indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

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Sturm bei Borussia Dortmund

Die FR (11.4.) vermeldet Sturm bei Borussia Dortmund. „Es gibt gute Nachrichten von Borussia Dortmund: Die Regionalliga-Mannschaft befindet sich auf Höhenflug. Am Mittwochabend gab es im Nachholspiel einen 2:1-Sieg über Dynamo Dresden. Damit kletterte der Nachwuchs auf Platz vier. Eine nette Petitesse für die Leid geprüfte börsennotierte GmbH Co. KG auf Aktien. Der Erfolg der Talente findet weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit im Stadion Rote Erde hinter der mächtigen Haupttribüne des Westfalenstadions statt und ist keine Schlagzeile wert. Die Unternehmensführung um Vorstandsboss Gerd Niebaum und Geschäftsführer Michael Meier muss derzeit täglich unangenehme Überschriften lesen. Die Dortmunder Aktie bewegt sich nahe ihres Allzeittiefs von 2,60 Euro. Die Agenturen vermelden die schlechten Nachrichten mit einer Nüchternheit, die an Häme grenzt: Im Verlauf der vergangenen zwölf Monate, heißt es beim Sport-Informationsdienst, hat die BVB-Aktie rund die Hälfte ihres Wertes verloren und ist gegenüber dem ersten Handelstag weniger als ein Viertel wert. Die Börse sorgt sich um die Zukunft des Unternehmens, das in der Vergangenheit unter Gerd Niebaum erfolgreich – und bewusst mit Risiko – investiert hatte. Mit so viel Risiko allerdings, dass das Erreichen der Champions League in der nächsten Saison wegen des teuren Personals (vergangene Saison flossen 65 Millionen Euro Gehälter und Prämien) ein Muss ist; oder, wie es Meier ausdrückt, das Verpassen derselben eine Blamage. Die Blamage scheint nicht mehr ausgeschlossen. Vor dem Auswärtsspiel beim Verfolger Hamburger SV, der den Westfalen unmittelbar im Nacken sitzt, hat kein anderer Bundesligaclub in diesen Tagen auch nur annähernd eine ähnlich schlechte Presse wie der BVB. Der große Krach – Angst, Drohungen, Vorwürfe titelte der kicker. Mit der Schlagzeile Dortmund macht alles falsch machte die Sportbild auf. Knüppeln oder kuscheln – was zieht bei Fußball-Millionären besser? fragt Bild in Riesenlettern und schneidet einen zeternden Dortmunder Trainer Matthias Sammer gegen einen munter Huckepack reitenden Leverkusener Sportdirektor Jürgen Kohler.“

Der Stuttgarter Jens Todt wechselt die Seiten

Christoph Kieslich (FR 11.4.) porträtiert den angehenden Journalisten Jens Todt. „Als er mit dem SC Freiburg 1993 in die erste Liga aufstieg, stand er 34-mal in der Startaufstellung. Zum Schluss spielte er gar nicht mehr. Am 28. März vermeldete der VfB Stuttgart knapp die Auflösung des bis Juni 2004 datierten Vertrages. Morgens absolvierte er das letzte Training, in der Mittagspause setzte er sich noch einmal mit Felix Magath zusammen und nachmittags war er freigestellt. Ein Abschied ohne Nebengeräusche. Die Quälerei machte keinen Sinn mehr, sagt Todt, zumal das beschissene Gefühl mittrainierte, keine Gegenleistung mehr bringen zu können. Noch im Winterquartier am Algarve hatte er es probiert und nach einer Halbzeit im Testspiel festgestellt: Eine Zweikampfquote, die gegen Null geht. Für einen, der mit physischer Präsenz in zehn Erstliga-Jahren seinen Marktwert erlangte, für den Attribute wie Staubsauger und Arbeitsbiene gefunden wurden und dem sein ehemaliger Trainer Achim Sarstedt Ausdauerwerte eines Mittelstreckenläufers attestiert hat, ein desillusionierender Befund. Und es ist nicht so, dass Todt es nicht zu schaffen gemacht hätte, dass der Apparat nicht mehr funktioniert (…) Die Idee, in den Journalismus zu wechseln, hat den Studenten der Germanistik und neueren deutschen Literatur nicht mehr losgelassen. Jetzt, da die Fußballerlaufbahn beendet ist, spürt der Familienvater Todt, in welche Sinnkrisen Profis fallen können, und er ist froh, dass ich mich schon lange damit beschäftigt habe, was ich nach dem Fußball machen will. Dieser Tage erhofft er sich die Zusage für ein Volontariat bei der Stuttgarter Zeitung. Er wird wieder da ansetzen, wo er auch im Sport, in Nienburg oder Havelse angefangen hat. In kleinen, harten Schritten hat sich der Fußballer Jens Todt seine Laufbahn erarbeitet. Auch in seinem neuen Job wird Jens Todt nicht gleich zu den entscheidenden Elfmetern antreten, sondern durch Agenturmeldungen pflügen und den Spätdienst kennenlernen. Aber genau so stellt er sich das auch vor.“

Gewinnspiel für Experten

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Erkennungszeichen für Deutschland

Ludger Schulze (SZ 21.11.). „Über Geschmack lässt sich in beinahe jedem Fall streiten, aber wenn dieses Erkennungszeichen tatsächlich für Deutschland steht, dann für ein bieder-piefiges Land mit Sauerkraut-Charme, fern jeder Selbstironie. Für eine auf der Stelle tretende Republik, die keine Vision wagt und in Formalismus erstarrt. Mit diesem – nett gemeinten – Logo wurde die Chance vertan, einen geistreichen Akzent der leichten Hand zu setzen. Als programmatische Erklärung für die WM 2006 ist es ein Fehlschuss. Kunst ist Diskurs, Risiko, Konfrontation. Die WM-Organisatoren aber sind den Weg des geringsten Widerstands gegangen. Statt einen Bewerb der kreativsten Köpfe dieses Landes auszuschreiben, an dessen Ende eine vermutlich ebenfalls heftig umstrittene Lösung gestanden hätte, haben sie den Auftrag mutlos und ohne Debatte an eine deutsch-englische Gemeinschaftsproduktion vergeben. Ein wenig wehmütig denkt man an 1972, als der Designer Otl Aicher den Spielen ein wirklich fröhliches Gesicht gab, oder an 1992, als der Maler Miró den Spielen von Barcelona einen genialischen Anstrich verpasste. Die WM 2006 aber wird gekennzeichnet durch drei Rundschädel.“

Times mager (FR 21.11.). „Der für ein Logo erforderlichen raschen Lesbarkeit stehen die unterschiedlichen Elemente innerhalb der vier Ringe deutlich entgegen, besonders im Fall des Kreises, der auf den Pokal anspielt. Das links außen applizierte Schwarz-Rot-Gold wirkt wie ein erzwungener Nachtrag. Noch forcierter bringt sich die der Komposition aufgetragene Heiterkeit zur Geltung: Der Eindruck ist der einer krampfhaften Aufforderung zu allgemeinem Frohsinn, gerade dem Gegenteil einer heiteren Disposition. Man darf die Fußballer vielleicht nicht allzusehr mit künstlerischen Kriterien bedrängen, gleichwohl ist es keine Frage, dass das vor allem grobschlächtige, dennoch wenig eingängige Logo den Standards heutigen Designs kaum genügt. Die beiden damit befassten Agenturen haben sich offensichtlich nur mühsam verständigen können, das Ergebnis ist eine im Ganzen unsaubere Mischform. Nehmen wir nur die deutsche Szene, hätten sich zwischen Hamburg und Karlsruhe an mehreren unserer Hochschulen für Gestaltung Arbeitsgruppen beauftragen lassen, die weitergekommen wären als die von DFB und Fifa engagierten Designer. Aber so ist das eben: Hunderte von Gestaltern werden ausgebildet – ein attraktiver, auch herausfordernder Auftrag jedoch wie der für ein WM-Logo ergeht an biedersinnige Konventionalisten. So wird der wenig ausgeprägte Formsinn und der (schon anlässlich der Diskussion um das Münchner Olympiastadion zu Tage getretene) trübe Kunstgeschmack von verdienten Kickern wie Franz Beckenbauer zum Maßstab für die Ästhetik eines repräsentativen Emblems, das zwar mit aller Macht spaßig sein will, aber witzlos ist. Zu bedauern ist das unbedingt.”

Roland Zorn (FAZ 21.11.). „Deutschland lacht, Deutschland weint. Das Emblem, mit dem die Deutschen ihre Fußball-Weltmeisterschaft 2006 bewerben, könnte statt in London und München auch in Köln entworfen worden sein: drei Jeckenköpfe, die Mundwinkel nach oben gezogen und fröhlich bis zum Gehtnichtmehr. Die Stimmung aber, in der Deutschland zur Zeit versinkt, ist düster, pessimistisch, negativ. Moll statt Dur also. Insofern haben die Macher der WM und die Schöpfer des Logos nach dem Motto Wäre doch gelacht eine antizyklische Ansicht gefunden, die der Gegenwart hohnspricht (…) Der Mut zur programmatischen und möglichst pangermanischen Fröhlichkeit birgt aber auch ein Risiko. Nicht nur, daß die sogenannte Spaßgesellschaft in Deutschland ihre muntersten Tage hinter sich hat, stellt die Heiterkeit der WM-Organisatoren auf eine harte Humorprobe; auch daß im Ausland von Herzen gelacht werden dürfte, wenn schließlich doch wieder deutscher Bierernst dem per Logo annoncierten Frohsinn im Wege steht, muß in Kauf genommen werden. Die Zeichen sind nun einmal gesetzt, und es ist auch richtig, daß sie sich nicht an der Tristesse des Augenblicks orientieren und stören. Schwere Symbolik angesichts schwerer Zeiten war in diesem Fall wirklich nicht nötig.“

Gewinnspiel für Experten

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Der neue, alte Magath – Micoud, der Führungsspieler

Sonntagsspiele der Bundesliga – der neue, alte Magath – Micoud, der Führungsspieler – Portraits über Trier und Burghausen – Radiokünstler Günther Koch unter politischem Druck u.v.m. (mehr …)

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Zu viele Fragen sind offen

ein Fußballer stirbt; Sven Goldmann (Tsp) hat Fragen zum Tod Miklos Fehers (Benfica Lissabon) – Konflikt im Machtzentrum Manchester Uniteds – der Weg Atletico Madrids – Juventus hat erneut ein Talent übersehen: Tommaso Rocchi (Empoli), dreifacher Torschütze gegen Juventus u.a.

Zu viele Fragen sind offen

Am Sonntag ist Miklos Feher, ungarischer Stürmer Benfica Lissabons, auf dem Spielfeld des EM-Stadions in Guimãres gestorben. Sven Goldmann (Tsp 28.1.) fragt: „Wenn Miklos Feher wirklich an einem Herzleiden starb – warum war dieses dann nicht bei den obligatorischen Routineuntersuchungen aufgefallen, ja nicht einmal bei der anschließenden Obduktion? Wie konnte Fehers Herz versagen, wie konnte er sterben vor laufenden Fernsehkameras in einem Stadion, das in ein paar Monaten Schauplatz der Fußball-Europameisterschaft sein soll und daher allen erdenklichen Sicherheitsstandards genügen sollte? Wenn wirklich, wie bei der EM vorgeschrieben, ein Defibrillator vorhanden war, ein Gerät, mit dem Patienten bei Herzstillstand Stromstöße erhalten können – warum wurde er dann nicht eingesetzt? Wenn der Einsatz dieses Geräts bei Regen, wie von einem portugiesischen Arzt behauptet, dem Halten eines Föns in die Badewanne entsprochen hätte – warum wurde Feher nicht ein paar Meter weiter in einer Kabine behandelt? Zu viele Fragen sind offen. Es bleibt das ungute Gefühl, dass hier etwas vertuscht werden soll, damit kein Schatten auf die bevorstehende Europameisterschaft fällt.“

Christian Eichler (FAZ 28.1.) sieht hinter die Kulissen Manchester Uniteds – und in den Rennstall: „Manchester United hat ein Problem: Erfolgstrainer und Großaktionär waren so gut befreundet, daß der Aktionär dem Trainer ein halbes Pferd überließ. Nun sind sie spinnefeind, nachdem das Pferd mit sieben Siegen in Folge in Gruppe-I-Rennen zu einem Beckham unter den Galoppern wurde. Zu mehr sogar. Für Beckham erlöste United nur 25 Millionen Pfund. Für Rock of Gibraltar rechnen Experten mit einem Ertrag, wie ihn noch kein Kicker erbracht hat – vermutlich weil noch niemand die Idee hatte, Erbgut-Vermarktungsrechte in Fußballverträge aufzunehmen: 100 bis 200 Millionen Pfund an Deckprämien, steuerfrei. Davon will Alex Ferguson, Trainer des englischen Fußballmeisters, die Hälfte. Er zog vor Gericht, schlug einen Vergleich über sieben Millionen Pfund aus. John Magnier, der irische Milliardär, der mit seinem Partner J. P. McManus ein Viertel der Klubaktien hält und über seine Frau die andere Pferdehälfte, findet, Ferguson stehe neben fünf Prozent der Preisgelder nichts zu. Und nahm dessen Klage offenbar als Kriegserklärung. Es geht um viel Geld, mehr als der erfolgreichste Klubtrainer der Welt in 18 Jahren bei United verdient hat. Doch es geht auch um einen Kampf der Egos, die in ihren beiden Revieren – Englands Fußball, Irlands Turf- und Wettszene – noch jeden kleingekriegt haben. Nun haben sie sich ineinander verbissen wie Kampfhunde. Und der Klub jault auf (…) Sicher ist nur, daß niemand mehr sicher wäre in der Branche, wenn ein Ferguson fiele. Fußball als Ereigniskarte im großen Monopoly, passé die Regel, daß Erfolge zählen: Es zählt, aufs richtige Pferd zu setzen.“

Georg Bucher (NZZ 27.1.) schreibt über Atletico Madrid: „Blickt man auf den Saisonbeginn zurück, ist die Zwischenbilanz erstaunlich. Mit neuem Trainer und ständig wechselnden Aufstellungen war Atletico orientierungslos in die Runde gestartet, es drohte wieder eine Zittersaison, intern wurden schon die Messer gegen Manzano gewetzt. Der studierte Psychologe aus Andalusien hatte den Job aufgrund seiner erfolgreichen Arbeit in Valladolid und Mallorca bekommen, doch nun glauben Kritiker zu wissen, der Manzanares-Klub sei für ihn eine Nummer zu gross, Druck und Medienrummel vernebelten ihm die Gedanken. Besser ging es erst, als Nikolaidis neben Fernando Torres im Angriff aufgeboten wurde. Der ablösefrei von AEK zugezogene Grieche bindet mit generösem Einsatz die Abwehrspieler und schafft so Freiräume für Torres, dessen Rendement sich deutlich erhöhte: Fünf Spiele in Serie gewann Atletico. Auch Alvaro Novo und Kiki Musampa (ehemals Malaga) steigerten sich auf den Seiten und entlasteten Ibagaza, der unter Manzano schon die Fäden in Real Mallorca gezogen hatte. Offenbar hat Miguel Angel Gil Marin aus den Fehlern seines Vaters und Hauptaktionärs gelernt. Der nur noch im Hintergrund agierende, bei vielen Anhängern unbeliebte Populist Jesus Gil y Gil hätte nach einigen Zuckungen im Fanblock wohl den Schleudersitz betätigt und Manzano wie etliche Ausbildner zuvor in die Wüste geschickt. Freilich scheint der autoritäre Führungsstil nun passé zu sein. Wichtige Fragen diskutieren Enrique Cerezo, einst Vizepräsident unter Gil y Gil, der ihm auf juristischen Druck das Amt übergeben musste, der Generaldirektor Gil Marin, Manzano und der Sportchef Toni Muñoz, früher ein Linksverteidiger mit Offensivdrang, gemeinsam. Vier verlorene Jahre beklagen sie, das zweijährige Intermezzo im Unterhaus war der Tiefpunkt. Doch jetzt soll es wieder aufwärts gehen, sportlich, wirtschaftlich und sozial will Atletico den angestammten Platz in der spanischen Elite einnehmen und im Uefa-Ranking wieder unter den Top Ten figurieren.“

Italienische Talente könnensich im eigenen Land schwer durchsetzen

Peter Hartmann (NZZ 27.1.) beschreibt süße Rache: „Das Märchen von Tommaso Rocchi, eine „Rocky“-Geschichte mit Füssen statt Fäusten, begann vor einer Woche, als er Massimo Moratti, den milliardenschweren Präsidenten von Inter, mit seinem Tor in den letzten Spielsekunden in tiefste Depressionen stürzte. Doch der Name Rocchis ging im Theaterdonner um Morattis Rücktritt unter. Auch bei Juventus war die Warnung nicht angekommen. Die „Alte Dame“ des Calcio trat im toskanischen Provinzstädtchen Empoli (44 000 Einwohner, die Hälfte davon waren im Stadion) etwas verschlafen auf den Platz und rieb sich nach 90 Minuten verstört die Augen: Mit einer sagenhaften „Tripletta“ von Tommaso Rocchi rangen die Einheimischen der Meistermannschaft ein 3:3-Remis ab. Dreimal verneigte sich Nationaltorhüter Gigi Buffon vor „Rocky“, und der Juve-Generaldirektor Luciano Moggi, das „Trüffelschwein“ unter vielen blinden Marktbewegern, erinnerte sich untrüglich an diesen Rocchi: Entdeckt hatten ihn die eigenen Talentspäher. Tommaso Rocchi, Venezianer, unscheinbar, bescheiden, und die hohe Stirn lässt ihn älter aussehen als seine 26 Jahre. Einer aus der Masse der Statisten in diesem Namen-geblendeten Geschäft: Mit 15 Jahren kam er ins Nachwuchsinternat nach Turin – und wurde nach einer Saison Probezeit ausgemustert. Vom Zauberstab der „Vecchia Signora“ berührt und dann verstossen zu werden, bedeutet eine Art lebenslängliches Stigma wie ein schlechtes Abgangszeugnis. Für den Burschen begann eine Odyssee den ganzen Stiefel rauf und runter, bis er seine Koffer – und endlich sein Selbstvertrauen – in Empoli auspackte und letzte Saison immerhin sechs Tore erzielte. So viele sind es auch schon in dieser Meisterschaft. Das Spiel gegen Juventus entwickelte sich zu einem Mann-zu-Mann-Wettschiessen Rocchis gegen den französischen Goalgetter Trézéguet, der mit dem Personalchef Moggi gerade um eine Verdoppelung seiner Jahresgage auf drei Millionen Euro feilscht. Ein privater Pingpong-Abend: 1:0 durch Rocchi, Ausgleich Trézéguet; nach der Pause Juve-Führung durch Trézéguet, dann die Wende durch Rocchi innert sieben Minuten, eine Viertelstunde vor Schluss der Treffer des Franzosen, der eine Schmach für Juventus abwendete. Die „Rocky“-Fabel zeigt wieder einmal, wie schwer sich italienische Talente im eigenen Land durchsetzen können.“

