemberg“ (Wirtschaftswoche) – der Wandel von Peter Neururer und die Langlebigkeit seines schlechten Rufs – die Machtpolitik des FC Bayern, Kritik am heimlichen Treffen der „Großen“ – Reiner Calmund auf dem Rückzug – Mitgefühl mit dem schwermütigen Sebastian Deisler – FAZ-Interview mit Falko Götz – Kritik am Egoismus der TV-Anstalten und der Sportverbände

VfB Baden-Württemberg

Peter Steinkirchner (Wirtschaftswoche 13.11.) vermutet, dass die Nähe des VfB Stuttgart zur regionalen Wirtschaft, von Präsident Erwin Staudt hergestellt, den Verein stärken wird: „Mittendrin statt nur dabei: Erwin Staudt. Der ehemalige IBM-Deutschland-Chef, der im Januar in den Aufsichtsrat des Computerriesen weggelobt wurde, ist seit September der erste hauptamtliche Präsident, den sich der VfB in seiner 100-jährigen Geschichte leistet. Staudt köderte seine Schwaben mit einer Vision: Aus dem Klub der Landshauptstadt will er eine Art „VfB Baden-Württemberg“ machen. Einen Verein, der die 10,6 Millionen Menschen zwischen Tauberbischofsheim und dem Bodensee hinter sich vereint, und der den Bayern aus München eines Tages das Wasser abgräbt: „Wir arbeiten hier an einem Gesamtkunstwerk.“ Staudt versteht sich aufs Verkaufen und auf griffige Vokabeln. Schließlich war der 55-Jährige, der sein gesamtes Berufsleben bei IBM verbrachte, dort jahrelang für Marketing und Vertrieb verantwortlich. Der gebürtige Leonberger ist in seiner zweiten Karriere bei seinem Lieblingsverein daher der perfekte Mann fürs Schaufenster: bodenständig, erfolgreich und solide. Zugleich personifiziert er den Wandel in den Führungsgremien der Stuttgarter: Raus mit den alten Seilschaften, rein mit der Wirtschaft. Manager, die sich im Sport verwirklichen, sind keine Seltenheit; den Bauunternehmer, der mit seinem Schwarzgeld den örtlichen Kreisligisten fördert und zum Dank Präsident heißen darf, gibt es, seit Fußball gespielt wird. Im Ländle steckt ein ganzes Konzept dahinter, ein Masterplan, dessen Erfinder Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt ist. Der Unternehmer aus Uhingen sitzt seit vergangenem Dezember dem VfB-Aufsichtsrat vor und holte nach und nach einige der wichtigsten Player der baden-württembergischen Wirtschaft in die VfB-Gremien. Ministerpräsident Erwin Teufel soll gelästert haben, im Aufsichtsrat des VfB sitze mehr Wirtschaftskompetenz als im Bundeskabinett (…) Der VfB Stuttgart schleppt Altlasten mit sich herum. Ein Teil davon sitzt tief in Köpfen der Menschen und hat einen Namen: Gerhard Mayer-Vorfelder. Schulden von fast 16 Millionen Euro drücken die Schwaben heuer aufs Gemüt. Ein Großteil davon stammt aus der Ära „MV“. Der Sonnenkönig wollte mit aller Macht den FC Bayern einholen. Steckte Millionen in Trainer und Spieler. Den Erfolg dauerhaft in Schwaben zu halten, gelang auch mit Millionenaufwand nicht. Zeitweise blähte der MVsche Ehrgeiz den Spielerkader auf 35 Profis auf. Stoppen konnte MV in Stuttgart zunächst niemand. Kenner der Szenerie sprechen davon, der Aufsichtsrat des Vereins sei jahrelang nichts anderes gewesen als ein „Abnickergremium“. Erst als MV in Verdacht geriet, neben seinen Bezügen als Minister auch Geld für seine ehrenamtliche Tätigkeit beim VfB bekommen zu haben, sie das Tischtuch zerrissen, heißt es in Stuttgart.“

Ehrliche Arbeit zu leisten, trauen ihm viele nicht zu

Peter Heß (FAZ 22.11.) protokolliert den Wandel von Peter Neururer, Trainer des VfL Bochum; und die Hartnäckigkeit seines schlechten Rufs: “Peter Neururer, die kommunikative Allzweckwaffe: Plauderer, Plapperer, Provokateur – überall an der richtigen Stelle, wenn es gilt, rhetorische Hemmnisse zu überwinden. Aber ist er der hundertprozentig richtige Mann auf dem Cheftrainersessel eines Fußball-Bundesligaklubs? Stopp. Jetzt ist aber Schluß mit der weiteren Verbreitung sattsam bekannter Vorurteile. Schublade zu, Augen und Ohren auf: Peter Neururer, 48 Jahre, Diplomsportlehrer, Fußball-Lehrer mit elf Anstellungen in 16 Berufsjahren, hat eine nähere Betrachtung, eine echte Chance verdient. Am 5. Dezember stellt er einen neuen persönlichen Rekord auf. Dann wird er zwei Jahre und einen Tag lang den VfL Bochum trainiert haben; so lange war er noch nie für ein und denselben Profiverein tätig (…) Ich glaube nicht an Fußball-Wunder, ich glaube an ehrliche Arbeit, sagt Neururer, und den meisten anderen wäre dieser Satz als Zeichen ihrer Nüchternheit ausgelegt worden. Ehrliche Arbeit zu leisten, trauen ihm viele nicht zu. Mann des Wortes, nicht der Taten, lautet das gängige Vorurteil. Der ist ja ganz anders, haben der Bochumer Präsident Altegoer, Manager Meinold und die Spieler längst festgestellt, wobei Neururers Ruf unter Fußballprofis, die schon mit ihm zu tun hatten, niemals schlecht war. Warum nur diese vielen Vorbehalte gegen Neururer? Es spielen mehrere Dinge zusammen. Seine rückhaltlose, überbordende Begeisterung für den Fußball, die er mit jedem zu teilen bereit ist, erscheint verdächtig. Er wirkt wie ein Getriebener, nicht wie ein Handelnder, was aber ein falscher Eindruck ist. Neururer baut keine Distanz zu sich auf. Wagen die Fans den Bayern-Trainer Hitzfeld kaum um ein Autogramm anzugehen, wird Neururer spontan auf ein Bier eingeladen. Sein altmodischer Stil inklusive Oberlippenbart rückt ihn in die Nähe von Mantafahrern und des Fußballproletariats. Zudem ist Neururer bereit, selbstironisch über seine Schwächen zu sprechen. Nein, abergläubisch bin ich nicht, aber ich habe ergebnisorientierte Verhaltensrituale. Es gibt sie aber, die akribische Facette seiner Persönlichkeit. Auch wenn sie gern unterschlagen wird, weil sie nicht ins Bild des Hallodris paßt. Schon als Teenager hat er diesen Charakterzug offenbart: Ich habe einen acht Jahre älteren Bruder, mit dem ich ständig im Konkurrenzkampf lag, erzählt Neururer. Mit 14 sagte ich: ,Schluß, laß mich in Ruhe. Wir machen an meinem 18. Geburtstag einen Boxkampf, dann werden wir sehen, wer der Bessere ist.‘ Gesagt, getan: Der ganze Tennisklub versammelte sich im Garten, mein Vater war Ringrichter, die Mutter konnte nicht zuschauen, sie ließ im Wohnzimmer die Rollos runter. Ich werde den ersten Schlag nie vergessen, ich flog bis unter den Kirschbaum und verlor den Kampf. Die Moral von der Geschicht‘? Neururer, der kleinere, vereinbarte einen Rückkampf zu seinem 19. Geburtstag, trainierte ein Jahr lang wie ein Besessener – und gewann. Konsequentes Arbeiten kennzeichnet ihn auch heute, erzielt aber nicht immer die verdiente Außenwirkung.“

