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Bundesliga

Parallelen mit der Angriffsphilosophie der Nationalmannschaft

Oliver Fritsch | Montag, 6. November 2006 Kommentare deaktiviert für Parallelen mit der Angriffsphilosophie der Nationalmannschaft

Pressestimmen zum 10. Spieltag: Den neuen jungen Wilden Stuttgarts wirft die Presse Kußhände zu / Staunen über die Liebe der Hamburger Fans zu Verlierer Thomas Doll / Werder Bremen leidet unter einer Erkältung und profitiert von einer Schiedsrichterentscheidung; dem Gegner Cottbus wird nicht von allen Seiten Anerkennung zuteil / Kritik an der sturen Bielefelder Vereinsführung, denen die Journalisten vorwerfen, nicht zu merken, was für einen tollen Trainer sie hätten / Kaum verliert Nürnberg zum ersten mal, schon bekommt Hans Meyer sein Fett weg

Der VfB Stuttgart verzückt die Fußballfreunde durch erfolgreiches Spiel nach vorne mit jungen Einheimischen – am Samstag durch das 4:2 in Aachen. Dem sich aufdrängenden Vergleich mit den „Jungen Wilden“, die vor vier Jahren zum Höhenflug ansetzten, gewinnt Andreas Burkert (SZ) eine besondere Erkenntnis ab: „Vielleicht ist die Generation der Kuranyis, Hinkels, Lahms und Hlebs für die Stuttgarter nie wertvoller gewesen als in diesen Wochen, in denen sich ihre Nachfolger in den Profikader und bis an die Ligaspitze gespielt haben. Und man sollte ihnen jetzt unbedingt den Gefallen tun, sie nicht als Junge Wilde II durch die Stadien stürmen zu lassen. Denn nicht jeder Vorgänger taugt zum Vorbild, sondern nur als mahnendes Beispiel dafür, wie fürchterlich sich ein junger Mensch in der Netto-für-Brutto-Welt verirren kann.“ Gleichzeitig warnt Burkert vor den geldwedelnden Jägern anderer Klubs: „Alle Schwaben sollten diese Momente genießen und zugleich wachsam sein. Wolfsburgs Coach Augenthaler hat kürzlich angedeutet, welche Begehrlichkeiten der jugendliche Erfolg wecke. Die Feinde des Projekts sind ganz offenbar bereits bei der Arbeit.“

Daniel Theweleit (taz) eilt den Stuttgartern entgegen, um sein Lob zu überreichen: „Sie zeigen weder den durchrationalisierten Fußball einer abgebrühten Spitzenmannschaft, noch ein überdrehtes Feuerwerk, dessen Einmaligkeit absehbar ist. Sie haben ihr Spiel einfach mit großer Freude für den Moment gespielt. Wer nicht gerade ein Aachener war, mußte entzückt sein ob dieser Darbietung.“ Gregor Derichs (FAZ) fügt hinzu: „Die Fans haben am forschen Offensivstil, der Parallelen mit der Angriffsphilosophie der Nationalmannschaft aufweist, Gefallen gefunden. Begeistert packte der Anhang nach dem souveränen Sieg die Meisterschalen aus und winkte mit silbernen Attrappen aus Pappe den VfB-Spielern zu. Die Schwaben unterstrichen eindrucksvoll, daß sie die Bundesliga-Mannschaft der Stunde sind.“

Gegenentwurf zur Forderung nach Kampf und Aggressivität

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ) spricht dem VfB (und Werder Bremen) Leitbildfunktion zu: „Stuttgart ist wie Bremen der Gegenentwurf zur Forderung nach der Rückkehr zum einfachen Fußball mit Kampf und Aggressivität als den entscheidenden Zutaten. Sie werden immer dann in die Waagschale geworfen, wenn es nicht so läuft wie gewünscht, Trainern das Wasser bis zum Halse steht. Aber Fußball ist mehr. In die Manege Bundesliga kommt das Publikum vor allem, weil dort eben auch individuelle Klasse zu bewundern ist. Im Herbst aber gehen zu viele Trainer daran, die Profis zu nötigen, quasi Winterreifen für unwegsames Terrain aufzuziehen. Da geht einiges an Laufruhe verloren. Der HSV ist ein Musterbeispiel dafür.“

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Hauptsache, sie holen nicht Neururer

