Donnerstag, 25. März 2004
Ballschrank
Über die Aussagen der Bayern-Funktionäre nach dem Weltpokaltitel
Drei Autoren befassen sich auch zwei Tage nach dem Spiel noch mit dem Weltcup-Finale, welches der FC Bayern am Dienstag mit 1:0 siegreich gegen den argentinischen Vertreter Boca Juniors gestaltete. Ludger Schulze (SZ 29.11.), Roland Zorn (FAZ 29.11.) und Martin Hägele (Tagesspiegel 29.11.) richten ihr Augenmerk dabei auf die wirtschaftliche und sportpolitische Dimension des Geschehens, ergo auf die Aussagen der Bayern-Funktionäre. „Dieser Pokal ist Gold wert für die Marke FC Bayern, für das Image in einer globalisierten Fußballwelt“ wird Uli Hoeneß zitiert. Dabei würden die 2,7 Millionen Dollar Siegprämie nur als Zubrot angesehen. Viel wichtiger scheint dem Manager der Zugewinn an Macht und Einfluss bei Fifa, Uefa und G 14 zu sein. Misstrauisch begegnet Zorn in diesem Zusammenhang dessen Versprechungen, diese erlangte Macht „zum Wohle des gesamten Fußballs einzusetzen“ (Hoeneß) und befürchtet, die Beteuerungen Hoeneß´, auf die Interessen der kleineren Vereine Rücksicht zu nehmen, könnten sich als Lippenbekenntnis erweisen: „Wir werden auch für Trondheim kämpfen“ (Hoeneß).
Im Zentrum bayerischer Interessen vermutet Zorn das Vorhaben, den Verein als dezidiert deutsches Qualitätsprodukt auf dem fernöstlichen Markt zu etablieren. Allerdings stand in Tokio „eine kosmopolitische Auswahl unter der Schirmherrschaft des FC Bayern“ (Zorn) auf dem Platz. Wie in letzter Zeit üblich waren neun Ausländer in der Startelf. So vergaß Hoeneß nicht, immer wieder auf die mit dem Datum des Erfolgs beginnende Zukunft hinzuweisen (Schulze). Der Titel würde daher nicht nur als Abschluss einer sehr erfolgreichen Saison 2001 gesehen, sondern als Zäsur in der Klubgeschichte. „Eine Ära geht damit zu Ende, eine Generation verabschiedet sich langsam“ sagt Hoeneß und verweist auf die Transferpolitik der Bayern, auf deren Wunschliste bekanntlich die Namen der deutschen Jungnationalspieler Deisler, Ballack und Kehl stehen. Für Schulze und Hägele ist klar, welche zur Zeit unbequeme Personalie mit diesen Worten indirekt angesprochen wurde. „Von Stefan Effenberg redete in Tokio keiner mehr. Der verletzte Kapitän war zu Hause geblieben“ (Hägele). Es gab also nicht nur Sieger beim FC Bayern.
siehe dazu auch:
Neues und Traditionelles in Tokio (28.11.)
Unterschiedliche Auffassungen – und doch Einigkeit (27.11.)
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Über Lüge und Wahrheit beim Umgang zwischen Journalisten und Trainern
– SpOn-Interview mit Thomas Schaaf, Trainer von Werder Bremen – „Transferfolklore“ (FAZ) Kevin Kuranyi – Jens Nowotnys Comeback in der DFB-Elf – Italiens Vereine erwartet Ärger aus Brüssel – Weltmeisterinnen werden vermutlich gegen Halbstarke verlieren u.a.
Mein momentaner Lieblingslügner ist Peter Neururer
Christoph Biermann (taz 13.11.) erzählt aus seinem Beruf: „Als Journalist wird man generell viel belogen, das ist als Sportjournalist nicht anders, schon gar nicht, wenn es um Fußball geht. Otto Rehhagel hat bereits vor vielen Jahren die Pressekonferenz genannte Zusammenkunft zwischen Trainern und Berichterstattern nach Fußballspielen als Märchenstunde deklariert. Damit wollte er sagen, dass die Auskünfte, die er dort gibt, nur in einem lose assoziativen Verhältnis zur Wahrheit stehen, und viele von Rehhagels Kollegen halten diese Idee für die richtige. Nun gibt es bekanntlich verschiedene Varianten und Abstufungen des Lügens, die vom Erzählen eindeutiger Unwahrheiten bis zur Aussparung unangenehmer Wahrheiten gehen. Eine von mir besonders geschätzte Spielart ist die in Vertraulichkeit verpackte Lüge. Derlei geschieht gelegentlich bei Hintergrundgesprächen mit Trainern oder Managern. Die Geste dazu ist eine der Kumpanei, die durch Bemerkungen wie das ist jetzt aber nicht zum Schreiben oder nur für den Hinterkopf hergestellt wird. Sie soll suggerieren, dass wir uns hier im Bereich der offenen Wahrheit befinden, von dem wir beide wissen, dass es ihn sonst nicht gibt. Dadurch gewinnt das in dieser Situation gesprochene Wort eine besondere Bedeutung, lässt aber die Verführung zur Lüge größer werden. Wird nämlich an dieser Stelle die Unwahrheit gesagt, ist sie mit dem Etikett einer besonders wahren Wahrheit versehen. Es gibt echte Künstler in diesem Metier, die ich leider nicht benennen kann, weil sie dann wissen, dass ich sie als solche erkannt habe. Und hinterher erzählen sie mir wirklich die Wahrheit und ich merke es nicht mehr (…) Mein momentaner Lieblingslügner ist Peter Neururer. Der Trainer des VfL Bochum verbreitet schon seit Wochen in aller Offenheit hinreißende Unwahrheiten über seinen Mannschaftskapitän Darius Wosz. Der ehemalige Nationalspieler kickt sich zumeist einen grausamen Stiefel zurecht, nur manchmal hat er noch große Tage. Fußballlehrer Neururer aber legt seine ganze Wortmacht ein, und die ist bei ihm ja durchaus vorhanden, um Wosz immer wieder eine irgendwie gute Leistung zu attestieren. Als er einmal besonders schlecht spielte, erfand Neururer im Nachhinein sogar eine taktische Aufgabe für ihn.“
Leute, lasst euch doch mal etwas anderes einfallen
SpOn-Interview mit Thomas Schaaf, Trainer Weder Bremens
SpOn: Gibt es Leute, die wissen, dass Sie nicht so sind, wie Sie öffentlich rüberkommen?
TS: Das hoffe ich doch sehr. Ein Image entsteht natürlich auch immer, weil Journalisten häufig voneinander abschreiben. Es wird einfach nur alles wiederholt.
SpOn: Fällt Ihnen ein konkretes Beispiel ein?
TS: Die Bundesliga-Vorberichte im Fernsehen beispielsweise. Leute, lasst euch doch mal etwas anderes einfallen – ich bin mittlerweile bestimmt schon 50-mal die Weser hoch und runter spaziert. Da könnte auch mal was Anderes kommen. Ich werde auch so dargestellt, wie die Journalisten mich gerne hätten und sehen möchten. Wer mich aber kennen lernt, bekommt ganz neue Eindrücke von mir. Ich kann mich in meinem Beruf nicht wirklich verstellen oder eine Rolle einnehmen, denn nach kurzer Zeit merken die Leute das.
SpOn: Der Trainer Schaaf wirkt sehr bedächtig.
TS: Es geht doch darum, dass ich das, was ich heute in ein Mikrofon sage, morgen nicht schon widerlegen oder bereuen muss. Kritik nach außen zu tragen, sollte man sich vorher gut überlegen. Aber innerhalb meiner Mannschaft muss ich deutlich werden, kritisieren und auch mal flachsen.
SpOn: Wie weit darf Kritik gehen?
TS: Im Innenverhältnis muss ein anständiges Maß im Umgang gefunden werden. Hier wird nicht rumgebrüllt. Es wird von mir auch niemand bloßgestellt oder in seiner Persönlichkeit angegriffen. In meiner Arbeit geht es weniger darum, der Mannschaft gegenüber den Kasper zu machen. Da ist es wichtiger, konzentriert und engagiert zu sein. Ich kann von meinen Spielern nicht erwarten, dass sie konzentriert sind, wenn ich auf dem Platz den Hampelmann mache.
SpOn: Sie haben mal geäußert, dass Sie selbst kein brillanter Spieler waren. Die Art, wie Sie als Trainer spielen lassen, entspricht weder dem Bild des drögen Schweigers, noch des harten Verteidigers. Werder zeigt attraktiven Angriffsfußball.