In Sachen Machtpolitik macht dem FC Bayern niemand etwas vor

Wolfgang Hettfleisch (FR 22.11.) kritisiert das heimliche Treffen der „Großen“: „Nein, in Sachen Machtpolitik macht dem FC Bayern wirklich niemand etwas vor. Einst ließ sich der Vorzeige-Club von Medien-Zar Leo Kirch still und leise Millionen dafür zahlen, die gemeinsame Fernseh-Vermarktung der Fußball-Bundesliga zu akzeptieren, statt zur – mehrfach angedrohten – Eigenverwertung der Rechte zu schreiten. Kirchs Landschaftspflege zeigte vor allem eines: In der Liga sind alle gleich, nur die Roten aus München sind ein bisschen gleicher. Hätte es dafür noch einer weiteren Bestätigung bedurft, das Treffen der Acht in einem Hotel am Münchner Flughafen hat sie geliefert. Die Grandseigneurs von der Säbener Straße geruhen die Lage der Liga inzwischen mit handverlesenen Gesprächspartnern zu erörtern. Wer, wie der HSV, keine Einladung kriegt, findet sich am Katzentisch der Nobodys wieder. Damit das klar ist: Rummenigge und Hoeneß können reden, mit wem sie wollen. Doch wenn der selbst ernannte Fußball-Adel zentrale Anliegen aller Bundesligisten wie die Fernsehrechte oder den Grundlagenvertrag zwischen DFB und DFL in Küchenkabinetten erörtert, wenn dort womöglich Strategien entwickelt und untereinander abgestimmt werden, so ist das für jene, die draußen bleiben mussten, ein Schlag ins Gesicht. Eine gezielte Bloßstellung der als Interessenvertretung und Plattform der Clubs ins Leben gerufenen DFL ist die Fürsten-Diplomatie sowieso.“

Peter Penders (FAZ 22.11.) fügt hinzu: „Daß sich in München auf Einladung der Bayern gerade die acht anscheinend wichtigsten Klubs der Liga getroffen und die zehn anderen Vereine davon erst aus der Zeitung erfahren haben, widerspricht dem Gedanken der Solidargemeinschaft in jeder Hinsicht. Für solche Treffen der Interessengemeinschaft Bundesliga gibt es schließlich die von den Vereinen der ersten und zweiten Liga gegründete Deutsche Fußball Liga (DFL). Und was immer die Vertreter von Bayern München, Leverkusen, Dortmund, Bremen, Stuttgart, Hertha BSC, Schalke 04 und sogar dem TSV München 1860 in einem Münchner Hotel besprochen haben, betrifft auch den Rest. Schwer zu erklären, warum nur im kleinen Kreis über neue Vermarktungsformen, den Grundlagenvertrag mit dem Deutschen Fußball-Bund und über die mögliche Entlohnung von Nationalspielern bei Länderspielen diskutiert wird. Daß die von den Bayern nichteingeladenen Klubs das Treffen, das von den Teilnehmern flugs zum Meinungsaustausch für das Wohl aller heruntergeredet wurde, mit Mißtrauen erfüllt, kann niemanden überraschen. Solidargemeinschaft? Der große Verlierer dieses kleinen verschwiegenen Kaffeeklatschs ist die DFL, der von den Bayern mal wieder vorgeführt wurde, für wie unwichtig die Münchner sie in dieser Zusammensetzung halten. Deren Präsidenten Werner Hackmann hatten die Bayern sogar über das Treffen informiert und ihm damit seine Machtlosigkeit demonstriert.“

Heinz-Wilhelm Bertram (BLZ 22.11.) bedauert die Schwermut Sebastian Deislers: „Dass der Spieler sich seit Monaten in einem psychisch labilen Zustand befand und sich selbst zu finden versuchte, hatte nicht nur der Umstand verdeutlicht, dass er unter dem Einfluss des Kollegen Mehmet Scholl zum Buddhismus konvertiert war. Einem engen Vertrauten hatte er gestanden: Richtig wohl fühle ich mich nur, wenn ich alleine in meinem Auto bin und bei geschlossenen Scheiben Musik höre, am liebsten von Schwarzen. Es war dies ein intimes Geständnis von großer Tragweite: Nur abgeschieden und isoliert ist Sebastian Deisler offenbar ganz er selbst. Nicht einmal die Wohnung reicht ihm als Fluchtpunkt. Mobilität, Flucht, bereitet ihm am meisten Wohlbehagen. Sebastian fühlte sich sehr oft eingekreist, bedrängt, ja verfolgt. Nicht nur von Menschen, sondern auch von Ansprüchen und Anforderungen, sagt dieser Vertraute. Ob Sebastian Deisler, den Franz Beckenbauer einmal als das größte Talent bezeichnete, das wir im deutschen Fußball haben, jemals wieder der sorglose Fußballer von einst werden wird? Deislers Vater schwärmt in seinem Bekanntenkreis noch heute von jenem sonnenbeschienenen Tag, als er zusammen mit seinem Sohn auf die Zugspitze fuhr und der Kleine zum maßlosen Staunen des Vaters nicht etwa ein Picknick, sondern einen Fußball aus dem Rucksack kramte. Und den verblüfften Vater bat, mit ihm auf Deutschlands höchstem Punkt zu spielen. Nie war der Sebastian Deisler von heute entfernter von jenem glücklichen Augenblick als in diesen Tagen.“

Tsp: „Wie Sebastian Deislers ehemalige Kollegen bei Hertha BSC auf die Nachricht aus München reagierten“

Jörg Stratmann (FAZ 22.11.) stellt den langsamen Rückzug Reiner Calmunds fest: „Am Sonntag feiert Reiner Calmund ein großes Fest. An die 500 Freunde und solche, die sich nach der Einladung dafür halten dürfen, versammeln sich in einer ehemaligen Fabrikhalle in Köln, um sich nachträglich mit dem Geschäftsführer des Fußball-Bundesligaklubs Bayer 04 Leverkusen und seiner Frau Sylvia Häusler zu freuen, die im Sommer geheiratet haben. Gut möglich, daß dann auch ein Kölsch getrunken wird auf einen Sieg des Tabellenzweiten tags zuvor bei Borussia Dortmund. Oder noch eines, weil Bayer verlor. Doch im Grunde haben beide Termine nichts miteinander zu tun. Ihre Nähe belegt nur, daß sich im Leben des Reiner Calmund nicht mehr alles um Fußball dreht. Zumindest nicht öffentlich. Natürlich fällt der Vierundfünfzigjährige immer noch bei jedem Spiel seiner Mannschaft auf, und nicht nur, weil er mit seinem Leibesumfang gut und gerne zwei Tribünensitze füllt. Und selbstverständlich ist der Rheinländer immer noch gerne bereit, in jedes Mikrophon seine mundartlich gefärbte Ansicht zu sprechen. Doch im Mittelpunkt steht Calmund offiziell nicht mehr. Anders als in der vorigen Saison, als er noch mit seinem ganzen Gewicht geradestand für die sportliche Talfahrt des Klubs, obgleich diese Verantwortung eigentlich schon der Jungmanager Ilja Kaenzig hätte übernehmen sollen.“

Der VfB Stuttgart ist ein, zwei Jahre weiter

FAZ-Interview mit Falko Götz, Trainer von 1860 München

FAZ: Sie betonen stets, daß bei Ihnen das Jugendkonzept – anders als beim VfB Stuttgart – nicht aus einer finanziellen Not heraus entstanden ist. Aber tatsächlich kann sich 1860 richtig gute Spieler auch nicht leisten, sondern muß sie selbst ausbilden.

