indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

Ballschrank

2:1-Erfolg des FC Liverpool über den Stadtrivalen FC Everton

Martin Pütter (NZZaS 20.4.) liefert Hintergründe zum 2:1-Erfolg des FC Liverpool über den Stadtrivalen FC Everton. „Im Vergleich mit anderen Rivalenspielen zeichnet sich das Liverpooler Derby durch eine angenehme Besonderheit aus: „Es besteht keine religiöse, politische oder geographische Trennung. Die Rivalität geht oft mitten durch die Familien“, erklärt Evertons Torhüterlegende Neville Southall. 30 Liverpooler Derbys hat der ehemalige Nationalspieler von Wales gespielt, mehr als jeder andere Everton-Spieler vor und nach ihm. Dass in einer Familie etwa Grossmutter und Töchter Liverpool-Fans sind, während Mutter und Söhne Everton unterstützen, scheint sich in einer guten Kontrolle der lokal-chauvinistischen Wallungen auszuzahlen: Die Liverpooler Derbys blieben von Ausschreitungen weitgehend verschont. “Es ist immer noch das freundliche Derby”, erklärt Southall. „Am Ende wollen alle Freunde bleiben.““

Wie ein gereizter Stier

Peter Hartmann (NZZaS 20.4.) berichtet den 2:1-Sieg Inters in Brescia. “Inter gewann zwar in Brescia in der 93.Minute, beendete das Spiel aber mit schweren Verlusten: Vieri und Christian Zanetti werden nach ihrem Ausschluss in den nächsten zwei Runden fehlen. Als der Argentinier Hernan Crespo das einzige Tor schoss, kämpften nur noch neun Mailänder Spieler im Stadio Rigamonti. Trainer Cuper hatte geplant, seine besten Stürmer Vieri und Crespo im Hinblick auf den Champions-League-Viertelfinal in Valencia möglichst lange zu schonen, wechselte aber nach der Pause Vieri für den zahnlosen alten Löwen Batistuta ein. Bereits in der 34. Minute hatte Schiedsrichter Farina dem Mittelfeld-Haudegen Zanetti nach einem Foul die gelbe und anschliessend wegen Reklamierens die rote Karte gezeigt. Vieri, der vor einer Woche im Derby schon dem Milan-Verteidiger Maldini ungestraft die Nase zertrümmert hatte, trat wie ein gereizter Stier auf. In der 63. Minute rissen er und der Brescia-Stopper Bilica sich gegenseitig das Trikot vom Leib, Bilica blieb liegen, Vieri überlief ihn wie eine Fussmatte, das war für beide das Aus.“

Gewinnspiel für Experten

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Remis im Franken-Derby – Portrait Bettina Wiegmann u.a.

Wie Teddybären im Kinderzimmer

Volker Kreisl (SZ 24.9.) berichtet das Remis im Franken-Derby: „Wolfgang Wolf, der Trainer der traditionell sanftmütig spielenden Nürnberger Fußballer, hatte an die Bedeutung dieses 250. Frankenderbys erinnert, hatte den Gegner irritiert, indem er die Genesung seines neuen Stürmers Oktay vortäuschte, hatte die Stimmung vor dem Derby als zu kuschelig abgetan („Die laufen noch Hand in Hand auf“), seine Spieler zum ausgiebigen Grätschen aufgefordert und während der Partie hektisch mit dem rechten Zeigefinger auf die linke Faust getrommelt: Ran an den Gegner! Seine Spieler hatten es versucht, hatten auch packenden Fußball geboten. Doch dann brachen die letzten fünf Spielminuten an, und die Nürnberger offenbarten wieder ihre Harmlosigkeit. Sie kassierten den Ausgleich und blieben verstreut auf dem Rücken liegen, wie Teddybären im Kinderzimmer. 1:1 endete das Derby zwischen dem 1. FC Nürnberg und der SpVgg Greuther Fürth, und für den Club war es wie eine Niederlage. Er gilt als aussichtsreicher Aufstiegskandidat, doch nun gerät die Mannschaft allmählich unter Druck. Wolfgang Wolf hat das Team erneuert, das Spiel über die Flügel verstärkt und mit dem polnischen Nationalspieler Mariusz Kukielka einen konsequenten Verteidiger in die Viererkette gestellt. Mit Rafael Schäfer steht ein ehrgeiziger junger Torwart zwischen den Pfosten, mit Marek Mintal und Robert Vittek soll die Offensive neuen Schwung erhalten. Das sind einzelne Spieler, das Gesicht der Mannschaft ist das alte: blass, zurückgezogen, zaghaft. Das Team spielt bisweilen ansehnlich, lässt sich aber schnell entmutigen (…) Die neue Nürnberger Mannschaft pendelt zwischen den Extremen, sie kombiniert manchmal sehr schnell und spielt dann wieder behäbig; sie kann in eine Richtung stürmen, aber nicht rechtzeitig bremsen; sie setzt eine Taktik entweder gründlich um oder gar nicht.“

„Der DFB bedient sich der Sportwissenschaft, um Hochbegabte herauszufiltern“ FR

Das Showelement liegt ihr nicht

Kathrin Steinbichler (SZ 24.9.) porträtiert Bettina Wiegmann, die heute ihr 150. Länderspiel bestreiten wird: „Für den WM-Titel, den ersten für Deutschlands Fußballfrauen, würde Wiegmann jeden persönlichen Erfolg aufgeben. Und davon gibt es genug. Die 31-jährige Euskirchenerin ist vierfache Europameisterin, WM-Zweite, gewann die olympische Bronzemedaille und mit ihrem Heimatklub Brauweiler bei Köln die Deutsche Meisterschaft und den DFB-Pokal. Wiegmann gilt als eine der besten Mittelfeldspielerinnen der Welt, wurde deshalb von den Verantwortlichen der inzwischen eingestellten US-Profiliga im Gründungsjahr 2001 mit Zimmerkollegin Maren Meinert zu den Boston Breakers geholt und gab dafür ihre Stelle als Kommunikationselektronikerin auf. Doch das Showelement, das in den USA über allem stand, liegt ihr nicht. Sie genoss es, dort „als Sportlerin ernst genommen zu werden“, sagt Wiegmann, „die Zeit in den USA hat mir persönlich viel gebracht. Ich habe dazugelernt, mich verbessert – auf und außerhalb des Platzes“. Bundestrainerin Tina Theune-Meyer ist es gar nicht recht, dass Wiegmann nach der WM zurücktreten wird: „Bettina ist eine komplette Spielerin ohne Schwächen, die absolute Führungsspielerin, der Kopf der Mannschaft und meine effektivste Spielerin.“ Fünfzig Mal hat Wiegmann für Deutschland getroffen, ihre vielen Vorlagen zählt schon lange niemand mehr. Dazu führt die Mittelfeldspielerin die Nationalmannschaft mit Prinzipien und Bescheidenheit. „Keine in der Mannschaft kann unterschiedliche Typen so zusammenführen und Konflikte lösen wie Bettina“, sagt DFB-Vizepräsident und Delegationsleiter Engelbert Nelle.“

Stehst du auf Frauen? Stehst du auf Männer?

FAS-Interview mit Steffi Jones

FAS: Sie sind eine der wenigen Spielerinnen, die öffentlich wahrgenommen werden.

JS:Ich sage immer zu allem ja. Wenn mich einer in Stuttgart anruft und fragt, ob ich schnell mal in die Sendung komme, gehe ich. Es geht ja nicht um mich, sondern um den Frauenfußball. Den wollen wir doch alle weiterbringen. Da verstehe ich manchmal nicht diese Einstellung, keine Lust darauf zu haben.

FAS: Wären Sie gerne noch populärer?

JS: Ich bin mit dem zufrieden. Ich habe schon viel erreicht, obwohl ich eine typische Mannschaftsspielerin bin und keine Tore schieße. Ich arbeite und trage zum Erfolg bei. Ich bin eigentlich nur durch meine Offenheit und meine Autogrammgeberei bekannt geworden. Nach den Länderspielen bin ich die letzte, die duschen geht. Ich will mich nicht bei den Fans einschleimen, sondern glaube, daß sich das gehört. Ich finde es traurig, wenn ein kleines Mädchen kein Autogramm bekommt.

FAS: Wie sähe denn die perfekte Spielerin für eine erfolgreiche Vermarktungsstrategie aus?

JS:Eine Spielerin muß raus und sich zeigen. In den USA mußte jede von uns einmal in der Woche raus – in eine Schule und zur Autogrammstunde. Der Einsatz wird belohnt, das kommt alles positiv zurück. Hier gibt es nur den Neid über die wenigen Spielerinnen, die öfters einmal in der Öffentlichkeit auftauchen.

FAS: Welche Rolle spielt das Aussehen einer Spielerin bei der Vermarktung?

JS: Gut aussehen ist wichtig. Ausstrahlung, gut ausdrücken können, mehr lächeln, nicht immer grimmig und negativ sein, Leistung bringen.

FAS: Und auch mal ausziehen?

JS: Wenn man sich nackt zeigen kann, wäre es spannend, das einmal zu machen. Ich wäre keine, die es nie machen würde. Das muß natürlich sportlich nett rüberkommen. Aber den Frauenfußball bringe ich damit nicht voran.

