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Wenn Vereinsbosse ihren Trainer entlassen

Oliver Fritsch | Donnerstag, 25. März 2004 Kommentare deaktiviert für Wenn Vereinsbosse ihren Trainer entlassen

of Wenn Vereinsbosse ihren Trainer entlassen und in Frage stellen, beurteilt das der Außenstehende wie andere Trennungen im Leben: wie man es macht, man macht es falsch. Haben sie Vertrauen und Rückendeckung ausgedrückt und entlassen den Trainer anschließend, wie beim Hamburger SV, bezichtigt man sie der Lüge. Äußern sie Bedenken und knüpfen das Engagement an Bedingungen, wie bei Hertha BSC Berlin, heißt es: ‚Warum entlasst Ihr ihn nicht sofort?’ Die Beobachter stört nur das moralische Wie – sie fragen nicht nach dem sportlichen Warum.

Bernd Hoffmann und Dieter Hoeneß, die Verantwortlichen aus Hamburg und Berlin, sind in den letzten Tagen von Reportern aller TV-Kanäle in den Schwitzkasten genommen worden. Immerhin, das Gesicht Hoffmanns kennt die Fußball-Nation nun; die SZ rümpft die Nase: „Hoffmann ist ein Marketingmann, ein Verkäufer. Solche Leute wissen in viele Sachverhalte ihre eigene Wahrheit zu interpretieren.“ Die Regeln der sprachlichen Kosmetik kennt und beherrscht der Fachmann: „Wir haben Trainer Kurt Jara freigestellt“, sagte Hoffmann – und meinte: ‚Wir haben Jara gefeuert und auf die Straße gesetzt!’ Auch Hoeneß wird nicht ernst genommen; die Financial Times Deutschland schreibt: „Es werden im deutschen Fußball deutlich zu wenige Ultimaten gestellt. Warum sollte beim Trainer von Hertha BSC Berlin plötzlich falsch sein, was beim Diktator des Irak oder bei den Taliban richtig war? Zwei Siege in Rostock, sonst raus hier: So weiß Huub Stevens wenigstens, woran er ist. Anders als zum Beispiel Kurt Jara, der übler getäuscht wurde als ein Anschlussreisender der Deutschen Bahn. Und hat Stevens jetzt gewonnen oder nicht? Na eben.“ Die taz ist genervt vom Berliner Krisen-Management: „Stevens ist immer noch da, und am Dienstag geht die ganze Scheiße nun in die zweite Runde.“

Radikaldarwinismus der Bundesliga

Gerd Schneider (FAZ 27.10.) fordert von Funktionären und Journalisten mehr Gelassenheit und Souveränität: „Im Krisenfall – und im Fußball von heute wird schon nach zwei oder drei verlorenen Partien nacheinander die Krise ausgerufen – werden die Gesetze des rationellen wie auch ökonomischen Handelns außer Kraft gesetzt. Die Manager und Vorstände der Profiklubs entscheiden aus dem Bauch heraus. Versuch und Irrtum, so nennt die Pädagogik dieses simple, weil zufallsabhängige Handlungskonzept. Das alles ist nicht neu. Neu ist, in welchem Tempo und in welcher Radikalität die sportlichen Führungskräfte ausgetauscht werden. In der aktuellen Saison sind noch nicht einmal ein Drittel aller Spiele absolviert, und schon drei Klubs haben, um deren eigenen schöngefärbten Code zu verwenden, die Notbremse gezogen (…) Bislang nicht gekannte Ausmaße erreichen auch die Intensität und Selbstverständlichkeit, mit denen die Boulevardmedien und Fernsehsender das vermeintliche Scheitern der Trainer inszenieren. Sie erhöhen damit die Attraktivität des Produkts Fußball, und sie erhöhen ihre Auflagen und Quoten. Die Frage, ob und wie die Trainer im Radikaldarwinismus der Bundesliga bestehen und wie sie ihn ertragen, wird mehr und mehr zur schrillen Begleitshow des eigentlichen sportlichen Geschehens. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender haben ihre einstige Zurückhaltung längst aufgegeben, sie tragen jetzt hemmungslos zur Überhitzung des Klimas bei. Besonders peinlich wird es, wenn sie, die Profiteure der extremen Bedingungen, dann auch noch die Moralkeule schwingen. Man fragt sich nur, warum Fußballehrer in solchen Fällen den letzten Rest Selbstachtung aufgeben, den man braucht, um das unwürdige Spiel von sich aus zu beenden. Ob es nur am Geld liegt?“

Wolfgang Hettfleisch (FR 27.10.) lässt nicht alles durchgehen: „Der viel zitierte Begriff von den Gesetzen der Branche ist missverständlich. Es sind Gesetze im mechanischen, nicht im juristischen, geschweige denn im ethischen Sinn. Kein Kodex, keine stille Übereinkunft sorgt für ein geregeltes Mindestmaß an Moral und Anstand. Dafür steht für die 36 Wirtschaftsunternehmen der beiden Profiligen zu viel auf dem Spiel. Wenn ein Gesetz herrscht, ist es das der Wildnis. Den Preis dafür zahlen die Trainer, deren Position zwischen den immer kurzatmigeren Interessen der Clubs und der seit Bosman ins Groteske gewachsenen Macht der Topspieler und ihrer Agenten prekär geworden ist. Natürlich genießt im Haifischbecken Fußball-Bundesliga kein Trainer Artenschutz. Darum geht es auch gar nicht. Wohl aber um wechselseitigen Respekt und ein Quantum an Aufrichtigkeit und Rückendeckung, das jeder Angestellte von seinem Arbeitgeber erwarten darf. Einem gewissen Felix Magath war das lange Zeit nicht zuteil geworden.“

Presse-Stimmen zu den Spielen des 10. Spieltags

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