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TV-Vermarktung

„Im ersten Jahr nach dem goldenen Zeitalter der TV-Vermarktung scheint es ratsam, auf der Sonnenseite zu stehen, die hierzulande sicher nicht Zweite Liga heißt. „Durch diesen Aufstieg fällt vieles leichter“, glaubt Arminias Finanzdirektor Roland Kentsch, „gerade jetzt in den Zeiten der Kirch-Krise.“ Andererseits warten die üblichen Probleme für einen Klub von der Kragenweite Arminias: schwarze Serien, Demütigungen, enttäuschte Hoffnungen. Die Herausforderung wird der Aufsteiger mit einer weitgehend unveränderten Mannschaft in Angriff nehmen.“ (Volltext)

Roland Zorn (FAZ 07.05.02) übe die Perspektiven der Arminen in der Bundesliga:

„Realisten unter den tendenziell nüchternen Ostwestfalen wären schon froh, wenn der Klub zur Abwechslung mal wieder länger als ein Jahr erstklassig bliebe. Das wird mit dem jetzigen Aufgebot schon schwer genug.“

Martin Hägele (NZZ 07.05.02) über den „Rekordaufsteiger“, der nunmehr zum sechsten Mal dieses Kunststück vollbracht hat:

„Wer schon so viel Erfahrung hat mit dem Rauf und Runter, der formuliert seine Ziele in der neuen Klasse realistischer. Der Arminia-Sportdirektor Armin von Heesen hatte jedenfalls gleich gewarnt, dass das Unterfangen nicht leicht werde. Auch weil der Klub aus Ostwestfalen finanziell nicht auf Rosen gebettet ist. Mit grösseren personellen Verstärkungen kann nicht geplant werden. Trainer Benno Möhlmann, ohne Zweifel der Vater des Erfolgs, wird weiter auf jene Vorzüge bauen, auf die er sich in dieser Runde verlassen konnte. Die Stärken Arminias liegen im defensiven Bereich, und dabei vor allem im Mittelfeld.“ (Volltext)

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Champions League

London, Fußball-Hauptstadt ohne Titel, erwartet das Derby zwischen Chelsea und Arsenal – Jens Lehmann weit sehr gute Referenzen vor u.a.

Christian Eichler (FAZ 24.3.): „London ist nicht nur die Heimat des a) größten Fußballplatzes und b) populärsten Fußballers der Welt, es ist auch c) die Geburtsstätte des modernen Fußballs (durch Gründung der Football Association1863 im Lokal Freemason’s Tavern) und d) des Profifußballs (durch Gründung der Football League 1888 im Anderton Hotel), außerdem e) die Heimat von mehr Erst- und Zweitligaklubs als jede andere Metropole (derzeit fünf in der Premier League und drei in der First Division) und schließlich f) im Besitz der neben Rios Maracana berühmtesten Fußballarena der Welt, des Wembley-Stadions, das nach seiner Neuerrichtung 2006 diesen Ruf wieder glanzvoll einnehmen soll. London hätte also eigentlich alles, um Welthauptstadt des Fußballs genannt werden zu können. Nur eines nicht: die großen Titel. Das könnte nun anders werden. Denn in dieser Saison hat London auch noch g) das Team mit dem besten Fußball der Welt, Arsenal, und h) das Team mit dem reichsten Besitzer der Fußballwelt, Chelsea. An diesem Mittwoch treffen die beiden in der Champions League aufeinander, ein Los, mit dem Arsenal-Trainer Arsène Wenger nicht glücklich ist. Ihm hängen die vielen Londoner Derbys zum Hals heraus. Im langjährigen Wettstreit mit Manchester United sah er sein Team lange benachteiligt durch die hohe Zahl dieser Hauptstadtderbys, mindestens zehn oder zwölf pro Saison, die aufgrund ihrer lokalen Intensität besonders viel Energie absorbieren. Aber immerhin ist mit diesem Los zumindest eines gesichert: Zum ersten Mal in den fast fünfzig Jahren seit Gründung des Europapokals der Landesmeister wird ein Londoner Team wenigstens das Halbfinale des wichtigsten europäischen Klubwettbewerbes erreichen.“

Lehmann hat ja auch nicht in Russland an der Front gekämpft

Raphael Honigstein (Tsp 24.3.) prüft die Referenzen Jens Lehmanns: „Als der FC Arsenal vor ein paar Wochen an der Stamford Bridge 2:1 beim Londoner Lokalrivalen FC Chelsea siegte, wurde Arsène Wenger gefragt, ob sich der entscheidende Unterschied zwischen beiden Mannschaften vielleicht an den Torhütern festmachen ließe. Der sonst immer so nüchterne Trainer aus dem Elsass überlegte kurz, und dann setzte er überraschend zu einer Lobeshymne an: „Dank Jens sind wir in diesem Jahr besser in der Luft, und wir kassieren weniger Tore. Er kommt oft aus dem Tor und geht schwierige Bälle an, das gibt dem Team Sicherheit“, sagte Wenger und fasste dann zusammen: „Jens spielt eine überragende Saison. Ich respektiere Oliver Kahn, aber wer in dieser Saison alle seine Spiele für uns gesehen hat, der könnte zu der Erkenntnis kommen, dass Jens Recht hat“ – mit seiner Forderung, die Nummer eins in der Nationalmannschaft zu werden. Diese wunderbare Kritik könnte etwas damit zu tun gehabt haben, dass Lehmanns Gegenüber, Chelseas Ersatztorwart Neil Sullivan, an jenem Tag nur unbeholfen durch den Strafraum gepurzelt war. Und doch bleibt nicht nur für Trainer Wenger ein überaus positiver Gesamteindruck, den Lehmann in seinem ersten Jahr in der Premier League hinterlassen hat. Längst hat er die anfangs noch zahlreichen Skeptiker überzeugt. (…) Selbst Berufsskeptiker Peter Schmeichel, der gemeinhin als der beste Torwart in der Geschichte der Premier League eingeschätzt wird und meist nur wenig Gutes über die aktiven Kollegen verkündet, ist ein Fan des Deutschen: „Lehmann hat mich positiv überrascht“, sagte der Däne. Ich kenne Leute, die mit ihm in Deutschland gespielt haben und mir gesagt haben, was er dort für einen Ruf hatte: ein guter Torhüter, aber total verrückt, immer für einen Elfmeter oder eine Rote Karte gut. Hier hat man davon noch nichts gesehen.“ Lehmann ist cool auf dem Platz, nur in Manchesters Old Trafford war in ein kleines Handgemenge verwickelt, und im Dezember hat er Southamptons Kevin Philips den Ball an den Kopf geworfen, weil er ihm auf den Fuß getreten war. Das hat ihm 10 000 Pfund Strafe vom englischen Verband und einen unvorteilhaften Vergleich mit Bert Trautmann eingebracht, der 1956 mit gebrochenem Hals Manchester Citys FA-Pokal-Sieg festhielt. „Trautmann hätte eine Prellung am Fuß bestimmt nicht bemerkt. Aber Lehmann hat ja auch nicht in Russland an der Front gekämpft“, spottete der „Guardian“.“

NZZ-Bericht AC Milan – Deportivo La Coruña (4:1)

NZZ-Bericht FC Porto – Olympique Lyon (2:0)

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Themen

Themen: Lucio erhöht Leverkusener Ambitionen – Transferaktivitäten in Hannover – „Hoeneß redet dummes Zeug“, sagen die Spanier – Beckenbauer verliert mit Salzburg – die traurige Geschichte des ehemaligen Weltklassespielers Gascoigne – Witzfigur Totti – Film über Werdegänge von Dortmunder Talenten – Japan vermisst Boom

Seine Bühne gefunden

Zur Situation in Leverkusen lesen wir von Jörg Stratmann (FAS 6.7.). „In der kommenden Saison wird Lucio weiterhin Bayers Innenverteidigung verstärken, die nach der Rückkehr des deutschen Nationalspielers Jens Nowotny plötzlich wieder zu den stärksten der Liga zählen wird. Und bei Bayer ist das mit einem Mal wieder mehr wert als jedes lukrative Geschäft. Das sei doch mal ein ganz anderes Zeichen nach draußen, heißt es. Die Zeiten haben sich geändert. Während man früher Stars wie Emerson, Sergio, Ballack und Ze Roberto wie selbstverständlich zur reicheren Konkurrenz hat ziehen lassen müssen, können sie mit ihrem Gehaltsgefüge plötzlich mithalten. Die Erkenntnis ist zwar zweischneidig. Denn einige eigentlich viel zu gut bezahlte Leistungsträger hätte man für die kommende Spielzeit liebend gern von der Lohnliste gestrichen. Doch nun wird der Versuch, den Haushalt den neuen Gegebenheiten anzupassen, halt etwas längerfristig gesehen. Wir können, aber wir müssen nicht verkaufen, sagen sie. Und im neuen Drehbuch spielt der hoch aufgeschossene Südamerikaner mit dem markanten Gebiß nun wieder eine Hauptrolle. Spätestens seit Lucio nach langer Verletzungspause im Februar wieder ins Bundesligageschehen eingriff, wissen Kollegen und Klubführung, was sie an ihm haben. Daß der seinerzeit mit 17,5 Millionen Mark teuerste Verteidiger der Bundesliga ein verdammt wichtiger Spieler für uns, ein Weltstar, ein Vorbild und als Profi jeden Cent wert sei, hatte Geschäftsführer Reiner Calmund längst erkannt. Doch wie sich Lucio fast wütend gegen den Abstieg stemmte und seine stolpernden Kollegen zum glücklichen Saisonende mitriß, nahm die Verantwortlichen noch mehr für ihn ein. Beileibe nicht alles gelang. Aber in Erinnerung blieb vor allem, wie Lucio beim so wichtigen Sieg über den späteren Absteiger Bielefeld erst ungestüm ein Gegentor verursachte, dann aber den 3:1-Sieg eigenhändig mit zwei Treffern sicherte, darunter ein gewaltiger Freistoß in den Torwinkel. So hatte sich Lucio auch Anfang 2001 bei Deutschlands Fußballfreunden eingeführt. Damals verstärkte er zu Leverkusener Glanzzeiten nicht allein die Abwehr, sondern drang mit wuchtiger Eleganz und eigentümlich langem Schritt immer wieder tief in Gegners Hälfte ein, umkurvte dabei gern ein, zwei Spieler und erzielte sofort Tore. Rückschläge blieben nach dieser spektakulären Ouvertüre nicht aus. Doch Lucio schien angekommen in der Liga, die seinen Fähigkeiten am besten entsprach. In der Heimat oft kritisiert, weil es zumindest für brasilianische Verhältnisse am Feingefühl im Umgang mit dem Ball mangele, fand der Athlet sofort den richtigen deutschen Ton. In Deutschland genüge es für einen Verteidiger zu zerstören, sagte Lucio, in Brasilien wegen seines Laufstils Cavalho, das Pferd, genannt. Da mußte er hier einfach positiv auffallen mit seiner offensiven Auffassung der Abwehrarbeit: Die Bundesliga, so hieß es in der FAZ, hat einen neuen Weltstar. Und Lucio hatte seine Bühne gefunden.“

Wir haben kein Geld, wir gehen finanziell ans Limit

Jörg Marwedel (SZ 7.7.) berichtet Hannoveraner Transferaktivitäten. „Der Schulungsraum I der Firma Kind-Hörgeräte in Großburgwedel bei Hannover ist ein weißer Raum mit einem langen Tisch und einem Stehpult. Gewöhnlich werden hier die Mitarbeiter auf die Unternehmens- Philosophie eingeschworen, die der Chef des Hauses so umschreibt: „Innovative Produkte, qualifizierte Dienstleistung, starke Kundenbindung, Preiswürdigkeit. “ So hat es Martin Kind, 58, zum höchst erfolgreichen Mittelständler gebracht. Und natürlich ist es kein Zufall, dass er im Schulungsraum I dieser Tage auch die Zukunft eines anderen Unternehmens skizzierte, dem er ebenfalls vorsteht – Hannover 96. Dort ist Kind Präsident und überzeugt davon, dass man seine Erfolgsparabeln „weitgehend auf den Fußball übertragen“ kann. Diesmal hat der Boss seine aktuelle Strategie als „antizyklisches Denken“ gepriesen und die Ziele von Hannover 96 nur ein Jahr nach dem Aufstieg in die Bundesliga kurzerhand neu definiert: Abstiegskampf soll nach Rang elf in der vergangenen Saison „nicht mehr unser Thema“ sein, dafür die obere Tabellenhälfte angepeilt werden – mit der Hoffnung auf „eine positive Überraschung“. Das wäre der Uefa-Cup. Antizyklisch heißt: Während die Mehrheit der Bundesliga in der Rezession erstarrt, ist Hannover 96 auf dem Spielermarkt in die Offensive gegangen wie kein anderer Klub. Sechs neue Spieler hat man schon verpflichtet. Für 2,5 Millionen Euro kommt Bundesliga-Torschützenkönig Thomas Christiansen, der dreimal mehr als jene 375.000 Euro beim VfL Bochum verdienen soll. Aus Leverkusen wurden die Offensivkräfte Thomas Brdric und Jan Simak ausgeliehen, was den Gehaltstest mit rund zwei Millionen Euro belastet, obwohl Bayer ein Drittel des Salärs weiter trägt. Auch Christoph Dabrowski (Bielefeld/300.000 Euro Ablöse), Silvio Schröter aus Cottbus und Marc Ziegler (Austria Wien) sind Profis mit Potenzial; zwei gestandene Abwehrspieler stehen noch auf dem Einkaufszettel. Die erhoffte Produktverbesserung soll die Kundenbindung erhalten, obwohl man gerade gegen erheblichen Widerstand der Fans die Ticketpreise bis zu 60 Prozent erhöht hat, um die Verluste durch die vorübergehend auf 22.500 Plätze geschrumpfte Baustelle AWD-Arena abzufedern. Woher aber kommt das Geld nach einer Saison, die mit mehr als zwei Millionen Euro Minus endete, weil das Team im Herbst mit sieben Nachversicherung (darunter Bobic, Jaime, Konstantinidis) erst wettbewerbsfähig gemacht werden musste? „Wir haben kein Geld“, sagt Kind trocken, „wir gehen finanziell ans Limit.““

Dafür zuständig, bei Bayern München dummes Zeug zu reden

sid zitiert spanische Reaktionen auf die Kritik von Hoeneß. „Nach der ersten Kritik spanischer Medien hat nun auch Real Madrid auf die Attacken von Uli Hoeneß, dem Manager des FC Bayern München, reagiert. Hoeneß scheint wohl dafür zuständig zu sein, bei Bayern München dummes Zeug zu reden. Langsam wird er zu einem Spezialisten, denn es war ja nicht das erste Mal, sagte Real-Sportdirektor Jorge Valdano der Sportzeitung AS: Trotz der Dummheiten, die er erzählt, werden unsere Beziehungen zu Bayern München immer korrekt sein. Der Bayern-Manager hatte am Donnerstag den aufsehenerregenden Transfer von Beckham nach Madrid verspottet und von einem Affentheater gesprochen, das ich noch nie gesehen habe. Real würde sich immer mehr vom Fußballklub zu einem Zirkus entwickeln, so Hoeneß. Danach war der Münchner Manager schon von den spanischen Zeitungen, Radiostationen und Fernsehsendern kritisiert worden.“

Spagat zwischen Österreich und Deutschland ohne innere Verletzung

Hans-Joachim Waldbröl (FAZ 4.7.) vermeldet eine ungewöhnliche Niederlage. „Beckenbauer, der zuvor die Fußball-Weltmeisterschaft 2006 in einem eleganten Solo, wie es schien, nach Deutschland geholt hatte, konnte in Prag eine Schlappe für das Salzburger Bewerberteam nicht verhindern. Der Einsatz des bayerischen Kaisers Franz für das benachbarte Österreich hatte beim Nationalen Olympischen Komitee (NOK) für Deutschland keine große Begeisterung gefunden. Das NOK setzt auf die Kandidatur Leipzigs für die Sommerspiele 2012, um die sich allein in Europa außerdem noch Istanbul, Madrid, Moskau, London und Paris bewerben. In diesen Weltstädten war das Interesse an Winterspielen 2010 in Salzburg denkbar gering, weil die Chancen, zwei Jahre später gleich wieder Olympische Spiele auf dem alten Kontinent zu bekommen, damit deutlich gesunken wären. Um solche geopolitischen Überlegungen kümmerte sich Beckenbauer wenig. Während der Leipziger Oberbürgermeister Wolfgang Tiefensee den Namen Franz Beckenbauer in der Salzburger Mannschaftsaufstellung kühl zur Kenntnis nahm und deren Niederlage die beruhigende Nebenwirkung abgewann, daß dies eine günstige Konstellation für Europa 2012 ist, überstand der früher so filigrane Fußballspieler den Spagat zwischen Österreich und Deutschland ohne innere Verletzung. Nach der Pokalniederlage mit den Salzburgern, für die er bei der Präsentation in der ersten Reihe saß, kann er sich nun auf einen Olympiasieg Leipzigs konzentrieren: Bei den Sachsen sitzt Franz Beckenbauer im Kuratorium des Bewerbungskomitees.“