FAS: Es gibt ein anderes Thema, das den Frauenfußball immer begleitet.

JS: Welches? Daß manche so männlich aussehen?

FAS: Das Thema Homosexualität.

JS: Das ist schon viel besser geworden. Als ich in der Nationalmannschaft anfing, hat jeder gefragt: Stehst du auf Frauen? Stehst du auf Männer? Heute ist das kein Thema mehr. Außerdem: Man wird keine Spielerin finden, die sich outet.

FAS: Außerhalb des Sports gibt es da weniger Zurückhaltung, wie man am Outing in der Politik oder im Showbusiness sieht. Warum ist das bei Sportlern oder Sportlerinnen anders?

JS: Bei den Spielerinnen – und das wird bei Spielern nicht anders sein – besteht die Angst, daß sie dann nicht mehr nominiert werden, keine Sponsoren mehr finden oder später Trainerlizenzen nicht erhalten. Das ist auch heute noch ein Tabu-Thema. Und ich finde es schön, daß ich mich nicht dazu äußern muß, wie viele in meiner Mannschaft lesbisch sind. Das geht niemandem etwas an, es geht hier um unser Privatleben.

Peter Burghardt (SZ 24.9.) blättert in der Chronik: „Der Mythos traf am 23. September 1953 ein, mit dem Zug aus Barcelona. Di Stefano hatte eigentlich dort unterschreiben sollen, deshalb war er aus Buenos Aires nach Spanien gereist, ehe sich der damalige Real-Patron Santiago Bernabeu von seinem vormaligen Arbeitgeber Millionarios Bogota die Rechte sicherte. Der Streit zwischen den Erzrivalen Barca und Madrid wurde später nur noch durch Luís Figos Fahnenflucht übertroffen. Am Abend des 23. September bestritt der Argentinier, damals 27 Jahre alt und „Blonder Pfeil“ gerufen, ein Testspiel und schoss ein Tor, obwohl er monatelang nicht trainiert hatte. Dann begann die große Serie. 1954 gewann Real Madrid zum ersten Mal seit Ende des Bürgerkriegs wieder den spanischen Titel und bis zu seinem Abschied 1964 noch sieben weitere. Von 1956 bis 1960 kamen fünf Europapokale und ein Weltcup dazu, Di Stefano schoss in 510 Spielen 418 Tore, wurde fünfmal Torschützenkönig und zweimal Europas Spieler des Jahres, später trainierte er Madrid und Valencia. Sein Beitrag widerspricht der These, Spaniens Diktator Franco habe seiner Lieblingsmannschaft das Siegen verordnet, denn vor Di Stefanos Ankunft war der Generalissimo schon 14 Jahre im Amt und Real Madrid mäßig erfolgreich gewesen. Den Aufstieg zum Marktführer begründete Di Stefano.“

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„Ist das noch gerecht?“

„Ist das noch gerecht?“ fragt Michael Horeni (FAZ 25.01.) bezüglich der Millionengehälter der Fußballprofis. „Mit, wie sie glauben, guten wirtschaftspolitischen Argumenten“ bejahen diese die Frage, ob eine Entlohnung zu vertreten sei, die gelegentlich das Hundertfache eines Durchschnittsgehalts (ca 2.000 ) übersteigt. Der Markt regle nun mal das Einkommen, laute das „Lieblingsargument“ der Befürworter, womit man sich auf liberale Wirtschaftstheorien zu berufen glaubt. Darüber hinaus legitimierten öffentliches Interesse und Präsenz in Medien und Gesellschaft die hohen Ansprüche der Stars. Nationaltorhüter Oliver Kahn wird mit den Worten zitiert: „Bei den heutigen Anforderungen an Spieler von Topklubs und dem permanenten Erfolgs- und Leistungsdruck kann ich für mich nur sagen, dass ich jeden Pfennig, den ich verdiene, absolut gerechtfertigt verdiene.“ Er betrachtet es als einen Rückfall „in tiefste kommunistische Zeiten“, sollte man Spielergehälter regulieren – und damit redimensionieren – wollen, wie es zB DFB-Präsident Mayer-Vorfelder kürzlich vorschlug. Horeni hingegen hält die angeführten Kriterien allenfalls für „pragmatische Begründungen“, die aber „mit Gerechtigkeit philosophisch betrachtet nichts zu tun“ hätten und beruft sich auf den Philosophen Friedrich Kambartel. Nach dessen Ansicht müsse es „sehr starke Gründe“ geben, um solche Verhältnisse zu rechtfertigen. „Es gibt sie in diesem Fall nicht […]. Seltenes Talent paart sich mit mit dem glücklichen Umstand, entsprechend gefördert worden zu sein und auf einen lukrativen Markt zu treffen“ (Horeni). In diesem Zusammenhang ist an Tausende von zum Teil ehrenamtlichen Jugendtrainern, Platzwarten und anderen Helfern zu erinnern, ohne die das „System Fußball“ nicht entstanden und nicht aufrechtzuerhalten wäre und ohne die es Oliver Kahn schwerer gehabt hätte, das zu werden, was er nunmehr ist: Weltklassetorhüter und vielfacher Millionär. Folgt man jedoch dessen kurzsichtiger Beweisführung, könnte man auch Lehrer mit einer Aufwandsentschädigung zufrieden stellen. Daher kann man wohl nur zu folgendem Schluss kommen: Der große Haufen Geld des Fußballmarkts ist ungerecht verteilt.

Zudem muss man sich die Frage stellen, inwiefern man im Fußballsport von Wettbewerbsfreiheit – der einer liberalen Argumentation zu Grunde liegen muss – sprechen kann. Wirtschaftspolitiker Viktor Vanberg halte in diesem Kontext das bestehende Ligasystem für des Übels Wurzel. In der Tat bringt dieses ein hohes Maß an Besitzstandswahrung und Privilegierung mit sich und verringert den Wettbewerbscharakter maßgeblich. Es konkurrieren höchstens 18 bis 20 Vereine pro Saison um Platzierungen, Meisterschaften, Ab- und Aufstieg: ein sehr geringer Prozentsatz aller in Deutschland existierenden. Von einem freien Wettbewerb zwischen einem Bundesligisten und einem Amateurverein beispielsweise könne keine Rede sein. Es sei denn, man verstünde unter Freiheit im Anschluss an den französichen Kulturphilosophen Roger Garaudy „die Freiheit des freien Fuchses im freien Hühnerstall“. „Wenn bei bestimmten Vertragsverhältnissen regelmäßig einer klar der Stärkere und der andere klar der Schwächere ist“ müsse, laut Heribert Prantl (SZ 25.01.), der Beliebigkeit und der Freiheit Grenzen gesetzt werden, indem man behutsame Regulierungsmaßnahmen durchsetzt. „Gesetzgeber und Gesellschaft haben gelernt, dass das völlig freie Spiel der Kräfte unannehmbare Ergebnisse produziert“ (Prantl). Dahingegen ist ein Klassenerhalt im Sport eine zusätzliche Stabilisierung des ökonomischen Standings, zu der der Markt kein vergleichbares Pendant kennt. Jede Setzliste, wie man sie nicht nur von internationalen Turnieren und Klassements kennt, verstärkt die Schieflage zu Gunsten der Spitzenmannschaften und deren Spieler zusätzlich, ebenso der Zugang zu Medien und damit zu öffentlicher Wirkung. Eine massive sportliche Fehlleistung – der Abstieg – wird durch die Organisationsstruktur abgefedert. Man fällt nämlich nicht ins Uferlose, sondern lediglich eine Klasse tiefer. Recht verstanden: Das Ligasystem ist aus pragmatischer Sicht nicht zu ersetzen. Mehr Gerechtigkeit unter den Klubs produziert es aber nicht, im Gegenteil: Es die stützt die tatsächliche Macht des Starken. Die Grenzlinie verläuft ferner nicht nur zwischen den Vereinen. „Selbst beim Abstieg können Profis dank günstiger Verträge Beträge einstreichen, für die gewöhnliche Arbeitnehmer ein Leben lang arbeiten müssen“ (Horeni). Auch auf der Ebene des Individuums ist also der Rekurs auf den freien Markt unzulässig.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht nur bedauerlich, sondern geradezu verwerflich, den nationalen Pokalwettbewerb zu entwerten, indem man ihn schlechtredet und auf kalte Dezemberabende terminiert (was übrigens nicht verhindern kann, dass Zigtausende begeisterte Fans in die Stadien strömen, um ihren Amateurverein sich mit einer Profimannschaft messen zu sehen). Hier treten nämlich Vereine in einen Wettbewerb, die oft vier und mehr Spielklassen auseinander liegen. Der DFB-Pokal verkleinert somit die Gerechtigkeitslücke, ohne sie schließen zu können. Insofern hat er bezüglich der hohen Spielergehälter eine Legitimationsfunktion. Die großen und reichen Klubs – und mit ihnen die Entscheidungsträger auf Funktionärsebene – täten gut daran, diesen Wettbewerb wieder ernster zu nehmen, nicht nur aus traditionellen Gründen. Klein gegen Groß. Dieses Duell schreibt nicht nur die schönsten Geschichten. Es ist das definitive Recht von Darmstadt 98, mit Schalke 04 in einen regulären Wettstreit mit öffentlichkeitsadäquater Wirkung zu treten. Und es darf von einem Champions-League-Teilnehmer nicht als lästige Pflicht angesehen werden, sich „mit Amateuren rumzuschlagen“.