Die andauernde Unterstützung Thomas Dolls durch die HSV-Fans, auch nach der 0:1-Niederlage in Wolfsburg könnte, laut Frank Heike (FAZ), zum Bumerang werden: „Von der Mannschaft haben sich die Anhänger inzwischen abgewendet. Die Fans haben die Vorstände Bernd Hoffmann und Dietmar Beiersdorfer als Schuldige ausgemacht, in Rufen fordern sie deren Ablösung. Doll wird weiterhin geliebt, fast erdrückt von den Sympathien, als wäre er und nicht der knuffige Plüsch-Dinosaurier Hermann das Maskottchen des HSV. Man muß es Doll zugute halten, daß er Niederlagen nicht vergesellschaftet und Siege privatisiert. Es spielt aber auch eine Rolle, ob die zu recht getadelten Profis sich im selben Boot mit dem Trainer fühlen – fühlen sie eher nicht, müßte man nach den Eindrücken vom Samstag sagen, denn Doll scheint für Niederlagen nicht mehr verantwortlich zu sein. Sondern allein die Mannschaft. Das wird die sensiblen Mimosen im HSV-Kader schon gehörig nerven.“

Matti Lieske (BLZ) mißtraut dem allgemeinen Trend, am Trainer festzuhalten: „Daß es bisher nur Peter Neururer erwischt hat, ist Zufall. Man muß kein Prophet sein, um vorherzusagen, daß bis zur Winterpause ein halbes Dutzend oder mehr der in der Bundesliga tätigen Trainer keinen Job oder schon einen neuen haben werden. Bedauerlicherweise wird wohl auch Doll zu den Gefeuerten gehören. Niederlagen in Wolfsburg waren schon für einige Trainer der Anfang vom Ende, außerdem läßt sich kein Vorstand gern dauerhaft zum Sündenbock stempeln, wenn er doch einen viel geeigneteren zur Hand hat. Hauptsache, sie holen nicht Neururer als Nachfolger.“

Tsp: Erst ein Bundesligatrainer wurde in dieser Saison entlassen – andere behalten bisher trotz Kritik ihren Job

Unentschieden der Sorte halb so wild

1:1 gegen Cottbus – Christian Kamp (FAZ) befaßt sich mit den Ursachen des Bremer Stolperns: „Die Umstände, die Bremens Fußballzauberer auf den Boden zurückholten, das waren an diesem naßkalten Nachmittag vor allem zwei: Zum einen fehlten die Leichtigkeit und die Kreativität der vergangenen Wochen. Klaus Allofs führte diesen Mangel auf die Strapazen der Champions League sowie auf die schwächende Grippe zurück. Zum anderen traf Werder auf eine ausgezeichnet organisierte Cottbuser Mannschaft, die ihre Stärken punktgenau einsetzte: Den bemerkenswerten läuferischen Einsatz kombinierten sie mit einem eben noch vertretbaren Maß an Härte und einer gehörigen Cleverness in der Verlangsamung des Spiels.“ Was erlauben sich bloß die Cottbuser, gegen Bremen fast zu gewinnen? Benno Schirrmeister (taz) empört sich und findet zwei wenig schmeichelhafte Vergleiche, um seine Geringschätzung ihres Spiels auszudrücken: „Die Cottbuser verfolgen ihre gepflegte Destruktiv-Taktik mit geradezu italienischer Disziplin. Kassieren Gelbe Karten fürs Zeitspiel, und nehmen ebenso gelassen hin, für ihren Spaßverderber-Fußball gescholten zu werden. Hauptsache, der macht den Gegnern die Köpfe schwer, wie ein Grippe-Virus. Die einzige Freude, die der vermitteln kann, ist die, ihn hinter sich zu haben.“

Kritik muß sich Schiedsrichter Babak Rafati anhören, weil er den Cottbusern nach einem Foul des Bremer Tormanns Tim Wiese einen Elfmeter versagt hat. Kamp schreibt: „Es gab keinen Zweifel daran, daß Wiese, der wie so oft in diesen Eins-gegen-eins-Situationen volles Risiko ging, sich grob verschätzt hatte und Sergiu Radu mit den Beinen voraus zu Boden geschickt hatte.“ Ralf Wiegand (SZ) stimmt ein: „Wiese hatte, beide Beine voraus, Radu umgemäht wie ein Räumfahrzeug vom Winterdienst einen falsch geparkten Schneemann.“ Sein Fazit: „Die Bremer Festspielwochen endeten nach sechs Siegen und 23:3 Toren mit einem Unentschieden der Sorte halb so wild.“

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