Ballschrank
„Hassduell“
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| Donnerstag, 25. März 2004
Das vermeintliche Spitzenspiel und „Hassduell“ der vergangenen Jahre zwischen Meister Dortmund und Tabellenführer Bayern München verlief derart gehaltlos, dass sämtliche Kommentatoren ihre den Großteil ihrer Aufmerksamkeit der hervorragenden Spielleitung von Markus Merk widmeten; statt dem sportlichen Geschehen: „Der österliche Konvent der Nationalspieler trägt trotz des Dortmunder Sieges über den FC Bayern den Charakter eines Friedensgipfels und dient als Abbild einer von künstlicher Spannung dominierten Meisterschaft“, langweilte sich die SZ.
Leidenschaftsloser Osterspaziergang
Roland Zorn (FAZ 22.4.) sah kein aufregendes Spiel. „Oliver Kahn hatte alle Hände voll zu tun. Aber nur vor dem Anpfiff des Bundesliga-Gipfels. Da mußte der Münchner Fußball-Nationaltorwart wie alle Jahre wieder die Südfrüchtchen einsammeln, die ihm von der Südtribüne des Westfalenstadions zugeworfen worden waren. Möglich, daß sich Kahn in diesen Augenblicken der Revierreinigung wieder einmal wie in einer Bananen-Republik vorkam, doch als der Obsttag vorbei war und endlich der Ball rollen konnte, hatte der in Dortmund schon bissiger aufgetretene Schlußmann alle Zeit und Muße der Welt, einen Langweiler zwischen dem Tabellenführer und dem Tabellendritten zu beobachten. Wo sonst die Funken sprühen und Verwarnungen und Platzverweise an der Tagesordnung sind, passierte diesmal fast gar nichts. Daß die Borussia seit dem 1. Oktober 1995 mal wieder ein Heimspiel gegen die Bayern gewinnen konnte, regte am Ende auch niemanden so richtig auf (…) Aus dem Haßduell der Vergangenheit war ein friedlicher, leidenschaftsloser Osterspaziergang geworden. Nur eine einzige Szene gab anschließend noch zu kontroversen Diskussionen Anlaß: der Moment, in dem Schiedsrichter Merk auf Strafstoß für den BVB entschied. Mit Adleraugen hatte der Pfälzer nämlich gesehen, daß sich nach einer Stunde des westfälisch-bajuwarischen Patts eine Münchner Faust gen Himmel gehoben hatte, die den Ball nach einem Eckstoß von Rosicky weggeboxt hatte. Es war die Hand Kovacs, die zeitgleich mit einem Stubser des gelb-schwarzen Widersachers Kehl zum Ball ging. Von dieser entscheidenden Szene abgesehen, hatten die beiden defensiv denkenden und handelnden Teams zuerst sich selbst und dann auch den Gegner unter Kontrolle.“
Sorge um das Startrecht an der europäischen Zasterliga
Andreas Burkert (SZ 22.4.) kommentiert Reaktionen. „Bayern-Manager Uli Hoeneß unterbrach kurz seine Flucht vor den TV-Kameras und analysierte jene Minibaisse, die seine Angestellten der Gesellschaft auf Aktien im April beschert haben. „Unsere Leistung war okay“, sprach er milde, „wenn man personelle Probleme hat wie wir, kann man schon zufrieden sein.“ Das waren auch die Dortmunder nach diesem „quasi Nullnull-Spiel“ (Kahn), denn die Sorge um das Startrecht an der europäischen Zasterliga hatte ihnen zuletzt arg zugesetzt. So kam es, dass sich ihnen nach verkrampftem Vortrag erst in der 86. Minute eine echte Torchance eröffnet hatte (Kopfball Koller) – sehr lange hatte die Borussia keine Idee davon gehabt, wie den Stoikern aus Bayern beizukommen sei. Und das war nun die eigentliche Lehre dieses Friedensgipfels, der nach knapp einer Stunde die erste Gelbe Karte (Wörns) und die Premiere eines Eckballs erlebte: Das letzte Aufgebot der Münchner kontrollierte die Situation, wenige Kontereinlagen reichten ihnen, um die besseren Gelegenheiten zu produzieren. Ansonsten, so wirkte es, diente ihre vornehme Zurückhaltung dazu, den ökonomisch auf Augenhöhe wirkenden Lieblingsfeind dezent zu demoralisieren. Am Ende hatten sie sich natürlich ein paar Kratzer geholt, doch tags darauf verlor wie bestellt Verfolger Stuttgart. „Acht Punkte Vorsprung ist immer noch sehr viel“, rechnete der gelernte Mathematiker Hitzfeld am Samstag. Am Sonntag stand fest: es bleiben elf. So halten sich die Münchner nun schon seit dem vierten Spieltag ganz oben im Tableau, die einzige erinnernswerte Höchstleistung glückte ihnen übrigens außer Konkurrenz: nur zwei Punkte in der Champions League. Das liegt lange zurück, und vielleicht klang Hitzfeld nach dem soften Rückschlag von Dortmund deshalb fast erfreut. Er erwarte in Wolfsburg „eine gewaltige Reaktion“, sagte er.“