TS: Ganz so schlecht war ich als Spieler nun nicht. Ich habe auf vielen Positionen gespielt und war in meiner Jugendzeit auch mal im offensiven Mittelfeld oder Libero. Als Verteidiger bin ich ins Profigeschäft gekommen, habe meinen Platz dort gefunden und bin es auch geblieben. Über die Jahre hinweg entwickelt man eine Philosophie für das, was man selbst schön findet am Fußball. Ich mag schnelle Ballstafetten und technisch gutes Spiel. Ein Hauruck-Stil liegt mir überhaupt nicht. Defensiv muss es stimmen, aber die generelle Ausrichtung ist bei mir immer offensiv.
SpOn: Sie haben auch die Spieler dafür.
TS: Ja, es gibt wunderbare Spieler-Typen in unserer Mannschaft. Frank Baumann oder Thomas Ernst wurden selten richtig wahrgenommen. Auf einmal bekommen sie einen großen Stellenwert. Das sind großartige Fußballer. Ailton, Mladen Krstajic oder Angelos Charisteas – sie alle bestechen durch ihre Individualität. Die muss man doch nutzen und darf sie ihnen nicht nehmen.
SpOn: Was ist mit Johan Micoud?
TS: Er ist als Spieler überragend und als Mensch völlig unkompliziert. Er suchte eine Möglichkeit, sich einzubringen. Er kam nach Bremen und formulierte seine hochgesteckten Ziele. Es wäre fatal gewesen, wenn er geäußert hätte, nicht absteigen zu wollen. Johan bringt Genialität mit und lässt diese in unser Spiel einfließen. Das Ergebnis ist eine stärkere Bremer Mannschaft. Johan war eine großartige und wunderbare Verpflichtung. Werder Bremen hat damit den Anspruch formuliert, einfach mehr erreichen zu wollen.
Jörg Marwedel (SZ 13.11.) berichtet Ärger in Hannover, ausgelöst durch Trainer Ralf Rangnick: „Rangnick hat sich Ärger geschaffen, der seinen Job in Gefahr bringen könnte. Rangnick plauderte gegenüber örtlichen Journalisten aus, der Spieler Mohammadou Idrissou leide unter einer bakteriellen Infektion im Intimbereich. Idrissou reagierte empört, beschwerte sich über seinen Berater Lars-Wilhelm Baumgarten beim Präsidenten wegen dieser Verletzung seiner Privatsphäre – und bekam Kinds ausdrückliche Unterstützung. „Geschockt“ sei er nach diesem Telefonat gewesen, teilte Kind mit und sagte: „Meine klare Meinung ist, dass dies der ärztlichen Schweigepflicht unterliegt.“ Dann fügte er an, so etwas habe er „in 30 Berufsjahren noch nicht erlebt“, dass ein Vorgesetzter solche Interna preisgebe. Für diesen Donnerstag wurde Rangnick zum Firmensitz des Klubchefs nach Großburgwedel bestellt. Der Trainer versucht, das Thema herunterzuspielen. „Mir war die Brisanz nicht klar, ich wollte ihm nicht schaden. Wir sind uns klar, die Sache ist ausgeräumt“, sagte er nach einem ersten Gespräch mit dem Profi aus Kamerun, der, so berichtete ein Freund, zunächst „richtig ausgetickt“ sein soll und angeblich drohte: „Das zahle ich ihm heim.“ Ohnehin liegt der Fall nicht so einfach, wie Rangnick glauben machen will, denn auch in der Mannschaft herrscht Empörung.“
SZ-Interview mit Josef Schnusenberg, zweiter Vorsitzender bei Schalke 04 und Verantwortlicher für Finanzen
SZ: Nach Ailton und Krstajic von Bremen soll nun eventuell Kevin Kuranyi zur nächsten Saison zu Ihrem Klub wechseln. Bei fast jedem hochrangigen Transfer wird Schalke derzeit als Interessent genannt. Sind Sie eine Art Dagobert Duck der Bundesliga, der in einem opulent gefüllten Geldspeicher schwimmt?
JS: Das wäre ich gerne, und vielleicht kommen wir mit Schalke mal dort hin. Im Moment weiß ich allerdings nicht, wie wir in diese Rolle geraten sind. Alle Vereine investieren und bemühen sich um neue Spieler, nur bei uns soll es etwas ganz besonderes sein – das ist Unsinn.
SZ: Nun hat Schalke eine Anleihe von 75 Millionen Euro bei einer Gruppe amerikanischer Versicherungen gezeichnet, das weckt schon Phantasien.
JS: Nur hat die Anleihe mit unserer Transferpolitik nichts zu tun. Ich habe immer gesagt, dass wir das Geld nicht aufnehmen, um es in den Spielermarkt zu stecken. Wir wollten den Verein vom immer schwierigeren Tagesgeschäft mit den Banken unabhängig machen und ihn auf sichere Beine stellen. Meine Philosophie würde ad absurdum geführt, wenn wir mit diesem Geld, das wir im Laufe von 24 Jahren zurückzahlen müssen, Spieler für vier oder fünf Jahre an den Verein binden.
SZ: Wie finanziert der Klub dann teure Transfers?
JS: Erst einmal sind die ersten beiden Transfers gar nicht so schrecklich teuer, weil sie keine Ablösesumme gekostet haben.
SZ: Der Spiegel aber hat nach den Transfers von Ailton und Krstajic behauptet: „Die Schalker Großzügigkeit macht die Spieler mächtig“. Ist da nicht etwas dran?
JS: Ablösefreie Spieler sind immer mächtig, wenn sie Qualität haben. Aber die Gehaltszahlen, die kursieren, sind absoluter Unsinn. So bescheuert kann man nicht mal auf Schalke sein. Andererseits ist die Sache doch ganz einfach: Wir haben einige Spieler, deren Verträge auslaufen. Und wie die sportliche Abteilung den Etat einhält, ist im Grunde egal. Nur: Sie muss es tun.
SZ: In Andreas Möller und Marc Wilmots sind in diesem Jahr teure Spieler gegangen – im nächsten Jahr müssen es also andere sein?
JS: Richtig, bilanztechnisch nennt man das Passivtausch.