FG: Natürlich sind auch wir einem großen wirtschaftlichen Zwang unterlegen. Aber hier ist die sportliche Leitung überzeugt davon, daß es wichtig ist, junge Leute ranzuführen. Auch wenn ich bei einem Verein wäre, der finanziell besser dastehen würde, würde ich immer versuchen, zweigleisig zu fahren, also mit einem starken Gerüst und rundherum jungen Spielern.

FAZ: Der VfB Stuttgart ist ein, zwei Jahre weiter.

FG: Eher zwei, drei.

FAZ: Ist also der TSV 1860 in zwei, drei Jahren soweit wie heute die Schwaben?

FG: Ich hoffe, daß wir es schneller schaffen, die jungen Leute einzubauen. Auf der anderen Seite ist die Frage, ob sie sich auf diesem hohen Niveau auch durchsetzen können. Wichtig ist, inwieweit wir das Gerüst verstärken können, denn je besser das Gerüst ist, desto besser werden die jungen Leute gefordert und gefördert. Deshalb müssen wir das Niveau der erfahrenen Spieler erhöhen.

FAZ: Benjamin Lauth hatte am Anfang der Saison ein kleines Tief. Womöglich weil er sich zu viel zugemutet hat – als Aushängeschild des Vereins, als Verantwortungsträger in der Mannschaft. Hätten Sie da nicht eingreifen müssen, ihn schützen müssen?

FG: Es war ja auch eine Lehre für ihn. Es ist wichtig, daß er mit solchen Erfahrungen klarkommt. Wir sprechen regelmäßig miteinander, auch mit seinen Beratern. Benny weiß auch, daß er in erster Linie an seinen sportlichen Leistungen gemessen wird.

FAZ: Auf Ihrer Homepage nennen Sie als einen Ihrer Grundsätze, jeden Spieler so zu behandeln, wie Sie als Spieler behandelt werden wollten. Wie paßt dazu die heftige Kritik, die Sie vor allem immer wieder an Ihren arrivierten Profis üben?

FG: Ich lobe oft genug Spieler, weil sie ein schönes Tor oder ein gutes Spiel gemacht haben, dann ist es mein gutes Recht, Dinge, die mir nicht gefallen, auch mal anzusprechen. Kritik ist als Weckruf legitim.

more of the same

Helmut Digel (FAZ 21.11.) beklagt den Egoismus der TV-Anstalten und der Sportverbände: „ARD und ZDF legitimieren sich immer wieder über eine Sportartenvielfalt, die jedoch eine parteiische Fernsehforschung belegt, die einer soliden sozialwissenschaftlichen Prüfung nicht standhält. Es ist ohne Zweifel richtig, daß im öffentlich-rechtlichen Fernsehen mehr Sportarten dargestellt werden als bei den Privaten. Die Quantitäten aber zeigen auch die Dominanz einer Sportart an: So wurden 2001 von 13 760 Übertragungsstunden Sport bei ARD und ZDF allein 28 Prozent dem Fußball gewidmet. Die Öffentlich-Rechtlichen verweisen darauf, daß es keine Alternative zur Quote gibt und die Quote das Interesse der Zuschauer widerspiegelt. Doch was ist mit denen, die schauen würden, wenn es etwas anderes als diese Sportbilder gäbe? Die Sportverbände sind in der Regel Bittsteller. Manche sind schon glücklich, wenn ihre Sportart im Videotext erscheint. Dabei sind die Argumente der Sportverbände nicht so schwach, wie die Fernsehleute denken: Eine Hockey-Weltmeisterschaft hat unter sportlichen Gesichtspunkten einen ähnlichen Stellenwert wie die Handball-Weltmeisterschaft, und Spitzenspiele der Badminton-Bundesliga zeichnen sich durch Leistungen aus, die es wert sind, zur Darstellung gebracht zu werden. Die Kritik der Verbände am Hang zu more of the same ist berechtigt. Wenn die Fußball-Bundesliga die Sportsendungen des Samstags dominieren, so muß dies noch lange nicht für die Regionalsendungen am Sonntag oder die Nachberichterstattung am Montag gelten. Doch was sagen die Fernsehmacher? Monoton kontern sie mit schwachen Quoten. Eine Sendung wie Sport unter der Lupe sei einfach nicht zu halten gewesen. Völliger Unsinn aber ist es, daß Politiker und Funktionäre regelmäßig populistisch einen öffentlich-rechtlichen Sportkanal ankündigen, wohl wissend, daß ein solcher nicht zu finanzieren ist und vermutlich auf noch weniger Interesse stieße als die bereits bestehenden Sportkanäle. Was ist zu tun? Beide Seiten müßten sich auf neue Verhandlungspositionen einlassen. Die Lektion, welche die Sportverbände zu lernen haben, ist die: Die Zuschauer wollen Freizeit- und Breitensport nicht im Fernsehen schauen. Interviews mit Sportwissenschaftlern sind kaum von allgemeinem Interesse, so es etwa um Erkenntnisse der Kniewinkel-Forschung geht, und auch nicht die Hundert-Jahr-Feier des Turnvereins. Der Sport im Fernsehen hat sich der Maxime der Unterhaltung zu unterwerfen, ob man will oder nicht. Und was gute Unterhaltung ist, das entscheidet der Zuschauer, ganz gleich, ob seine Bedürfnisse manipuliert, authentisch oder angeboren sind.“

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Sonstiges

„Gattungsgeschichte des Oliver Kahn und seiner Vorfahren“ eine FTD-Rezension eines Torwart-Buches – Wille zur Offensive beim Afrika Cup (NZZ) – Experten-Statement über Geldstrafen u.v.m.

Mischung aus nordafrikanischen Tugenden mit zentral- und westafrikanischer Spielweise

Oke Göttlich (NZZ 6.2.) fasst die Vorrunde des Afrika Cups zusammen: „Die Gruppenphase war geprägt durch disziplinierten, offensiven Fussball. Das Ziel auf der Suche nach gutem und erfolgreichem Fussball liegt für eine Vielzahl der Nationaltrainer in der Ordnung und der taktischen Disziplin ihrer Teams. Die abgeschlossene Vorrunde bestätigte dies. Unnötige individuelle Dribblings in der eigenen Spielhälfte, die zur Belustigung der Zuschauer zuletzt am Turnier 2002 in Mali beigetragen hatten, waren kaum noch zu sehen. Ebenso wenig rüde Attacken mit vorgestreckten Beinen, die ebenfalls an der letzten kontinentalen Endrunde zu zahlreichen Platzverweisen geführt hatten. In Europa unbekannte Teams wie jene aus Simbabwe oder Rwanda konnten mit überzeugenden Leistungen anlässlich ihrer ersten Teilnahme etablierteren Mannschaften wie Algerien oder dem grossen Nachbarn, der Demokratischen Republik Kongo, empfindliche Niederlagen beibringen. Die systematische Annäherung an international geltende spielerische Massstäbe liege nicht nur an der Vielzahl afrikanischer Profis, die in Europa engagiert sind, sondern auch in der „Mischung aus ehemals nordafrikanischen Tugenden mit denen der zentral- und westafrikanischen Spielweise“, wie Michel Dussuyer, der französische Trainer Guineas, meint. Sowohl Mali als auch Senegal können bis jetzt als die Auswahlen mit der grössten Schnittmenge zwischen dem abwehrbetonten Spiel nordafrikanischer und den individuellen Stärken schwarzafrikanischer Prägung bezeichnet werden. Den Direktkampf dieser neben Kamerun und Tunesien als Favoriten geltenden Nationalteams (1:1) wollten allerdings nur knapp 8000 Zuschauer im El-Menzah-Stadion zu Tunis verfolgen. Das sei ein grosses Problem für den Afrikanischen Fussballverband (CAF), sagt ein nigerianischer Verbandsdelegierter. „Die Tunesier lieben eben am meisten sich selber und danach noch ein bisschen Algerien und Marokko“, zürnt er wegen der schwach besuchten Spiele schwarzafrikanischer Teams während der Gruppenphase.“