Gewinnspiel für Experten

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Themen

Themen: ist ein Elber-Transfer für die Bayern ratsam? – Bochum will keine Maus sein – Diskussion um Ausländerquote – Nachruf auf Helmut Rahn, “Deutschlands bedeutendsten Fußballer” (Zeit) u.v.m.

Thomas Kistner (SZ 21.8.) wundert sich. „Makaay, Elber, Pizarro – das könnte ein infernalisch rotierendes Trio werden in der neuen Saison, die für die Bayern ja wieder ständige Samstag-Mittwoch-Rhythmen parat hält. Nun verwundert die Personalpolitik des Hauses: Elber soll gehen. Genauer, er darf gehen, aber die Sprachrituale der Branche zu Grunde gelegt, läuft das eine auf das andere hinaus. Ob das klug ist? Ohne Elber bedarf es nur einer winzigen Wadenverhärtung – bei Pizarro oder Makaay – und die Bayern werden von den Problemen der Vergangenheit eingeholt. Faktisch haben sie nur diese drei, die übrigen Kombattanten mit der Dienstbezeichnung Stürmer sind Dauerpatient beim Klubarzt oder in den angeschlossenen Reha-Stationen: Scholl, Zickler, Santa Cruz. Da erstaunt, dass sich der sportliche Leiter nicht gegen die Entwicklung stemmt. Ein Spitzenstürmer in Reserve gibt ja nicht nur gewisse Garantie gegen ständig drohendes Verletzungspech, er gibt dem Trainer auch ein wichtiges Druckpotenzial in die Hand – wer soll dem Duo Makaay/Pizarro Beine machen, sobald es zu Schlendrian oder Verschleiß kommt? Und was, wenn die Anpassung des Konterstürmers Makaay an die breitere Bayern-Spielweise ein paar Wochen länger dauert, als es die flotte Champions League verträgt? Für Elbers Verbleib plädiert nur Aufsichtsratschef Beckenbauer, der ja nicht immer die Stimme der Vernunft gibt. Oder müssen ob des Makaay-Transfers nun ein paar Millionen in die Kasse zurück fließen? Auf dem Papier haben sich die Bayern nie verrechnet, auf dem Rasen manchmal schon. Wenn’s schief geht, wollen wir diesmal keine Klagen hören.“

Klein, fein, anfassbar

„In Bochum entsteht ein modernes Stadioncenter, und der Fußballclub versucht, sein mausgraues Image abzustreifen“, schreibt Jan Christian Müller (FR 21.8.). „Der VfL Bochum weiht morgen sein sieben Millionen Euro teures Stadioncenter ein. Der Revierclub will sich als Marke in der Nische zwischen den übermächtigen Nachbarn Schalke 04 und Borussia Dortmund und den unterklassigen Traditionsclubs aus Wattenscheid, Essen und Oberhausen etablieren. Künftig kann er statt 150 VIPs nun 600 bevorzugten Gästen auf einer gläsernen Brücke zwischen Stadioncenter und Tribüne gehobenen Komfort bieten (…) Seit Ende März kümmert sich Dieter Meinhold beim Fußball-Bundesligisten darum, dass der überregional kaum wahrgenommene Verein sein Image aufpoliert. Meinhold (48) kennt sich in der Branche aus. Sieben Jahre lang war er Leiter der Sponsoring-Kommunikation bei Opel, dem langjährigen Partner des FC Bayern München. Bayern und Bochum – das sind Welten, sagt Meinhold, an dessen Seite im Vorstand neben VfL-Finanzchef Ansgar Schwenken gerade mal 15 Mitarbeiter auf der neuen Geschäftsstelle im zweiten Stock des Stadioncenters arbeiten. Zum Vergleich: Bei den Großen der Szene sind es mehr als hundert Angestellte. Die Bochumer sind deshalb auch nicht so vermessen, die Traditionsclubs Borussia Dortmund mit seinem bald 83 000 Menschen fassenden Westfalenstadion oder Schalke 04 mit seiner über 60 000 Zuschauer fassenden Arena ins Visier zu nehmen. Das 33 000 Zuschauer fassende Ruhrstadion ist selten ausverkauft, in der laufenden Saison planen die Bochumer mit einem Zuschauerschnitt von 18 000. Lediglich Hansa Rostock (15 000) und der VfL Wolfsburg (16 000) sind in ihren Erwartungen noch bescheidener. Klein, fein, anfassbar, nennt Meinhold als Motto für die einst Unabsteigbaren, ein Attribut, das in der öffentlichen Wahrnehmung längst von Fahrstuhlclub abgelöst wurde. Viermal in den vergangenen sieben Jahren sind die Bochumer ab- und wieder aufgestiegen. Das soll ein Ende haben. Nicht nur den zahlungskräftigen Gästen, auch dem einfachen Fan und den Profis wird im neuen Stadioncenter mehr Komfort geboten. Statt in 35 Quadratmeter großen Kabinen dürfen sich Dariusz Wosz und Kollegen künftig in doppelt so großen Umkleideräumen im Untergeschoss umziehen, derweil sich die VfL-Anhänger über ihnen auf 163 Quadratmeter bewirten lassen können. Die Fans sollen sich länger im Stadion aufhalten, so Meinhold. Höhere Aufenthaltsqualität bedingt höhere Umsätze.“

Wolfgang Hettfleisch (FR 21.8.) lehnt Mayer-Vorfelders Vorschlag ab., eine beschränkende Ausländerquote einzuführen „Längst wurde in exemplarischen Verfahren an diversen europäischen Arbeitsgerichten geklärt, dass auch Profifußballer nichts anderes sind als Arbeitnehmer; und dass sie als solche dasselbe Recht auf die freie Wahl des Arbeitsplatzes haben wie alle anderen abhängig Beschäftigten auch. Bei allem Anlass für Mayer-Vorfelders Lamento, Spieler ohne deutschen Pass, und das sind weit mehr als die Hälfte der Bundesligaprofis, schnappten den potenziellen Nationalspielern von morgen die Stammplätze weg: Eine Deutschen-Quote ist nicht nur realitätsfern, sie wäre obendrein keine Lösung des Problems. Dass der deutsche Fußballnachwuchs in den Proficlubs nicht recht zum Zuge kommt, ist primär einem Mangel an Hochbegabten geschuldet. Was wiederum viel mit dem Wandel zu tun hat, dem das Freizeitverhalten in einer stark individualisierten und medial dominierten Gesellschaft unterliegt. Die aktuellen Vorbilder unserer Kinder treten nicht Bälle ins Tor, sie trällern vor laufender Kamera olle Kamellen ins Mikro und werden dafür, wenn es die Privatsender-Industrie so will, zu Stars hochgejazzt. Im Fußball wird zum Star, wer viele Jahre seines Lebens darauf hingearbeitet hat. Für einen Zehnjährigen heutzutage keine verlockende Aussicht.“ Anerkennung im Karriereherbst

Über die erfolgreiche Rückkehr des Torhüters Reinke lesen wir von Jörg Marwedel (SZ 21.8.). „Reinke ist heimgekehrt in die Bundesliga. Dorthin, wo er bis vor drei Jahren beim 1.FC Kaiserslautern im Tor stand, Pokalsieger und Meister wurde, ehe ihn plötzlich niemand mehr haben wollte. 34 Jahre alt ist Reinke jetzt und bei Werder Bremen gelandet. Besser noch: Er ist dort auf Anhieb zur großen Stütze geworden. Ein lautstarker Abwehrdirigent, nur einmal überwunden in drei Bundesligaspielen, weshalb Werder weit oben steht in der Tabelle. Manchmal staunt Andreas Reinke selbst über die Anerkennung, die ihm im Karriereherbst entgegen gebracht wird. In Bremen rühmen sie ihn wegen seiner Ausstrahlung und der Art, „wie er sich die leichtsinnigen Burschen in der Abwehr packt“ (Sportdirektor Klaus Allofs). Oder wegen seiner „Erfahrung und offenen Art“ (Trainer Thomas Schaaf). Die neuen Kollegen wählten ihn sofort in den Mannschaftsrat. „Es ist“, sagt Andreas Reinke, „als hätten wir uns gesucht und gefunden.“ Dabei ist es ein kleines Wunder, dass sie sich überhaupt gefunden haben, die Bremer und der bullige Kerl aus dem mecklenburgischen Güstrow. „Wir haben alles abgeklopft in der Bundesliga, da geht nichts mehr mit 34 Jahren“, hatte ihm sein Berater im Frühjahr mitgeteilt. Und als Allofs nach einem Konkurrenten für den zuweilen überforderten Pascal Borel Ausschau hielt, ist er von Angeboten so überflutet worden, „dass ich damit mein Büro und die Nachbarzimmer hätte tapezieren können“. Doch er entschied sich für Reinke, der immer, wenn ihn ein Bremer Abgesandter beobachtete, „einfach keinen Ball reinließ“ und – vor allem – keine überzogenen Forderungen stellte. Die glückliche Fügung hat Andreas Reinke sich also erarbeitet, denn Fußball ist für ihn immer auch Lebensschule gewesen. Zuletzt, während seiner drei Jahre im Ausland, hat er besonders viel gelernt. Manche sagen sogar, er sei ein anderer Mensch geworden. Früher galt der gelernte DDR-Bürger als mundfauler Typ, dem es an Selbstvertrauen mangele. Das Tor, das 1996 Kaiserslauterns Abstieg besiegelte, haben sie prompt ihm angekreidet, was ihn bis heute wurmt. Richtig, er hatte den Ball nicht weit genug Richtung Außenlinie gefaustet. Aber war er wirklich allein schuld, „können die Kollegen in dem Moment Fernsehen gucken, oder was?“ Das hat ihm so wenig gepasst wie zwei Jahre später der Spott, der FCK wäre ohne Torwart Meister geworden. Weil es natürlich nicht stimmte, trotz einiger Patzer, die ihm heute wohl nicht mehr unterlaufen würden. Damals hatte Andreas Reinke längst gelernt, dass „Profifußball nichts mit Gemeinschaft zu tun hat“ und man sich letztlich allein durchschlagen muss.“