Die vielen Angebote sind für mich eine Auszeichnung
Michael Horeni (FAZ 13.11.) beschreibt die „Transferfolklore“ Kevin Kuranyi: “Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft hat sich der Kultur genähert. Im Essener Museum Folkwang, das sich mit Werken von Picasso, van Gogh und Gauguin schmückt, hält der Deutsche Fußball-Bund seine Pressekonferenzen vor dem Länderspiel gegen Frankreich, das am kommenden Samstag in Gelsenkirchen stattfindet. In der Ausstellung sind allerdings auch Vertreter des Fauvismus und der jungen Wilden aus Deutschland zu finden, was ganz passend ist, denn auch im deutschen Fußball dreht sich in diesen Tagen alles um jene begehrte Kleingruppe, die ein wenig platitüdenhaft als junge Wilde einer großen Karriere entgegenstreben. Auch wenn der künstlerisch-fußballerische Vergleich natürlich hinkt, rein ökonomisch sind die Erstlingswerke von Andreas Hinkel, aber vor allem von Kevin Kuranyi einhundert Jahre später schon unglaubliche kommerzielle Erfolge. Die vielen Angebote sind für mich eine Auszeichnung, sagte der 21 Jahre alte Stürmer des VfB Stuttgart, dem ein unterschriftsreifes Angebot des FC Schalke 04 vorliegen soll – und dazu noch Angebote von drei weiteren Bundesligavereinen und Offerten der beiden Mailänder Klubs Inter und AC. Und irgendwann wird entschieden. Es gibt keinen Zeitpunkt. Und weil Kuranyi schon längst gelernt und von seinem Manager Karl-Heinz Förster wohl auch noch einmal gesagt bekommen hat, daß man in solch einem schwebenden Verfahren besser keine allzu konkreten Angaben macht, versuchte der Nationalspieler so unverbindlich wie möglich zu bleiben.“
Philipp Selldorf (SZ 13.11.) freut sich auf das Comeback Jens Nowotnys in der Nationalmannschaft: „Nowotny kann nur staunen. Mehr als anderthalb Jahre hat er seit dem ersten von zwei Kreuzbandrissen der Nationalelf fern bleiben müssen, und muss nun feststellen: „Da ist ja eine ganze Clique hinzugekommen.“ Der Leverkusener, der zu einer Zeit für Deutschland spielte, als noch niemand eine Zukunft mit Jung-Profis wie Kuranyi, Hinkel oder Rau zu prophezeien gewagt hätte, ist dennoch besonders willkommen. „Ich will ganz ehrlich sagen“, enthüllte Rudi Völler, „der Jens spielt eine ganz große Rolle in meinen Planungen.“ Schon am Samstag soll Nowotny seine zweite Karriere im Nationalteam starten, in dem er einst als zentrale Abwehrkraft den Ausgangspunkt einer starken Achse bildete. Nowotny fühlt sich aber, vor seinem 38. Länderspiel, nicht als Anfänger. „Man wird von den Medien so behandelt, als sei man ein Debütant“, sagt er, „für einen Fußballer ist es wie eine kleine Pause. Man kehrt zur Normalität zurück.“ Und Nowotnys Normalität könnte normaler gar nicht klingen: „Die Vergangenheit ist abgehakt. Das nächste Spiel ist Frankreich, und danach geht es in der Bundesliga weiter.“ Ein Satz aus dem Standardrepertoire eines Profis – doch für Nowotny und für Völler nach den anderthalb Jahren Trennung alles andere als alltäglich.“
Birgit Schönau (SZ 13.11.) kündigt italienischen Funktionären und Vereinen Scherereien an: „Gelbe Karte aus Brüssel. EU-Wettbewerbskommissar Mario Monti, nach eigenem Bekunden seit 55 Jahren Fan des AC Mailand, hat sie bei einer Pressekonferenz tatsächlich aus der Jackentasche gezogen – eine reguläre, Gelbe Karte der Uefa. Gezeigt wurde sie: dem italienischen Profiligaverband Lega Calcio, geführt von Adriano Galliani, dem Vizepräsidenten des AC Mailand, und der italienischen Regierung, geführt von Silvio Berlusconi, dem Präsidenten des AC Mailand. Die beiden Herren haben zusammen ein Ding gedreht, das der EU-Kommissar für widerrechtlich hält. Das zunächst als Notverordnung und dann vom Parlament beschlossene „Schuldendehngesetz“ für den italienischen Profifußball verzerre den Wettbewerb, rügt Dottore Monti. Also Verwarnung nach Rom, und wenn sich nichts tut, wird Milanista Monti im nächsten Frühjahr unwiderruflich die Rote Karte ziehen. Das Gesetz erlaubt den hoch verschuldeten Klubs der Serie A, ihre durch den Wertverfall der sündhaft teuer eingekauften Spielerkader erlittenen Schulden und Verluste über zehn Jahre abzuschreiben. Erstens sei das staatlich subventionierte Bilanzfälschung, findet die EU-Kommission (und drückt es natürlich ungleich eleganter aus). Zweitens wittert Monti unzulässige Finanzhilfe des italienischen Staates. Wenn die Klubs ihre zum Teil dramatischen Spieler-Wertverluste über zehn Jahre abschreiben dürften, sparten sie jede Menge Steuern, könnten sich also weiterhin erlauben, teure Spieler einzukaufen – und hätten einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der europäischen Konkurrenz.“
Mariele Schulze Berndt Ozan Sakar (Tsp 13.11.) ergänzen: „Der von der EU kritisierte Bilanztrick liegt darin, dass die Dauer, in der Verluste beispielsweise durch Transfereinnahmen abgeschrieben werden können, auf zehn Jahre erhöht worden ist. Den EU-Wettbewerbsregeln entspricht es, dass Unternehmen ihre Verluste innerhalb einer dreijährigen Periode beziehungsweise im Zeitraum ihrer wirtschaftlichen Nutzung abschreiben können. Diese Regelung gilt auch für Fußballvereine. Grundlage für die Zahl der Jahre, in denen die Verluste abgeschrieben werden können, ist hier die Vertragslaufzeit. Die EU-Kommission will deshalb prüfen, ob einigen Vereinen Steuervorteile gewährt werden, die andere nicht in Anspruch nehmen können, obwohl ihre Finanzlage ähnlich schwierig ist. Der Coach des FC Bologna, Carlo Mazzone, hat die prekäre Lage der Italiener so beschrieben: „Jahrelang haben die Klubchefs mit dem Geld gespielt wie beim Monopoly. Jetzt merken sie: Es ist echtes Geld.““
Hintergrund NZZ
André Görke (Tsp 13.11.) erwartet eine Niederlage der Weltmeisterinnen gegen Halbstarke: „Heute findet ein Testspiel statt – gegen den VfB Stuttgart. Nicht etwa gegen den Tabellenführer der Bundesliga, sondern gegen die B-Junioren. Warum spielt der Weltmeister gegen 16-jährige Fußballer? „So ein Spiel macht Sinn“, sagt Nationaltrainerin Tina Theune-Meyer. Was sie meint: B-Junioren spielen auf einem Niveau wie die Weltmeisterinnen – und wahrscheinlich noch besser. Theune-Meyer: „Wir werden ganz bestimmt große Mühe haben.“ Oft und viel wurde in den vergangenen Wochen diskutiert, wie stark der Frauenfußball denn sei – verglichen mit dem der Männer. Ariane Hingst, die Nationalspielerin, „mag den Vergleich nicht“. Das seien ja keine Kinder mehr. Schuhgröße 45 und so. Der Antritt. Die Muskeln. Die Kraft. Es gibt nicht wenige in der Branche, die davon ausgehen, dass die Weltmeisterinnen deutlich verlieren werden. „Vielleicht will die Bundestrainerin der Mannschaft einen vor den Bug geben.“ Das sagt Frank Leicht, der Trainer der Stuttgarter B-Junioren. Er meint so etwas nicht abwertend, sondern „aus Erfahrungswerten“. Vor der WM in den USA haben die Frauen auch gegen B-Junioren gespielt. Gegen Borussia Dortmund und Eintracht Frankfurt. Jedes Mal haben die Frauen deutlich verloren. Die Frauen spielen taktisch und technisch guten Fußball. Vielen Fans gefällt, dass auf dem Rasen mehr Raum und Zeit bleibt, einen Angriff einzuleiten. Es sieht schöner aus. Und die deutschen Frauen beherrschen ihren Stil gut. Gegen Portugal werden sie am Samstag damit gut aufgestellt sein, gegen B-Junioren ist etwas anderes gefragt: „Die Jungs werden uns davonrennen, also dürfen wir uns auf keine Sprintduelle einlassen. Lieber clever den Ball laufen lassen und gut verschieben“, sagt Nationalspielerin Hingst.“
Wir bitten um eine Spende für die freistoss-Kasse, und empfehlen Sie uns. Vielen Dank!BankverbindungDeutsche Bundesbank (Filiale Gießen)BLZ: 513 000 00Nr.: 513 015 03Empfänger: indirekter-freistoss – Projekt-Nr. 6000 0208
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Beide Modelle haben eine Reduzierung der Spieltage (und damit auch der Spiele der beiden Finalisten) von 17 auf 15 zufolge
1. Reduzierung auf 24 (statt bisher 32) Teams in 4 Sechsergruppen; anschl. KO-System ab Viertelfinale mit den Gruppenersten und -zweiten.
2. wie bisher 32 Teams in 8 Vierergruppen; anschl. KO-System ab Achtelfinale statt einer zweiten Gruppenphase.
Gewinnspiel fr Experten
Ballschrank
Konflikt Markus Babbels mit seinem Trainer in Liverpool
Ronald Reng (SZ 16.5.) berichtet den Konflikt Markus Babbels mit seinem Trainer in Liverpool. “Der Zorn in ihm machte sich selbstständig. Markus Babbel konnte ihn nicht mehr kontrollieren, nur ableiten. Statt auf den Trainer ging er auf sein Trikot los. Er riss es sich vom Leib und warf es weg, ehe er beim Ligapokal-Spiel gegen Aston Villa der Anweisung seines Trainers Gerard Houllier folgte, sich auswechseln zu lassen. Es war der 18. Dezember, und nun, ein halbes Jahr später, scheint für Babbel das Spiel beendet, von dem er damals für seinen Geschmack viel zu früh, in der 39. Spielminute, lassen musste: Er soll das Trikot des englischen Rekordmeisters FC Liverpool nie wieder tragen. „Er ist nicht mehr in meinen Plänen“, sagte Houllier. „Markus’ Einstellung ist nicht in Ordnung.“ So endet für Babbel, einen der herausragenden deutschen Verteidiger seiner Generation, ein Fußballjahr, das als Märchen begann, auf die bitterste Art. Nur acht Monate, nachdem ihm die Nervenkrankheit Guillain-Barré die Beine lähmte und er das Gehen völlig neu lernen musste, kehrte Babbel im August 2002 in den Profifußball zurück. Doch während alle Welt noch schwer gerührt über sein Comeback war, schwelte bald ein Konflikt zwischen Trainer und Verteidiger. Ein Alltagsproblem: Houllier wollte Babbel behutsam aufbauen, Babbel wollte sofort wieder spielen. Dass es im totalen Zerwürfnis endete, ist unfassbar. Öffentlich kann Babbel zu Houlliers Vorwürfen nichts sagen, sein Vertrag läuft noch drei Jahre, er will keine fristlose Kündigung riskieren.”