Gregor Thüsing (FAZ 6.2.), Dozent für Bürgerliches Recht, schreibt über Geldstrafen: “Die Vereinbarung von Vertragsstrafen ist Bestandteil der Vertragspraxis im Profifußball. Für die Klubs der ersten und zweiten Bundesliga ist es gang und gäbe, Geldstrafen gegen solche Profis zu verhängen, die in Interviews das Spielsystem der Mannschaft kritisieren – so Nationalspieler Michael Ballack im März 2003 – oder die Nächte statt im Bett in anrüchigen Tanzbars verbringen – so der Berliner Profi Marcelinho im Dezember des vergangenen Jahres. Ob die gängige Praxis freilich wirksam ist, bleibt weiter zweifelhaft. Das Arbeitsgericht Berlin hatte am 21. Januar 2004 im Fall des Fußballprofis Christian Fährmann darüber zu entscheiden, ob die von seinem ehemaligen Arbeitgeber, dem Berliner Fußballklub Union, verhängte Vertragsstrafe in Höhe von 3000 Euro wirksam war oder nicht. Das erwartete Grundsatzurteil wurde jedoch nicht gesprochen. Das Gericht begrenzte lediglich Fährmanns Strafe von 3000 auf 1000 Euro. Jedoch blieb die Frage offen, ob die in Paragraph 5 des Mustervertrages der DFL enthaltene Klausel über Vertragsstrafen, die Klubs wegen Verstößen der Spieler gegen Vertragspflichten verhängen können, unwirksam sein könnte. Viele vermuten das. Die Unwirksamkeit dürfte sich insbesondere daraus ergeben, daß die Klausel das erforderliche Maß an Bestimmtheit vermissen läßt: Der Spieler muß wissen, welches Verhalten genau mit welcher Strafe bewehrt ist. Alles andere benachteiligt ihn unangemessen.“

Rainer Moritz (FTD 6.2.) liest ein Buch über Torhüter: „Du gehst ins Tor!“ Wer das als Schüler auf dem Bolzplatz zu hören bekam, wusste, dass es mit seinen fußballerischen Qualitäten nicht zum Besten stand. Zwischen die Pfosten mussten die Schwächlichen und Ungeschickten, die weder als beinharte Verteidiger noch als glanzvolle Torjäger zu gebrauchen waren. Bis heute haftet den Torhütern dieser Außenseiterruf an, und der alte Fußballerwitz „Eine Mutter hatte drei Söhne. Der eine war Torwart, der zweite Linksaußen, und der dritte war auch nicht normal“ hat mehr als ein Körnchen Wahrheit bewahrt. Der Sporthistoriker Christoph Bausenwein ist diesen Legenden nachgegangen und widmet der Spezies des Torwarts ein umfangreiches Buch, das die „Gattungsgeschichte“ und die „Seelenkunde“ der Keeper ausleuchtet.“

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Sonntags-Spiele in Dortmund und Kaiserslautern

Sonntags-Spiele in Dortmund und Kaiserslautern – FAS-Interview mit Klaus Toppmöller über sein Verständnis vom Trainersein – Trend: Manager und Sportdirektoren (Dietmar Beiersdorfer, Dieter Hoeneß, Andreas Rettig) werden für Misserfolg verantwortlich gemacht (FTD, Spiegel)

Borussia Dortmund – Hamburger SV 3:2

Freddie Röckenhaus (SZ 4.11.) hat Klaus Toppmöller zugehört: „HSV-Trainer Klaus Toppmöller war sichtlich erschrocken über die Art und Weise, wie seine neue Mannschaft eine 2:0-Führung binnen fünf Minuten herschenkte: „Dass meine erfahrenen Spieler so einbrechen, ist völlig unverständlich.“ Und Bastian Reinhardt, dem bei Hamburgs erstem Torschuss das 1:0 gelungen war, meinte gar: „Du stehst vor einem Scherbenhaufen.“ Die Trauer der Hamburger war beeindruckender als zuvor ihre Leistung.“

Wolfgang Hettfleisch (FR4.11.) rügt Toppmöller für dessen „Nachtreten“: „Natürlich müssen frisch angeheuerte Führungskräfte rasch etwas vorzeigen, um zu rechtfertigen, dass man sie geholt hat und sie obendrein großzügig entlohnt. Das ist im Bundesliga-Club nicht anders als in jedem x-beliebigen Unternehmen. Stellt sich der Erfolg nicht gleich ein, gilt es hier wie dort als probates Mittel, auf Versäumnisse aus der Vergangenheit hinzuweisen. Intern. Man kann darauf wetten, dass vor Jahresfrist auch Zweifel an den Trainingsmethoden bei Bayer Leverkusen kursierten, als der Champions-League-Finalist desselben Jahres unter Toppmöller Woche für Woche tiefer in die größte sportliche Krise der Clubgeschichte schlitterte. Öffentlich thematisiert wurde das nicht. Selbst der Boulevard pflegt derlei in den unverfänglicheren Hinweis zu packen, da lasse einer seinen Spielern zu viel durchgehen. Der triezt sie nicht, würde der Fußball-Dolmetscher übersetzen, deshalb sind sie nicht fit. Berufsmäßige Fußballtrainer haben wohl ein selektives Gedächtnis, und vermutlich ist das auch ganz gut für ihr Seelenheil. Leider bestätigt das Nachtreten von Toppmöller, was reihum konstatiert wird: Es ist frostiger geworden in der Liga. Wir werden ihn vermissen, Toppi, den netten Kerl aus Rivenich.“

Sehr lesenswert! FAS-Interview mit Klaus Toppmöller (vor dem Spiel in Dortmund)

FAS: Hat die rohe Art des Rauswurfs Ihres Vorgängers Kurt Jara Ihren Start beim HSV erschwert?

KT: Solche Turbulenzen zu Beginn eines Jobs habe ich noch nie erlebt. Bisher bin ich immer mit offenen Armen empfangen worden. Aber fast alle Spieler hatten einen sehr guten Draht zu Jara. Ich habe den Spielern gesagt, daß ich sie verstehen kann, wenn sie Jara nachtrauern. Dann war für mich das Wichtigste, erst mal richtigen Kontakt zu finden. Das hat schon gut geklappt. Sie merken, ich mache ein gutes Training, mit mir kann man reden. Meine Spielphilosophie rüberzubringen, das wird etwas länger dauern. Deshalb trainiere ich jetzt verstärkt taktische Dinge. Die 50, 100 Grundregeln, die jeder draufhaben sollte, werden oft nicht befolgt.

FAS: Bei allem Respekt: Die Grundregeln werden Sie ja nicht neu erfunden haben, die dürften die Hamburger wohl schon draufhaben?

KT: Setzen Sie nichts voraus, wenn Sie als Trainer irgendwo neu hinkommen. Romeo zum Beispiel: Wenn er in der Spitze angespielt wird, läßt er die Bälle aus der Gefahrenzone prallen. Oder auf den Außenbahnen – da packen wir die Blutgrätsche aus, rutschen an Ball und Gegner vorbei, der zieht nach innen, und es wird gefährlich. Das Abwehrverhalten bei Standardsituationen müssen wir üben. Wir haben alle vier Gegentore bei Standards gekriegt, keines aus dem Spielverlauf. Dann dürfen keine Lücken zwischen den Mannschaftsteilen entstehen. In Unterhaching habe ich mit einer Dreier-Abwehrkette gespielt, davor eine weitere Dreierreihe im Mittelfeld. Natürlich sollten die Mittelfeldspieler an den Außenlinien bei gegnerischem Ballbesitz zu Außenverteidigern werden. Aber das klappte überhaupt nicht, das war zum Grausen.