Als Sozialbindung blieben fast nur noch Kneipenfreunde

Christian Eichler (FAZ 7.7.) erzählt die traurige Geschichte eines ehemaligen Weltklassespielers. „Auch am Rande der Wüste Gobi konnte Paul Gascoigne nicht lange trocken bleiben. Nach der Episode bei Gansu Tianma, einem Zweitligaklub in der Ödnis von Lanzhou am Gelben Fluß, 1998 zur schmutzigsten Stadt der Welt erklärt, hat der schillerndste englische Fußballer seiner Generation nun eingestanden, daß er einfach nicht vom Alkohol wegkomme. In meinem Kopf sitzt ein kleiner Mann, der sagt zu mir: Nimm einen Drink, nimm einen Drink. Und ich bekomme ihn nicht aus dem Kopf, besonders dann, wenn ich mit ihm alleine bin, sagte der 36jährige frühere Nationalspieler der Boulevardzeitung Sun (…) Gascoigne war die große Entdeckung der Weltmeisterschaft 1990, wo er mit England unglücklich im Elfmeterschießen des Halbfinales an Deutschland scheiterte – ebenso wie sechs Jahre später bei der Europameisterschaft im eigenen Land. Doch geplagt von Verletzungen und seinem Hang zu Exzessen jeder Art, blieb ihm trotz 57 Länderspielen die erwartete Weltkarriere verwehrt. Ich würde mir wünschen, daß ich meine Karriere genauso gestaltet hätte wie David Beckham, sagt er heute. Wenn David vor meiner Zeit gespielt hätte, hätte ich mein Leben vielleicht anders gelebt und mir einiges abgeschaut. Es gibt kein besseres Beispiel, wie man sich auf dem Platz und außerhalb präsentiert, sagt er über den Kapitän des englischen Nationalteams, der gerade zwischen den ersten Adressen des Weltfußballs gewechselt ist, von Manchester United zu Real Madrid. Gascoignes Vereinswechsel, die echten und die potentiellen, lasen sich dagegen seit langem wie die letzte Tournee eines abgehalfterten Komikers. Nach der Entziehungskur vor zwei Jahren landete er in Everton auf der Bank, dann ein paar Monate in Burnley, zweite Liga; dann wollten sie ihn auch dort nicht mehr. Spätestens im Frühsommer 2002 trank er wieder. Als WM-Experte bescherte er dem Fernsehsender ITV eine Hotelgetränkerechnung von 9869,62 Pfund, plus 281 aus der Minibar. Ein halbes Jahr suchte er vergeblich einen neuen Job; fiel durch bei Erstligaklubs in Amerika, Neuseeland, China; fand seinen Namen in Verbindung mit immer seltsameren Adressen zwischen Sibirien, Schwarzmeer und St. Pauli. Und zwischen den Absagen und PR-Enten. Im September schlief er im Suff auf der Toilette ein, die Hand auf der Heizung – am Morgen war sie voller Brandblasen. Nach Weihnachten landete er in der Notaufnahme. Eine Hälfte seines Gesichtes war taub. Die Befürchtung eines Schlaganfalls bestätigte sich nicht. Nach einer Laufbahn, die am Ende nur noch eine Odyssee war, ist der Fußball für Gascoigne, dessen Ehe dramatisch scheiterte und dem als Sozialbindung fast nur noch Kneipenfreunde blieben, ein letzter Halt.“

Birgit Schönau (SZ 6.7.) hält es für eine souveräne Idee Francesco Tottis, die über ihn kursierenden Witze in Buchform herauszugeben. „Totti entkorkt eine Flasche Frascati und heraus fährt ein Geist. „Du hast einen Wunsch frei“, sagt der Geist. Totti überlegt nicht lange. „Lazio Rom in die vierte Liga!“ Der Geist ist erschrocken. „Nein… wie soll das gehen. Es ist unmöglich, die absteigen zu lassen. Die haben eine tolle Abwehr, und erst das Mittelfeld. ..“ Totti ist einsichtig. „Schon gut, schon gut, hab’ verstanden, Geist. Bist auch Laziale. Also, machen wir was anderes. Ich möchte ein richtig kluger Kerl werden.“ Der Geist wird geisterblass. „Ähhhh… ginge die dritte Liga auch in Ordnung?“ Früher lachten Italiener über die Carabinieri. Die Militärpolizisten galten als begriffsstutzig, und an der Dämlichkeit entzündet sich der spezifisch italienische Humor am liebsten. Blondinen waren diesbezüglich nie ein Thema, klar, in Italien. Effenberg auch nicht. Stattdessen kam Francesco Totti dran, der blonde Kapitän des AS Rom. Toller Fußballer, aber dumm wie Brot, dieses Etikett hatte er irgendwann – und weil Gemeinplätze eher zu Beton zu erstarren, als zu verschwinden, wurde Totti seinen Ruf als Dummbolzen nicht los. Vielleicht lag es daran, dass er jedes Mal flammend rot wurde, wenn sich ihm ein Mikrofon näherte, das Kinn trotzig vorreckte, und doch kaum ein Wort herausbekam. Totti selbst ist fest davon überzeugt, dass es an seiner „Romanità“ liegt, daran, dass er ein Romano de Roma ist, ein Römer seit sieben Generationen. Man hört es, wenn er sich doch einmal ein, zwei Sätze abringt, denn Francesco Totti nuschelt im Dialekt der Römer. Das ist grammatikalisch oft nicht einwandfrei, elegant klingt es auch nicht, weil die Römer in ihrem lässigen Pragmatismus dazu neigen, Wörter zu verstümmeln, Endsilben zu verschlucken, Abkürzungen zu erfinden. Das Reden wird als harte Arbeit empfunden, und deshalb erspart man es sich lieber. Im übrigen Italien mögen sie die Römer nicht wirklich, das ist das Schicksal der Hauptstädter. Berlusconis Verlag Mondadori hat jüngst eine Witzsammlung herausgebracht: „Alle Witze über Totti.“ 111 Seiten, neun Euro. „Totti trifft Del Piero. Ciao, Alessà, wie ging’s mit den Hausaufgaben? Schlecht, sagt Del Piero, ich habe ein weißes Blatt abgegeben. Mamma mia, ich auch, ruft Totti. Jetzt denken die wieder, ich habe bei dir abgeschrieben!“ Naja, Humor ist, wenn man trotzdem lacht. Aber die erste Auflage war nach drei Tagen vergriffen. Francesco Totti ist sehr zufrieden. Er zeichnet nämlich als Sammler und Autor seiner eigenen Witze. Kaum jemand hätte ihm das zugetraut, und das freut ihn diebisch. „Klar habe ich mich früher geärgert, dass sie mich als Dummkopf darstellen“, gibt er zu. Aber jetzt hat er den Spieß umgedreht.“

Ein Gesellschaftsbild

Andreas Rossmann (FAZ 5.7.) rezensiert einen Film über die Werdegänge von Dortmunder Jugendtalenten. “Die Champions ist der Extrakt einer Langzeitstudie. Hübner und Voss haben vier Jahre lang, von 1998 bis 2002, Spieler der A-Jugend beobachtet und ihre Versuche festgehalten, Fußballprofi zu werden und sich in den Bundesligakader hinaufzuarbeiten. Vierhundert Stunden Material sind dabei zusammengekommen, aus dem ein Film von 129 Minuten Länge gefiltert wurde. Vier der neun Talente werden auf ihrem steinigen Weg begleitet und porträtiert. Am Ende kommt nur einer weiter: Francis Bugri absolviert ein paar Spiele in der ersten Mannschaft. Doch dann muß er einem Kollegen den Vortritt lassen, der genauso alt ist und dieselbe Position bekleidet, doch fünfundzwanzig Millionen Mark kostet: Tomas Rosicky. Die Filmemacher kommen den Spielern sehr nahe – und das wohl nicht nur mit der Kamera. Die dringt in eine Lebenswelt ein, die in der samstäglichen Fernsehberichterstattung nicht vorkommt. Schauplatz: Das Jugendhaus des BVB im Kreuzviertel. Hier werden Talente aus vielen Ländern aufgenommen und betreut. Schule. Fußball. Ende. Hie und da mal ’ne Freundin, sagt ein Co-Trainer, das ist ihr Leben. Der Film zeigt sie nicht nur im Spiel und im Training, sondern auch im Unterricht, bei der Körperpflege und im Krankenhaus, beim Autogrammschreiben und beim Autokauf. Einübungen für die Spielregeln des Profigeschäfts, bei denen Wille, Ehrgeiz und Charakter aufs äußerste herausgefordert werden. Die Konkurrenz ist scharf, die Kritik schonungslos. So wird nebenbei auch mitgeteilt, wie sehr dieser Verein seinen Namen zu Recht trägt: Preußisch ist der Ton im Training, und der Typ harter Hund gewinnt vom C-Jugend- zum Amateurmannschaftstrainer an Intensität. Innenansichten einer Sport AG. Die Dramaturgie des Films vertraut den Verläufen der vier Lebensabschnitte, und die sind, bei mancher Tragik, nicht immer spannend. Abstieg und Aussonderung, Enttäuschung und Erfolglosigkeit sind schleichende Prozesse, in denen vieles und oft Unberechenbares zusammenwirkt. Der Film setzt das Interesse am Fußball voraus. Noch im Durchleuchten des Betriebs erfaßt er viel von dessen Faszination und vermittelt doch deutlich mehr: ein Gesellschaftsbild.“

Wegen des mangelnden Zuschauerzuspruchs in der J-League bezeichnet Urs Schoettli (NZZ 6.7.) die teuren WM-Stadien Japans als „Symbole der Geldverschleuderung“. „Unlängst weilte der neue Star von Real Madrid, David Beckham, auf einem Promotionstrip in Japan. Die Begeisterung, mit der ihn die vor allem weiblichen Fans empfingen, stand um nichts hinter dem zurück, was für die Grossen in der Welt der Popmusik gang und gäbe ist. Seit der WM ist Beckham der wohl bestbekannte ausländische Sportler in Japan, doch von der Fussballbegeisterung anlässlich des World-Cups ist ansonsten wenig geblieben. Man erinnert sich der disziplinierten Fans, die ihr Team bis zur Erschöpfung anfeuerten, die aber auch nach einer Niederlage sich ordentlich nach Hause begaben. Japan kennt keine Hooligans, sein Fussball kennt aber auch keine mit Europa vergleichbare Klubtreue. Die Fans kommen, wenn es ein berühmtes Team oder einen grossen Star zu sehen gilt, doch die Standfestigkeit zu einem saisonlangen Besuch bringen die meisten nur beim Baseball auf. Mit den tiefen Besucherzahlen, die an ordentlichen Spielen der J-League registriert werden und die auch durch den Weltcup keine nennenswerte Erhöhung erfahren haben, kontrastiert seit der WM ein Stadienangebot von Weltformat. Wann immer Japan ein internationales Event beherbergt, spielt Geld keine Rolle. Derzeit entsteht im Vorlauf zur Weltausstellung 2005 in Aomori bei Nagoya ein brandneuer, Milliarden verschlingender internationaler Airport. Nur das Beste war gut genug für die zehn Stadien, die zu einem Gesamtpreis von rund sieben Milliarden Franken für die WM gebaut wurden. Über die künftige Verwendung der Monumentalbauten machte man sich beim WM-Fieber, welches das Land lange vor dem Turnier ergriffen hatte, keine grossen Gedanken. Aus politischer Sicht war das ganze Bauprogramm ohnehin eine willkommene Angelegenheit. Die Traditionalisten in der praktisch in Permanenz regierenden Liberaldemokratischen Partei greifen mit Vorliebe auf Stahl und Beton zurück, wenn es die Wirtschaft zu beleben und die eigene Klientel zu bedienen gilt (…) Ein Jahr nach der WM befinden sich die Stadien baulich in ausgezeichnetem Zustand. Doch die Zukunft birgt grosse Ungewissheit. Die Präfekturen und Kommunen, deren Haushalte sich ohnehin bereits unter einem konjunkturbedingten Spardruck befinden, sehen in den meisten Fällen keine realistischen Optionen, bei den Stadien schwarze Zahlen zu schreiben. Am Ende wird es sich wohl einmal mehr nicht vermeiden lassen, die bemerkenswert geduldigen japanischen Steuerzahler, deren Herz zudem überwiegend für Baseball und nicht für den Fussball schlägt, zur Kasse zu bitten. Auf längere Frist drohen die meisten Stadien Investitionsruinen zu werden, so es nicht gelingt, dem Fussball eine breitere Popularität zu verleihen, die über die launische Verehrung eines David Beckham hinausgeht.“

Tsp-Interview mit Hans Meyer über das Verhältnis zwischen Bundesliga und DDR-Oberliga

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Der Spaß kehrt zurück

„Der Spaß kehrt zurück“, titelt die SZ anlässlich „der ersten rundum überzeugenden BVB-Leistung seit fast einem halben Jahr“. Die Dortmunder besiegen den kürzlich noch ambitionierten VfL Wolfsburg nach sehr gutem Spiel mit 4:0; und die Erleichterung der Berichterstatter darüber ist spürbar, dass die Borussen Titelverteidiger Bayern München diese Saison auf Augenhöhe gegenübertreten könnten. Nicht nur die neutralen Fußballfreunde sind sich einig: Die Langeweile des Vorjahres, als die Münchner bereits vier Wochen vor Ende sangen und tanzten, darf sich nicht wiederholen. Obwohl die Dortmunder Ausfälle von Leistungsträgern zu verkraften haben, gelten sie inzwischen wieder als einziger ernsthafter Konkurrent; nicht zuletzt dank Torschütze und Spielmacher Rosicky, der „von Bewunderern auch ‚Mozart’ genannte Genius“ (FAZ).

Des Weiteren: Die SZ kommentiert die Situation in Kaiserslautern, das nach seinem ersten Erfolg widersprüchlicher Weise nun bei null Punkten angekommen ist: „In der Tabelle sind sie schuldenfrei.“ Und: Die Chronisten überbieten sich mit Kalauern und Witzeleien über die tropischen Temperaturen. Die taz schlägt vor, dass Münchner Olympiastadion (am Samstag 48,7 Grad Celsius) in „Hitzfeld“ umzubenennen. Nun, ja, so weit dazu.

Ernst wird der Fußball noch früh genug – wenn’s draußen kalt wird

Roland Zorn (FAZ 11.8.) registrierte bei allen Beteiligten allgemeine Gelassenheit. „Kalte Duschen gab es in dieser zweiten Runde, die anders als die Ouvertüre auch an den gewöhnlichen Alltag der ersten deutschen Fußballklasse erinnerte, nur für die Zuschauer. Auf dem Platz dagegen schlug schon jetzt die Stunde der Trickser und Täuscher. Schlimmer noch: Der mit der Gelb-Roten Karte nach einem groben Foulspiel gut davongekommene Kaiserslauterer Torwart Wiese sowie der nach einer leichteren Tätlichkeit vom Platz gestellte Hannoveraner Angreifer Idrissou leugneten ihre Schuld. Dazu übersahen die Schiedsrichter ein Schalker Handspiel vor dem Ausgleich zum 1:1 und ein korrektes Tor des Münchners Pizarro in Hannover; sie schenkten außerdem den Bremern und den Freiburgern zwei Strafstöße, die keine waren; ihnen blieb zudem verborgen, daß die mit einem Ellbogenschlag garnierte Notbremse des Wolfsburgers Biliskov gegenüber dem Dortmunder Koller eigentlich eine Rotbremse war. Die Palette der kleineren und größeren Unzulänglichkeiten auf seiten der Unparteiischen war etwas zu groß, um allein dem heißesten Spieltag in der Geschichte der Bundesliga angelastet werden zu können. Daß Zuschauer, Spieler und Trainer auf die Aussetzer mit mildem Spott und leisem Verständnis reagierten, war denn doch ein Stück des saisonal üblichen Sommertheaters. Der Fehlgriff des Hannoveraner Torhüters Tremmel bei Ballacks Distanzschuß zum 1:2 oder der Fehlschuß des Kölner Kapitäns Lottner beim Elfmeter gegen Kaiserslautern hätten zu einem späteren Zeitpunkt mehr Aufregung und Ärger verursacht. Am zweiten Spieltag aber, als alle zunächst mehr über das Wetter als über Fußball redeten, muteten derlei Patzer noch wie reparable Pannen an. Ernst wird der Fußball noch früh genug – wenn’s draußen kalt wird.“

Kann man bei solchen Temperaturen ordentlich Fußball spielen?, fragt Thomas Kistner (SZ 11.8.). „Die Antwort: Es geht. Ging sogar recht ordentlich. Überdies erbrachte der erste nationale Herz- und Kreislaufcheck-Tag eine verblüffende Erkenntnis: Bei rund 45 Grad Celsius in den besten Backstuben der Liga schwächelten ausgerechnet jene am meisten, die von Haus aus nur herumstehen müssen. Wir kommen zu den Torhütern. Bezeichnend für den Verfall des Berufszweigs steht der Fakt, dass sein unbestrittener Champion, Oliver Kahn, gleich drei Stück kassierte; in einer Halbzeit, in Hannover. Viel dagegen unternehmen konnte er indes nicht, was schon wieder für seine Klasse spricht – besonders im Vergleich mit dem Kollegen Tremmel auf der Gegenseite, der ebenfalls drei Treffer einsteckte, allerdings just solche, die zu verhindern seine Aufgabe wäre. Doch nicht nur Tremmel ließ den Ball fröhlich von der Brust hüpfen, ob ins Tor oder vor Gegners Füße, auch Rostocks Schober machte sich um die Ergebnisgestaltung verdient. Wolfsburgs Jentzsch kriegte die Kugel vorm 0:2 so wenig zu fassen wie Lauterns Wiese die Endphase des Spiels in Köln mit: Da hatte der Pfälzer Schlussmann das Feld nach wiederholtem Foulspiel längst geräumt.“