Maradona, Figo und Netzer stehen für die 10, Möller steht für die 7
Stefan Willeke (Zeit 15.5.) erkennt unsere Wissenslücken in Sachen Karriere des derzeit erfolgreichsten Fußballer Deutschlands. „Einige Journalisten, die Andreas Möller gut kennt, haben ihm vorgeschlagen, als Ghostwriter ein Buch über sein Leben zu schreiben. Möllers ehemaliger Berufskollege Stefan Effenberg hat gerade einen mutmaßlichen Bestseller hingekriegt, den die Bild-Zeitung als Poesiealbum eines Fußballpunkers vermarktet. Möller hat nachgedacht über den Vorschlag. Es muss mehr sein als eine bescheidene Sportlerbiografie, haben die Journalisten geraten, brave Fußballbücher gehen schlecht. Irgendetwas Aufregendes, das die Leute mitreißt. „Was denn?“, fragt Möller. Er weiß nicht, was in seinem Buch stehen soll außer den sportlichen Erfahrungen eines gelernten Bürokaufmanns aus Frankfurt-Sossenheim, der wegen seiner zerbrechlich wirkenden Statur als 16-Jähriger aus der Hessenauswahl der Fußballjugend flog und wenig später als jüngster deutscher Spieler bei der Weltmeisterschaft 1990 gefeiert wurde. Man fragt sich, warum man in Archiven nachblättern muss, um die beachtliche Lebensleistung dieses Menschen vor Augen zu haben. Seine Erfolge scheinen sich verflüchtigt zu haben. Der Junge soll Weltmeister sein? Natürlich, das ist er. Scheinbar ohne erkennbaren Grund ist er aus der eigenen, sehr steil ansteigenden Laufbahn geraten und hat nicht zurückgefunden. Es ist etwas schief gegangen mit diesem Möller, aber was? Erst war er ein großes Talent, technisch brillant, das große Talent, folglich kam er schnell zu Borussia Dortmund, danach zwei Jahre lang zu Juventus Turin, danach zurück zu Borussia Dortmund, diesmal sehr lange, gekrönt durch den Europapokal, plötzlich aber gelang ihm nichts mehr, und die Stadionkurven spuckten Häme. Weichei, Heulsuse, Kampfsuse. Zuschauer warteten darauf, dass Möller nach einer Niederlage mal wieder die Mundwinkel verzog, so, als kämpfe er gegen die Tränen. „Heul doch!“, schrien sie im Stadion. Daran drohte er zu zerbrechen. Nur 10 andere haben, in mehr als 100 Jahren, öfter in der Nationalmannschaft gespielt als Möller, aber Möller ist nie ein deutscher Star geworden. Eher der missglückte Versuch. An Erfolgen gemessen, ist er wirklich ein Star gewesen, aber unfähig, sich zum Helden der Massen zu erheben. Niemand will so sein wie dieser Möller, so schmächtig in jeder Hinsicht, so verletzungsgefährdet immerfort, und deswegen erschreckt einen die Vorstellung so sehr, dass es vermutlich jeden treffen, dass es in jedem mit einem Mal möllern könnte. „Aus dir wird nie was“, hat die Mutter zu ihrem Andy vor vielen Jahren gesagt, als er noch zur Schule ging. „Mama, vertrau mir. Ich werde Fußballer“, antwortete der Junge. „Nein, nein!“, schrie die Mutter entsetzt, „du bist zu klein und zu schmächtig.“ Andreas Möller erzählt diese Episode sehr beiläufig und lacht laut los, als die Stelle mit der Pointe „schmächtig“ kommt. Man kann den Eindruck haben, als amüsiere er sich über einen Fremden (…) Als Möllers Karriere begann, stand auf seinem Rücken die 7, und man glaubte zu wissen: Aus dem wird ein ganz Großer. Die 7 nahm er mit zu den Profis von Borussia Dortmund und bekam dort nach einiger Zeit, als Gratifikation auf dem Weg zum sportlichen Höhepunkt, die Nummer 10 verliehen. „Die 10 war eine Verpflichtung“, sagt Möller, „ein Symbol.“ Stets trug in einer Mannschaft der Spielmacher die 10, der offensive Alleskönner im Mittelfeld. Die 7 galt als Geheimwaffe, die manchmal versagte, die 10 aber war grandios und durfte sich nicht viele Fehler erlauben. Maradona, die höhere Gewalt des Fußballs, hatte damals die 10. Möller und Maradona. Dieser geraffte Satz sieht so schräg aus, dass man ihn sofort wieder löschen möchte. Als Möller schließlich in Gelsenkirchen landete, war in der Schalker Mannschaft die 10 längst vergeben, an das Urgestein Olaf Thon, und Möller bekam die Zahl, die er längst hinter sich geglaubt hatte. Sieben. Den Spielmacher hat er auf einer Ersatzspielerbank in Dortmund zurückgelassen, im neuen deutschen Fußballsystem ist diese Rolle nicht mehr vorgesehen. Man könnte sagen: Ein Lebenskreis hat sich geschlossen, als die 7 am Ende zurückgekehrt ist auf Möllers Rücken. Das wäre gewiss so, wenn die 10 aus Möllers Kopf verschwunden wäre. Sie ist aber immer noch da. Maradona, Figo und Netzer stehen für die 10. Möller steht für die 7.“
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Gewinnspiel für Experten
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Ruf nach einem Auswärtssieg
Richard Leipold (FAZ 14.4.). “Als die Fußballspieler von Borussia Mönchengladbach zum Schlußapplaus vor die Fans traten, mischten sich forsche und fordernde Töne in den Jubelchor. Erfolge wie das 2:0 über den 1. FC Nürnberg bilden das Fundament für den Verbleib in der ersten Liga. Aber Heimsiege sind nicht alles. Die Gladbacher Fans, gerade die Reiselustigen unter ihnen, gelüstet es nach ein wenig mehr Abwechslung. Nach dem Schlußpfiff packten sie ihre Sehnsucht vor der langen Ostertour nach Cottbus in ein einziges Wort: Auswärtssieg! Die Borussia hat 28 ihrer insgesamt 32 Punkte daheim erstritten. Das uralte Bökelberg-Stadion, noch bis Ende der nächsten Saison in Betrieb, ist längst wieder zu einer Trutzburg geworden. In der aktuellen Spielzeit hat die Heimelf dort erst acht Gegentore zugelassen, auf gegnerischem Terrain schon dreißig. Trainer Ewald Lienen zeigte Verständnis für die Forderung der Basis. Die Fans haben recht. Es ist korrekt, daß sie auswärts einen Sieg verlangen oder wenigstens mal einen Punkt. Mit ihrem Ruf nach einem Auswärtssieg haben die Fans ein Thema aufgeworfen, das in Mönchengladbach allen Beteiligten Rätsel aufgibt. Woche für Woche hat es den Anschein, als gäbe es zwei Gladbacher Bundesligamannschaften: eine, die selbstsicher ihre Heimatbühne verteidigt, und eine, die auf fremden Plätzen ergeben auf die obligatorische Niederlage wartet. Die Ursachen für das krasse Mißverhältnis liegen im verborgenen.“
Weltrekordhalter im freien Reden
Was hilft im Abstiegskampf?, fragt Christoph Biermann (SZ 14.4.). „Man hätte die Hilfe von Peter Breidenbach gebrauchen können, als Christian Hochstätter durch den Spielertunnel das Stadion verließ. Still in sich hinein kichernd und äußerst verschmitzt schaute der Manager von Borussia Mönchengladbach, wollte aber partout nicht verraten, was ihn so erheitert hatte: die Umstände des Sieges über den 1.FC Nürnberg? Der Tabellenstand mit dem Sprung vom Abstiegsplatz? Sein Trainer Ewald Lienen? Vielleicht hätte Breidenbach das Gesicht des Managers entschlüsseln können, denn er gibt Kurse in „Face Reading“, bei denen „nur wissenschaftlich fundiertes und ethisch reines Wissen vermittelt wird“. Die Gesichter beim 1.FC Nürnberg konnte man allerdings auch ohne Hilfe des 45 Jahre alte Ex-Handballers, promovierten Juristen und Lebensberater entschlüsseln: Sie sprachen von nacktem Entsetzen. Zuletzt hatte sich Breidenbach um die Herzen der Club-Profis gekümmert. Der Weltrekordhalter im freien Reden (seine 24 Stunden sind im „Guinness Buch der Rekorde“ halbamtlich notiert) war zum Mentaltraining mit dem Team zusammen gekommen und danach begeistert: „Die Elf hat ein großes Potenzial an Menschlichkeit, deshalb bin ich davon überzeugt, dass sie nicht absteigt.“ Mit Breidenbachs Hilfe hatten die guten Menschen von der Noris in Stuttgart und gegen Schalke vier Punkte geholt, doch in Gladbach waren sie zu menschlich – vor allem in ihrer Fehlbarkeit. Breidenbach hat in seinem Kurs-Sortiment auch den „Power Day“ im Angebot, den die Nürnberger mal nachbuchen sollten. „Nutzen Sie die Wunderwelt Ihrer Gefühle und führen Sie Ihr Leben zum Wohle aller in Zukunft auf die Siegerstraße“, heißt es da. Um im Fußball zu gewinnen, braucht man Torchancen. Nürnberg hatte davon in neunzig Minuten genau eine.“
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Zum Tode von Fritz Walter, Portrait Frank Baumann, Portrait Sebastian Kehl
Pressestimmen zum Spiel Brasilien-Belgien (2:0)
Spiele, die ich nie vergesse
Die NZZ meint zum Turnierauftritt der USA: „Die britische Schule ist in Asien plötzlich wieder en vogue.“ Dass ausgerechnet diese traditionsschwache Nation nun um den Einzug in ein WM-Halbfinale kämpft, könnte Kulturpessimisten auf den Plan rufen. Die FAZ fragt im Hinblick auf die Globalisierungstendenzen kritisch: „Wo ist in diesen Tagen noch eine Fußball-Philosophie zu erkennen, die ihre eigenen Wege geht, die unverwechselbar ist und stilprägend zugleich?“ Eins bleibt gewiss: Wenn das Ausland sich deutsche Spiele anschauen muss, sieht es meist „Panzer“ am Werk.