Kommunikation statt Konfrontation
Roland Zorn (FAZ 22.4.) schreibt über den besten Mann auf dem Spielfeld. „Der Fifa-Schiedsrichter aus Kaiserslautern mußte im Westfalenstadion darauf gefaßt sein, als eine Art Löwenbändiger in die Arena zu ziehen. Denn wäre aufs neue wahr geworden, was dem Duell zwischen Borussia Dortmund und Bayern München von jeher nachgesagt wird, hätte Merk den Oberaufseher beim alljährlichen Haßgipfel der Fußball-Bundesliga geben müssen. Von Haß, Antipathie und Vorurteilen konnte im nachhinein keine Rede mehr sein: Markus Merk kam mit zwei Gelben Kärtchen und stand doch im Blickpunkt. Einerseits, weil er es mit bemerkenswerter Gelassenheit verstanden hatte, die Betriebstemperatur auf dem Platz bei Bedarf abzukühlen, andererseits, weil er mit scharfem Blick wie fast niemand sonst im Stadion erkannte, daß Kovac den Ball vor Amorosos Elfmetertor mit der Hand gespielt hatte. Kommunikation statt Konfrontation lautet einer der Grundsätze des 41 Jahre alten Pfälzers, der auch international aus der allerersten Reihe pfeift. Diesem Prinzip fühlte sich Merk, als Zahnarzt von Berufs wegen feinfühlig, gerade in dem Stadion verpflichtet, in dem sein Kollege Hartmut Strampe vor zwei Jahren einen Bundesligarekord aufgestellt hatte: Der Niedersachse schickte beim Klassiker Dortmund gegen Bayern drei Spieler vom Platz und sprach dazu zehn Verwarnungen aus. Solche Bestleistungen strebt Merk nicht an, der es inzwischen besser als jeder andere deutsche Unparteiische versteht, streitende Spieler zu beruhigen und miteinander zu versöhnen. So wie er, mit einer Mischung aus fachlich schwer angreifbarer Autorität und loyalem Umgang mit den Spielern, erfüllen die Spitzenschiedsrichter in England und Italien seit langem ihre kniffligsten Aufträge.“
Stadionatmosphärisches taz
Antizyklisch
Felix Meininghaus (FTD 22.4.) blickt nach vorn. „Man kann von Matthias Sammer ja halten was man will, aber konsequent ist der Mann. Das Unerwartete zu sagen und zu tun, hat er sich zum Prinzip gemacht. Und das zieht er so beharrlich durch, dass es schon wieder berechenbar ist. Sammer hat mal von sich gesagt, er denke und handele antizyklisch. So hat sich Borussia Dortmunds Trainer in den trostlosen Zeiten fußballerischer Armut der vergangenen Wochen lange vor seine Spieler gestellt – viel zu lange, wie Kritiker bemängelten. Am Samstag, nach dem 1:0 gegen Bayern München, las Sammer seinen Stars die Leviten. Trotz des ersten Erfolgs gegen den großen Rivalen seit dem 1. Oktober 1995 laufe es weiterhin sehr, sehr zäh. Wir haben heute gefightet, aber noch lange nicht gut gespielt, sagte Sammer, der den ersten Sieg als Trainer gegen seinen einstigen Lehrmeister Hitzfeld feiern konnte. Bis zum Ende der Saison haben wir noch viel Arbeit. Die Spieler müssen sich so verhalten, wie es einem Profi gebührt – vor allem in der Denkweise. Klare Worte waren das, die deutlich machten, wie sehr das Auftreten des Noch-Meisters alle im Dortmunder Lager ins Grübeln gebracht hat. Nach dem Ausscheiden in der Champions League sei die Mannschaft ziellos gewesen, räumt Manager Michael Meier ein. Das uninspirierte Gekicke hat viele auf den Plan gerufen, die nun verkünden, das Team benötige dringend eine personelle Auffrischung. Flugs fielen die Namen Slavo Freier, Miroslav Klose und Bernd Schneider, auch am Finnen Mikael Forssell sei das Interesse lebhaft. Derzeit sind das lediglich Gerüchte, die von Meier in den Katakomben des Westfalenstadions nicht dementiert wurden.“
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