Gerade vor und zu Beginn einer Saison ist das Risiko einer Bänderverletzung deutlich höher

Gerd Schneider (FAS 10.8.) sorgt sich im Hinblick auf die Häufung der schweren Verletzungen. „Ob dahinter eine Entwicklung zum Vorschein kommt, ist nicht leicht zu beantworten. Das ist nicht wissenschaftlich evaluiert, deshalb ist es schwierig, Schlüsse zu ziehen, sagt Graf-Baumann. Der Berliner Arzt Professor Peter Hertel, der viele Fußballprofis am Knie operiert hat, hält den vermeintlichen Kreuzband-Fluch schlicht für statistischen Zufall. Eine breitangelegte Untersuchung könnte bald dazu beitragen, die oft noch im dunkeln liegenden Zusammenhänge zwischen der Belastung und den Verletzungsraten aufzuspüren. Bei diesem Gemeinschaftsprojekt der Fifa, des Deutschen Fußball-Bundes und der Deutschen Fußball Liga werden jetzt in der Bundesliga erstmals alle Verletzungen über ein Jahr hinweg wissenschaftlich erfaßt. Bislang gibt es zu diesem Thema nur eine einzige Studie von dieser Größenordnung: Zwei Jahre lang werteten Sportmediziner in den höchsten drei englischen Fußball-Ligen 6000 Verletzungen aus. Eines ihrer Ergebnisse lautet: Gerade vor und zu Beginn einer Saison ist das Risiko einer Bänderverletzung deutlich höher. Eine der Ursachen dafür sehen die Autoren der Studie im plötzlichen Anstieg der Trainingsbelastung – der sich vor allem für die Profis fatal auswirken kann, die im Urlaub dem Nichtstun frönen und wieder bei Null beginnen müssen. Auch Professor Klaus Steinbrück, der Chef der Sportklinik Stuttgart, hat ähnliche Erfahrungen gemacht. Die meisten Kreuzbandrisse gibt es am Anfang einer Saison und am Ende. Am Anfang sind die Spieler konditionell und koordinativ noch nicht auf der Höhe, am Ende sind sie müde sagt er.Unbestritten ist, daß das ständig steigende Verletzungsrisiko im Fußball etwas mit der Anzahl der Spiele zu tun hat. Manche Profis bringen es auf 80 bis 90 Einsätze im Jahr – eine Zahl, die jenseits der Schmerzgrenze liegt. Doch gerade die Kreuzbandverletzungen sind weniger damit zu erklären als mit dem extremen Einsatz und Tempo, die den modernen Fußball prägen. Für die Kräfte, die da auf das Kniegelenk einwirken, ist das Kreuzband einfach zu schwach gebaut, sagt Professor Hertel. Da sich auch Fußballer athletisch immer mehr am Limit bewegen, muß man künftig eher mit einer Zunahme schwerer Verletzungen rechnen. Außerdem erhöht indirekt auch die Rezession in der Branche das Verletzungsrisiko. Die meisten Klubs können sich eine breite Personaldecke nicht mehr leisten, es hat sich ausrotiert: Gerade die Leistungsträger kommen deshalb nicht mehr zum Verschnaufen. Weil zudem die Gehälter immer leistungsbezogener werden, ist der Einsatz oft grenzenlos.“

Gewinnspiel für Experten

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Bayer Leverkusen

Die Schlagzeilen der deutschen Tageszeitungen befassen sich in erster Linie mit dem abstiegsbedrohten Bayer Leverkusen. „Der rheinische Patient“ (taz) verlor nämlich erneut: dieses mal mit 1:2 in Bochum an der alten Wirkungsstätte des Bayer-Coachs Klaus Toppmöller, der sich allen Vermutungen zum Trotz noch im Amt hält. Jedoch wertet die SZ die von Manager Reiner Calmund getätigte Rückendeckung als „Freispruch zweiter Klasse“ und empfindet die Lage des Werksvereins als paradox: „Man hätte es fast vergessen, Leverkusen spielt wirklich noch in der Champions League“, so als ob es sich bei der Teilnahme an diesem lukrativen Wettbewerb um eine historische Altlast handeln würde.

„Die schönste Woche des Jahres in der Pfalz“, schreibt die FAZ, nachdem man sich dort durch das 2:0 über Borussia Mönchengladbach dem rettenden Platz 15 angenähert hat. Doch die von dem glücklichen Erfolg ausgehenden Signale sind nicht eindeutig: Einerseits sei der lange vermisste „Geist des Berges“ zurückgekehrt, begrüßt die SZ die alte Heimstärke des 1. FC Kaiserslautern. Andererseits beginne „die einst von unerschütterlicher Treue geprägte Verbindung zwischen Fans und Verein sich in ihrer bundesweiten Einzigartigkeit aufzulösen“, wie die FR das Pfeifkonzert der FCK-Fans nach der Einwechslung von Altstar Ciriaco Sforza kommentiert. Jedenfalls „ist das Glück zurückgekehrt an den Betzenberg, jetzt fehlt nur noch das Geld“ (FAZ).

Zwei Beobachtungen aus dem TV-Sport vom Wochenende: „Viele haben“ wie der Tagesspiegel, „ihren Augen und Ohren nicht getraut“, als der ehemalige FCK-Boss Jürgen „Atze“ Friedrich – in ein Schafpelz gewandt – im ZDF-Sportstudio seine Unschuld an der finanzielle Misere des hoch verschuldeten Klubs beteuerte. Und: Die Macher der SAT1-Fußballshow ran bewiesen aufs neue Sprachsensibilität, als sie den ersten Heimsieg des VfL Wolfsburg im neuen Stadion folgendermaßen beschrieben: „Jetzt haben sie endlich ihre Wolfs-Burg!“ Außerdem: Greift die „ruhelose Rasselbande“ (FTD) aus Stuttgart nach dem 1:0 über Titelverteidiger Dortmund in den Meisterschaftskampf ein?

Bernd Müllender (FTD 10.2.) kommentiert die Lage der Liga augenzwinkernd. „Dieses Land, einst groß und prächtig, ist ökonomisch angefressen wie ein Fußballtrainer nach dem vermeidbaren Ballverlust. Politisch spielen wir sogar, so die Bilanz der vergangenen Woche, nur noch in der gleichen Liga wie die Abseitsstaaten Libyen und Kuba. Deutschland torkelt bergab. Und die Bundesliga ist Schicksalsgenosse auf dem Weg nach unten. Die Tabelle als Beleg – es gibt fast nur noch Abstiegsduelle. Ab Platz acht tobt der Existenzkampf jeder gegen jeden, ein Sumpf aus Agonie, Dilettantismus und Depression: German Ängst in Deutschland einig Abstiegsland. Besonders schlimm steht es auch im Fußball um den Osten, wie die Offenbarung der Hilflosigkeit zwischen Rostock und Cottbus belegte. Auch auf dem Betzenberg, der Hochburg der Hochstapler, wo Stürmer schon verpfändet und mit Rechteverkäufen an den Spielern die Finanzämter locker ausgedribbelt wurden, gurkte der pfälzische Insolvenz-Kandidat seinem Chaos angemessen. Ab Tabellenplatz zwei, wo jeder gegen jeden verliert, herrscht Mittelmaß ohne Konstanz und Klasse.“

VfL Bochum – Bayer Leverkusen 2:1

Bei den Reaktionen des Leverkusener Managers Reiner Calmund nach der Niederlage in Bochum hat Erik Eggers (FTD 10.2.) genau hingehört. „Die Klubführung will zwar auch nach der Niederlage in Bochum bei den Fans und auch bei den Spielern positive Stimmungen für den Trainer ausgelotet haben. Doch überdeckt diese Grundsympathie bei weitem nicht diejenigen Fehler, die ihm seitens des Vereins in aller Öffentlichkeit vorgeworfen wurden. „Ich hätte nicht kurz vor Schluss versucht, vorn das 2:1 zu machen“, konstatierte Calmund zum Beispiel ein taktisches Fehlverhalten seines Trainers in Bochum, in solch einer Situation müsse man den Punkt sichern und dürfe man nicht in einen Konter laufen. Weiterhin kündigte Calmund an, in Zukunft sogar in Aufstellungsfragen eingreifen zu wollen. „Wir werden jeden, der irgendwie angeschlagen ist, in der Champions League schonen“, so Calmund, weil es fortan nur und ausschließlich um den Klassenerhalt gehe. „Ein Bernd Schneider zum Beispiel wird jetzt nicht sechs oder sieben englische Wochen spielen.“ Diese klare Anweisung wird Toppmöller in heutigen Gespräch „von ganz oben“ bekommen, und diese beschneidende Vorgabe allein belegt den fortschreitenden Autoritätsverlust eines Coachs, der vor wenigen Wochen noch zum „Trainer des Jahres“ gewählt wurde. Dass Toppmöller nach dem Spiel in Bochum von einer „kleinen Krise“ gesprochen hat, und davon, dass die Mannschaft immerhin noch in Champions League und DFB-Pokal vertreten sei, auch damit wird er sicherlich in dem heutigen Gespräch konfrontiert werden, und er wird spätestens dann wie ein Schüler dastehen, der seine Hausaufgaben nicht erledigt hat. „Da können wir doch nicht von kleiner Krise reden“, kommentierte Calmund diese Aussage wütend, wo doch der „Supergau Abstieg“ drohe. Sie werfen ihrem Trainer also nicht weniger als Realitätsverlust im Abstiegskampf vor, ein Attribut, mit dem bisher nur wenige Trainer diesen erfolgreich bestritten haben.“

Andreas Burkert (SZ 10.2.) meint dazu. “Im Schauprozess gegen den prominenten Fußball-Lehrer Klaus Toppmöller ist ein erster Richterspruch ergangen. Das chemisch-rheinische Amtsgericht zu Leverkusen verurteilte den Angeklagten wegen unterlassener Hilfeleistung in besonders schwerem Fall zum Verlassen des Arbeitsplatzes, setzte die Strafe allerdings zur Bewährung aus. Die Jury um den Vorsitzenden Richter Calmund verwies in ihrer Urteilsbegründung auf die in letzter Minute im Rahmen einer Sonderermittlung in Bochum erhaltenen Indizien, die trotz des erneuten Spielverlustes Hinweise auf nahende Linderung und Schadensbegrenzung erbracht hätten. Strafmildernd wirkten sich für Toppmöller auch besondere Verdienste aus, die er sich kurz vor seinem Serienvergehen für den Klub erworben habe. Erwähnung fanden zudem die von Sympathie geprägten Zeugenaussagen der Mannschaft sowie der 800 Sachverständigen aus den Fanklubs, deren Vernehmung aus Platzgründen in der Bürgerhalle in Leverkusen-Wiesdorf hatte stattfinden müssen. Prozessbeobachter äußerten indes ihre Befürchtung, Toppmöller sei schon im nächsten Heimspiel gegen Rostock oder darauf in Hannover von einem Rückfall bedroht. Dies werde mit hoher Wahrscheinlichkeit den sofortigen Entzug der Leverkusener Zuneigung zur Folge haben.“

Roland Zorn (FAZ 10.2.) beleuchtet die Perspektiven von Toppmöller. „Romantiker leiden an der Realität, die sich fast nie so spiegelt, wie Schwärmer sie gern sähen. Klaus Toppmöller ist ein bekennender Fußball-Romantiker. Auch deshalb mögen ihn die Fans ganz besonders. Einer, der seine Träume zu leben versucht, erreicht die Herzen derjenigen, die dieses Spiel lieben. Für Toppmöller ist der Fußball eine Lebenschance, das Unmögliche zu wagen und Visionen in Wirklichkeit zu verwandeln. Soviel zum Ideal. Zurück zu den Tatsachen: Sie schauen bei Bayer Leverkusen furchterregend aus. Die Mannschaft, die in der vergangenen Saison von sich selbst berauscht schien und erst in den Endspielen als glorreicher zweiter Sieger Albträume auf höchstem Niveau verkraften mußte, diese Mannschaft gibt es nicht mehr. Inzwischen hat es der Trainer Toppmöller mit einem Team zu tun, das mal ein Torso, mal ein Ensemble der Pechvögel, mal eine Auswahl von Phantasten ist. Mit der Mentalität eines Hans Guckindieluft wurde aus einer europaweit umjubelten Equipe ein allseits bedauerter Abstiegskandidat. Und mittendrin ein Fußballehrer, der lange nicht wahrhaben wollte, was unter seinen Augen und seiner Verantwortung schiefgelaufen ist.“

„Klaus Toppmöller hat mal wieder ein Endspiel verloren“, schreibt Martin Teigeler (taz 10.2.). „Die 90 Minuten im Bochumer Ruhrstadion waren eine Reprise der laufenden Bayer-Saison. Leverkusen hatte seinen Anteil an einem unterhaltsamen Fußballspiel, musste jedoch wie so oft in dieser Spielzeit verletzte Leistungsträger auswechseln und die Punkte dem Gegner überlassen. Der dreimalige Vize-Champion bestimmte ohne die gesperrten Bastürk und Ramelow die erste Spielhälfte vor 20.643 Zuschauern. Die Mehrheitsverhältnisse zwischen den beiden Strafräumen sprachen für Bayer. Doch Marko Babic und Neuzugang Radoslaw Kaluzny beendeten die zumeist vom kommissarischen Kapitän Bernd Schneider inspirierten Spielzüge mit mangelhaften Torabschlüssen. Der VfL Bochum hingegen verließ sich in der ersten Halbzeit ganz auf seinen starken Torwart Rein van Duijhoven – mit Erfolg. Sehr schnelle Lerneffekte attestierte VfL-Trainer Neururer seiner Elf denn auch rückblickend. Nach der Pause nämlich agierte der Aufsteiger spielstark wie zu Saisonbeginn. Der altmodische Regisseur Dariusz Wosz und der neue Bochumer Star Paul Freier bedrohten Bayer nun mit ihrem zuletzt fehleranfälligen Kurzpassspiel (…) Seinen Spieler Jan Simak hatte Klaus Toppmöller unlängst als Pflegefall bezeichnet. Wie ein solcher musste sich der Bayer-Trainer am Samstag selbst vorkommen. Bei der Pressekonferenz stellten die Journalisten nicht eine einzige Frage und nahmen Toppmöllers Spielanalyse rücksichtsvoll schweigend zu Protokoll, als handele es sich dabei um ein letztes, niederschmetterndes Bulletin. Auch der gegnerische Trainer verhielt sich wie bei einem Krankenbesuch. Neururer blickte dem Kollegen tief in die Augen und tätschelte ihm aufmunternd den Arm.“

Leverkusener Reaktionen SZ

VfB Stuttgart – Borussia Dortmund 1:0

Oliver Fritsch (FTD 10.2.) entdeckt einen schwäbischen Lernprozess. „Im bisherigen Verlauf der Saison der Fußball-Bundesliga kam der mit zahlreichen Jugendspielern aus der eigenen Talentschmiede gespickte VfB Stuttgart mit der Rolle des David insgesamt ganz gut zurecht. Schließlich schnuppert man dort mittlerweile an der Teilnahme zur lukrativen Champions League. Doch immer wenn die inzwischen zum Sympathieträger der Fußballnation gewandelten Schwaben auf einen Goliath aus München, Bremen oder Gelsenkirchen trafen, zahlten die Unerfahrenen Lehrgeld. Es ist gerade zwei Monate her, dass das verwöhnte Stuttgarter Publikum erhoffen durfte, durch einen Erfolg gegen Tabellenführer Bayern München in den erwähnten Kreis der Etablierten aufzuschließen. Doch nach ansehnlichem Spiel blieben den Spielern von Trainer Felix Magath nur Komplimente, die Punkte musste man den Gästen überlassen. Offensichtlich hatten die „jungen Wilden“ dieses Mal ihre Lektion gelernt. Noch einmal wollte man sich nicht von einem ausgebufften Konkurrenten auskontern lassen.“

Zur Rolle des bulgarischen Spielmachers in der VfB-Elf heißt es bei Michael Ashelm (FAS 10.2.). „Balakow hält sich derweil außerhalb des Platzes zurück und möchte, solange der Folgevertrag nicht unter Dach und Fach ist, keine öffentlichen Kommentare abgeben. Auf dem Feld redet er dagegen ein gewichtiges Wörtchen mit, organisiert die Offensive und leitet die unerfahrenen Kollegen. Arbeitet sozusagen als Entwicklungshelfer für die junge Garde der Schwaben – von Andreas Hinkel bis Kevin Kuranyi. Vor allem des erst 21 Jahre alten technisch versierten Aliaksandr Hlebs hat sich Balakow ganz besonders angenommen. Der hochtalentierte, aber labile Weißrusse soll nämlich irgendwann in seine Fußstapfen treten. Die beiden kommen aus der gleichen Ecke Europas und können sich natürlich gut verständigen. ,Bala‘ ist für Hleb eine Art Mentor, sagt Felix Magath, der aus dem talentierten Individualisten in einigen Jahren einen Spitzenspieler machen will. So einfühlsam und kollegial wie heute hat sich Balakow nicht immer verhalten. Lange Zeit galt der Bulgare als schwieriger Typ, der vor allem seine Trainer in Atem hielt. Die Diva drehte dabei immer am großen Rad, mischte sich in die Vereinspolitik des VfB Stuttgart ein. Wer sich mit ihm anlegte, war eigentlich schon verloren. Auch seinem Treiben hinter den Kulissen ist es zuzuschreiben, daß Fußball-Lehrer wie Winfried Schäfer oder Ralf Rangnick vorzeitig ihren Platz auf der Trainerbank räumen mußten. Leck mich am Arsch, sagte er einmal zu Rangnick, als der ihn vom Feld nahm. Einen mißliebigen Journalisten soll Balakow 1998 auf dem Weg zum Europapokal-Finale nach Stockholm im Flugzeug geschlagen haben. Die ARD-Sportschau gab ihm den Titel Stinkstiefel des Monats. Gute Kontakte zur Vereinsspitze haben den machtbewußten Spielmacher immer vor weitreichenden Konsequenzen bewahrt (…) Immer hat es diese zwei Seiten des Krassimir Balakow gegeben. Mal der krachende Ärger, mal der große Zauber. Als Zentrum des magischen Dreiecks führte der Mittelfeldregisseur mit seinen Freunden Giovane Elber und Fredi Bobic den VfB zum DFB-Pokalsieg im Jahr 1997. Und Balakow gab auch gute Denkanstöße. Die Verpflichtung zusätzlicher Trainer und Masseure und der Aufbau eines modernen medizinischen Zentrums auf dem Vereinsgelände gehen auf sein Konto. Im Gegenzug setzte Balakow seine Konditionen durch. Im Jahr 1997 unterzeichnete er unter dem vorhergehenden Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder einen wunderbaren Fünfjahresvertrag, der in der Bundesliga seinesgleichen suchte. So wird auch jetzt noch die satte Jahressumme von rund drei Millionen Euro fällig, weil ihm in einer Zusatzklausel zugesichert wurde, daß sich der Vertrag immer um eine Saison verlängert, wenn ein Arzt Bala für bundesligatauglich hält. Rolf Rüssmann, der vor Weihnachten entlassene VfB-Manager, versuchte sich an der Modifizierung des Vertragswerks und scheiterte. Wer Balakow nimmt, wie er ist, und ihn dazu noch bei der Meinungsbildung einbindet, hat mehr Freude an ihm.“