Zur Vereinheitlichung des internationalen Fußballstils meint Michael Horeni (FAZ 17.6.). „Die sportliche Unverwechselbarkeit beschränkt sich mittlerweile vornehmlich auf die Spielkleidung. Aber das sind nur noch grundverschiedene Verpackungen für ein Produkt, das sich auf dem Platz von Jahr zu Jahr ähnlicher wurde (…) Die ermüdend gebrauchten Erklärungen der internationalen Trainergilde für die zahlreichen Überraschungsergebnisse bei der WM wiederholen immer nur, dass es auf der Fußball-Welt keine kleinen Nationen mehr gibt. Dass Länder wie Senegal, die Vereinigten Staaten, Südkorea oder Japan eine nachholende Entwicklung vollzogen haben. Das klingt nach Fortschritt, nach Modernität. Das stimmt selbstredend, wer wollte etwas anderes behaupten? Es ist aber nur die halbe, die erfreulichere Wahrheit. Die andere Seite der Fußball-Globalisierung, die nun statt wie einst einem halben Dutzend nun einem Dutzend Mannschaften den WM-Titel als reale Möglichkeit anzeigt, begrenzt jedoch die Kreativität und ungezügelte Spielfreude von Teams und Individuen bis zur Ununterscheidbarkeit (…) Das heißt nicht, dass der Fußball, der bei der WM zu sehen ist, schlecht und die Spiele langweilig wären. Im Gegenteil, der weltweite Einheitsfußball produziert laufend packende Partien“
Zur Wahrnehmung des deutschen Fußballs im Ausland bemerkt Philipp Selldorf (SZ 17.6.). „Die Juroren aus Spanien, England oder Italien waren sich nach dem Sieg der deutschen Nationalmannschaft gegen Paraguay in ihrem Urteil einig: Deutschland ist wieder Deutschland – zynisch, hässlich, plump und billig. Die liebsten Bösewichter des Weltfußballs besetzen wieder ihre Paraderolle als sture „Panzer aus Germany“. Aber die bewährte Metapher liegt fern einer Würdigung deutscher Wertarbeit. In der reflexartigen Wahrnehmung der Berufskritiker brüllen die schwarz-weißen Panzer nicht mit der Kraft von 10.000 Pferdestärken: ächzend kommen sie ins Ziel – als ob Rudi Völlers Nationalelf Rudi Scharpings malader Bundeswehr Referenz erweisen wollte. Bei der WM haben alle ihren Platz. Hier sind die Nationen der Künstler und Könner: die eleganten Franzosen, Argentinier,Brasilianer; die beherzten Engländer, Schweden und Dänen; die pathetischen Spanier; die liebenswert verspielten Afrikaner; die lustigen, heroischen Iren . . . So ließe sich die Liste fortsetzen und am Ende bliebe außer ein paar Außenseitern und Enttäuschungen nur noch Deutschland übrig, das Team aus der Schattenwelt des Fußballs. Dieses stereotype Verdikt aus britischen Boulevardblättern und südländischen Sportzeitungen findet in Deutschland in der Stildebatte Ausdruck, wie sie aus Jupp Derwalls Zeiten überliefert ist. Auch die ist nach dem faden Paraguay-Spiel zurückgekehrt; immer orientiert am glanzvollen Beispiel der Anderen.“
Zum Tod von Fritz Walter schreibt Ex-TV-Moderator Rudi Michel (FAZ 17.6.). „Es wäre sicher falsch zu glauben, nur Glanz und Gloria einer Weltmeisterschaft seien Garanten für Fritz Walters Popularität, die in jedem einzelnen Fall unterschiedliche Ursachen hat, andere Quellen, verschiedene Komponenten haben kann. Sie lässt sich nicht erzwingen, auch nicht von Medien machen oder steuern, vielmehr wird sie mitbestimmt vom Gefühl und Gespür der Massen für eine Ausnahmeerscheinung und deren Ausstrahlung (…) Die Ernennung zum Ehrenbürger seiner Heimatstadt im November 1985 wurde nicht nur damit begründet, dass er die Stadt mit dem WM-Titelgewinn weltweit bekannt gemacht hat. Seine sportlichen Verdienste lagen zeitlich noch weiter zurück, als er mit der Walter-Elf unmittelbar nach der Kriegskatastrophe in einer Zeit der Not ohne Brot den Leuten in einer zerstörten Stadt mit den Spielen sonntags für neunzig Minuten Kino, Kaffeehaus und Konzertsaal ersetzte. Zehntausende strömten auf den Berg, ob sie Fußball mochten oder nicht, ob sie vom Spiel etwas verstanden oder nicht. Der Fritz und seine Freunde spielten auf, das musste man gesehen haben. Tagesthema abseits von den Sorgen um die Existenz. Zeitzeugen von damals zögerten nicht, von Kunst zu sprechen, denn ein Teilaspekt der Kunst besteht darin, Menschen mehr zu geben, als sie selbst vermögen – auf welchem Gebiet auch immer. Zu jener Zeit war Fußball die Kunst der Ablenkung.“
Portrait Sebastian Kehl SZ
Portrait Frank Baumann FR
Ballschrank
Interview Matthäus, WM-Vergabe 2010 nach Afrika? – Verfall in Leipzig
FAS-Interview mit Lothar Matthäus über dies und das – bekommt Afrika die WM 2010? – Renaissance Nordafrikas beim Afrika Cup – 1. FC Nürnberg will aufsteigen (SZ) – der Verfall des VfB Leipzig (FAZ) (mehr …)
Ballschrank
Champions-League-Zwischenrunde
Der Modus der Champions-League-Zwischenrunde ist in den letzten Jahren insofern reformiert worden, indem man den so genannten direkten Vergleich eingeführt hat. Demnach gilt bei Punktgleichheit nicht mehr das Torverhältnis aus allen Partien, sondern nur aus den Spielen der beiden punktgleichen Kontrahenten. Dadurch wollte man ein Teilstück des attraktiven KO-Systems in das Liga-System integrieren. Zu welcher Paradoxie die jetzige Regelung führen kann, wenn drei Teams die gleiche Punktzahl erspielt haben, ergibt die Konstellation folgender Gruppe. Wir bemühen – ausnahmsweise – den Konjuntiv:
Gewinnt Juventus Turin nächste Woche gegen Arsenal London 2:0 (oder höher) und gewinnt Deportivo La Coruna gleichzeitig sein Heimspiel gegen Bayer Leverkusen, ergibt sich folgender Punktestand. La Coruna ist mit 13 Punkten qualifiziert. Die drei anderen Konkurrenten haben jeweils 7 Punkte. Folglich ist der direkte Vergleich zu bemühen. Aus diesen sechs Spielen gehen die Engländer als Sieger mit (nach wie vor) 7 Punkten hervor, gefolgt von Turin (6) und Leverkusen (4). So weit so gut. Aber: Turin müsste – als Tabellendritter – ausscheiden, obwohl es beide direkte Vergleiche (2:0 u 1:3 gegen London; 4:0 u 1:3 gegen Leverkusen) für sich entschieden hätte: ein Widerspruch, wohl nicht im Sinne des Erfinders, zumal Juventus im gegenteiligen Fall noch eine reelle Qualifikationschance hätte.