FAS: Sie wären fast Trainer des FC Barcelona geworden. Woran ist es gescheitert?

KT: Am Einspruch der holländischen Fraktion mit Johan Cruyff an der Spitze. Er ist Berater und Freund des neuen Präsidenten von Barca, Laporta. Wäre ein anderer Präsident geworden, wäre ich heute Trainer dort, nicht Rijkaard. Ich hatte als einziger Kandidat ein klares Konzept. Ich habe Barca darauf aufmerksam gemacht, daß sie einen Super-Torwart ablösefrei verpflichten konnten – den türkischen Nationalspieler Rüstü. Den haben sie dann auch ohne mich geholt. Dazu wollte ich Marques, Lucio und Bernd Schneider. Aber leider ist es an der Holland-Connection gescheitert.

FAS: Sie betonen immer wieder, Geld wäre Ihnen nicht wichtig. Aber Sie gelten als einer der härtesten Verhandlungspartner mit den höchsten Forderungen. Wie paßt das zusammen?

KT: Geld ist mir wirklich nicht wichtig. Wenn ich genug zu essen habe, reicht mir das eigentlich. Ich habe in Salmrohr mit 3000 Mark brutto angefangen, dann kriegte ich 8000 brutto, das machte mir gar nichts aus. Aber irgendwann stellt sich deine Klasse heraus. Und wenn du gefragt bist, hast du einfach deinen Preis. Wenn ich Calmund gesagt hätte, mir genügen 10 000 im Monat, hätte er mich doch gar nicht erst nach Leverkusen geholt.

FAS: Es gibt aber Unterschiede zwischen hohen und sehr hohen Forderungen.

KT: Bei mir ist im Preis aber auch alles drin. Ich rechne keine Fahrkosten ab, wenn ich einen Spieler beobachte. Dann verdienen viele Trainer bei Transfers noch mit. Ich nicht. Wenn jemand meinen Preis nicht zahlen will, habe ich überhaupt kein Problem damit. Würde ich nur aufs Geld schielen, wäre ich übrigens in Moskau. Ich sagte Ihnen: ,Wenn ihr wirklich ins Viertelfinale der Champions League wollt, dann müßt ihr aber auch Spieler wie Beckham und Figo kaufen.‘ Darauf antworteten Sie: ,Und wo liegt das Problem?‘ Am Geld scheitert es in Moskau nicht, nur will da keiner hin. Wenn sie die Schwierigkeiten mit der Sicherheit hinkriegen, wird es sicher eine Welle dorthin geben.

AS: Sie sollen Luxus hassen. Stimmt das?

KT: Ja, ich bin ein einfacher Mensch vom Lande. Ich fühle mich bei kleinen Leuten am wohlsten.

FAS: Heißt das, daß Sie Angst vor großen Leuten haben?

KT: Nein, ich habe kein Problem, mich in diesen Kreisen zu bewegen. Aber mir ist das alles zu gekünstelt. Ich gehe lieber zu Leuten, denen man die Wahrheit ins Gesicht sagen kann. Wenn ich schon einen Anzug anziehen muß, um irgendwo hinzugehen, fühle ich mich nicht richtig wohl.

FAS: Das sieht man Ihren Anzügen an.

1. FC Kaiserslautern – Bayer Leverkusen 0:0

Erste Anzeichen von Übermut in Leverkusen?

Martin Hägele (SZ 4.11.) wundert sich über die Zufriedenheit der überlegenen Leverkusener: „Vor einem Jahr wäre Reiner Calmund vermutlich ein paar öffentliche Tode gestorben vor lauter Wut darüber, wie leichtfertig seine Bayer-Profis zwei Punkte im Fritz-Walter-Stadion verschenkt hatten. Am Sonntagabend aber stand der Manager im Pressesaal des 1. FC Kaiserslautern wie Papa Gnädig und konnte seine Lieblingsrolle spielen. Nachdem nun in der Auswahl des Abteilungsleiters Klaus Augenthaler fast alles wieder stimmt, wird das Fußballjahr bei Bayer 04 Leverkusen ziemlich sicher im Guten enden. In sichtbar prächtiger Stimmung machte sich der frühere Fußballberichterstatter rheinischer Lokalblätter einen Jux daraus, seinen Nachfolgern den Text über das 0:0 beim FCK möglichst positiv zu formulieren: „Mit Sicherheit wollte keiner verlieren, beide Mannschaften hätten mehr tun können, am Ende eines schwachen Spiels begnügte sich jeder mit einem Punkt.“ Man kann dem Medien-Entertainer nur wünschen, dass er und seine Leute den zwei auf pomadige Weise verschenkten Zählern nicht irgendwann einmal werden nachheulen müssen. Es spricht für das zurückgewonnene Selbstvertrauen in Leverkusen, wie souverän da der Verlust der Tabellenführung weggesteckt wurde. Oder handelt es sich dabei schon um die ersten Anzeichen von Übermut angesichts der sportlichen Kraftverhältnisse in der ersten Viertelstunde? Das sah aus, als träten die Haarlem Globetrotters gegen eine kurzfristig zusammengestellte Auswahl vom Pfälzer Wald an, so unterschiedlich gingen die beiden Teams mit dem Spielgerät um; virtuos und elegant wirbelte die Connection do Brasil um Franca und Robson Ponte – plump und hausbacken dagegen die Lauterer, die den Ball spätestens nach zwei Kontakten brav beim Gegner ablieferten.“

Frank Schneller (FTD 4.11.) stellt fest, dass zunehmend die Manger und Sportdirektoren in Frage gestellt werden: „Wie es aussieht, steckt hinter der Trainerkrise oft eine Managerkrise. Das umstrittene Vorgehen der HSV-Verantwortlichen bei der Entlassung von Trainer Kurt Jara ist bestes Beispiel dafür – und lenkt zugleich von strukturellen Missständen ab. Auch die Art und Weise, mit der Mönchengladbachs Manager Christian Hochstätter sich Lienen entledigte und seinen Freund Holger Fach bis zur Inthronisierung bei Rot-Weiß Essen in Wartestellung versetzte, kann – wie von Bochums Trainer Peter Neururer – als Verfall der Sitten angeprangert werden. Doch die eigentlichen strategischen Fehler des Managements dürften nach wie vor „viel zu selten beleuchtet“ werden, wie Ligakritiker Paul Breitner feststellt. Wo es wie bei Eintracht Frankfurt keine starke Entscheiderebene gibt, ist Kontinuität meist ein Fremdwort. Sogar in Schalke fehlte vor der Verpflichtung von Jupp Heynckes offenbar jemand, der Manager Rudi Assauer vor Fehlern bewahrte. Sonst hätte Heynckes sicher nicht schon erklärt, er sei von anderen Voraussetzungen ausgegangen, als er kam – auf einige Probleme habe man ihn nicht hingewiesen. Vor allem in den Medienmetropolen Hamburg, Köln und Berlin, wo gern vom Ruhm vergangener Tage geträumt wird, sind keine schlüssigen Konzepte zu erkennen. Allein: Verantwortlich gemacht werden stets jene, deren Gehalt das Schmerzensgeld bereits beinhalten soll: die Trainer. Dass auch das Salär nahezu aller Manager, Sportdirektoren und hauptamtlicher Vorstände fürstlich ausfällt und manchen Etat empfindlich belastet, wird gerne übersehen. „Die verdienen so viel Kohle für Leistungen, die in der freien Wirtschaft nicht halb so gut honoriert werden“, sagt ein Spielerberater. Für die Personalpolitik des HSV, der vor Saisonbeginn den in die Jahre gekommenen Stefan Beinlich als Spielmacher holte, war nicht nur Kurt Jara verantwortlich. Auch ist das mittelmäßige Team von Hertha BSC nicht alleiniges Produkt von Trainer Huub Stevens, sondern Ergebnis von Manager Dieter Hoeneß’ jahrelang betriebener Einkaufspolitik. „Wir haben die Mannschaft überschätzt“, räumt man nun im Hertha-Vorstand ein. Dass Hoeneß seinem Noch-Coach ein Ultimatum stellte, das die Berliner Probleme keineswegs löst, ist daher weniger unter moralischen denn strategischen Gesichtspunkten anfechtbar.“