Bayern München – Hamburger SV 1:1

Ralf Wiegand (SZ 10.2.) betrachtet den Ausgleich des HSV-Stürmers Takaharas kurz vor Spielende als „eine gelungene Pointe für einen Tag, der im Zeichen Ostasiens stand. Neulich hatten die Bayern mal laut darüber nachgedacht, sich auch irgendwie an der Kolonialisierung des asiatischen Sport-Marktes zu beteiligen, wie es Sitte geworden ist im westlichen Fußball-Kapitalismus. Die Marke FC Bayern hat weltweit einen guten Klang und ist ein Synonym für Deutschland wie Neuschwanstein, Kindergarten und Pickelhaube. Wie das künftig aussehen wird, konnte man gestern schon bestaunen, als es sich die beträchtliche Gefolgschaft des Sushi-Stürmers Takahara aus Hamburg im Olympiastadion gemütlich machte, oder wenigstens so gemütlich, wie das bei fünf Grad Minus eben geht. Es ist ja bekannt, dass die japanische Presse großen Anteil nimmt an den Auslandskarrieren ihrer Fußballer, Takahara begleiteten gut zwei Dutzend Landsleute aus beruflichen Gründen ins Land der Bayern. Sie werden viel berichten können. Der FC Bayern aber beschenkte die asiatischen Gäste nicht nur mit der Spielaufstellung in japanischen Schriftzeichen, sondern auch mit einer auf japanisch abgefassten Presseerklärung zu den neuesten Expansionsplänen. Das Land des Lächelns darf sich auf eine Marketingoffensive gefasst machen, die natürlich ihresgleichen sucht: „Mit Intensität, Engagement und einem erstklassigen Konzept” werde man sich dem „nach Europa wichtigsten Markt“ widmen, sagt Karl-Heinz Rummenigge, weshalb sich der Chef des FC Bayern mit Partner adidas auf eine Kooperation verständigte, bei der auch noch schöne Reisen rausspringen. Am 15. Mai präsentieren die Bayern und ihr Ausrüster die Ideen in Tokio dem japanischen Volk, das in absehbarer Zeit auch den ganzen Münchner Kader bewundern wird dürfen, denn Japan wird mit „mindestens einem Spiel“ (Rummenigge) Station einer Asientour des Rekordmeisters sein. Im Gepäck werden die Deutschen dann auch eigens für den japanischen Markt kreierte Klamotten-Kollektionen, DVDs und Bücher haben, außerdem ist ein Internet-Auftritt des Klubs auf japanisch geplant.“

Hertha Berlin – Schalke 04 4:2

Nicht nur Frank Ketterer (taz 10.2.) sah ein sehr gutes Spiel. „Im Leben kommt so etwas ja vor: dass aus heiterem Himmel etwas ziemlich Großes geschieht und man selbst es nicht recht glauben mag, weil es ganz einfach zu groß ist und viel zu schön. Das Herz bummert plötzlich ein wenig wilder, die Hände schwitzen, und selbst härteste Männer bekommen dann diesen weichen Blick und sagen Sätze, die sie noch vor kurzem für ziemlichen Unfug gehalten hätten. Mit Dieter Hoeneß ist das am Samstag passiert, nur 90 Minuten hat es dazu gebraucht. Danach stand der Manager, der schon auch mal über seine Mannschaft schimpfen kann, mit kalter Nase und heißem Herzen in den Katakomben des eisigen Berliner Olympiastadions und ließ seinen Gefühlen freie Bahn. Das war Fußball zum Verlieben, säuselte Hoeneß da. So schwärmerisch hat man den Mann lange schon nicht mehr von seiner Hertha reden hören, es gab ja auch lange keinen Grund, in der laufenden Saison schon gleich gar nicht. Bis Samstag eben, bis Schalke kam – und mit einem 2:4 im Gepäck wieder ging. Doch das ist nur das Ergebnis – und sagt noch lange nichts aus über das Wie. Genau davon aber waren sie ja alle so angetan.“

Friedhard Teuffel (FAZ 10.2.). „Als nett gemeinter Rempler gegen seine Mannschaft war Stevens‘ Spielanalyse zu verstehen. Spielerisch die beste Saisonleistung, ja, aber es hätten noch drei, vier Tore mehr fallen müssen. Manager Dieter Hoeneß ließ dagegen seine Gefühle offen sprechen: Das war Fußball zum Verlieben. In dieser Aussage klangen die Entzugserscheinungen mit, unter denen Hoeneß in den vergangenen Wochen und Monaten litt. Wenn die Hertha gewonnen hatte, dann oft im Stile einer Gruppe von Schnäppchenjägern im Winterschlußverkauf: Mit dem erstbesten Griff gleich viel erreichen wollen, es kann ruhig auch mal billig aussehen. Lange gehalten hat die Freude darüber aber nicht. Auf einen Sieg folgte meistens eine Niederlage oder ein langweiliges Unentschieden. Insofern steht das Spiel am Samstag erst einmal nur für sich. Es gibt keine Auskunft über eine Entwicklung, sondern nur über das, was eigentlich möglich wäre in Berlin.“

Spielbericht SZ

Interview mit Arne Friedrich Tsp

Hannover 96 – 1. FC Nürnberg 4:2

Zur Reaktionen des Nürnberger Trainers nach dem Spiel lesen wir von Jörg Marwedel (SZ 10.2.). „Das Spiel war eine halbe Stunde vorüber, als Klaus Augenthaler sich noch einmal mächtig aufregen musste. Jemand hatte ihm zugetragen, dass nur drei Profis des 1. FC Nürnberg nach Schlusspfiff zum Block der mitgereisten Fans getrabt waren. „Typisch“, zischte der Club-Trainer, „die verstecken sich. Das sind doch keine Kerle.” Augenthaler hatte sofort ein Problem grundsätzlicher Natur erkannt – den Zusammenhang zwischen dem Verhalten auf dem Rasen und außerhalb des Spielfeldes. Wer also bis dato allein dem vermeintlichen Fußball-Weisen Adi Preißler („Wat zählt, is’ auf’m Platz“) geglaubt hatte, zog nun einen weiteren Schluss aus dem 2:4 der Nürnberger in Hannover und dem Fehlstart ins Jahr 2003. Nämlich: Es wird auch in dieser Saison ganz eng im Abstiegsschlamassel. Weil die Mannschaft aus mindestens acht Feiglingen besteht.“

Thomas Kilchenstein (FR 10.2.) über den Matchwinner. „Als Mohammadou Idrissou das erste Mal richtig Fußball spielte, war er 15 Jahre alt und hatte so ein komisches Gefühl da unten. Es war nämlich so, dass der Schlaks Fußballschuhe mit Stollen trug, und das war er überhaupt nicht gewohnt. Gewohnt war Idrissou seit frühester Kindheit, mit Kumpels auf den staubigen Straßen Yaoundes, seiner Heimatstadt, zu bolzen, und zwar barfuß. Und jetzt, da er im Fußballinternat Ecole de Foot ernsthaft den Ball vor sich hertreiben sollte, da störte ihn der Schuh, er hatte kein richtiges Gefühl im Fuß. Also ist Mo nach einer Viertelstunde an die Außenlinie gerannt und wollte sich der ungewohnten Treter entledigen. War aber nicht erlaubt, selbst in Kamerun nicht. Das kann der inzwischen 22-Jährige heute fröhlich erzählen. Mittlerweile trägt er natürlich Schuhe und er trifft auch weiterhin. Gleich drei Mal hintereinander binnen 15 Minuten, es war sein erster Hattrick im bezahlten Fußball und seine Tore sechs, sieben und acht. Nicht schlecht für einen, der zu Saisonbeginn für 300.000 Euro Ablöse vom hessischen Regionalligisten SV Wehen an die Leine geholt wurde und nicht unbedingt gleich als allererste Wahl galt. Idrissou selbst freilich war immer von sich überzeugt, drei Tore sind für einen guten Stürmer doch ganz normal, sagte er nach dem Gala-Auftritt. Ohnehin hat er zu Beginn der Saison seinem Trainer Ralf Rangnick 15 Tore versprochen, da wurde es ja mal wieder Zeit zu treffen.“

Nach Auffassung von Sascha Zettler (FAZ 10.2.) ist der Arbeitsplatz von 96-Coach Ralf Rangnick nunmehr sicherer. „Herzlichkeiten, gerade gegenüber Ralf Rangnick, waren bis jetzt nicht die Sache von Martin Kind. Deutschlands größter Hörgerätehersteller war in den vergangenen Wochen in erster Linie in die Schlagzeilen geraten, weil er sich als Präsident von Aufsteiger Hannover 96 nicht nur an der in Niedersachsen entflammten Trainerdiskussion beteiligt, sondern sie bisweilen gar selbst angeheizt hatte. Am vergangenen Wochenende hingegen war plötzlich alles anders. Wir haben mit sieben Punkten einen super Start in die Rückrunde hingelegt, sagte Kind nach dem verdienten 4:2-Sieg gegen den 1. FC Nürnberg strahlend – und schlug sich auch wieder auf die Seite von Rangnick: Das ist der beste Trainer, seit ich hier Präsident bin. Und er identifiziert sich total mit 96. Neue Töne also in Hannover. Auch der Beginn einer neuen Harmonie zwischen Kind und Rangnick? In erster Linie ist es eine Zweckgemeinschaft. Kind schätzt Rangnick aufgrund dessen Erfolgen im Aufstiegsjahr; er hatte nach dem sportlichen Absturz kurz vor Weihnachten aber auch viel an Vertrauen in den Trainer verloren. Ergebnisse seien nun mal entscheidend, argumentierte Kind – deutlicher hätte er dem Schwaben Rangnick dessen Verfallsdatum als Fußball-Lehrer von Hannover 96 nicht erläutern können. Daß Rangnick immer noch Trainer in der Landeshauptstadt ist, hat einen simplen Grund: Resultate geben nun mal den Ausschlag. Und die stimmen im Jahr 2003 wieder. Und mehr noch: Gegen den 1. FC Nürnberg bewies Hannover 96, daß es auch ohne Torjäger Fredi Bobic sportlich vorankommen kann.“

1. FC Kaiserslautern – Borussia Mönchengladbach 2:0

Peter Heß (FAZ 10.2.) resümiert die Situation der Lauterer. “Das Glück ist zurückgekehrt an den Betzenberg, jetzt fehlt nur noch das Geld. Durch ein erstolpertes 2:0 über Borussia Mönchengladbach hat der 1. FC Kaiserslautern den letzten Tabellenplatz der Bundesliga wieder an Energie Cottbus abgegeben. Der rettende 15. Tabellenrang erscheint wieder erreichbar – auch ohne Fußball-Wunder. Bis die Finanzen geordnet sind, wird es noch dauern. Rene C. Jäggi, der Vorstandsvorsitzende des von der Insolvenz bedrohten 1. FC Kaiserslautern, gab sich nach der schönsten pfälzischen Fußballwoche dieser Saison mit einem Auswärtspunkt in Schalke, dem Einzug ins Pokalhalbfinale und dem Heimsieg über Gladbach keinen Illusionen hin: Die Erfolge verändern nicht die Zahlen. Banker sind durch so etwas nicht zu beeindrucken. Aber durch Bilanzen. Die rund 40 Millionen Euro Verbindlichkeiten des Traditionsklubs, vornehmlich durch den Stadionausbau verursacht, sind mehr oder weniger durch die Immobilie am Betzenberg abgedeckt. Die vom Finanzamt geforderten 12,9 Millionen Euro Steuernachzahlung jedoch nicht mehr. Also stehen die Banken vor der Frage: Was ist das kleinere Übel? Kredite abschreiben durch eine Insolvenz des FCK, oder das Stadion zu einem überhöhten Preis übernehmen? Erleichtert wird die Entscheidung durch den politischen Willen, Kaiserslautern als Standort der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 zu erhalten. Stadt, Land und Banken erwarten allerdings auch eine Eigenleistung des FCK, das heißt: Die Mannschaft wird noch mal zur Kasse gebeten.“

Martin Hägele (Tsp 10.2.) kommentiert den Fernsehauftritt des in massive Kritik geratenen ehemaligen FCK-Boss Jürgen Friedrich. „Seit Samstagabend haben die Menschen in der Pfalz ein Problem: Sie wissen nicht mehr, welchem Prediger sie glauben sollen. Viele haben ihren Augen und Ohren nicht getraut, als der frühere Chef des 1. FC Kaiserslautern, Jürgen Friedrich, die wirtschaftliche Situation des Klubs beschrieb. Und man kann nur hoffen, dass alle Wirtschaftsprüfer von Price Waterhouse, die Ermittler der Finanzämter in Kaiserslautern und Mainz und die Staatsanwälte aus Zweibrücken besonders gut zugehört haben. Demnach verplempern sie nämlich nur Zeit und Steuergelder bei all ihren Recherchen zur drohenden Insolvenz des Traditionsklubs. Das sei doch eine Investition in die Zukunft gewesen, hatte nämlich Friedrich im Aktuellen Sportstudio gesagt, und er sei sicher, dass der Verein die 40 Millionen Euro Schulden bezahlen werde, und empfinde die Vorwürfe an seine Adresse als ungerecht. Der Transfer des international längst aussortierten Regisseurs Sforza sei sehr vernünftig gewesen, 6,9 Millionen Euro für den Schweizer sehr moderat. Dass man im Winter 1999 dem damals nur schwer vermittelbaren Mario Basler die Rückkehr mit einem Fünf-Millionen-Darlehen schmackhaft gemacht habe – „ganz normal. Genauso wie die Überweisungen auf die Konten diverser Agenturen, die sich die Persönlichkeitsrechte von fast einem Dutzend beim FCK beschäftigter Profis stattlich bezahlen ließen – und für die die Finanzbehörden nun 12,9 Millionen Euro Lohnsteuer nachfordern. Selbst der für die Einladung Friedrichs ins Aktuelle Sportstudio zuständige Redakteur hatte Angst vor dem Risiko gehabt, „dass man dem Mann eine solche Bühne gibt“. Aber vielleicht war dies wirklich das letzte Mal, dass sich der gelernte Boutiquenbesitzer als typisches Opfer der Branche darstellen konnte.“

dazu auch FR

Peter Heß (FAZ 10.2.) liefert einen konstruktiven Beitrag zur von den Gästen initiierten Schiedsrichterdiskussion. “Ein einziges Mal entschied Sippel in schwieriger Situation richtig, als er das Gladbacher 1:0 nach einem herrlichen Solo Forrells aberkannte. Dessen Kollege Ulich stand drei Meter im Abseits, direkt neben dem Lauterer Torwart Wiese. Die Fernsehbilder nährten zwar Zweifel, ob Ulich den Torwart wirklich behindert habe, ob vielleicht ein passives Abseits vorlag und der Treffer hätte anerkannt werden müssen. Aber diese Überlegung hieße zu viel von den Spielleitern verlangen. Die Perspektive von der Seitenlinie ist eine schwierigere als von oben. Und das Getümmel im Strafraum wird für den Schiedsrichter und seine Assistenten nicht von Fernsehkameras eingefroren, als daß sie in Ruhe ihre Abseitsentscheidung auf die Nuance passiv oder aktiv überprüfen könnten.”