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
aktuelle Hintergrundinformationen zum Saisonauftakt der Bundesliga-Saison 02/03
Die Lage in der Bundesliga, die heute mit dem Spiel des Meisters Borussia Dortmund gegen Hertha Berlin eröffnet wird, ist widersprüchlich. „Der optimistischen Erwartung des Publikums steht eine Liga gegenüber, in der Unsicherheit herrscht“ schreibt die SZ angesichts der Euphorie auslösenden Finalteilnahme der DFB-Elf in Asien einerseits sowie der durch die Kirch-Pleite verursachten Finanzkrise im deutschen Fußball-Oberhaus andererseits. Dass die Millionenverluste – abgesehen von zahlreichen unbeschäftigten Profis – vornehmlich die kleinen und im Mittelfeld platzierten Vereine trifft, lässt eine zunehmende Stabilisierung der Hierarchieverhältnisse befürchten; unschwer zu erraten, dass der sportliche Reiz auf Dauer unter solchen Bedingungen leiden wird. Schließlich lebt der Fußball nicht zuletzt von Wellenbewegungen, welche vermeintliche Underdogs auf Kosten Ambitionierter an die Oberfläche spülen. Daher stimmt es den Fan bedenklich, dass die durch Europapokalgelder aufgepäppelten „Big Five“ aus Dortmund, Leverkusen, München Berlin und Gelsenkirchen die lukrativen Plätze an der Sonne mittlerweile Jahr für Jahr unter sich ausmachen. Die Vorhersagen der Experten – die FAZ spricht sogar von einem „ungleichen Wettbewerb“ – lassen für die anstehenden Ereignisse keine Veränderung des Status quo erwarten. Scheinbar übermächtiger Meisterschaftsfavorit ist dabei der letztjährige Dritte aus München, der auch dieses Jahr die sommerliche Aufmerksamkeit der Gazetten absorbierte, allen voran des Bayern-ergebenen kicker: Die gestrige Titelseite des Fachblatts gibt Trainer Hitzfeld in Feldherrenpose Gelegenheit zum Saisonvorwort: „Wir werden Meister“.
Diesen allgemeinen Entwicklungen zum Trotz richtet der Fußballfreund gebannt den Blick auf den rollenden Ball, denn „ein unbezahlbares Extrapräsent hat die deutsche Fußball-Nationalmannschaft von ihrer versilberten Weltmeisterschaftsexpedition gen Japan und Korea heimgebracht: Bonuspunkte für die Bundesliga“ (FAZ). „Der Boom hat in diesem Jahr viele Gesichter“ schreibt die SZ, und weiter: „Es sind die Gesichter der Spieler der WM. Von Michael Ballack oder Bernd Schneider. Oder von Miroslav Klose.“ Wird die Saison 02/03 tatsächlich unter dem positiven Vorzeichen des Erfolgs von Völlers Equipe stehen, der ein Großteil der hiesigen Öffentlichkeit bis zu einem fortgeschrittenen Turnierstadium immerhin skeptisch und teilweise missmutig gegenüber stand? „Mit dem ersten Spieltag dieser 40. Bundesliga-Saison beginnt die Vorbereitung auf die WM 2006“, bejaht die SZ diese Frage ausdrücklich.
Kurzum: Die fußballlose Zeit ist endlich vorbei. Halten wir es also mit Roland Zorn (FAZ). „Hier und heute wird das Comeback der Bundesliga gefeiert, und dazu sind sogar die Verlierer des ersten Spieltages noch herzlich eingeladen.“
Zur finanziellen Lage in der Liga lesen wir bei Christian Zaschke (SZ 9.8.). „Wie alle Unternehmen in der Krise wollen die Vereine zunächst die Personalkosten senken. 108 arbeitslose Profifußballer hat die DFL registriert, die Spielergewerkschaft VdV geht von 200 arbeitslosen „Nicht-Amateuren“ aus, was Profis in den Regionalligen einschließt. Der börsennotierte Meister Borussia Dortmund wollte sein Personal zum Gehaltsverzicht bewegen – und scheiterte am Widerstand der brasilianischen Spieler. In Stuttgart fühlen sich die Spieler mittlerweile als Sündenböcke. Und mitten in diese trübe Stimmung kam der Verdacht, dass in der Liga Schwarzgeld gezahlt wurde und gezahlt wird (…) Völlig unbeeindruckt von den schlechten Nachrichten sind die Fußball-Fans. Mehr als 300.000 Dauerkarten haben die Vereine bereits verkauft, das ist ein Rekord.“
Roland Zorn (FAZ 9.8.) schreibt zu diesem Thema. „Die Spieler von Teamchef Rudi Völler können nun mit dem einmal erworbenen Zusatzpfund wuchern – wenn aus der guten Tat von gestern der gute Vorsatz für morgen abgeleitet worden ist. Der Fan und Konsument erhofft sich nämlich einiges von der an diesem Freitag in Dortmund beginnenden vierzigsten Saison: eine Gala der Stars und eine Schau der Talente. Und das, obwohl die neue Sparsamkeit das Gebot der Stunde ist (…) Die dem Irdischen allzu lange entrückten Profis sind auf die Erde zurückgekehrt und sollen sich nun in der neuen Wirklichkeit mit möglichst spektakulären Nachweisen ihrer trotzdem ungebrochenen Schaffenskraft behaupten. Die noch in Lohn und Bundesligabrot sind, werden zumindest von der sportlichen Revolution verschont. Die oben waren, werden oben bleiben, die eben oben angekommen sind, schauen schon wieder nach unten. Die Gleichheit der Verhältnisse gibt es zum Nulltarif nur vor dem Anpfiff zu einer Spielzeit, die den Experten zufolge wie selbstverständlich mit einem weiteren Meisterstück der Münchner Bayern abgeschlossen werden dürfte.“
Des Weiteren hat Christian Zaschke (SZ 9.8.) einen Imagewandel deutscher Fußballer wahrgenommen. „Die Spieler der WM tragen ein neues Gefühl in die Bundesliga. Früher wollten die Kinder und Jugendlichen auf den Bolzplätzen Netzer sein, oder Overath. Dann kamen die Jahre, in denen sie so ziemlich jeder sein wollten, aber nicht Dremmler oder Reuter oder Freund. Sie hatten nichts gegen diese Spieler, es sind solide Fußballer. Doch sie wollten auch nicht Matthäus sein, oder Brehme. Eher schon van Basten, und später dann Zidane oder Ronaldo, elegante Fußballer mit einem guten Image. Das hat sich geändert. Heute sind Spieler wie Ballack, Schneider oder Klose wieder Vorbilder (…) Dem Zuschauer helfen diese Spieler, sich mit dem Fußball weiterhin zu identifizieren. Sie machen es ihm möglich, über Kirch-Krise, Schwarzgeldverdacht und auf zwei unerträgliche Stunden gedehnte Fußballshows hinwegzusehen. Und innerhalb der Bundesliga haben sie eine Wirkung auf die jungen Spieler, die sich nun für die Nationalmannschaft empfehlen wollen.“
Richard Leipold (FAZ 9.8.) blickt auf die Bundesliga-Landkarte. „Wo könnten die Grundlagen für eine spätere Tradition besser geschaffen werden als tief im Westen, in diesem Schmelztiegel der Emotionen, die für Spieler und Trainer heute Last und morgen Lust bedeuten? Während Kohle und Stahl inzwischen mehr Legende als Lebensinhalt sind, ist die Fußballtradition geblieben: Sechs Erstligaklubs sind in Nordrhein-Westfalen daheim; der Fußball ist in diesem Ballungsgebiet ein Lebensgefühl geblieben, das auch der kalte Kommerz noch nicht hat unterdrücken können.“
Über arbeitslose Fußballprofis heißt es bei Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 8.8.). „In den aktuellen Serviceheften, die alles über das Kommen und Gehen auf dem Spielermarkt verraten, verbergen sich hinter dem Hinweis „Ziel unbekannt“ Problemfälle. Dabei ist deren persönliches Ziel sehr konkret: weiter Fußball spielen, die Sicherheit haben, wo man künftig hingehört, wo man sein Einkommen hat. Am liebsten bei einem europäischen Spitzenverein, zur Not sogar in der Regionalliga, aber nur als Zwischenstation, wenn überhaupt (…) Nicht gefragt zu sein, nicht unter mehreren Angeboten auswählen zu können scheint etwas Ehrenrühriges unter gestandenen Profis zu sein. Die Dunkelziffer der arbeitslosen Profis ist groß. Längst nicht alle melden sich, um das ihnen zustehende Arbeitslosengeld zu beantragen (…) Was danach kommt, empfinden einst vom Beifall umrauschte Profis kaum als „Karriere“, aber als Anstoß, etwas für die Zukunft getan zu haben. Nicht mehr mittendrin, aber noch nah dran am Geschehen. Immer noch viel besser, als unter der Berufsbezeichnung „Künstler, Artisten und Berufssportler“ auf eine Vermittlung des Arbeitsamtes zu warten. Das nagt an Sportlerseelen, für die ein Attribut wie Künstler oder Artisten etwas Brotloses hat.“
