Deutsche Elf
Sportliche Stunde Null
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| Donnerstag, 9. Oktober 2008In der WM-Qualifikation geht’s gegen Russland und für Joachim Löw darum, verloren gegangene Reputation wiederzuerlangen / Jürgen Klinsmann und die Sport Bild – endlich kracht’s wieder
Matti Lieske (Berliner Zeitung) erläutert die verwandten Situationen, in denen Joachim Löw und Jürgen Klinsmann stecken, die lange gefeierten: „Ernüchterung ist eingekehrt, sowohl bei den Bayern als auch beim DFB-Team, und der Brandherde sind so viele, dass Löw und Klinsmann mit dem Löschen kaum nachkommen. Der Fußball ist resistenter als erwartet, und die jüngsten Praxistests bei der EM und in der Bundesliga zeigten, dass die Grundpfeiler der von beiden Protagonisten missionarisch propagierten Philosophie – Stabilität, Fitness, Wellness, Charakter, Organisation, umfassende Planbarkeit – nicht die unerschütterliche Basis bilden, als die sie präsentiert wurden. Das gefeierte Zukunftsmodell des deutschen Fußballs steht plötzlich gleich an zwei Brennpunkten auf dem Prüfstand.“
Löws anstehende Aufgabe, die WM-Qualifikation in der Russland-Gruppe, stehe laut Lieske auch im Zeichen der Rehabilitation für Juni 2008: „Dass die Deutschen bei der Europameisterschaft spielerisch auftrumpfen würden, hatte keiner erwartet, aber dass es Probleme mit Fitness, Taktik, Moral und Auftreten gab, überraschte dann doch. Es ist wohl die gravierendste Folge der EM, dass trotz des zweiten Platzes das Selbstbewusstsein gelitten hat. Nicht nur beim Team, sondern auch beim Trainer, dessen Position als Lehrmeister der Fußballnation erschüttert ist. Den Vertrauensvorschuss, den er zwei Jahre lang gratis hatte, muss er sich nun in einer langwierigen und undankbaren Qualifikationsrunde zurückerobern.“
Von einer „sportlichen Stunde null“ spricht Michael Horeni (FAZ), der „härtere Töne“ des „harmoniebetonten“ Bundestrainers festgestellt hat: „Löw erhöht den Druck, zumindest rhetorisch.“ In verschiedenen Zeitungen und Sendungen wird Löw mit den Worten und finsteren Brauen zitiert: „Ich will von jedem Spieler sehen, dass er körperlich und mental für dieses Spiel bereit ist. Sonst wird er am Samstag nicht spielen. Wenn zwei, drei Spieler die Form nicht haben und geistig und körperlich das Tempo nicht mitgehen können, dann werden wir gnadenlos bestraft.“ Klar, woher der Wind weht. Löw hat begriffen, dass er für seine weiche Hand kritisiert wird und vielleicht auch eingesehen, dass er Fehler gemacht hat (siehe das freistoss-Interview mit Horeni vom 16.9.). Philipp Selldorf (SZ) sieht das ähnlich und wird Löw in diesem Punkt wohl genau beobachten: „Löw hat das Leistungsprinzip zum einzigen Maßstab erklärt – nicht zum ersten Mal zwar, aber diesmal möglicherweise mit der gebotenen Konsequenz.“
Eine freche Bemerkung Löws überliefert uns die FAZ. Von einem russischen Journalisten gefragt, ob er angesichts des 0:4 der Bayern in St. Petersburg am 1. Mai diesen Jahres Furcht vor Arshavin & Co habe, soll Löw gesagt haben: „Wir haben keine Angst, bei uns spielen nicht van Buyten und Lucio.“ Apropos frech – über Jürgen Klinsmann habe ein Nationalspieler, der nicht genannt werden möchte, der SZ gesagt: „Abwehr interessiert ihn nicht so sehr.“ Das sitzt.
Sport Bild lässt sich nicht einschüchtern
Es war nur eine Frage der Zeit, wann Klinsmann mit Springer aneinander gerät. Nun ist es soweit: Die Sport Bild liegt im Clinch mit ihm. Raimund Hinko, der Bayern-Reporter des Sportmagazins mit den vielen bunten Farben (vielleicht kennen ihn einige von Ihnen ja für seine extrem kritischen Kommentare über die Bayern und vor allem Oliver Kahn), Hinko also soll von Klinsmann die Tür gewiesen bekommen haben. Sport-Bild-Chef Gott Pitschalk steigt nun für seinen Mitarbeiter in den Ring. allesaussersport war schneller als ich: „Amüsanter ‚Kollateralschaden’ der Verpflichtung von Jürgen Klinsmann als Bayern-Trainer: Die Konflikte zwischen Klinsmann und der Bild-Gruppe entflammen auf ein Neues. Nach der gefühlten Niederlage gegen Bochum gab es plötzlich Interviews von Rummenigge und Klinsmann in der Bild, fast wie um die Bild zu besänftigen. Dafür feuert die Sport Bild die nächste Salve ab und berichtet, dass ihr Redakteur Raimund Hinko am Freitag von Klinsmann aus dem Presseraum des FC Bayern geschmissen worden sei: ‚Der Trainer wolle, so die Erklärung der Medienabteilung, in nächster Zeit nicht am Tisch sitzen mit Mitarbeitern einer Zeitschrift, die ihn seit Wochen hart angehe.’ Im Editorial von Pit Gottschalk fallen dann Formulierungen wie ‚Kritiker mundtot machen’, ‚ungeheuerlicher Vorgang’, ‚Grenzüberschreitung’, ‚Sport Bild lässt sich nicht einschüchtern’ und ‚Beschneidung der Pressefreiheit’. Die Zeitschrift rächt sich mit der Veröffentlichung eines Dokumentes, das der Vertrag von Bastian Schweinsteiger sein soll. Zehn Seiten des 2005 abgeschlossenen Vertrages werden als Faksimile im Heft abgedruckt. Es handelt sich dabei offensichtlich um das Fax mit dem Vertragswerk, das der FC Bayern an die DFL geschickt hat – die erste Seite trägt den Eingangsstempel der DFL.“ Wer will, kann auch die Kommentare lesen, wo es darum geht, wer Maulwurf bei der DFL gewesen sein könnte.