Hansa Rostock – Energie Cottbus 0:0

Javier Cáceres (SZ 10.2.) beschreibt die repräsentative Szene des Spiels. „Pricas rüde Attacke gegen Marcel Rozgony trug alle Züge eines Frustfouls – und war auch deshalb Sinnbild für ein überaus uninspirierende Ostderby. Armin Veh hatte hie wie dort wenig Hang zum Risiko beobachtet; Eduard Geyer stellte fest, dass in den letzten zehn Minuten „überhaupt niemand mehr gewinnen wollte“, und aus beiden Spielerlagern war Genugtuung darüber zu hören, wie geschickt man doch das eigene Tor verteidigt habe. Tatsächlich hatten sich die zwei Mannschaften darauf verständigt, mit ihren Abwehrketten zu rasseln, ansonsten aber Drohgebärden zu dosieren. 17.000 Zuschauer dankten es den Akteuren mit einem Pfeifkonzert. Was wiederum das Verständnis von Hansas Mittelfeldspieler René Rydlewicz weckte: dass einem die Zuschauer zujubeln, das müsse man sich erarbeiten. Genau das aber, Begeisterung wecken, das tut Hansa in dieser Saison schon länger nicht mehr, daheim wurden erst zwei von elf Partien gewonnen. Verteidiger Gerd Wimmer führte dies einerseits zu der Vermutung, dass es Hansa leichter falle, auf Konter zu spielen; andererseits aber auch zu der Frage, ob nicht vielleicht doch die Qualität fehle. Dieser Erklärungsansatz ist auch Veh zueigen, immer häufiger vertritt er die Theorie, dass Geld eben doch Tore schießt und Hansa sich aufgrund fehlender Mittel nur Spieler leisten könne, die anderswo zweite Geigen wären.“

Christian Ewers (FAZ 10.2.) ist vom Spiel enttäuscht. “Das torlose Remis im Ostderby zwischen Hansa Rostock und Energie Cottbus besaß ein solch dürftiges Niveau, daß sich beide Mannschaften bei jedem der 17.000 Zuschauer per Handschlag hätten entschuldigen müssen. Beim abstiegsbedrohten FC Energie fehlte selbst der Mut der Verzweiflung, und Hansa Rostock war zu verschüchtert, um im eigenen Stadion das Spiel zu gestalten. Allein Anhängern bedingungslosen Defensivfußballs hatte der Nachmittag Freude bereiten können. Die Vierer-Abwehrketten in beiden Teams arbeiteten nämlich ordentlich. Sie droschen jeden Ball nach vorn, der ihnen vor die Füße kam – was nicht schön anzusehen war, aber immerhin erfolgreich den eigenen Strafraum sicherte. In den letzten zehn Minuten des Spiels wuchs die Angst vor einem Gegentreffer bei beiden Mannschaften gar ins Unermeßliche. Stürmer und Mittelfeldspieler wurden kurzerhand zu Verteidigern umgeschult; das Spiel war wie gelähmt. Der fehlende Siegeswille war schon überraschend, denn beide Teams benötigen dringend Erfolge.”

Friedhard Teuffel (FAZ 8.2.) analysiert das neue Cottbuser Erfolgsrezept. „Es kann eigentlich kein Zufall sein, daß die Fußballspieler des FC Energie in ihrer Not auf einen großen Mann der Stadt zurückgekommen sind: den Cottbuser Postkutscher. So wenig hielten sie nach der Vorrunde in den Händen, daß sie sich einfach selbst etwas zugestellt haben. Wir haben ein kleines Paket geschnürt, das uns jetzt unheimlich viel Spaß macht, sagt Torwart André Lenz. Was hinein sollte, haben sie sich gemeinsam im Trainingslager in Dubai ausgedacht. Trainer Eduard Geyer durfte auch noch einen kritischen Blick draufwerfen, dann haben sie es zugemacht. Ihr Rettungspaket enthält vor allem ein schönes Spielzeug: eine Viererkette. Ihnen selber hat sie bislang viel Freude gebracht – und den beiden ersten Gegnern der Rückrunde dafür die Laune verdorben. Mit ihrem neuen Schmuckstück Viererkette haben die Cottbuser gleich zweimal hintereinander gewonnen, so viel wie in der ganzen Vorrunde zusammen (…) Daß die Cottbuser ein neues taktisches Konzept haben, ist wohl der wichtigste Unterschied zum vergangenen Jahr. Deshalb reden sie jetzt auch wieder gerne über Fußball. Früher haben wir sehr viel mit langen Bällen gespielt. Die Stürmer mußten sich dann alleine gegen vier Abwehrspieler durchsetzen, beschreibt Torwart Lenz das alte System. Das neue sieht so aus: Jeder hat kürzere Wege, aber die muß er exklusiv gehen. Jetzt ist viel mehr spielerisches Vermögen gefragt. Dieses Vermögen hatte der Trainer seinen Spielern wohl bisher einfach nicht zugetraut. Er ließ sie vor allem rennen und kämpfen. Geyer lehrte seine Spieler nach der alten Fußballschule mit einem Libero und zwei Manndeckern. Die Viererkette kam ihm offenbar wie ein Luxusartikel vor, der im Existenzkampf eines ostdeutschen Unternehmens nichts verloren habe. Das System setzt viel mehr Konzentration und Antizipation voraus. Man braucht ganz andere Qualitäten, sagt Geyer. Von sich aus redet der Trainer nicht über die Viererkette, und daß er bei diesem Thema etwas kleinlaut ist, liegt wohl vor allem daran, wie es auf die Tagesordnung gelangt ist. Zwar hat die Mannschaft Geyer dazu nicht breitschlagen müssen, aber es war ihre Initiative, ihre Idee, es in der Abwehr mal anders zu versuchen als mit einem Libero. Im November beim Hamburger SV hatten die Cottbuser schon einmal den Libero aufgelöst und nach einem 0:1-Rückstand noch einen wichtigen Punkt geholt. Es klingt ein wenig widersinnig, aber es scheint, als seien die Cottbuser bislang von Geyer nicht richtig gefordert worden, oder zumindest hat Geyer das Falsche gefordert, zuviel Einsatz und Disziplin und zuwenig Eigenverantwortung und Kreativität.“

Werder Bremen – 1860 München 1:2

Die Bremer Torwartdiskussion analysiert Raimund Witkop (FAZ 10.2.). „Vielleicht war es eine Spur übertrieben, wie Thomas Schaaf den Fall zu einer menschlichen Tragödie deutete: Bei Pascal Borel ist schon viel kaputtgemacht worden. Der hat seinen Knacks weg. Der Trainer von Werder Bremen bestritt nicht, daß der junge Torhüter beim 1:1-Ausgleich des TSV München 1860 einen Fehler begangen hatte, als er eine Flanke im Herauslaufen nicht erreichte. Unzweifelhaft auch, daß dies zur Bremer 1:2-Niederlage entscheidend beitrug. Fragwürdig aber und Anlaß für Schaafs dringende Appelle zur Fairneß waren die Konsequenzen: ein unisono höhnendes Stadion, ein zur Apathie versteinerter junger Fußballprofi und ein massives Problem für eine der Bundesliga-Spitzenmannschaften. Das Publikum folgte dem Sündenbock-Mechanismus (…) Wie vor einem Jahr ist der Beginn der Rückrunde gründlich verpatzt, und Leidtragender ist Borel. 24 Jahre ist der Torwart erst alt. Er kam aus Mannheim und diente sich bei den Amateuren von Werder hoch. Am Samstag muß Borel das Gefühl gehabt haben, 34.000 Augenzeugen etwas Schlimmes angetan zu haben. Nach Lauths Tor traute er sich nicht mehr von der Linie, war später nicht ansprechbar und dürfte das Selbstvertrauen, den eigenen Strafraum zum Herrschaftsgebiet zu machen, für unabsehbare Zeit verloren haben. Seine Leistungen über die Saison waren durchwachsen: gute Spiele und einige Fehlgriffe. Schaaf bezeichnet nun die Urteile über Pascal Borel als gnadenlos und maßlos. Dergleichen hat in Bremen Tradition: Es gab eine langdauernde Phase Mitte der neunziger Jahre, als Oliver Reck das Etikett Pannen-Olli nicht los wurde. Und das war eindeutig einer der besten deutschen Torhüter, sagt Schaaf. Manager Klaus Allofs ließ sich beinahe zu einer Publikumsbeschimpfung hinreißen (so etwas können wir überhaupt nicht brauchen) und versuchte die Wahl der Nummer eins zugleich zu entschuldigen: Man müsse in Bremen aus wirtschaftlichen Gründen nun einmal junge Spieler ausbilden, und Pascal ist ein junger, talentierter Torwart. Nebenbei ließ Allofs keinen Zweifel daran, daß zur nächsten Saison ein Neuer gesucht wird: Ein Guter. Die ganze Diskussion hat sicher weniger mit unterlaufenen Flanken als mit verfehlten Zielen zu tun. Nach aller Erfahrung ist ein Platz in der Spitzengruppe der Bundesliga nur mit einem herausragenden Torwart zu erreichen, aber auch nur mit einer realistischen Selbsteinschätzung.“

Gerald Kleffmann (SZ10.2.) kommentiert das Spiel der Gäste. „Das einzig Konstante im Spiel der Löwen war, wie so oft, das Unkonstante. Beispiel Spieleröffnung. Weil Häßler derzeit verletzt fehlt und Weissenberger sowie Daniel Borimirov über die Außenbahnen spielen, fehlt im zentralen Mittelfeld die Anspielstation. Gegen Bremen sah es so aus: Rodrigo Costa schiebt den Ball in der Abwehr zu Tomas Votava, der zurück. Costa stoppt und drischt, ohne zu gucken, wie ein Quarterback beim American Football die Kugel nach vorne (…) Vor allem Borimirov personifiziert die wechselhaften Leistungen der Löwen vorbildlich. Mal wirkte er, wie in Halbzeit eins, überfordert, passiv, langsam, abwesend. Dann, in Halbzeit zwei, überraschte er als gewiefter, trickreicher Passgeber und Torschütze.“

VfL Wolfsburg – Arminia Bielefeld 2:0

Frank Heike (FAZ 10.2.) fühlte sich gut unterhalten. „An diesem Fußballnachmittag vor trauriger Kulisse mußte jeder der 16.000 Zuschauer froh sein, daß die Bundesliga einen Stefan Effenberg hat. Ich, Effe, wie er sein persönliches Tagebuch einmal in der Bild-Zeitung überschrieb, war vollkommen bei sich, als er den Hauptdarsteller der – neben den zwei Treffern – drei auffälligsten Szenen beim 2:0 des VfL Wolfsburg gegen Arminia Bielefeld gab. Zunächst nahm sich Effenberg, ganz Alpha-Männchen, den 170 Zentimeter großen Rüdiger Kauf vor. Er trat und triezte den schmächtigen Mittelfeldrenner der Bielefelder so lange, bis der sich zurückzog und fortan kaum noch am Spiel teilnahm. Doch seine Duftmarken auf dem aufgewühlten Geläuf der Volkswagen-Arena hinterließ der machtbewußte Altstar nicht nur beim Gegner. Als der größte Schlagzeilenproduzent der vergangenen Wochen, der zu den Münchner Bayern wechselnde Wolfsburger Tobias Rau, zu einem Solo über links ansetzte, rannte Effenberg an ihm vorbei, nahm ihm den Ball ab, um selbst den Konter einzuleiten – der wenig später aber steckenblieb, weil Effenberg ausrutschte. Der scheue Teenager Rau muß sich mächtig erschrocken haben, als der Boß von hinten vorbeibrauste – und überließ ihm den Ball lieber stante pede. Den komödiantischen Höhepunkt der Stefan-Show gab es in der 83. Minute. Assistenztrainer Alfons Higl hob die Tafel mit der Nummer zehn in den Wolfsburger Abendhimmel. Er hatte geglaubt zu erkennen, daß Effenberg um seine Auswechslung bat. Doch das war Majestätsbeleidigung. Effenberg gestikulierte wild, rollte mit den Augen, fuchtelte mit den Händen, lief zu Higl und erklärte, was Sache war. Auf keinen Fall wollte er raus. Also holte Trainer Wolfgang Wolf den schmalen Dänen Thomas Rytter vom Feld. Der war nun auch ziemlich überrascht. Aber er stand eben in der Nähe. Auf den Rängen wurde gelacht, und Effenberg bekam Applaus für sein Imponiergehabe.“

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse – Tabellen- Torschützen NZZ

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Wenn Vereinsbosse ihren Trainer entlassen

of Wenn Vereinsbosse ihren Trainer entlassen und in Frage stellen, beurteilt das der Außenstehende wie andere Trennungen im Leben: wie man es macht, man macht es falsch. Haben sie Vertrauen und Rückendeckung ausgedrückt und entlassen den Trainer anschließend, wie beim Hamburger SV, bezichtigt man sie der Lüge. Äußern sie Bedenken und knüpfen das Engagement an Bedingungen, wie bei Hertha BSC Berlin, heißt es: ‚Warum entlasst Ihr ihn nicht sofort?’ Die Beobachter stört nur das moralische Wie – sie fragen nicht nach dem sportlichen Warum.

Bernd Hoffmann und Dieter Hoeneß, die Verantwortlichen aus Hamburg und Berlin, sind in den letzten Tagen von Reportern aller TV-Kanäle in den Schwitzkasten genommen worden. Immerhin, das Gesicht Hoffmanns kennt die Fußball-Nation nun; die SZ rümpft die Nase: „Hoffmann ist ein Marketingmann, ein Verkäufer. Solche Leute wissen in viele Sachverhalte ihre eigene Wahrheit zu interpretieren.“ Die Regeln der sprachlichen Kosmetik kennt und beherrscht der Fachmann: „Wir haben Trainer Kurt Jara freigestellt“, sagte Hoffmann – und meinte: ‚Wir haben Jara gefeuert und auf die Straße gesetzt!’ Auch Hoeneß wird nicht ernst genommen; die Financial Times Deutschland schreibt: „Es werden im deutschen Fußball deutlich zu wenige Ultimaten gestellt. Warum sollte beim Trainer von Hertha BSC Berlin plötzlich falsch sein, was beim Diktator des Irak oder bei den Taliban richtig war? Zwei Siege in Rostock, sonst raus hier: So weiß Huub Stevens wenigstens, woran er ist. Anders als zum Beispiel Kurt Jara, der übler getäuscht wurde als ein Anschlussreisender der Deutschen Bahn. Und hat Stevens jetzt gewonnen oder nicht? Na eben.“ Die taz ist genervt vom Berliner Krisen-Management: „Stevens ist immer noch da, und am Dienstag geht die ganze Scheiße nun in die zweite Runde.“

Radikaldarwinismus der Bundesliga

Gerd Schneider (FAZ 27.10.) fordert von Funktionären und Journalisten mehr Gelassenheit und Souveränität: „Im Krisenfall – und im Fußball von heute wird schon nach zwei oder drei verlorenen Partien nacheinander die Krise ausgerufen – werden die Gesetze des rationellen wie auch ökonomischen Handelns außer Kraft gesetzt. Die Manager und Vorstände der Profiklubs entscheiden aus dem Bauch heraus. Versuch und Irrtum, so nennt die Pädagogik dieses simple, weil zufallsabhängige Handlungskonzept. Das alles ist nicht neu. Neu ist, in welchem Tempo und in welcher Radikalität die sportlichen Führungskräfte ausgetauscht werden. In der aktuellen Saison sind noch nicht einmal ein Drittel aller Spiele absolviert, und schon drei Klubs haben, um deren eigenen schöngefärbten Code zu verwenden, die Notbremse gezogen (…) Bislang nicht gekannte Ausmaße erreichen auch die Intensität und Selbstverständlichkeit, mit denen die Boulevardmedien und Fernsehsender das vermeintliche Scheitern der Trainer inszenieren. Sie erhöhen damit die Attraktivität des Produkts Fußball, und sie erhöhen ihre Auflagen und Quoten. Die Frage, ob und wie die Trainer im Radikaldarwinismus der Bundesliga bestehen und wie sie ihn ertragen, wird mehr und mehr zur schrillen Begleitshow des eigentlichen sportlichen Geschehens. Auch die öffentlich-rechtlichen Sender haben ihre einstige Zurückhaltung längst aufgegeben, sie tragen jetzt hemmungslos zur Überhitzung des Klimas bei. Besonders peinlich wird es, wenn sie, die Profiteure der extremen Bedingungen, dann auch noch die Moralkeule schwingen. Man fragt sich nur, warum Fußballehrer in solchen Fällen den letzten Rest Selbstachtung aufgeben, den man braucht, um das unwürdige Spiel von sich aus zu beenden. Ob es nur am Geld liegt?“

Wolfgang Hettfleisch (FR 27.10.) lässt nicht alles durchgehen: „Der viel zitierte Begriff von den Gesetzen der Branche ist missverständlich. Es sind Gesetze im mechanischen, nicht im juristischen, geschweige denn im ethischen Sinn. Kein Kodex, keine stille Übereinkunft sorgt für ein geregeltes Mindestmaß an Moral und Anstand. Dafür steht für die 36 Wirtschaftsunternehmen der beiden Profiligen zu viel auf dem Spiel. Wenn ein Gesetz herrscht, ist es das der Wildnis. Den Preis dafür zahlen die Trainer, deren Position zwischen den immer kurzatmigeren Interessen der Clubs und der seit Bosman ins Groteske gewachsenen Macht der Topspieler und ihrer Agenten prekär geworden ist. Natürlich genießt im Haifischbecken Fußball-Bundesliga kein Trainer Artenschutz. Darum geht es auch gar nicht. Wohl aber um wechselseitigen Respekt und ein Quantum an Aufrichtigkeit und Rückendeckung, das jeder Angestellte von seinem Arbeitgeber erwarten darf. Einem gewissen Felix Magath war das lange Zeit nicht zuteil geworden.“

Presse-Stimmen zu den Spielen des 10. Spieltags

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Themen: “Fußball in Mannheim – gestrichen!” (FAZ) – zurück zur guten alten SportschauFC Bayern verbietet drei Fanclubs – SZ-Interview mit Rummenigge