SpOn-Interview mit René Tretschok, arbeitsloser Profi

Den Reporter einer Boulevardzeitung haben sie weggeschickt

Richard Leipold (FAZ 21.8.) war auf der Trauerfeier zu Ehren Helmut Rahns. “In der Friesenstube sitzen ein paar ältere Männer an der Theke und schütteln den Kopf. Den Reporter einer Boulevardzeitung haben sie schon weggeschickt. Sie lehnen es ab, Geschichten und Anekdoten über Helmut Rahn zu erzählen. Wir sagen nichts. Die Freunde aus der Stammkneipe im Arbeiterstadtteil Essen-Frohnhausen wollen den Tod des legendären Fußballspielers buchstäblich in aller Stille begehen. Der Boß, wie ein ganzes Volk ihn nennt, hätte den Rummel nicht gewollt, finden sie. Wir fallen dem Helmut nicht in den Rücken. Er habe sich vor Jahren schon ins Privatleben zurückgezogen und die Öffentlichkeit seitdem gescheut. Die Freunde und Nachbarn des Verstorbenen drücken auf ihre Art in etwa das aus, was der Ministerpräsident später vor Millionen Fernsehzuschauern formulieren wird. Helmut Rahn hat sich nicht auf dem medialen Tanzboden inszeniert. Die Männer am Tresen bezweifeln, ob es im Sinne des Verstorbenen sei, aus der Trauerfeier so eine große Veranstaltung zu machen. Das Seelenamt in der Pfarrkirche St. Elisabeth wird original im Fernsehen übertragen – eine Ehre, die sonst nur gekrönten Häuptern und hochrangigen Staatspolitikern zuteil wird.“

Helmut Rahn war der bedeutendste deutsche Fußballer

„Keiner konnte dribbeln wie er, keiner konnte schweigen wie er. Helmut Rahn war der bedeutendste deutsche Fußballer.“ Christof Siemes (Zeit 21.8.) schreibt einen Nachruf. „Stellen Sie sich vor, Franz Beckenbauer brächte die Kraft auf, die nächsten 20 Jahre den Mund zu halten. Keine Werbung für Telefone, Schrauben, Bier mehr, keine halb garen Kommentare und gefühlsduseligen Rückblicke, kein „Schaun mer mal“ mehr. Ohrenbetäubend würde das Schweigen sein. Das Schweigen von Helmut Rahn war noch ohrenbetäubender. Weil er der bedeutendere Spieler ist. Der Kaiser hat das Land mit seiner Spielkunst bloß unterhalten, der Boss hat es verändert. Und begehrte irgendwann, nicht mehr darüber Auskunft geben zu müssen. Er wollte nicht mehr sprechen über die vielleicht größte Sportsensation des 20. Jahrhunderts, die er, der Bergmannssohn aus Essen-Katernberg, möglich gemacht hatte an jenem 4. Juli 1954. Sein Treffer zum 3:2 gegen Ungarn machte Deutschland erstmals zum Fußballweltmeister, und nicht wenige behaupten, dass die Bundesrepublik erst in diesem Moment wirklich gegründet wurde. Weil es der erste Sieg war, auf den dieser aus der größten Niederlage aller Zeiten entstandene Staat stolz sein konnte. Weil er ohne fremde Hilfe zustande gekommen war, errungen von ein paar bodenständigen Kerlen, die sich wie so viele Deutsche schlecht und recht durch Nationalsozialismus und Krieg gewunden hatten. Weil es das Wunder war, auf das die Deutschen in den zwölf braunen Jahren nach menschlichem Ermessen jeden Anspruch verloren hatten (…) Der Unterhaltungskünstler Rahn, der prädestiniert zu sein scheint für das Showbusiness, zu dem der Fußball nach und nach wird, macht nicht mehr mit. Vielleicht ahnt er, dass er – anders als auffem Platz – bei diesem Spiel die Kontrolle nicht wird behalten können. Während der sensible Fritz Walter, Rahns Zimmergenosse während vieler Länderspielreisen, bis ins hohe Alter bereitwillig den Vorzeigehelden gibt, verkauft der Boss zusammen mit seinem Bruder gebrauchte Autos und zieht sich zurück in die Anonymität eines Mietshauses in Essen-Frohnhausen. Aus dem Helden von Bern ist der Jerome D. Salinger, der große Verschollene, des deutschen Fußballs geworden.“

Nachrufe auf Lothar Emmerich und Helmut Rahn

Christoph Biermann (taz 21.8.) bleibt Fußball-Traditionalist. „Wie eine Springflut des Irrsinns sind Maskottchen über den Fußball gekommen. Hennes VII. vom 1. FC Köln sei hier ausdrücklich ausgenommen, handelt es sich doch um einen real existierenden Geißbock. Die wahre Pestilenz ist aus Plüsch oder Pappmaché und hüpft während der Spiele blöd herum, um sich anschließend winkend und dumm grinsend bei Interviews ins Bild zu schummeln. Dabei sind die Maskottchen so schlecht ausgedacht, dass sich wahrscheinlich selbst die Zielgruppe der 5- bis 7-Jährigen beleidigt fühlt. Warum etwa gibt es beim VfB Stuttgart das Krokodil Fritzle? Leben diese Großreptilien im Neckar? Dass bei den Löwen von 1860 in München ein Löwe herumläuft und bei den Zebras des MSV Duisburg ein Zebra, geschenkt. Beeindruckend ist allerdings die Indolenz bei Herthinho, dem bärenartigen Maskottchen von Hertha BSC. Herthinho soll brasilianisches Flair nahe legen, und das hat sich bestimmt eine Top-Werbeagentur ausgedacht. Die sollte nun schnell mal in Wolfsburg anrufen, wo man Wölfi infolge der argentinischen Entwicklungen dringend überarbeiten müsste. Die Vorschläge Wolgaucho und Wolfaucho seien hiermit kostenfrei zur Verfügung gestellt. Der Herthinho-Darsteller übrigens tritt gerne zurück, gibt also keine Interviews, damit man nicht ihn, sondern das Maskottchen wahrnimmt. Das Werk soll größer als der Mensch dahinter sein. Die richtige Einstellung ist das, sie überwiegt aber nicht durchgehend. Immer häufiger werden Maskottchen nicht nur zur Bedrohung für die geistige Verfassung des Publikums, sondern für den Spielbetrieb. Nachdem vor Jahren der Grotifant in der Grotenburg-Kampfbahn suspendiert werden musste, weil er den Linienrichter attackiert hatte, geschah im letzten Winter bei Union Berlin ähnliches. Dort lief Ritter Eisenbart nach einem Treffer für die Gastgeber auf den Platz, um den Torschützen Michael Molata zu umarmen. Wahrscheinlich hatte er ähnliche Probleme wie Kumpel Erwin bei Schalke 04, in dessen Kopf ein Ventilator für Belüftung sorgt, bei dem die Batterien aber nach einer Stunde schon leer sind und die Gefahr größter Hitzköpfigkeit besteht. In Wirklichkeit kann sich jeder Verein glücklich schätzen, der von einem Maskottchen verschont geblieben ist.“

Wieso kapiert von den Werbefritzen keiner, dass der Fußball seine Geschichten selber schreibt?