Zeiten der Krisensicherheit sind vorbei

Jörg Kramer Michael Wulzinger (Spiegel 3.11.) ergänzen: „Dass die Manager in Haftung genommen werden für ihre teilweise einsamen Trainerentscheidungen, gehörte bisher nicht zu den Merkmalen der Bundesliga. Jahrelang galt die Position des Sportdirektors als Traumjob für ehemalige Profis, die auch nach ihrer Kickerkarriere nichts konnten außer Fußball. Als schwer vermittelbar galten sie allenfalls, wenn sie, wie Bernd Hölzenbein bei Eintracht Frankfurt, mit der Steuergesetzgebung in Konflikt gerieten oder sich, wie Rolf Rüssmann beim VfB Stuttgart, mit fast der gesamten Belegschaft überwarfen. Doch die Zeiten scheinen vorüber, da der Posten des Managers als einer der wenigen in der schnelllebigen Fußballbranche krisensicher war. Wie die Stimmung gegen die sportliche Leitung umschlagen kann, erfährt derzeit wohl niemand so krass wie Dietmar Beiersdorfer. Weil der Sportdirektor des Hamburger SV am Montag vor zwei Wochen der Öffentlichkeit noch vormachte, den schwächelnden Trainer Kurt Jara zu stützen, am Mittwoch aber bereits die Verpflichtung Klaus Toppmöllers als neuen Chefcoach bekannt gab, verpasste Bild ihm den Beinamen Lügen-Baron. Nun tut der frühere Abwehrspieler in Pressekonferenzen öffentlich Buße (Dass es keine Meisterleistung war, muss man bestätigen) und ist, wie ein Branchenkenner raunt, schon nach 15 Monaten im Amt schwer angezählt. Kaum anders ergeht es Andreas Rettig, dem Manager des 1. FC Köln. Er hat, weil er sich im Gegensatz zu Beiersdorfer über Monate in Geduld übte, wegen seines Festhaltens an Trainer Friedhelm Funkel weite Teile des kölschen Kosmos gegen sich aufgebracht. Der spröde Coach, der nach Heimspielen wie dem 1:4 gegen Werder Bremen von vier Bodyguards aus der Arena geleitet werden musste, stand monatelang in einer Art medialem Sperrfeuer. Trotz des geglückten Aufstiegs titelte Bild bereits in der Sommerpause: Wann fliegt Funkel? Rettig hielt zu dem Fußball-Lehrer, weil ich ihn nach Abwägen von 25 Kriterien für den besten verfügbaren Trainer gehalten habe. Gemessen an den Usancen der Bundesliga spielte der Manager mit offenen Karten. Er informierte Funkel, dass er mit möglichen Nachfolgern, darunter dem Schweizer Meistertrainer Marcel Koller, bereits Gespräche geführt habe. Denn: Wenn eine Entscheidung für einen anderen Trainer nur fünf Prozent mehr für den 1. FC Köln bringt, dann bin ich auch so leidenschaftslos, dass ich Funkel entlasse. Am vorigen Donnerstag, zwei Tage nach dem peinlich-mühevollen 3:2-Sieg gegen die Amateure des VfL Wolfsburg, war es so weit. Funkel bekam die Kündigung – und Rettig wird sich in den nächsten Wochen fragen lassen müssen, ob er zu spät gehandelt habe. In Rettigs Streben, sich nicht fremdbestimmen zu lassen, steckt auch das Risiko, am Ende keine Verbündeten mehr zu haben. Der Berliner Leidensgenosse Hoeneß hat für seine Einsamkeit im Amt einiges getan. Weil er sich in der polemischen Diskussion um Huub Stevens immer mal wieder persönlich angegriffen fühlte (Stürzt Hoeneß mit?), beschwerte sich der Hertha-Manager in den Redaktionen – in der Regel nicht bei den verantwortlichen Autoren, sondern bei deren Chefs. Damit sind ihm weitere Attacken aus dem journalistischen Unterholz sicher. Dass Hoeneß sich immer wieder auf diese Art und Weise ausweint, sagte ein Berliner Boulevardjournalist nach dem gewonnenen Pokalspiel in Rostock, kommt hier bei den Kollegen nicht so gut an.“

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Rücktritt Wildmosers

„Ausgemosert“ (FAZ); Nachrufe, Würdigungen, Schmährufe – Karl Auer, der Nachfolger u.v.m.

Bärbeißig, selbstgefällig und beratungsresistent

Thomas Kilchenstein (FR 17.3.) begrüßt den „überfälligen“ Rücktritt: „Der Herbst des Patriarchen war just zu dem Zeitpunkt angebrochen, als sich erstmals in diesem Jahr die Biergärten füllten, nicht nur in München. Am Montag, ein paar Stunden vor der Aufsichtsratssitzung und der dann folgenden, längst überfälligen Demission, hat sich Karl-Heinz Wildmoser sen. noch einmal genauso bärbeißig, selbstgefällig und beratungsresistent gezeigt, wie man den Münchner Spezl-Wirtschafter, Geflügelbrater und Großgastronom glaubte zu kennen: Wenn mir einer blöd kommt, stehe ich auf und gehe, hat er da noch geblafft. Es war, wie wir inzwischen wissen, das letzte, fast bockige Aufbegehren eines gescheiterten Mannes. Dann tat er den einzig möglichen Schritt und legte sein Amt nieder beim TSV 1860 München. Vielleicht war das der letzte Gefallen, den der Pate von Giesing seinem Club hatte erweisen können: freiwillig zu gehen. Damit hat er den Sechzigern und dem Aufsichtsrat, in zwei Lager Pro- und Contra-Wildmoser gespalten, eine schmerzhafte Auseinandersetzung erspart. Tragbar war der 64-Jährige als Präsident ohnehin nicht mehr, da bekannt wurde, dass er in die Korruptionsaffäre um den Stadionneubau zumindest verstrickt war. Ein öffentliches Amt, auch ein Ehrenamt, erfordert ganz einfach gewisse Maßstäbe an Seriosität, Integrität und Transparenz. Doch Wildmoser, der Parvenü, gehörte zu der Spezies Führungskraft, die eigentlich als ausgestorben galt, bei der Korruption als Kavaliersdelikt behandelt wird, gute Freunde im Hintergrund einem in der Not weiterhelfen und ein dicker Bauch als Zeichen für Potenz gilt.“