Die Aufstiegseuphorie in Hannover beschreibt Jörg Marwedel (SZ 8.8.). „Vergangene Woche bildeten die Fans eine Schlange von einem halben Kilometer, um Tickets für dieses Spiel zu ergattern – morgens um halb acht. Bis zu 15000 wollen „die Roten“ nach Hamburg begleiten und werden die gegnerische AOL-Arena „in ein rotes Stadion verwandeln“, wie 96-Präsident Martin Kind mutmaßt. Dafür stellt die Bundesbahn Entlastungszüge bereit. 14 000 Dauerkarten sind bislang abgesetzt – dreieinhalb mal mehr als vor zwölf Monaten. Daheim sind 40.000 Zuschauer im Schnitt keine Utopie. Und auch die Wirtschaft in Hannover hat die alten Skandale im Klub und die herrschende Rezession vergessen: Reiseveranstalter TUI wirbt für etwa 2,5 Millionen Euro auf dem Trikot, Finanzdienstleister AWD zahlt für die Umbenennung des Niedersachsenstadions in AWD-Arena zwei Millionen Euro per annum – ein Vorgang, den zu Kinds Erstaunen sogar die Traditionalisten abnickten.“
Zur gegenseitigen Vertragsauflösung zwischen Bayern München und Ciriaco Sforza bemerkt Jürgen Ahäuser (FR 8.8.). „die Zeiten sind nicht immer rosig. Es muss Verzicht geleistet werden. Ciriaco Sforza gibt ein leuchtendes Beispiel. Statt ein Jahr Golf zu spielen, wie schon so mancher vor ihm ausgemusterte Bayern-Profi, sucht der Schweizer wieder eine geregelte Arbeit. Ganz bescheidener Eidgenosse, gibt sich der ehemalige Star mit einer Abfindung zufrieden. Hauptsache er kann wieder professionell gegen den Ball treten. Im Star-Ensemble des FC Hollywood wäre der einstige Dirigent nur noch ein bemitleidenswerter, wenn auch gut bezahlter Müßiggänger gewesen. Sforza wird bald wieder auf irgendeiner Gehaltsliste stehen und vermutlich wird nie jemand erfahren, ob die flüssige Unterschrift unter den neuen Vertrag nicht zufällig durch ein nicht rückzahlbares Darlehen befördert wurde.“
Zur Situation bei Borussia Dortmund schreibt Freddie Röckenhaus (SZ 9.8.). „Die Nervosität im Kader des Überraschungsmeisters ist mit Rickens Ausfall auf alarmierendem Niveau angelangt. Torjäger Amoroso fällt mit entzündeter Achillessehne voraussichtlich drei Monaten aus, Christian Wörns braucht noch ein paar Wochen. Das am letzten Wochenende bei RW Oberhausen verlorene Testspiel war auch nicht gut für die Stimmung. Obendrein plagt sich der Klub mit drei teuren Fehlinvestitionen herum, die aufs Betriebsklima drücken (…) Unterdessen hat Matthias Sammer zu seinen Lieblings-Parolen zurück gefunden. Während der gesamten Vorbereitung monierte der Coach die mangelnde Quälbereitschaft einiger seiner Meisterspieler. Nicht zuletzt, um ja nicht als Favorit in die neue Saison gehen zu müssen.“
Neuigkeiten vom Betzenberg erzählt Roman Herrmann (FR 8.8.). „Der nervlich aufgewühlte Weltmeister Andreas Brehme ist dabei, es sich mit allen um sich herum zu verderben. Beim Stadionfest der Pfälzer am Sonntag beleidigte er offenbar einen Reporter des Südwestrundfunks. Nun, teilte der SWR mit, Brehme wolle sich offiziell entschuldige, teile dies auch der Mannschaft mit und der Journalist nehme die Entschuldigung auch an. Ein Brandherd weniger. Als echter Trost in einer beklemmenden Lage allerdings taugt der Friedensschluss nicht.“
Christian Ewers (FAZ 9.8.) beschreibt die Lage bei Hertha BSC. „In Berlin hat sich nämlich eine Menge verändert seit dem Saisonende im Mai. Der Trainer Huub Stevens ist neu, die Mannschaft wurde umgebaut auf wichtigen Positionen, und auch die Geschäftspolitik hat sich gewandelt. Transfers, Vermarktung und Sponsorenbetreuung – Hertha-Manager Dieter Hoeneß verfolgt ein neues Konzept. „Wir mussten reagieren“, sagt Hoeneß. „Uns blieb nach der Kirch-Krise keine andere Wahl.“ Die wirtschaftlichen Probleme des Münchner Medienkonzerns haben die Klubs hart getroffen; in der neuen Saison muss die Deutsche Fußball Liga mit 290 Millionen Euro haushalten. Das sind 70 Millionen Euro weniger als ursprünglich kalkuliert. Arrivierte Klubs wie der FC Bayern München können Einbußen bei den Fernsehgeldern gut kompensieren, sie sind nicht abhängig von einzelnen Geldgebern. Hertha hingegen, ein Verein, der zur erweiterten Bundesligaspitze zählt, tut sich da schwerer. Manager Hoeneß erwartet Mindereinnahmen von 15 Prozent im Bereich der TV-Gelder.“
Zur Rolle Ottmar Hitzfelds meint Oliver Trust (Tsp 9.8.). „In allen Interviews, die er gibt, steht viel vom „Druck, den ich mir selbst mache“ und vom harten Durchgreifen, wenn es mit der Disziplin hapert. So oft wie diesmal hat Hitzfeld das noch nie gesagt. Er muss den Chef spielen. Hitzfeld hat seine Erfahrungen mit den Auswirkungen solcher Vorgaben gemacht. Der Körper meldet sich irgendwann, weil kein Mensch es aushält, ständig so gefordert zu werden. Das hat Hitzfeld in Dortmund gespürt. Und ist krank geworden davon.“
Den gescheiterten Transfer Ronaldos nach Spanien kommentiert Roland Zorn (FAZ 8.8.). „Inter aber hat sich von gestreuten Gerüchten, wilden Spekulationen und mit Tatsachen bewusst verwechselten Trendmeldungen nicht verrückt machen lassen. Auch Real vermied es, an Ronaldos italienischem Arbeitgeber vorbei mit dem wankelmütigen Star zu verhandeln. Somit ist Ronaldo selbst größter Verlierer des Sommertheaters um seine Person. Drei Jahre lang hat Inter Mailand seinen bekanntesten Rekonvaleszenten auch finanziell bei Laune gehalten; als Ronaldo dann endlich keine Kniebeschwerden mehr plagten, freuten sich Moratti und die Inter-Tifosi, nicht aber die brasilianische Diva (…) Soll Ronaldo, dessen Vertrag mit Inter bis 2006 gilt, nicht zum Spießrutenläufer werden, muss er demnächst Woche für Woche beweisen, dass Geld für ihn wirklich nicht das wichtigste ist. Die Tore des 25 Jahre alten Brasilianers werden die einzige Münze sein, die beim Tifoso zählt, soll Ronaldos misslungenes Dribbling zwischen Mailand und Madrid alsbald vergessen und vergeben sein.“
Frank Gerstenberg (SZ 8.8.) vermisst kritischen TV-Sportjournalismus. „Warum kommen keine kritischen Fragen an Herrn Effenberg oder an Herrn Beckenbauer? „Dann kommt er beim nächsten Mal nicht mehr“, heißt es unter den Sportjournalisten. Die meisten befänden sich in einem Dilemma, räumt Koch (Hörfunkreporter, of) ein: Nicht Effenberg habe ein Problem, wenn er nicht erscheine, sondern der Sender und damit in erster Linie der Reporter. Angesichts der „dramatischen wirtschaftlichen Situation auf dem Medienmarkt“ sei das ein Risiko, das immer weniger Reporter eingehen wollten. Rückendeckung für einen freien, unabhängigen Journalismus? Eine kritische Kultur wird oft schon an oberster Stelle untergraben. ZDF- Sportchef Wolf-Dieter Poschmann, Meister der unverständlichen Fragen, funktioniert das Aktuelle Sportstudio schon mal zur Hall of Fame um: „Niederlagen sind das Schicksal großer Menschen, ausgezeichneter Menschen, hochdekorierter Menschen.“ Der Münchner Kommunikationswissenschaftler Michael Schaffrath fand heraus, dass in 65 Prozent aller Fragen, die ZDF-Reporter stellen, eine positive Bewertung liegt. Die ARD-Quote liegt bei 62,8 Prozent, die von RTL bei 55,6.“
Direkte Freistöße
Interview mit Ralf Rangnick, Trainer Hannover 96 FR
Interview mit Hans Meyer, Trainer Borussia Mönchengladbach SZ
Saisonvorbereitung einzelner Bundesligavereine – Prognosen – Neuigkeiten
Borussia Dortmund Tsp
Bayer Leverkusen Tsp
FC Bayern München Tsp
Hertha BSC Berlin Tsp
Schalke 04 Tsp
Werder Bremen Tsp
1860 München Tsp
VfL Wolfsburg Tsp
HSV Tsp
Borussia Mönchengladbach Tsp
Energie Cottbus Tsp
FCN Tsp
Hansa Rostock Tsp
VfL Bochum Tsp
Arminia Bielefeld Tsp
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Gewinnspiel für Experten
Gewinnspiel für Experten
Ballschrank
Sarkastischer Krittler
Max Merkel, der „sarkastische Krittler“ (FAZ), wird 85 – Fußball-Archäologen graben Filmrolle aus, Inhalt WM 54 u.v.m.