Freistößler David Kluge schreibt über die neue kicker-Werbung: „Ich dachte ja, die Zeiten von RAN wären vorbei, wo es nur so wimmelte von schlüpfrigen Anspielungen und menschelnden Soap-Stories, Gefasel über Frisuren, Modeaccessoires und Liebesgeschichten – alles mit dem verkrampften Ziel, bügelnde Ehefrauen und Bravo lesende Freundinnen am wegzappen zu hindern. Und dann diese Kicker-Werbung! Welcher irgendwie auch nur ansatzweise fußballinteressierte Mensch steht kurz (oder auch länger) nach einem Bundesligaspieltag im Fan-Dress neben (augenscheinlich völlig ahnungslosen) Papi und fragt nach Ergebnissen? Und kauft sich dann Montag den Kicker, um diese zu erfahren???? Total witzig das Ganze – allerdings nur für Fußball-Banausen! Die Fans hassen so etwas. Wieso kapiert von den Werbefritzen keiner, dass der Fußball seine Geschichten selber schreibt, seine Sogkraft ganz alleine entwickelt, und die Bekehrung Uninteressierter zum Fantum nie und nimmer durch behämmerte Werbespots ausgelöst werden kann?“

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„Hoeneß BSC“

„Hoeneß BSC“ (BLZ), Kritik an der Machtfülle des Hertha-Managers – viele heiße Berliner Luft um eine „Nicht-Entscheidung“ (taz) – Spiegel-Interview mit Karl-Heinz Rummenigge über seine Forderungen nach Geld

Thomas Kilchenstein (FR 22.10.) erkennt in dem Berliner und Hamburger Verzicht auf Trainer-Entlassungen keine höhere Moral und höhere Einsicht: „Sowohl Hertha als auch der HSV würden nur zu gern ihre sportlich erfolglosen Übungsleiter in die Wüste schicken, wenn sie es denn könnten. Sie können es sich aber schlicht gar nicht leisten. Der Hamburger SV hat etwa 14,5 Millionen Euro Miese angehäuft. In den laufenden Etat haben die Norddeutschen, was von der beaufsichtigenden DFL nur mit sehr viel Wohlwollen akzeptiert wurde, Einnahmen aus drei Runden in Uefa-Cup-Wettbewerb und DFB-Pokal veranschlagt. Dummerweise ist der HSV (wie auch Hertha) bereits in der ersten Uefa-Cup-Runde ausgeschieden; so fehlen Einnahmen, die längst verplant wurden. Kurt Jara hat einen bis 2005 gültigen Kontrakt. Eine vorzeitige Entlassung würde eine satte Abfindung nach sich ziehen. Geld, das der HSV, der Prämien streicht, nicht hat. Und in Berlin? In Berlin darf Huub Stevens deshalb vorübergehend weitermachen, weil sich Dieter Hoeneß und der Beteiligungsausschuss schlicht noch nicht auf einen Nachfolger haben einigen können. Sie haben noch keinen gefunden, der so kurzfristig verfügbar gewesen wäre. Stevens ist nur noch Platzhalter. Und: Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“

Hertha steht still

Michael Jahn (BLZ 22.10.) kritisiert die Machtfülle von Dieter Hoeneß: „Hertha steht still. Diese Entscheidung ist eine Nicht-Entscheidung, und an diesem Phänomen einer halben Trainerentlassung lässt sich deutlich ablesen, wie unbeweglich und starr der Klub in seiner Struktur geworden ist. Das liegt daran, dass der Klub nur einen großen Beweger hat, den mächtigen Manager Dieter Hoeneß. Und wenn Hoeneß sich einmal nicht bewegt – wie im aktuellen Fall – dann findet sich in der gesamten Führungsstruktur keiner, der statt seiner in Bewegung kommt. Es geht dabei längst nicht mehr darum, ob Stevens noch der richtige Trainer ist für diesen Klub namens Hoeneß BSC. Eher geht es darum, dass Stevens von Anfang an eine Personalie von Dieter Hoeneß war, und so schnell will der Manager von seinem Mann nicht lassen – sei es aus vorhandener Restüberzeugung in die Fähigkeiten des Trainers (eher weniger), aus finanziellen Erwägungen (eher mehr) oder aus Mangel an Alternativen (eher noch mehr). Fürs Erste hat es Hoeneß wieder geschafft, dass die Gremien – obwohl durchaus anderer Meinung – auf seinen Kurs eingeschwenkt sind, einstimmig, wie es heißt. Aber man kann sich gut vorstellen, was man von dieser Einstimmigkeit zu halten hat, wenn es fast zwei Tage und Nächte gedauert hat, sie herzustellen. Am Beispiel Hoeneß zeigt sich, dass es Eigenschaften gibt, die für einen Verein gleichzeitig gut und gefährlich sein können. Hoeneß ist mit Durchsetzungsvermögen, Hartnäckigkeit und einer gewissen Beratungsresistenz begabt, und für die leicht chaotisch veranlagte Hertha ist sein straffer Führungsstil oft genug ein Vorteil gewesen. Aber nun, da sich dieselbe Hertha in einer Sackgasse festgefahren hat, wäre die Gelegenheit zu erkennen, dass es neben dem Hoeneß-Weg noch andere Wege gibt – zum Beispiel jenen, Entscheidungen nicht allein als Machtfragen aufzufassen.“

Ein Hauch von Kreml-Astrologie

Über die Berliner Öffentlichkeitstaktik schüttelt Javier Cáceres (SZ 22.10.)den Kopf: „Die Berichterstattung über Hertha entwickelt allmählich einen Hauch von Kreml-Astrologie; ein Begriff, der aus Zeiten des Kalten Krieges stammt und die Kunst der Deutung kleinster Hinweise aus dem Zentralkomitee umschreibt. Die offizielle Version zur Trainerfrage, die Manager Dieter Hoeneß vortrug und die der Vorsitzende des Aufsichtsrates, Rupert Scholz, unterstützte, lautete, dass Hoeneß „überhaupt nicht“ um Stevens habe kämpfen müssen; es habe, im Gegenteil, „ein überwältigendes Bekenntnis“ zum Trainer gegeben. Am Montagabend verschickte der Klub eine Pressemitteilung, derzufolge der Spielerrat („mit freundlichen Grüßen“) verlautbarte, „zu 100 Prozent hinter der Entscheidung des Vereins“ zu stehen und „sich auf die weitere Zusammenarbeit mit Cheftrainer Huub Stevens“ zu freuen. Doch telefoniert man jenen hinterher, die in den Entscheidungsgremien sitzen, so ergibt ein etwas anderes Bild. Mal heißt es, es habe kontroverse Debatten gegeben; andere wiederum wollen sich erinnern, dass es im Beteiligungsausschuss gar keine Diskussion gab – weil die Entscheidung bereits getroffen war. Von Hoeneß, Stevens’ fraglos größtem Alliierten in Herthas Chefetage. Dass es dort auch solche gibt, die hinter vorgehaltener Hand Distanz zur vorläufigen Weiterbeschäftigung des Limburgers äußern und somit die offiziell verlautbarte Einstimmigkeit in Frage stellen, dürfte Hoeneß hellhörig machen – liegt aber auch in der Natur der Sache. Schließlich werden nun die 16 Mitglieder des Beteiligungsausschusses in der öffentlichen Meinung der Mitverantwortung geziehen, für eine Entscheidung, die in der Berliner Presse und auch von der großen Mehrzahl der Fans mit geballtem Unverständnis quittiert wurde. „Ihr seid doch alle irre!!“, urteilte der bisweilen derbe Berliner Kurier unter dem Kalauer: „Hertha BSE“. Wer will schon dafür verantwortlich gemacht werden, dass „Berlin unter Schock“ steht, wie die BZ herausgefunden haben will?“

Frank Ketterer (taz 22.10.) schildert, „wie ein Verein von den Medien dazu gezwungen wird, ein Nichtereignis, nämlich den Nicht-Trainer-Wechsel, als Großereignis zu inszenieren, vor laufenden Kameras und live übertragen von zwei Fernsehsendern. Normal ist das nicht. Normal wäre es gewesen, den Trainer tagsüber zu feuern und abends vor all den Kameras bereits den neuen zu präsentieren, so jedenfalls kennt man das. Oder den alten, wie geschehen, doch zu behalten – und einfach weiterzumachen, ganz ohne großes Bohei und öffentliches Ultimatum. In der Medienstadt Berlin aber war solches nicht mehr möglich. Die passenden Bild-Schlagzeilen dazu: Siegen oder Fliegen titelte das Blatt am Samstag. Huub, das war das Allerletzte, am Sonntag (nach der 1:4-Niederlage gegen Leverkusen). Heute fliegt Stevens – zu 99,9 Prozent, wusste es am Montag. Die restlichen Hauptstadtblätter, selbst die seriöseren, sangen munter mit im Chor. Tenor: Stevens raus! Am Montag hätte es – endlich – so weit sein sollen. Dass Hertha BSC, allen voran der Manager Dieter Hoeneß, sich diesem Diktat der Medien (noch) nicht beugen wollte, ist ungewöhnlich. Und so wurde letztlich zur medialen Sensation, dass nicht eintrat, was zuvor schon in der Zeitung gestanden hatte – und also alles beim Alten blieb. Vergebens hatten somit die Reporter vom Boulevardblatt BZ die Villa von Hoeneß observiert am Sonntagmorgen ab acht, um zu sehen, mit wem alles er dort verhandelt. Vergeblich hatte ein Kamerateam des ZDFin später Samstagnacht Huub Stevens aufgelauert, um zu filmen, wie er in sein Auto stieg und von dannen brauste – vielleicht zum letzten Mal. Und vergeblich hatte die Meute auch am Montag in der Kälte gelauert vor dem blau-weißen Band, auf dass Stevens endlich zum Abschuss freigegeben würde. Am Ende mussten sie allesamt wieder abziehen, ganz ohne Trophäe. Wie tief die Enttäuschung darüber ist, war anderntags im Berliner Kurier zu lesen:Hertha BSE – Ihr seid doch irre!!, titelte das dünnste Berliner Boulevardblättchen.“

FR-Interviewmit Frank Busch, Fan-Beauftragter von Hertha BSC Berlin

FR: Hat sich Unmut aufgestaut?