„Fußball in Mannheim – gestrichen! Waldhof hat es in die Oberliga verschlagen, der VfR spielt in der Kreisliga“, vermeldet Michael Ashelm (FAZ 3.7.). „Wie an vielen anderen Fußball-Standorten im Lande war man bei Waldhof dem Größenwahn verfallen. Falsche Leute am falschen Platz, keine Kontrolle über die Geldströme. Man hat hier geaast, sagt Regelein. Allein zwanzig Millionen Euro, so Regelein, seien unter dem ehemaligen Präsidenten Wilfried Gaul verwirtschaftet worden. Eine schöne Summe, mit der man viel hätte anfangen können. Doch die Euros landeten in den Taschen von Beratern und Spielern aus ganz Europa, die sich im Vorbeigehen bedienten. Bald 110 Profis holte Trainer Uwe Rapolder in viereinhalb Jahren in die Mannschaft, ein trauriger Rekord. Der glücklose Fußball-Lehrer wurde Ende 2001 entlassen, Gaul zwischenzeitlich wegen Beihilfe zur Untreue in einem Finanzskandal auf Bewährung verurteilt. Die schönen Erinnerungen, als ein Klaus Schlappner mit einer Mannschaft voller Talente in die Bundesliga aufstieg und dort für Furore sorgte, sind verblaßt.. Das war genau vor zwanzig Jahren. Da gab es noch das solide Fundament mit guter Jugendarbeit ohne Verrücktheiten, sagt Gaudino, heute 36 Jahre alt. Später verpaßte der Verein dreimal nur knapp den Wiederaufstieg, mit Trainern wie Klaus Toppmöller oder Uli Stielike. Aber schon der Ausflug in die Regionalliga (von 1997 bis 1999) deutete an, wo die Reise am Ende hingeht. Ganz nach unten. Vielleicht wäre wenigstens ein wenig Mannheimer Tradition im Berufsfußball zu retten gewesen, hätte man sich mit dem Lokalrivalen VfR über eine Fusion geeinigt. Doch die Mannheimer Armenhochzeit platzte im Winter, Fans und Funktionäre zerstritten sich über den neuen Namen, obwohl mit dem Energiedienstleister MVV Energie ein großer Geldgeber für den Neubeginn parat stand. So kicken die Waldhöfer nun in der Oberliga, wenigstens noch besser als der ebenfalls traditionsreiche VfR. Den deutschen Meister von 1949 und Regionalliga-Neunten des vergangenen Jahres hat es ganz heruntergerissen, bis in die Kreisliga. Gehobener Fußball wird in der Region nun woanders gespielt, in den Dörfern drum herum. In Hoffenheim (Regionalliga) mit dem Geld des SAP-Gründers Dietmar Hopp oder im ambitionierten Wald-Michelbach (Oberliga), wo es Gaudino als Managernovize hinverschlagen hat. Die Stadt Mannheim hat auf ihrer Internetseite unter der Rubrik Sportpower made in Mannheim den Fußball schon gestrichen. Selbst die Hoffnung fehlt.“

Das Dilemma der ganzen privaten Ranschmeiße

Im Feuilleton interpretiert Harry Nutt (FR 2.7.) die Rückkehr zur Sportschau. “Das Standbein des Retro ist die Ökonomie, das Spielbein seine Nähe zum Mythischen. Es geht immer um ein nostalgisches Spiel mit dem Eigentlichen. In diesem Sinne hat die Sportschau als Beispiel der gegenwärtigen Konjunktur von Deja-vu-Effekten ihre Stellung als Kultartikel überhaupt erst als Retro-Produkt gewonnen. Fernsehgeschichtlich war es das Aktuelle Sportstudio, das aus dem im Sport unverzeihlichen Zuspätkommen Anerkennungskapital zu schlagen vermochte. Wer nach 22 Uhr noch dabei ist, kennt alle Ergebnisse und erfreut sich am kindlichen Noch mal, das eine anthropologische Konstante im Umgang mit dem Mythos ist. Die Sportschau hingegen war stets ein biederes Produkt. Irgendwie dabei, aber trotzdem knapp danach. Aus dem Geist eines soliden Nachrichtenjournalismus hervor gegangen, ist sie nie im Zeitalter des Glamour angekommen. Heribert Fassbenders berühmte Einleitungsfloskel blieb mit seinem Gruß an die neighbourhood, die in der Poptheorie eine nicht ganz unbedeutende Rolle spielt, ganz dem Lokalfunk verpflichtet. Dass der Bundesliga-Fußball nun in die Sportschau zurück kehrt, mag mit der Erosion der New Economy im Ganzen und den Entwertungsprozessen in den Medien im Besonderen zu tun haben, kulturell bedeutet es eine Rückkehr zum Prinzipiellen. Die Wiederkehr des Sportschau-Fußballs erscheint als verspäteter Triumph eines knorrigen Beharrungsvermögens. Mental ist der Fußball stets ein Sportschau-Produkt geblieben. Darin bestand ja das Dilemma der ganzen privaten Ranschmeiße.“

SZ-Interview mit Karl-Heinz Rummenigge

300 Leute stehen vor den Scherben ihres Lebensinhalts

Aus der SZ (4.7.) erfährt man von harten Münchner Maßnahmen gegenüber drei Fanclubs. „Am 14. Juni erhielt Felix Redetzki Post von seinem Lieblingsverein: „Aufgrund gewisser Vorkommnisse in der Vergangenheit hat der Vorstand der FC Bayern München AG entschieden, Ihnen ab der neuen Saison keine Jahreskarte mehr zuzuteilen.“ Das gleiche Schreiben hatte der FC Bayern an mindestens 200 weitere Anhänger verschickt. Als Redetzki beim Fanbeauftragten Raimond Aumann nachfragte, was mit der Formulierung gemeint sei, teilte ihm Aumann mit: „Sie sind ab sofort nicht mehr Fanclub beim FC Bayern.“ Eine Stunde später standen Redetzkis Red Sharks nicht mehr unter den momentan 2004 offiziellen Fanklubs auf der Bayern-Homepage. In einer Pressemitteilung gab der FCBayern am Donnerstag bekannt, dass der Verein außerdem den Club Nr.12 und die Mitglieder der Gruppierung Schickeria ausgeschlossen hat. Die Maßnahme erfolge in Übereinstimmung mit der Münchner Polizei. Grund für das Vorgehen sei unter anderem „mehrmaliges vereinsschädigendes Verhalten, mehrfache Sachbeschädigung (u.a. gegen den eigenen Mannschaftsbus), massive Drohungen gegen andere Fanklubs und Verantwortliche des FC Bayern“. Gregor Weinreich, der Vorsitzende des Club Nr. 12, beklagt Sippenhaft: „300 Leute stehen vor den Scherben ihres Lebensinhalts.“ Als Auslöser für die Maßnahme des Vereins werden Vorfälle bei der Meisterfeier auf der Leopoldstraße genannt. Die Mitglieder der Red Sharks und des Club Nr. 12 hätten eine Sitzblockade veranstaltet, damit der Autokorso nicht über die Leopoldstraße fahren konnte. Diese Information stammt von der Münchner Polizei, Redetzki schildert den Vorfall so: „Wir haben lediglich in der Hocke Humba, Humba gerufen, um anschließend aufzuspringen und zu singen.“ Dieses Ritual sei in Fankreisen üblich, es habe nur einige Minuten gedauert. Der Autokorso sei noch nicht in Sichtweite gewesen. Die Polizei interpretierte das Verhalten anders (…) Weinreich vermutet einen anderen Grund hinter dem Vorgehen. Der Club Nr. 12 hatte als inoffizielle Dachorganisation verschiedener Fanklubs immer wieder versucht, Einfluss auf die Klubpolitik zu nehmen. Beispielsweise hatte er einen 20 Seiten starken Entwurf für eine andere Verteilung der Auswärtstickets verfasst. Und die Mitglieder der Red Sharks wehrten sich gegen Marketing-Maßnahmen.“

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Uli Hoeneß

Uli Hoeneß im SZ-Interview über die Ambitionen Bayern Münchens und das Verhältnis zu Marcel Reif – wieder Deisler-Schlagzeile: Kritik an Edmund Stoiber für dessen Äußerung – die Stuttgarter Horst Heldt und Philipp Lahm im Portrait – Reiner Calmund übergibt, langsam und leise, den Stab an Ilja Kaenzig – die Achterbahnfahrt Robson Pontes, Bayer Leverkusen – „Doppelmoral“ (SZ) im Doping-Fall Walke – in vielen Sportbüchern regiert die 1. Person Singular – Spiegel-Recherche: viele brasilianische Profis engagieren sich finanziell in ihrer Heimat – was Harald Schmidt und Fußball gemeinsam haben (FAZ) u.v.m.

Vom Niveau Real Madrids sind wir im Moment weit entfernt

SZ-Interview mit Uli Hoeneß

SZ: Herr Hoeneß, das Los hat dem FC Bayern für das Achtelfinale der Champions League Real Madrid beschert. Sind Sie schockiert oder entsetzt?

UH: Weder noch. Wir wussten ja, dass die Chance relativ hoch ist, Real zu bekommen. In der jetzigen Situation ist das ein ganz gutes Los. Das Stadion wird ausverkauft sein, und unsere Mannschaft ist Außenseiter. Für uns ist das ein Ansporn. Das schwebt jetzt acht Wochen lang wie ein Zauber über allen.

SZ: Vor der Saison haben Sie angekündigt, mit Real gleichziehen zu wollen. Hätten Sie besser geschwiegen?

UH: Gleichziehen nicht. Wir wollten sie ärgern. Aber vom Niveau Real Madrids sind wir im Moment weit entfernt, das muss ich zugeben.

SZ : Eigentlich müssten Sie glücklich sein, dass die Partie überhaupt zustande kommt. Wie groß waren Ihre Angstgefühle gegen Ende des Anderlecht-Spiels?

UH: Es war bedenklich. Einerseits haben wir sehr schwach gespielt. Andererseits hat sich gezeigt, dass unsere Mannschaft sehr sensibel ist, wenig nervenstark – das war ja teilweise pure Panik, Angst, dieses Tor zu kriegen. Aber glauben Sie ja nicht, dass da irgendeiner von denen nicht alles gegeben hat. Schlimm genug, aber es ist so: Die haben alles gegeben. Wir müssen jetzt in den beiden letzten Bundesligaspielen noch eine gute Basis schaffen, und dann müssen wir irgendetwas anfangen, damit diese Mannschaft wieder nach vorne kommt.

SZ: Die Unverträglichkeit von Kritik scheint ein verbreitetes Problem zu sein. Dass ein Spieler wie Ballack gegen Ihre Kritik aufbegehrt, ist ungewöhnlich.

UH: Das ist die neue Generation, die Widerworte muss man sich heute gefallen lassen. Ich hab’ mich diese Woche wieder an unseren früheren Trainer Erich Ribbeck erinnert. Da sitzt der Hargreaves bei der Mannschaftssitzung mit der Pudelmütze da. Da hätte der Erich Ribbeck einen Schreikrampf gekriegt.

SZ: Sie selbst haben zuletzt auch empfindlich reagiert – auf Marcel Reifs kritische Kommentierung der Bayern-Spiele bei Premiere. Wollen Sie deswegen tatsächlich einen Boykott verhängen?

UH: Ach was. Ich hab’ nichts gegen Premiere und überhaupt nichts gegen Kritik. Nur beim Reif ist es so: Erstens ist er ein eitler Pfau. Zweitens geht es ihm nur um Trends. Und ich habe einfach was dagegen, wenn sich ein exponierter Kommentator über Wochen und Monate so verhält. (Hoeneß erwartet von Journalisten nun mal Loyalität, Herr Reif! – of)

SZ: Aber auch dieses Detail passt in das Bild eines FC Bayern, der überreagiert und das Maß verliert.

UH: Zu unserer Ehrenrettung muss ich sagen, dass es einfach verdammt schwierig geworden ist. Mit bestimmten Medien ist es ein permanentes Gegeneinander. Da gibt es offensichtlich Leute, die gehen morgens in ihre Redaktion und fragen sich: Was können wir heute Negatives in die Welt setzen? Letztlich habe ich dem Reporter einer Münchner Zeitung gesagt: ,Können Sie mal in ihren Kommentaren 2003 nachlesen, ob Sie einen einzigen positiven Artikel über den FC Bayern geschrieben haben?’ So was macht einen auf Dauer mürbe.

SZ: Hat der FC Bayern, vereinfacht gesagt, auch eine Führungskrise? Sie stehen ziemlich allein da, nachdem Karl-Heinz Rummenigge aus privaten Gründen abgetaucht ist.

UH: Das ist nach Weihnachten keine große Sache mehr, dann wird der Kalle wieder voll da sein. Natürlich: Zuletzt hat man nur geschaut, was bringt diese Illustrierte als Nächstes? Dann muss man mit den Anwälten reden, Gegendarstellung und so weiter. Jeden Morgen, wenn er aus dem Haus geht, stehen da fünf Fotografen. Der Nachbar ist mal im Schlafanzug vor die Tür gekommen – und dann sitzt da, acht Meter über ihm, ein Fotograf im Baum.

Ausgeplaudert, was in der Chefetage des Vereins gemunkelt wird

Elisabeth Schlammerl (FAZ 13.12.) rügt Edmund Stoiber für dessen Äußerung im Fall Deisler: „Die Verantwortlichen beim deutschen Rekordmeister haben sich nicht immer geschickt angestellt und damit auch neue Gerüchte geschürt. Es drängt sich der Eindruck auf, daß sie, wie alle anderen Beteiligten, schlichtweg überfordert sind mit der Situation. Was nun aber Edmund Stoiber passiert ist, das hat damit eigentlich wenig zu tun. Zudem dürfte es dem bayerischen Patienten nicht gerade helfen auf seinem schwierigen Weg aus der Lebenskrise. Ich gehe davon aus, sagte Bayerns Ministerpräsident der Münchner Abendzeitung, daß Sebastian Deisler nie mehr für den FC Bayern spielt. Er sei dem Druck nicht gewachsen. Der umgerechnet 9,5 Millionen Euro teure Spieler ist eines der größten Verlustgeschäfte, die der FC Bayern je gemacht hat. Diese Sätze sind auf einem Weihnachtsempfang der CSU gefallen, und wenn man Stoiber auch zugute halten mag, daß ihm womöglich ein wenig Glühwein in launiger Runde die Zunge gelöst hat, so ist diese Aussage nicht nur unglücklich, sondern schon geschäftsschädigend. Weil er zugleich Vorsitzender des Verwaltungsbeirats des deutschen Meisters ist, muß er sich der Tragweite seiner Worte bewußt sein. Und er braucht sich nicht zu wundern, wenn nun spekuliert wird, daß Stoiber einfach ausgeplaudert habe, was in der Chefetage des Münchner Vereins gemunkelt wird.“

Hättest du dir keine Blöße gegeben

Wolfgang Gärner (SZ 13.12.) schließt sich an: „Allzu breit wurde der Fall auf dem Boulevard getreten, endlich ergab sich so was wie ein Konsens zur Beruhigung – da goss der Chef aller Bayern persönlich Öl ins Feuer. Si tacuisses, hättest du dir keine Blöße gegeben: Franz Josef Strauß kannte seinen Anicius Boethius wohl (scherte sich bloß nichts drum), sein politischer Ziehsohn scheint in Latein schwächer. Dass er damit in der siebten Klasse am Rosenheimer Gymnasium ein Problem hatte, ist ihm nicht nachzutragen, wohl aber leichtfertiges Schwadronieren über eine Krankengeschichte. Dass die Angelegenheit prompt auf die parteipolitische Bühne gezerrt wird, wirkt eher peinlich. Stoiber gebühre der Preis für das herzloseste Weihnachtsgeschenk; er offenbare ein erschreckendes Menschenbild, bei dem anscheinend nur zählt, was sich in Euro und Cent rechnet, empört sich in einer Presseaussendung Theresa Schopper, Landesvorsitzende von Bayerns Grünen. Des Landes oberster Sozialdemokrat Franz Maget musste sich erst öffentlich über das Ende der Harald Schmidt Show empören, ehe auch er im Fall Deisler aktiv wurde: So etwas tut man nicht, teilte er dem Oberhaupt der 60-Prozent-Partei mit.“

Reflexe der politischen Gegner

Andreas Lesch (BLZ 13.12.) sieht das ähnlich: „Warum sagt ein Mann solche Sätze? Ausgerechnet ein Politiker, der sich seit Wochen als soziales Gewissen der Republik inszeniert? Egal, was Edmund Stoiber getrieben hat – seine Worte reichten aus, um die Reflexe seiner politischen Gegner zu testen: Sie funktionieren hervorragend. Die Grünen-Politikerin Theresa Schopper rügte prompt Stoibers erschreckendes Menschenbild, Franz Maget von der bayerischen SPD wollte da nicht nachstehen. Er bescheinigte Stoiber berechnende Kälte. Was hier läuft, ist das übliche politische Spielchen: Einer sagt etwas, die anderen reagieren. Wenn es um Sport geht, läuft das Spielchen erst recht wie geschmiert. Politiker versuchen gern, sich auf diesem Gebiet zu profilieren. Weil sie wissen, dass der moderne Hochleistungssport, diese Fernsehdisziplin, die Massen erreicht ist – und weil sie hoffen, in seinem Umfeld volksnah zu wirken.“

Eine der Symbolfiguren für den schwäbischen Aufschwung

Christian Zaschke (SZ 13.12.) porträtiert Horst Heldt, VfB Stuttgart: „Horst Heldt grinst ziemlich viel im Moment, weil er eine ziemlich gute Geschichte zu erzählen hat. Im vergangenen Winter saß Heldt in Österreich, angestellt bei Sturm Graz. 2001 ist er runtergegangen, damals mit dem Gedanken, „sich noch ein, zwei vielleicht sogar drei schöne Jahre zu machen“. Am Anfang war es noch so ein bisschen schön, 25 Einsätze, davon 19 als Einwechselspieler. Dann wurde es schnell weniger schön, Heldt saß auf der Bank, und als er im Sommer 2002 prüfte, ob er nicht doch nach Deutschland zurückkehren könnte, wurde es geradezu hässlich: „Es gab null Anfragen, schon gar keine aus der ersten Liga“, sagt Heldt. Er grinst dabei, weil er das gute Ende der Geschichte kennt. Da ist nichts zu sehen vom nochmaligen Durchleiden der Zeit beim Erzählen oder so etwas. Horst Heldt macht diese Geschichte Spaß. Also, Winter in Graz: „Ich habe mit Felix Magath immer Kontakt gehalten seit unserer gemeinsamen Zeit in Frankfurt (1999 – 2001). Unter ihm habe ich meinen besten Fußball gespielt, dem Mann habe ich viel zu verdanken. Also habe ich mich ab und zu gemeldet und habe ihm erzählt, welche Probleme ich habe, einen Verein zu finden. Ich hatte im Winter zwei Anfragen aus der zweiten Liga, und der Trainer hat überlegt und gesagt: ,Wir können nichts machen, wir haben kein Geld, wir können nichts bezahlen‘, das war natürlich ein Problem, aber dann hat der Trainer nochmal mit dem Präsidenten gesprochen, dann kam der Anruf. Am nächsten Tag sollte ich in Stuttgart sein, um am Tag danach gleich mit ins Trainingslager zu fahren. Ich habe dann einen Eineinhalbjahres-Vertrag bekommen, um mal zu sehen, wie’s läuft, und das ist jetzt dabei herausgekommen.“ Jetzt organisiert Horst Heldt gemeinsam mit Aliaksandr Hleb das Stuttgarter Mittelfeld und ist eine der vielen Symbolfiguren für den schwäbischen Aufschwung.“