Wildmoser war vieles, eine Marionette war er nie

Christian Zaschke (SZ 17.3.) sieht das ähnlich: „Freunde Wildmosers fürchten, dass der Verein nun unsichtbar wird. Zu entgegnen ist: Das ist allemal besser als das Bild, das der Verein zuletzt abgab. Das ist sogar besser als das Bild, welches der Verein während der vergangenen Jahre abgegeben hat. An vielen Stellen wird nun auf die Verdienste Wildmosers hingewiesen, darauf, dass es mit ihm auch gute und schöne Zeiten gab, doch in Wahrheit hat der Verein durch den faustischen Pakt mit dem Patriarchen so viel Seele verloren, dass zu fragen ist, ob der kleine Rest genügt, um sich zu regenerieren. Nötig ist nun der Aufbau einer neuen, einer eigenen Identität. Manchen im Verein ist dieses Problem bewusst. Deshalb besteht auf sportlicher Seite der Plan, eine Identität mittels des so genannten Jugendkonzepts zu entwickeln. 1860 soll der Verein sein, zu dem man als junger Spieler gerne geht, weil man seine Chance bekommt. Dieses Konzept ist gerade gefährdet, die Sechziger sind in höchster Abstiegsgefahr. Auf Seite der Vereinsführung wurde das Problem der Identität übersehen oder ignoriert. Unter tätiger Mithilfe des alten Präsidenten wurde als neuer erster Mann ein Gefolgsmann Wildmosers installiert. Man muss sich fragen, wofür der Präsident Karl Auer steht, und da es dafür erst einmal keine Antwort gibt, muss man nochmals fragen, und alles, was nach einigem Überlegen zusammenkommt, ist: Er steht für das System Wildmoser. Der alte Präsident hatte sich verabschiedet mit den Worten: „In so einem Amt bist du letztlich nur eine Marionette. Wildmoser war vieles, eine Marionette war er nie. Nun könnte er Recht haben mit seinem Satz. Zu beobachten ist, an wessen Fäden Karl Auer hängt, und ob er ein Interesse entwickelt, diese Fäden zu durchtrennen.“

Die SZ notiert einen herrlichen Euphemismus: „Das Verhältnis zwischen Ude und Wildmoser umschreibt ein Beteiligter als ¸nicht ganz herzlich, aber ¸gepflegt mitteleuropäisch.“

Roland Zorn (FAZ 17.3.) würdigt Wildmoser: „Der Querfeldeinlauf durch die Fernsehstudios, als Comeback-Tour gedacht, endete als Abschiedstournee. An deren letzter Station, im Blickpunkt Sport des Bayerischen Fernsehens, sah Karl-Heinz Wildmoser am Montag abend ganz müde, ganz erschöpft, ganz mitgenommen aus. Eine zwölf Jahre lange, gutsherrlich-derbe Präsidentschaft beim Bundesligaklub TSV München 1860 ging unter dem Gejohle krakeelender Fans an der Grünwalder Straße schroff zur Neige. Doch einen würdigen Abgang von der großen Showbühne Bundesliga hatte sich Wildmoser durch seine mögliche Verwicklung in den Schmiergeldskandal rund um die neue Münchner Allianz Arena vorher schon verscherzt. Ob ihn nun sein Sohn, der inzwischen zugegebenermaßen in die verhängnisvolle Affäre verwickelt ist, reingerissen hat oder nicht: der hemdsärmlige Großgastronom hatte nach Bekanntwerden dieser anrüchigen Münchner G’schichte keine Chance mehr, König der Löwen zu bleiben. Nun, da er grollend ging und böse Sätze hinterließ wie: Wenn man zwölf Jahre lang permanent beschimpft und dumm angemacht wird, geht einem das irgendwann auf den Geist, soll auch noch einmal an den guten alten Wildmoser erinnert werden. Der massige Bilderbuch-Oberbayer führte die auf biederes Bayernliga-Niveau abgerutschten Sechziger im Verein mit seinem früheren Männerfreund Werner Lorant binnen zwei Jahren zurück in die Beletage des deutschen Fußballs. Von da an baute der mal wie ein Patriarch, mal wie ein Despot herrschende, kämpferische Münchner seine Regentschaft immer mehr zu einem Teil der Wildmoserschen Familienunternehmen aus.“

Markus Schäflein (SZ 17.3.) schildert die Ambivalenz der Bedeutung Wildmosers für 1860 München: „Wildmoser war für die einen eine Galionsfigur, für die anderen das personifizierte Böse. Manche aber sahen ihn nüchtern. „Er hat Erfolg gebracht, aber er hat aus unserem Verein den TSV 1860 Wildmoser gemacht, so wie er sich aufgeführt hat, sagt Josef Gubik, Vorsitzender der Würmtal-Löwen Planegg. Karl-Heinz Wildmoser kam öfters zum Klubtreffen in die Gaststätte Heide Volm, um Kontakt zu den Anhängern aufzunehmen. „Er hat auch die Fans im Bayerischen Wald besucht. Das würde ein Beckenbauer nie machen, sagt Josef Gubik. „Aber wir in Planegg sind im Durchschnitt 50 Jahre alt, stehen mit beiden Beinen auf dem Boden und wissen: Mit Freibier ausgeben kann man keinen Verein führen. Er wollte sich seine Freunde kaufen. Ein absolutistisches Regime, in dem die Untertanen mit Freibier und Erfolg gefügig gemacht wurden – diese Politik soll der Vergangenheit angehören. „Auer wird die patriarchalen Strukturen umkrempeln, hat Aufsichtsrat Ralph Burkei nach der Sitzung den aufgebrachten Fans zugerufen. Viele zweifeln daran, aber ein gewisser Fritz hat ins Löwenforum geschrieben: „Auer hat eine faire Chance verdient, lassen wir ihn erst mal arbeiten! 1975, nach Francos Tod in Spanien, hat auch keiner dran geglaubt, dass der junge Juan Carlos ein echter Demokrat wird. Da keimt die Hoffnung, dass beim TSV 1860 alle wieder ihre Meinung einbringen dürfen, Fritz, Gubik, Beer; und der Kracher Herbert aus Altötting natürlich auch.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 17.3.) ergänzt: „Der Abgang von Wildmoser, dessen Führungsstil in den vergangenen zwölf Jahren stets umstritten war, der aber mit dem Verein auch den Aufstieg von der Bayernliga in die Bundesliga geschafft hatte, war ein unwürdiger. Wildmoser wurde richtiggehend vom Hof gejagt. Eine Gruppe von Löwen-Fans hatte sich schon am späten Nachmittag am Trainingsgelände versammelt und stimmte immer wieder Wildmoser raus-Rufe an. Als der Großgastronom um kurz nach halb zehn Uhr abends aus dem Geschäftsgebäude trat und seine Limousine bestieg, um ins Studio des Bayerischen Fernsehens zu fahren, sangen seine Gegner:So ein Tag, so wunderschön wie heute. Die Sicherheitskräfte mußten dem Auto von Wildmoser erst einen Weg durch die jubelnde Meute bahnen.“

SZ-Interview mit Uli Hoeneß

SZ: Herr Hoeneß, wie bewerten Sie den Präsidentenwechsel beim TSV 1860?

UH: Wir haben in den nächsten Tagen eine Gesellschafterversammlung der Stadion GmbH, und dann werden wir sehen, wer sich da präsentiert. Ich kenne den Herrn Auer nicht, aber ich werde ihm ohne Vorbehalte begegnen.

SZ: Obwohl er sich als Wildmoser-Getreuer zu erkennen gegeben hat?

UH: Ja, wir haben überhaupt kein Problem mit ihm. Wir haben nur ein Problem mit den Wildmosers, die mehr oder weniger in diese Sache verwickelt waren. Und das haben wir Sechzig ja auch klar gemacht, dass wir mit Wildmosers nicht mehr an einem Tisch gesessen hätten. Es hat da jetzt eine Bereinigung bei den Löwen stattgefunden, die der Sache nur gut tun kann. Durch die öffentlichen Auftritte des Herrn Wildmoser in den letzten Tagen war ja der Eindruck entstanden, als wär das alles nur ein Kavaliersdelikt gewesen und jeder, der sauber sei, sollte den ersten Stein werfen – den Stein haben wir dann geworfen. Weil wir sauber sind.

SZ: Wildmoser senior hat die Sorge geäußert, den Löwen würde nun vom FC Bayern etwas vom Stadionprojekt weggenommen. Ist die Sorge begründet?