Sarkastischer Krittler
Ulrich Kaiser (FAZ 6.12.) gratuliert Max Merkel zum 85. Geburtstag: „Von ihm stammt die Bemerkung, daß es Vereinspräsidenten gibt, die das Hüpfen des Balles auf einen Frosch zurückführen, der sich im Inneren befindet. Von ihm stammt die Anekdote, daß er den Spielern das Kopfschütteln beibrachte – und als sie sich zu fragen getrauten, was das mit dem Spiel zu tun habe, soll er sie angewiesen haben, immer den Kopf zu schütteln, wenn man sie fragt, ob sie etwas vom Fußball verstehen. Max Merkel ist der sarkastische Krittler geblieben – bis heute. Alljährlich besorgt er in der Zeitung mit den großen Buchstaben vor Beginn der Saison eine Serie, in der die Mannschaften, die Spieler, das Management, auch der Trainer unter die Lupe genommen werden. Es ist eine der wenigen Gelegenheiten, in der hierzulandewitzig über die wichtige Nebensache Bundesliga gelästert wird. Als Autor der Beobachtungen steht da Max Merkel – es gibt keinen anderen, dem man die dicke Ironie sonst glauben würde, was nicht heißen muß, daß er jede Zeile selbst verfaßt. Es ist in den Formulierungen eine Ironie, die auch eine gewisse Distanz garantiert, ohne die eine gescheite Beobachtung gar nicht möglich ist.“
Schliemann der Fußballgeschichte
Hans Weymar (FR 5.12.) berichtet einen sensationellen Fund: “Das Startgebot für den deutschen Mythos steht bei 8 500 Euro. Das scheint noch recht preiswert, ist doch eine Sensation aufgerufen: Ein Farbfilm über die Fußball-Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz, 65 Minuten lang, hergestellt von der Schweizer Produktionsfirma Burlet im Auftrag des Schweizerischen Fußballverbandes, ein Fußball-Lehrfilm. Versteigert werden soll dieses Juwel kollektiver deutscher Erinnerung am übernächsten Samstag, 13. Dezember, im Deutschen Sport- und Olympiamuseum zu Köln von Wolfgang Fuhr, Inhaber der AGON Sportartikel Vertriebs GmbH. Ein bisschen stolz ist Fuhr schon auf dieses Los, das dann um 13 Uhr unter den Hammer kommt. So etwas hat man ja auch selten, sagt der in Deutschland führende Auktionator für die Memorabilia des Sports, die so vielen Fans als Anker der Erinnerung gelten. Viele Tausend einzelne Objekte fasst diesmal sein Katalog, Autogramme von Schwimmer Mark Spitz sind darunter, Eintrittskarten von Fußballweltmeisterschaften und Goldmedaillen von Olympischen Spielen. Das erste Los aber übertrifft alles. Nicht nur, weil es die Ungarn im Trainingslager zeigt, den seinerzeit hohen WM-Favoriten, und etwa auch Bilder vom Halbfinale Ungarn gegen Uruguay (4:2). Sondern weil es selbstverständlich auch den bundesdeutschen Gründungsmythos vom Wunder in Bern in color illustriert: die verheerende 3:8-Vorrundenniederlage der von Sepp Herberger aufgestellten B-Elf in Basel gegen Ungarn, und natürlich auch das 3:2 im Finale gegen den gleichen Gegner, inklusive des berühmten Linksschusses von Helmut Rahn sechs Minuten vor Schluss (…) ARD und ZDF drehen momentan ambitionierte Dokumentarfilme über 1954, und auch einige private Programme wollen dieses Ereignis in aller Ausführlichkeit würdigen. Zudem werden zwei großzügig finanzierte und vom Deutschen Fußball-Bund unterstützte Ausstellungen in Köln und in Speyer die Geschichte der Elf Freunde um die Führungsfigur Fritz Walter museologisch aufarbeiten. Eine Flut an Bildern wird also einprasseln auf die Geschichts- und Fußballfans im nächsten Juli, wenn gleichzeitig das Finale um die Fußball-Europameisterschaft ausgespielt wird. Das macht die bunten Bilder so reizvoll: Weil sie anders sind als die ewig präsentierten in schwarz-weiß. Es geht um die Frage, wer sich denn danach den Schliemann der Fußballgeschichte schimpfen darf. Schon die Ende Mai im Rahmen des Pokalfinals in Berlin von der ARD gezeigten zwei Minuten, die vier Tore des Berner Endspiels enthielten, wurden von der euphorischen Presse als Fußball-Troja abgefeiert, weil auch diese Aufnahmen in Farbe zu sehen waren.“
Raucherbeine flanken schlechter
Michael Eder (FAZ 6.12.) pustet aus: „Neues von der Anti-Raucher-Front: Die Europäische Union, Abteilung Fußball, Sitz Nyon, hat beschlossen, ein generelles Rauchverbot auf Trainerbänken bei allen Länder- und Europapokalspielen zu erlassen, Glückwunsch. Begründung: erstens die Vorbildfunktion der Trainer, zweitens der Widerspruch von Sport und Tabakkonsum. Von Januar an bleibt die Kippe kalt, und da kann man nur sagen: Noch mal gutgegangen, Herr Assauer, gerade noch mal so davongekommen, großes Raucherglück, daß sich die Schalker rechtzeitig aus dem internationalen Geschäft verabschiedet haben (…) Rauchen ist schlecht, Sport ist gut. Allerdings gibt es auch gegenteilige Ansichten, das soll nicht verschwiegen werden, zum Beispiel jene von Dieter Hildebrandt, der meint, Sport sei viel schädlicher als Rauchen. Auch wenn dies ein wenig übertrieben scheint, sicher ist: Beides zusammen ist nicht das Allergesündeste. Sicher ist auch, daß die Assauers und Toppmöllers und Lorants weiterrauchen werden, selbst wenn die Europäische Union, Abteilung Politik, Sitz Brüssel, die Warnhinweise dergestalt erweiterte, daß nicht nur auf drohende Impotenz hingewiesen würde, sondern auch auf berufsspezifische Gefahren wie Raucherbeine flanken schlechter oder Rauchen macht aus Ihnen einen schlechten Trainer.“
Wir bitten um eine Spende für die freistoss-Kasse, und empfehlen Sie uns. Vielen Dank!BankverbindungDeutsche Bundesbank (Filiale Gießen)BLZ: 513 000 00Nr.: 513 015 03Empfänger: indirekter-freistoss – Projekt-Nr. 6000 0208
« spätere Artikel — frühere Artikel »