FB: Natürlich. Hertha ist die Lachnummer der Liga. Der Trainer hat nach seinen Wünschen eingekauft, er hatte schon ein Jahr Zeit. Jetzt sehen die Anhänger diesen Scherbenhaufen. Beim kritischen Berliner Publikum kann man leicht Kredit verspielen.

FR: Welche Rolle spielt Stevens‘ Schalker Vergangenheit?

FB: Ach, wissen Sie, als Schalke in den 70er-Jahren im Bundesliga-Skandal die Hertha angeschwärzt haben soll, da waren viele dieser Fans noch nicht auf der Welt oder kleine Kinder. Das wird weitergetragen von den Älteren und unreflektiert übernommen.

FR: Wie viel Prozent der Fans sind noch für Stevens?

FB: Nicht viele. Derzeit unter fünf Prozent, schätze ich. Aber ich bin seit 13 Jahren dabei: Drei Siege und die Stimmung kippt.

FR: Vor sieben Jahren spielte Hertha noch in der zweiten Liga vor ein paar Tausend Zuschauern.

FB: Ja, und heute stehen in der Kurve 10 000 Fans. Der Zulauf nach dem Aufstieg war groß, aber dadurch ist die Fan-Szene auch nicht richtig gewachsen. Die Kurve versteht sich nicht als Einheit. Es gibt immer eine Fraktion, die fährt ihr eigenes Ding.

Tsp-Interview mit Sportpsychologe Werner Mickler über das „Ultimatum“ für Stevens

Ich bin ein Freund des Konsenses, nicht der Drohung

Spiegel-Interviewmit Karl-Heinz Rummenigge

Spiegel: als Sprecher der G 14, der wichtigsten europäischen Clubs, fordern Sie 80 Millionen Euro vom Weltverband Fifa. Der soll mit dem Geld die Gehaltszahlungen an die Spieler für die Dauer einer Weltmeisterschaft übernehmen. Womit können Sie der Fifa drohen?

KHR: Zunächst einmal sind wir im Recht. Die G 14 hat eine juristische Bewertung der Fifa-Statuten in Auftrag gegeben. Dabei kam heraus: Die Clubs müssen die Spieler für die Nationalmannschaften abstellen, aber nicht unentgeltlich. Die Fifa nimmt bei einer WM über zwei Milliarden Schweizer Franken ein. Warum sollen nur wir, die Arbeitgeber, die Verlierer sein? Das werden wir uns nicht mehr gefallen lassen. Ich bin ein Freund des Konsenses, nicht der Drohung. Aber wenn nötig, hätten wir da Möglichkeiten.

Spiegel: Welche?

KHR: Die erste wäre, dass wir die Spieler für den fraglichen Zeitraum schlicht nicht mehr bezahlen. Sie sind ja dann nicht bei uns, sondern bei den Nationalmannschaften. Sollen sie sich also an die Nationalverbände wenden.

Spiegel: Das könnte Ärger geben.

KHR: Man kann sich vorstellen, dass das Geschrei groß wäre. Die zweite Möglichkeit, die wir haben, ist die, gegen die Fifa und den europäischen Verband Uefa vor Gericht zu ziehen. Mal sehen, wer Recht bekommt. Und die dritte: Die Clubs stellen die Spieler nicht ab, die zum Länderspiel berufen werden.

Spiegel: Wie kommen Sie auf die 80 Millionen?

KHR: Wir reden, inklusive Vorbereitung im Trainingslager, über einen WM-Zeitraum von sechs Wochen. Bei den G-14-Clubs kostet ein Spieler im Schnitt 7000 Euro pro Tag. Diesen Aufwand wollen wir ersetzt haben.

Spiegel: Sind sich alle Clubs einig, auf die von Sepp Blatter sehr präsidial geführte Fifa Druck auszuüben?

KHR: Ja. Durch die G 14 sind die Clubs selbstbewusster geworden. Die Interessen werden gebündelt. Erst waren wir 8, dann 14, jetzt 18, bald werden wir die Gruppe noch einmal verstärken, dann werden es wohl 26 sein. Die G 14 ist die Lokomotive im Club-Fußball, neben den nationalen und internationalen Verbänden eine dritte Macht – auch wenn das für die Verbände schwer zu akzeptieren ist.

Spiegel: Beim Publikum gibt es in diesem Jahr große Sympathien für den VfB Stuttgart. Der Club wird schon als Gegenmodell zum FC Bayern gehandelt, ähnlich wie in den Siebzigern die Fohlen-Elf von Borussia Mönchengladbach. Ärgert es Sie, dass die Bayern den Respekt der Leute erfahren, andere jedoch die Zuneigung?

KHR: Wir sind über diese Polarisierung sogar froh. Sie spiegelt den Stellenwert des FC Bayern wider. Der Neid, und es handelt sich ja um puren Neid, ist doch die Bestätigung des Erfolgs und der Arbeit, die wir hier jeden Tag leisten. Wir sind nicht daran interessiert, die Liga zu dominieren. Was letzte Saison passiert ist, sollte sich nicht wiederholen. Wenn man dauernd mit 16 Punkten Vorsprung Meister wird, sind die Emotionen weg. Und Sport ohne Emotionen kann man vergessen.

Spiegel: Zuletzt haben Sie den Schalke-Manager Rudi Assauer unterstützt, als der wegen des Transferdeals mit den Bremer Spielern Mladen Krstajic und Ailton kritisiert wurde. Warum?

KHR: Was Assauer gemacht hat, hätten wir genauso gemacht. Er will seinen Club nach vorn bringen. Und wenn zwei Spieler auf dem Markt sind, deren Verträge auslaufen, ist es doch legitim, dass man sich um sie bemüht. Eher muss man Bremens Management kritische Fragen stellen. Die haben mit Ailton ein halbes Jahr lang verhandelt und keine Einigung erzielt. Ich kann nicht akzeptieren, dass die jetzt gegen Schalke wüten.

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Den Trainer nervt Barthez‘ abenteuerlicher Stil

Fabien Barthez, in Frankreich Nummer Eins, in Manchester nicht mal Nummer Zwei – das Verhältnis der drei Bayern-Chefs – Horst Hrubesch, Naturmensch

Den Trainer nervt Barthez‘ abenteuerlicher Stil

Ralf Itzel (FR 14.11.) beschreibt die Situation Fabien Barthez’ – in Frankreich Nummer Eins, in Manchester nicht mal Nummer Zwei: „Es gibt ein Foto, das Fabien Barthez auf dem Gipfel seines Schaffens zeigt. Der Torwart überfliegt bei einer Parade in großer Höhe den stürzenden Brasilianer Ronaldo. Waagerecht liegt er in der Luft, ein Vogelmensch, schwerelos. Die preisgekrönte Aufnahme entstand am 12. Juli 1998 beim WM-Finale in Paris. Gelandet ist Barthez erst knapp fünf Jahre später. Ausgerechnet Ronaldo holte ihn zurück auf die Erde. Am 23. April dieses Jahres erzielt der Stürmer im Viertelfinale der Champions League einen Hattrick für Real Madrid in Manchester gegen United und Barthez. Schüsse wie Peitschenhiebe, aber der Torwart sieht bei einem, vielleicht zweien davon nicht chancenlos aus. Alex Ferguson verzeiht ihm nicht. Den Trainer nervt Barthez‘ abenteuerlicher Stil schon seit geraumer Zeit. Das häufige Reisen nach Frankreich ebenfalls. Englands Boulevardblätter hatten sich längst auf Barthez eingeschossen und ihn zum Fliegenfänger degradiert. Dessen Romanzen, unter anderem mit dem Model Linda Evangelista – einst als Eroberungen eines Teufelskerls bewundert –, werden nun gegen ihn verwendet. Fortan sitzt Barthez auf der Ersatzbank, bald sogar auf der Tribüne. Seit sieben Monaten hat der Franzose für seinen Club keine Minute zwischen den Pfosten gestanden. Schon im Sommer wollten ihn die Engländer loswerden, aber es fand sich kein zahlungskräftiger Abnehmer. Vor zwei Wochen untersagte die Fifa einen Wechsel auf Leihbasis zu Olympique Marseille, weil die nächsten Transfers erst im Januar erlaubt sind. Barthez, vor drei Jahren vor Oliver Kahn zum besten Keeper der Welt gekürt, ist zum Hüter ohne Tor geworden. Nur eine Mannschaft baut noch auf ihn: Die beste Landesauswahl des Kontinents, der amtierende Europameister Frankreich.”