UH: Man muss doch zunächst einmal sagen, dass er uns was weggenommen hat, dass sie uns etwas weggenommen haben – nämlich 2,8 Millionen Euro. Wenn ich in seiner Situation wäre, würde ich da keine Diskussionen mehr führen. Die Situation war doch hanebüchen, dass man zum Schluss noch das Gefühl hatte, dass Täter und Opfer verwechselt wurden. Und dass am Ende alles ein Kavaliersdelikt sei: ,Mei, is halt passiert, hohoho. Da lach ich mich tot! Tatsache ist: Wir waren bisher Partner, aber jetzt muss man eben mal sehen, was daraus wird. Wir haben unsere Vorschläge zur Geschäftsführer-Position gemacht, und ich meine, wir haben im Augenblick insgesamt 76 Millionen Euro (75 Millionen Darlehen, eine Million Stammkapital, d. Red.) in dem Projekt stecken, und Sechzig eben nur die eine Million Euro – da muss man nach diesen Vorgängen verstehen, dass wir unsere Vorstellungen in Zukunft natürlich etwas anders durchsetzen werden.

Allianz fürs Leben

Das Streiflicht (SZ 17.3.) beißt zu: „Wer über Fußball nachdenkt, dem fällt sofort Matthäus ein und sodann dessen unsterbliche Weisheit: „Was aber Gott verbunden hat, das darf der Mensch nicht trennen. Genau, es gibt Dinge, die von Anbeginn der Schöpfung bis zum Jüngsten Tag zusammengehören. Erdbeeren und Schlagsahne zum Beispiel. Oder Tünnes und Schäl. Oder der alte Mann und das Meer. Unter Umständen sogar Mann und Frau. Und, was häufig vergessen wird: Fußball und Wurst. Das ist eine Allianz fürs Leben, und alle Versuche, zu kampfbetonten Schicksalsspielen Champagner und Kanapees zu reichen, als wäre man auf der Vernissage einer Batik-Künstlerin, sind Irrwege, auf denen kein Segen ruht – schon gar nicht der des Fußballgotts. Der will Kampf sehen, Kampf bis auf die Knochen. Männern, die in diesem Milieu wirken, darf es vor nichts grausen. Sie müssen gestählt sein, am besten von Berufs wegen. München ist da wieder mal führend: Karl-Heinz Wildmoser, Ex-Präsident des TSV 1860: gelernter Metzger. Kurt Sieber, Vizepräsident, soeben zurückgetreten: Metzger. Karl Auer, der neue Chef: Großmetzger. Uli Hoeneß, Manager des FC Bayern: Bratwurstfabrikant. Rudolf Houdek, Bayern-Sponsor: „Wurstbaron und Erfinder der „Kabanos, einer lang gestreckten Fleisch-Fett-Komposition. Es muss mit den Anfängen des Fußballs zusammenhängen, dass die Verbindung zum blutigen Handwerk des Metzgers nie abgerissen ist. Kürzlich haben britische Wissenschaftler einen Bestellschein entdeckt, mit dem König Heinrich VIII. im Jahr 1525 ein Paar „sotular for football, also Fußballschuhe, orderte. Offenbar kickte der Monarch bei den wüsten Lokalderbies mit, die Hunderte von vierschrötigen Kerlen auf morastigem Grund zwischen den Dörfern austrugen, ohne Fairness oder gar technische Finessen zu pflegen. Der englische Fußball hat sich davon nie erholt, aber das ist eine andere Geschichte. Das Spielgerät war seinerzeit eine luftgefüllte Schweinsblase, powered by the local butcher. Zuvor, so ergaben unsere Recherchen, hatte man es mit einer rundlichen Blutwurst und kurzzeitig mit einem Kalbskotelett versucht.“

Gerald Kleffmann (SZ 17.3.) porträtiert den Neuen, Karl Auer: „Als im Aufsichtsrat sein Name als möglicher Nachfolger von Karl-Heinz Wildmoser senior genannt wurde, der unter dem Druck der Bestechungsvorwürfe beim Bau der neuen Fußball-Arena zurückgetreten war, sei er regelrecht „zusammengezuckt. Erst nachdem ihn andere Aufsichtsratsmitglieder „aufgemuntert hätten, das Amt doch zu übernehmen, willigte er zögernd ein. Der gebürtige Münchner drängt sich nicht gerne in den Vordergrund. Trotz dieser zurückhaltenden Art hat es Karl Auer geschafft, erfolgreich ein Unternehmen aufzubauen. Im oberbayerischen Holzkirchen besitzt er eine Firma, die Wurst- und Fleischwaren vertreibt. In der Oberland GmbH, die ihm zu 68 Prozent gehört, beschäftigt er 50 Mitarbeiter. Sohn Christian, 33, arbeitet dort als Geschäftsführer, ihm gehören die restlichen 32 Prozent der Firma. In der Branche genießt Auer einen exzellenten Ruf als gewiefter Geschäftsmann, wobei sein introvertiertes Wesen offenbar nicht hinderlich ist. Im Gegenteil: Auer wird im Unternehmen als „ruhiger Pol bezeichnet. Aber auch als jemand, der entschlossen und bestimmend auftreten kann. So muss es sein, schließlich hat sich der gelernte Metzgermeister zielstrebig über die Jahre hinweg hochgearbeitet und in bester Selfmade-Manier einen kleinen Betrieb in eine mittelständische Firma verwandelt. Dass Auer die Oberland GmbH gekonnt durch die schwierige Zeit der BSE-Krise führte, zeugt von geschäftlichem Geschick.“

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Oliver Kahn

In der FR lesen wir. „Den Boden unter den Füßen verloren zu haben, das ist ein Vorwurf, den Bayern-Keeper Oliver Kahn in letzter Zeit ziemlich häufig zu hören bekam. Dabei ist das für einen Torwart doch die normalste Sache der Welt. Nicht nur auf der Linie. Siehe Kahns Hechtrolle an der Eckfahne in Hannover. Bayern-Manager Uli Hoeneß vergab launig eine 9,8. Doch der vor dem Sprung am Ego und nach ihm auch noch am rechten Knöchel lädierte Nationaltorhüter musste sich auch beißenden Spott gefallen lassen. Denn die überflogene Werbebande zierte der vieldeutige Spruch: Alltagsmüde? Machen Sie den Abflug.“

Warum Oliver Kahn einen Abflug samt Rolle über die Bande gemacht hat, fragen sich viele Beobachter des Spiels Hannover 96 – Bayern München? Antwort: Um einen Gegentreffer zu verhindern bzw. einem solchen einen moralischen Makel anzuheften. In dieser Spielsituation gab es Einwurf für Hannover 96 auf Höhe der Eckfahne, und bei schneller Ausführung wäre es für die Bayern brenzlig geworden, hatte der Münchner Torwart schließlich einen weiten Weg in sein Tor zurück zu legen. Durch den willentlichen Ausrutscher provozierte Kahn jedoch eine Spielunterbrechung und konnte anschließend gemächlich in sein Tor zurückkehren, bevor das Spiel fortgesetzt wurde. Hätte der Schiedsrichter das Spiel hingegen nicht unterbrochen und die Hannoveraner ein Tor ins verwaiste Gehäuse erzielt, wäre erstens niemand auf die Idee gekommen, den Gegentreffer dem Keeper anzulasten, der noch am bzw. neben dem Spielfeldrand gelegen hätte. Zweitens wären wir sodann in den Genuss einer moralischen Standpauke von Hoeneß Co. gekommen, etwa so: „Was ist das nur für eine Gesellschaft, die solches Verhalten toleriert?! Wie kann man denn guten Gewissens in einem Moment weiterspielen, in dem ein so verdienstvoller Spieler wie Oliver Kahn sich wegen einer Verletzung behandeln ließ? Das hat nichts mit solidarischem Sportsgeist zu tun, wie wir ihn in München pflegen.“ Das Top-Thema des Bundesliga-Spieltages wäre folglich nicht der Einstand von Jürgen Kohler gewesen.

Oliver Fritsch

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