Rainer Seele (FAZ 13.12.) stellt uns Philipp Lahm, VfB Stuttgart, vor: „Er hätte einen Staatsmann nennen können oder einen seiner berühmten Berufskollegen; Ronaldo beispielsweise oder Zinedine Zidane. Man hätte wohl auch dafür Verständnis aufgebracht. Aber Philipp Lahm, 20 Jahre alt, beantwortete vor einiger Zeit die Frage, wer die wichtigste Person der Zeitgeschichte für ihn sei, mit: Jesus. Das mag man als bemerkenswert einstufen, als Indiz dafür, daß die Gedanken des jungen Mannes nicht allein um das Areal kreisen, das für ihn zum Zentrum seines Lebens geworden ist. Lahm als frühreif zu bezeichnen ist nicht allzu weit hergeholt. Das hat jedoch in erster Linie mit dem Eindruck zu tun, den er als Fußballprofi vermittelt. Wenn von den Emporkömmlingen des VfB Stuttgart die Rede ist, von den jugendlichen Protagonisten aus dem Schwabenland, werden zuallererst Kevin Kuranyi oder Andreas Hinkel erwähnt. Doch bald danach folgt schon Lahm, der im Sauseschritt vorangekommen ist im ablaufenden Jahr.“

Prototyp des Fußball-Managers der jüngeren Generation

Daniel Theweleit (BLZ 13.12.) beschreibt Reiner Calmunds langsamen und leisen Ausstieg sowie den Leverkusener Stabwechsel an Ilja Kaenzig: „Seit Saisonbeginn taucht der Mann immer seltener vor den Mikrofonen und Fernsehkameras auf, ein erster Schritt. Der Klassenerhalt in der vorigen Saison und die Erfolge des laufenden Jahres sind wohl so etwas wie die Vollendung seiner Mission beim Werksklub. Wir haben in den vergangenen Jahren das Plastik-Image abgestoßen, wir sind ein familiärer Klub, der hochmodern strukturiert ist. Wir gehören zur G14, zu den wichtigsten Klubs Europas, sagt er und klingt, als müsse er den Klub immer noch gegen den Vorwurf verteidigen, eine gesichtslose Betriebself zu sein. Calmund, 55, ist ein Kämpfer für das Bayer-Image, aber in der letzten Saison hat er gemerkt, dass der Stress seiner Gesundheit enorm abträglich ist. Das steckt in den Knochen, erzählt er, und mit einem Hauch Melancholie fügt er an: Ilja Kaenzig hat einen großen Vorteil mir gegenüber: die Zukunft. Die habe ich leider nicht mehr. Kaenzig ist sein designierter Nachfolger. Wir bauen da einen Kronprinzen auf, sagt Calmund. Er schwärmt von dem 30-jährigen Schweizer, der seit 1998 in Leverkusen arbeitet. Er spricht vier Sprachen, ist fest installiert in der G14, und er macht das Scouting. Der kann Fifa-Präsident werden, verkündet der Mentor. Tatsächlich gilt Kaenzig als Fußballwunderkind. Mit 22 versuchte er sich als Spielervermittler und bot Erich Vogel, damals Sportdirektor bei Grasshoppers Zürich, ein paar Akteure an. Die wollte Vogel nicht, aber angetan von der innovativen Präsentation bot er Kaenzig einen Job an. Vier Jahre später holte Calmund den Betriebswirt als Nachfolger von Andreas Rettig an seine Seite. Dort reifte der Schweizer zum Prototypen des Fußball-Managers der jüngeren Generation.“

Christoph Biermann (SZ 13.12.) befasst sich mit der Achterbahnkarriere Robson Pontes, Bayer Leverkusen: „Gezaubert, getrickst und den Ball auf fast nicht mehr nachvollziehbare Weise befehligt hat Robson Ponte von Beginn an. Wirklicher Applaus eingestellt hat sich erst in den letzten Monaten und eine letztlich typische Geschichte damit noch ihre glückliche Wendung gefunden. „Jetzt weiß ich, dass ich die einfachen Bälle spielen muss“, sagt der 27 Jahre alte Brasilianer, der die schwierigen sowieso beherrscht. Er weiß auch, dass er verlorenen Bälle nachzujagen hat. Robson Ponte hat das in mehr als vier für ihn schweren Jahren gelernt, auch wenn niemand mehr so richtig daran geglaubt hatte (…) Lobeshymnen für den Künstler des Dribblings gab es schon nach seinem ersten Bundesligaspiel im August 1999 mit Bayer Leverkusen beim MSV Duisburg. Doch es war der Beginn eines langen Umweges, wie sich bald erwies. Als Ponte Wochen später im Heimspiel gegen den SSV Ulm einen höchst komplizierten Trick vorführte (Flanke mit dem rechten Fuß, der um das linke Standbein herum geführt wird), war Christoph Daum außer sich. Die kulturellen Missverständnisse zwischen Ponte und Bayer häuften sich. Mit Ulf Kirsten gab es auf dem Platz fast Handgreiflichkeiten, weil Ponte zu eigensinnig spielte. Der Brasilianer vergaß den defensiven Part seiner Arbeit und war daher oft nur Einwechselspieler. „Das fand ich ungerecht und war nervös, wenn ich auf den Platz kam“, sagt Ponte. Im Dezember 2000 wurde er für einen Kopfstoß gegen Jens Jeremies (FC Bayern) gesperrt und Anfang des folgenden Jahres für einen Ellbogenschlag gegen Bruno Akrapovic (Energie Cottbus). Acht Wochen Sperre musste er insgesamt absitzen – ein weiterer Brasilianer schien in Europa zu stranden. „Es zeigt einen starken Willen, wenn man in dieser Situation von Leverkusen gerade nach Wolfsburg wechselt“, sagt Ilja Kaenzig. Dort gibt es keine brasilianische Community, weder in der Mannschaft noch in der Stadt, und kaum Ablenkung. Ponte hätte es in Südeuropa oder Brasilien leichter gehabt, als sich 2001 zum VfL Wolfsburg ausleihen zu lassen.“

Doppelmoral

Jörg Marwedel (SZ 13.12.) kommentiert den Doping-Fall Walke: „Was am Fall Walke auffällt, ist die Doppelmoral, die im Fußball mindestens so zu Hause ist wie in der gesamten Gesellschaft. Die Droge Alkohol bleibt bei der Betrachtung schädlicher Einflüsse oft ausgeklammert. Bilder vom DFB-Präsidenten Gerhard Mayer-Vorfelder mit Wein- oder Bierglas gibt es zuhauf. Und auch Oliver Kahn, von vielen als Vorbild und Übervater aller Spitzenfußballer gefeiert, führt längst öffentlich vor, dass Trinken, Rauchen und ein ausgiebiges Nachtleben zum Abbau der von ihm beklagten „unglaublichen Spannungen“ quasi unverzichtbar seien. Also wird vorerst weiter mit zweierlei Maß gemessen – auch, weil Alkohol nicht wie Cannabis auf der Dopingliste steht.“

FR: Bachirou Salou kickt jetzt in der Landesliga

Jens Glüsing (Spiegel8.12.) recherchiert das finanzielle Engagement vieler brasilianischer Profis in ihrer Heimat: „In der Bundesliga sind sie die umjubelten Stars, in ihrer brasilianischen Heimat sind sie die verehrten Wohltäter. Häufig aus ärmlichen Verhältnissen stammend, versorgen Profikicker wie Ailton oft die ganze Sippe – so mancher Ort sähe anders aus ohne das Geld aus Europa. Ailton-Land beginnt am Ortseingang von Mogeiro, seiner Geburtsstadt im trockenen Herzen des brasilianischen Nordostens. Rechts machen Bulldozer ein paar Hütten platt, dort lässt der Fußballprofi von Werder Bremen eine Tankstelle mit Kaufladen errichten. Nebenan weiden sechs Reitpferde vor einer Stallanlage, das ist sein Gestüt. 100 Meter weiter mauern und hämmern rund 30 Arbeiter an einer weiß umzäunten Arena nebst Konzertbühne. Am 27. Dezember soll es so weit sein: Dann eröffnet der treffsicherste Stürmer der Bundesliga seine eigene Vaquejada, wie das Bauern-Rodeo in dieser Region genannt wird. Ailton Gonçalves da Silva, 30, eines von acht Kindern des bettelarmen Landarbeiters Pedro Cruz, ist der heimliche Herr über Mogeiro. Er ist ein Segen für die Stadt, sagt sein Schwager Aurelio José Ferreira. Und ein Segen für die Familie, aber das versteht sich eigentlich von selbst: Keiner der Brasilianer, die im fernen Deutschland kicken, lässt seine Verwandtschaft in der Heimat darben. Brasilianer sind Familienmenschen. Das gilt erst recht für die hoch bezahlten Fußballstars, die häufig aus armen Verhältnissen stammen. Aus den kinderreichen Clans der Ailtons, Dedes und Marcelinhos ließen sich mühelos mehrere Fußballmannschaften rekrutieren. Doch da zumeist nur einem der Sprung in die gelobten Länder Europas gelingt, lastet auf dem das Wohl der ganzen Sippe. Allein in der obersten deutschen Spielklasse sind 24 Brasilianer beschäftigt, in Italien und Spanien sind es nicht weniger. Eine Spitzenkraft wie Torjäger Ailton wird nach seinem Wechsel zu Schalke 04 im kommenden Sommer rund vier Millionen Euro pro Jahr verdienen (…)Die Eskapaden, mit denen Brasilianer wie Ailton so manchen deutschen Vereinsmanager an den Rand der Verzweiflung treiben – die eigenmächtig verlängerten Heimaturlaube, der verquere Stolz, die Empfindlichkeit bei Kritik –, kann leichter nachvollziehen, wer um ihre Herkunft weiß. Schon als Sechsjähriger zog Ailton mit dem Vater über die Felder, um Maniok anzubauen oder Bohnen zu ernten. Abends kickte er mit Freunden neben der elterlichen Hütte. Irgendwann wurde ein Olheiro auf den Jungen aufmerksam, wie die Scouts der Profivereine genannt werden. Ein kleiner Club im Bundesstaat São Paulo nahm ihn unter Vertrag, der mühsame Aufstieg zum Berufsfußballer begann. Der bullige Stürmer war in seiner Heimat nie ein Star. Jahrelang rackerte er sich bei Provinzvereinen ab. Kreuz und quer zog er durchs Land, ein Handlungsreisender in Sachen Fußball. Als er für Guarani im Süden spielte, erhielt er das erste Angebot aus dem Ausland. Knapp ein Jahr kickte er in Mexiko, bis Werder Bremen ihn 1998 nach Deutschland holte. Als er vor ein paar Wochen seinen Wechsel zum FC Schalke ankündigte, weil der besser zahlt, wurde Ailtons Art, Prioritäten zu setzen, nicht nur in der Hansestadt heiß diskutiert. Ich muss an meine Familie denken, entgegnet er Kritikern, die ihn als Söldner bezeichnen.“

Ich! Mir! Meiner! Mich!

René Hofmann (SZ 13.12.) hat viele neue Sportbücher gelesen und beklagt die Häufung der 1. Person Singular: „Früher wurden viele Bücher über den Sport geschrieben, inzwischen schreiben viele Sportler Bücher. Es ist ein Trend, der darin wurzelt, dass Fernsehen und Internet kaum noch Bilder und Geschichten übrig lassen, die es sich lohnt, Monate später zwischen Buchdeckel zu pressen. Aber prominente Namen verkaufen sich. Je prominenter, desto besser (…) Ich! Mir! Meiner! Mich! So schreit es in den meisten Werken von jeder Seite. Bereitwillig wird Persönliches feilgeboten. Das ist amüsant, wenn Uwe Seeler berichtet, als Kind so in Knackwürste verliebt gewesen zu sein, dass er Schlachter werden wollte. Das ist ergreifend, wenn Frank Busemann beschreibt, wie er von dem Ermüdungsbruch erfuhr, der seinen Start bei den Olympischen Spielen in Sydney gefährdete: „Die Diagnose glich einem Todesurteil. Ein Traum starb mir unter den Händen weg. Der Gedanke an den Tod meines Traums war ein Stück Tod meines Herzens. Ein Stück von mir. Der Sinn des Lebens wurde mir genommen. Alles, wofür ich lebte – zerstört. Mein Körper nahm mir meine Seele. Alles weg. Alles vorbei.“ Penetrant wird das Persönliche, wenn sich Stefan Effenberg auslässt, wen er wann „geplättet“ hat und Becker übers Bettspiel sinniert: „Es mag vielleicht spannend sein, wenn die Frau für eine oder zwei Nächte die Lehrerin ist, ich glaube aber, umgekehrt sind die Zukunftsaussichten für die Beziehung besser.“ Zwei Kinder schreiben da. Kinder ihrer Zeit. Einer Epoche, in der das Handy die Welt eroberte, in der Telefonate plötzlich öffentlich wurden, in der sich der Terror des Privaten Bann brach. Die Erkenntnis hat etwas Tröstliches: Auch Sportler sind nur Menschen. Ihre Lebensläufe bieten viel Langeweile, einige spannende Momente, aber wenig wirklich Dramatisches.“

Erklärungsmuster für alle Lebensbereiche

Christian Eichler (FAZ 13.12.) wird – wie auch ich – Harald Schmidt vermissen: „Lieber Harald Schmidt, jetzt schlagen Sie an Ihrem freien Tag nichtsahnend diesen scheinbar schmidtfreien Teil der Zeitung auf. Und nun das! Aber keine Angst, das wird kein Nachruf. Wozu auch, waren ja genug. Nein, das wird ein Erpresserbrief. Wir wollen hier ganz deutlich sagen, daß das so nicht geht: einfach abhauen, nur weil man einen neuen Chef bekommt. Wenn das Schule macht, können wir neben der Harald-Schmidt-Show auch die Fußballbundesliga einpacken. Und was bleibt dann? Kerner und Curling? (…) Was droht ohne Schmidt? Der Fußball wäre dann der einzige Halt, der letzte Hort, wo man noch lustig lernen darf, wie das Leben so läuft. Das könnte den Fußball aber schnell überfordern. Und was dann? In unübersichtlichen Zeiten bot er uns wie sonst nur die Schmidt-Show Erklärungsmuster für alle Lebensbereiche. Vom Fußball fürs Leben lernen, fürs politische etwa. Nehmen wir nur den demonstrativen, immer mehr zunehmenden Solo-Jubel. Kein Blick für den Mitspieler im Augenblick des Triumphes, beide Daumen des Torschützen zum Rücken zeigend, dorthin, wo groß lesbar der Name steht: Diese Form der Selbsterhöhung, wenngleich in etwas subtilerer Ausarbeitung, ist längst auch eine Standardsituation des politischen Lebens. Dort bastelt man sie aus Rhetorik und Staatssymbolik, aus Applaus- und Mediensteuerung etwas kunstvoller zusammen. Doch letztlich mit derselben Botschaft, demselben Resultat auf der politischen Bühne wie auf dem Platz: Seht her, ich war’s, ich habe den Ball reingedrückt / die Reform durchgedrückt. Im Medienzeitalter zählt das Tor, nicht die Torvorlage, zählt der öffentliche Akt, nicht die Aktenvorlage. Wer den Spielball zuvor geschickt durch Abwehrreihen und Ausschüsse befördert hat, ehe er ihn zur Endverwertung weitergab, ist als Medienfigur uninteressant, abseits.“

Sehr interessant

Zum Abschluss Peter Lückemeier (FAS 7.12.): „Der britische Po-Forscher Professor John Manning hat nach den Angaben von Neue Revue Tausende Fotos von Frauenhinterteilen verglichen und vermessen. Sein Ergebnis: Taillenumfang geteilt durch Hüftumfang sollte 0,7 ergeben, das ist der perfekte Po-Index. Wir wissen wenig über den Po von Marianna, der dritten Ehefrau des Lothar Matthäus. Sie ist 32, Boutiquenbesitzerin, Serbin und sieht nett aus. Der Lodda, der sonst in Interviews jeden Satz mit Ja, okay beginnt, erklärt in Neue Revue schnörkellos die Entstehungsgeschichte seiner Liebe: Sie stand vor einem Lokal. Mich traf der Blitz. Außerdem gibt er an, sich mit ihr auf englisch zu verständigen. Ja, okay, aber da müssen dann doch seltsame Dialoge zustande kommen, denn als Lodda sich damals bei den New Yorker Metro Stars vorstellte, sprach er auf seine weltläufige Art: I come next year for play soccer and I hope we have a little bit lucky. Hoffentlich hat er Glück mit dieser Ehe, diese gutaussehenden Prominenten sind schon großen Anfechtungen durch promisüchtige Frauen ausgesetzt. Sehr zu denken gab uns auch, was die Effenberg-Gefährtin Claudia Strunz in Frau im Spiegel über die Sitten im Bundesliga-Umfeld verrät: Fragen Sie doch mal die Fußballerfrauen, was sie Freitag abends machen, wenn ihre Männer schon im Trainingslager sind. Und warum sie am Tag darauf im Stadion immer eine dunkle Sonnenbrille tragen. Sehr interessant.“

Wir bitten um eine Spende für die freistoss-Kasse, und empfehlen Sie uns. Vielen Dank!BankverbindungDeutsche Bundesbank (Filiale Gießen)BLZ: 513 000 00Nr.: 513 015 03Empfänger: indirekter-freistoss – Projekt-Nr. 6000 0208

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