Befreundet sind die drei nie wirklich gewesen

Andreas Burkert (SZ 14.11.) spaziert durch die Galerie Bayern Münchens – und trifft große Menschen: “Die guten alten Zeiten sind allgegenwärtig in der Geschäftsstelle des FC Bayern. Wer sich das Treppenhaus hochschraubt bis in die Schaltzentrale des Rekordmeisters, passiert silberne Trophäen und die schwarz-weiße Ahnengalerie. Dass dort im zweiten Stock ihre Bilder gegenüber hängen, mag Zufall sein, und doch erzählt diese Anordnung viel über die drei Leitfiguren des Klubs und deren Binnenverhältnis: Rechts sind Karl-Heinz Rummenigge und Uli Hoeneß abgebildet, ein Foto aus gemeinsamen aktiven Zeiten im Jahre 1978 (sie umarmen sich, was ein bisschen seltsam ist, denn damals belegte der FC Bayern in der Bundesliga Platz zwölf). Ihnen vage in die Augen blickt von gegenüber Franz Beckenbauer, er zeigt gerade den Europacup 1974 und dazu den ihm eigenen Gesichtsausdruck aus Verwunderung und Entrücktheit. Er sagt meistens so etwas wie: „Ich, Kaiser!“ Bald drei Jahrzehnte ist das nun her, dass Rummenigge und Beckenbauer sich kennen gelernt haben, Hoeneß- erste Begegnung mit dem Glückskind des deutschen Fußballs liegt sogar 33 Jahre zurück. Befreundet sind die drei nie wirklich gewesen, Rummenigge nennt die Beziehung zu Beckenbauer heute „ein gewachsenes Verhältnis“. Sie haben sich arrangiert und tauschen sich zu dritt alle sechs Wochen aus, zum Wohle des FC Bayern. Und so kandidiert Beckenbauer, 58, am heutigen Freitag erneut, wenn der eingetragene Verein der ausgelagerten Fußballfirma auf der Hauptversammlung unter dem Tagesordnungspunkt 6 zur Präsidiumswahl aufruft. Beckenbauers abendliche Wiederwahl zum Klubchef gilt als so sicher wie der Sonnenaufgang am morgen darauf.”

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 14.11.) besucht Horst Hrubesch auf dem Land: „Vor ein paar Tagen packte er als Hebamme mit an. Die Kuh von nebenan hatte gekalbt. Das war wieder was für den Tatmenschen Horst Hrubesch. Ärmel hochkrempeln, nicht viele Worte machen. In diesem Ortsteil von Ellenberg bei Uelzen stehen gerade mal vier Höfe. Die drei Hektar des ehemaligen Fußball-Nationalspielers Horst Hrubesch sind wohl die aufgeräumtesten rundum. Das Laub von den Bäumen ist akkurat zusammengekehrt, der Reitplatz geharkt. Vor den Stallungen, wo Hrubesch gerade noch die Hufe eines seiner drei Pferde ausgekratzt hat, sind die Spuren von Mist und Stroh im Nu beseitigt. Der Torjäger von einst ist zum Heger geworden. Wenn ich die Mähne gewaschen habe, leuchtet der. Der Reitersmann schwärmt von Sancho, dem kleinen, dem zweijährigen Haflinger. Der Wallach Abendblitz ist vier, Hrubeschs ganzer Stolz Bando schon achtzehn. Ein sogenanntes Paint-Horse, ein Arbeitspferd, eine Gattung, mit der Cowboys im Wilden Westen Rinderherden in Schach halten. In Mitteleuropa schätzen Westernreiter diese Rasse. Wenn Hrubesch mit seinen 94 Kilo, verteilt auf 1,86 Meter, im Sattel sitzt, erinnert er nur vage an John Wayne. Es fehlen der verwegene Hut, der Colt natürlich und jedes Macho-Gehabe. Hrubesch bezeichnet sich als Freizeitreiter. Er ist einer von der sanften Art.“

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Themen

Themen: 1860 München und die „Generation Lauth“- FC Köln wird zum seriösen Verein – Augenthaler, der Leverkusener Ruhepol – Bayern München fordert Leistung – Hannover 96: die schwierige Position Rangnicks und ein tschechische Duo – dem jungen Otto Rehhagel zum 65. – Barcelona verschenkt Fußballer u.v.m.

Symbol für eine bessere Zukunft

Christian Zaschke (SZ 9.8.) schildert den Imagefaktor Benjamin Lauths für 1860 München. „Es war 1992, als plötzlich die Zukunft des TSV 1860 München am Trainingsgelände an der Grünwalder Straße stand. Die Zukunft war ein elf Jahre alter Junge, blond, schmächtig, er kam aus Fischbachau und wollte beim Probetraining mitspielen. Der Vater des Jungen war ein Fan der Sechziger, und als er von einem Probetraining für den Nachwuchs bei 1860 las, hat er seinen Sohn ins Auto gesetzt und ist mit ihm die 58 Kilometer von Fischbachau hinüber an die Grünwalder Straße in München gefahren. Nach dem Training sagten die Ausbilder zu Hans Lauth, er solle sofort den Spielerpass seines Sohnes vorbeibringen. Dieser kleine Benjamin konnte kicken, das haben sie gleich erkannt. Jetzt, elf Jahre später, ist Benjamin Lauth, 22, die Identifikationsfigur des TSV 1860, er trägt die Hoffnungen des Vereins. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn Werner Lorant Trainer geblieben wäre in München. Vor zwei Jahren spielte Lauth bei den Amateuren, er spielte gut, er mühte sich sehr, doch er kam nicht vom Fleck, wie ein Autofahrer, der mit seinen Wagen im Wüstensand steckt und nun immer heftiger aufs Gaspedal drückt. Die Reifen drehen sich dann immer tiefer in den Sand, und je mehr Lauth sich mühte, je besser er spielte, desto heftiger reagierte der damalige Trainer Lorant. „Lauth? Kenne ich nicht“, raunzte er noch, als viele im Verein längst wussten, wie groß dieses Talent war. Lorant ignorierte den jungen Stürmer (…) Heute steht Lauth bei den Sechzigern als Symbol für eine bessere Zukunft. Der Verein hat über die Jahre an Profil verloren, bis er fast unsichtbar war. Die Verantwortlichen um Geschäftsführer Karl-Heinz Wildmoser junior und Sportdirektor Dirk Dufner haben deshalb überlegt, das Image des Klubs zu ändern: Sie wollten der Verein werden, der junge Spieler ausbildet und ihnen eine Chance gibt. Etwas besseres als Benjamin Lauth konnte ihnen nicht passieren. Innerhalb eines Jahres von den Amateuren in die Profimannschaft und gleich weiter in die Nationalelf, das allein ist schon eine gute Geschichte. Dass er dazu aus der eigenen Jugend kommt, macht den Mann als Imagefaktor unbezahlbar. Das hat auch die Führung des TSV 1860 erkannt, die in schnell mit einem langfristigen Vertrag ausstattete und dann und wann erklärt, Lauth sei unverkäuflich.“

Dramatische Entkölschung

Christoph Biermann (SZ 9.8.) beschreibt das neue Kölner Leitbild. „Beim 1.FCKöln hat eine schleichende, letztlich dramatische Entkölschung stattgefunden. Still und heimlich wurde eine Entwicklung vollzogen, die der kicker als „Abkehr vom Größenwahn“ bezeichnet hat. Wobei dieses Leben im Wolkenkuckucksheim, das Wolfgang Overath schön mit dem Satz „Wir waren das Real Madrid von Deutschland“ zusammengefasst hat, in der jüngeren Vergangenheit eine folkloristische Ausprägung bekommen hatte. War der 1.FCKöln früher ein arroganter Stehkragen-Verein, der am Fußballgeschäft quasi mit abgespreiztem kleinen Finger teilnahm, wurde das Geißbockheim im letzten Jahrzehnt zu einer rumpelnden Volksbühne. Anfang der neunziger Jahre erlöste der Klub noch riesige Transfereinnahmen aus den Verkäufen von Jürgen Kohler, Thomas Häßler, Pierre Littbarski oder Fleming Poulsen und verjubelte sie dann weitgehend sinnlos. Die Vereinsführungen gaben dazu den Jahrmarkt der Eitelkeiten, und die Zeitungen hatten tagtäglich die tollsten Dinge zu berichten, weil alle Interna brav nach außen getragen wurden. Schließlich wollte jeder mal seine Schlagzeile abbekommen. Als Albert Caspers den Klub 1997 übernahm, drängte er zumindest die Schnöseligkeit im öffentlichen Auftreten des FC zurück und mühte sich um Kundenfreundlichkeit und Seriosität. Wenn man eine Eintrittskarte kaufen wollte, bekam man auf einmal jemanden ans Telefon – das war neu. Trainer Ewald Lienen sorgte dazu im blauen Hemd und mit rituellen Gängen vor die Fan-Kurve für Volksnähe, dem Tohuwabohu war aber noch kein Einhalt geboten. Zum 1.FCNeu-Köln wurde der Klub erst vollends, als Andreas Rettig im vergangenen Frühjahr kam und den Verein unaufgeregt, aber mit schonungsloser Härte säuberte. Hier und da wurde das Personal ausgewechselt, seitdem dringt nichts mehr nach draußen. Caspers, Rettig, Trainer Friedhelm Funkel und Finanz-Geschäftsführer Claus Horstmann lenken den Klub inzwischen so geräuschlos, dass sich die lokalen Zeitungen in dieser Woche doch ernsthaft mit sportlichen Fragen beschäftigen mussten.“

Die SZ (9.8.) recherchiert den letzten Akt des Makaay-Transfers. „Was der FC Bayern allerdings nicht schilderte, wurde der SZ aus der Klubzentrale in La Coruña bekannt: Demnach zahlen die Bayern 500000 Euro zusätzlich, sollte der nicht unwahrscheinliche Fall eintreten, dass sie innerhalb der nächsten drei Jahre deutscher Meister werden. Eine weitere Million müssen sie drauflegen, falls sie bis 2007 die Champions League gewinnen sollten. Und Punkt drei im Kleingedruckten verpflichtet die Bayern zur Teilnahme innerhalb von drei Jahren an Deportivos Sommerturnier Trofeo Teresa Herrera. Auf eigene Kosten übrigens, und bei Nichterscheinen werden 500000 Euro Buße fällig. Lendoiro mag die Extras als Entschädigung für den Affront betrachten, den ihm die Bayern am Donnerstag geliefert hatten. Die Spanier waren schwer beleidigt, nachdem die Deutschen Makaay auf den Trainingsplatz geschickt hatten, obwohl er noch keinen Vertrag unterschrieben geschweige denn die Freigabe erhalten hatte. Ihren Ärger brachten sie in einer Stellungnahme zum Ausdruck, die einer im Außenministerium eingereichten Protestnote glich. Inoffiziell wurden Klagen über die Arroganz und Selbstherrlichkeit der Deutschen laut.“

Mit Augenthaler scheint eine neue Sachlichkeit eingezogen

Über den beruhigenden Einfluss Augenthalers auf Team und Führung Bayer Leverkusens lesen wir bei Erik Eggers (FR 9.8.). „Mit Augenthaler scheint eine neue Sachlichkeit eingezogen unter dem Bayer-Kreuz, seitdem er dort zwei Spieltage vor Saisonende das Kommando übernommen und mit zwei Siegen den Klassenerhalt sichergestellt hat. Der 45-Jährige Weltmeister von 1990 strahlt eine Bierruhe aus, die sich offenbar überträgt auf den Club und seine Angestellten. Sogar die Zitat-Maschine Reiner Calmund und Sportdirektor Jürgen Kohler tauchten zuletzt völlig ab. Schrille Schlagzeilen jedenfalls sind nicht mehr zu lesen, und auch die Spieler, die sich in der letzten Saison oft zu Wort meldeten, verhalten sich ruhig. Sogar diejenigen, die um ihre Pfründe bangen müssen, weil Augenthaler von Stammplatzgarantien so viel hält wie von langen Reden. Neulich protestierte Hanno Balitsch zahm, dass er sich nicht so gern auf der rechten Verteidigerposition aufhalte, er sehe sich mehr im defensiven Mittelfeld. Augenthaler reagierte darauf auf seine Art. Balitsch sollte froh sein, sagte er am Mittwoch im Chat mit den Bayer-Fans, dass er in der Mannschaft spielen darf. Endgültiger und souveräner könnte eine Replik nicht ausfallen. Ein anderes Beispiel: Dass Mittelfeldregisseur Robson Ponte am ersten Bundesliga-Spieltag nach überragender Leistung von der Champions League sprach, hat Augenthaler nur gespeichert. Er will ihn, sagt er grinsend, bei passender Gelegenheit darauf festnageln. Augenthaler hat übrigens so einiges erzählt über sich im Web-Gespräch mit den Anhängern. Dass er es aufgegeben habe, mit dem Rauchen aufzuhören, und dass er früher mal Ministrant war. Und die Euphorie einiger Fans nach dem famosen 4:1 beim Auftakt gegen den SC Freiburg hat der 45-Jährige nicht stoisch zur Kenntnis genommen, sondern in seiner trockenen Art eher noch geschürt. Gefragt, ob etwas ganz Großes drin sei im Jubiläumsjahr, beantwortete Augenthaler lakonisch mit einem ist möglich, auf dem Vereinswimpel sei schließlich noch sehr viel Platz.“

Lob ist was für Weicheier

Thomas Kilchenstein (FR 9.8.) widmet sich Münchner Motivation. „Der Ton bei Bayern München in der letzten Zeit ist rauer geworden. Die Spieler, verhätschelt und fürstlich bezahlt, kriegen und spüren plötzlich Druck. Ob sie nun Zé Roberto heißen, Sebastian Deisler, Giovane Elber oder Mehmet Scholl. Uli Hoeneß, der Manager, hat mit der öffentlichen Kritik an seinem offenbar satten Personal in der Sommerpause angefangen, als er erst von Zé Roberto und dann von Sebastian Deisler (Die Schonfrist ist vorbei) mehr Leistung einforderte. Zé Roberto, der in der vergangenen Saison eher durch raffinierte Frisuren aufgefallen war denn durch überragende Spiele, reagierte promt – und zwar erst ein wenig bockig, bot indigniert an, den Club zu verlassen, falls man nicht zufrieden sei. Dann aber schwang er sich im ersten Spiel zu einer Leistung auf, die sein Trainer Ottmar Hitzfeld als die beste, seit er bei uns ist, wertete. Hoeneß wird sich ins Fäustchen gelacht haben, geht doch. Es ist offenkundig: Konkurrenzkampf und Druck von außen haben die saturierten Bayern, in der vergangenen Saison national ohne ernsthafte Konkurrenz, zum Laufen gebracht. Gar von Traumfußball sprach Hoeneß nach den ersten 45 Minuten in dieser 41. Saison, was auch daran gelegen haben mag, dass der introvertierte Sebastian Deisler endlich einmal zeigen konnte, zu was er fähig ist, wenn er gesund ist. Schon mehrten sich die Stimmen, Rummenigge und Bundestrainer Skibbe allerdings sind nicht darunter, die den 23-Jährigen wieder reif halten für die Nationalmannschaft, die am 20. August auf Italien trifft. Unser Spiel braucht seine Kreativität, bricht Sportkamerad Oliver Kahn eine Lanze für den Labilen. Der wiederum ist gottfroh, wenigstens das erste Mal seit dem 18. Mai 2002 (im Länderspiel gegen Österreich) wieder 90 Minuten Fußball unter Wettkampfbedingungen unfallfrei am Stück hinter sich gebracht zu haben. Auch Deisler, dem Präsident Franz Beckenbauer unlängst öffentlich vorgeworfen hatte, sich ständig zu verkriechen und sich über seine Wehwehchen zu beklagen, benötigte offenkundig diese Form der Brachial-Pädagogik: Was uns nicht umbringt, macht uns nur härter, Lob ist was für Weicheier.“

Unter Dauerkritik des Präsidenten

Die schwierige Position des Hannoveraner Trainers analysiert Frank Heike (FAZ 9.8.). „Trotz unbestrittener Erfolge wie der Aufstieg in die Bundesliga 2002 oder der Klassenverbleib 2003 wird kein Trainer der Liga so schnell von seinem Präsidenten kritisiert wie der 45 Jahre alte Rangnick. Der Trainer weiß das. Er kennt das seit zwei Jahren. Der Präsident weiß das auch. Und trotzdem sind die beiden in der Vergangenheit immer wieder aneinandergeraten. Vor allem dann, wenn vorher die Fernsehkameras liefen – Kind ist ziemlich eitel und spricht gern öffentlich. Für diesen Sonntag hat er dem DSF-Stammtisch seine Zusage gegeben. Rangnick hat dann meist auch irgendwas über seinen Vorgesetzten gesagt. Zwar zerknirscht und defensiv, weil er doch eigentlich zu intelligent für solche Spielchen ist (wie der erfolgreiche Unternehmer Kind natürlich auch), aber auch Rangnick läßt sich von manchen Fragen locken. Wie lange geht das noch gut? fragte der kicker schon vor der Saison. Rangnick sagt: Wir haben uns unmittelbar vor dem Start der Saisonvorbereitung in Großburgwedel getroffen. Es wurde klar vereinbart, daß sich jeder nur zu dem Bereich äußert, für den er verantwortlich ist. Und daß man zunächst intern kommuniziert. Wenn wir uns alle daran halten, dann sehe ich keine Angriffsflächen mehr. Es ist keine allzu gewagte Prognose, daran nicht zu glauben. Schon kurz darauf gab Kind nämlich ein Interview. Der Moderator legte ihm in den Mund, Saisonziel von 96 könne bei den Verstärkungen Simak, Christiansen, Dabrowski und Brdaric doch nur der internationale Wettbewerb sein. Kind verhedderte sich ein bißchen in der Gegenrede, und am übernächsten Tag stand es in der Zeitung: 96 will in den Uefa-Cup! Rangnick muß zu Hause im Sessel die Hände überm Kopf zusammengeschlagen haben. Doch er scheint gelernt zu haben. Er sagt: Ich habe vom Präsidenten weder gelesen noch gehört, daß er vom Uefa-Cup träumt. Er hat gesagt, Platz zehn bis 14 ist realistisch. Kind spricht gern von antizyklischem Handeln (das heißt: Geld ausgeben, wo alle sparen) und vor allem von der mittelfristigen Planung. In der Durchsetzung dieser ist der Präsident knallhart. Ihm geht es weniger um schönen Fußball oder den Namen des Trainers. Er will die Marke Hannover 96 in den nächsten Jahren mit Macht in der ersten Liga etablieren. Eine nach und nach verstärkte Mannschaft, das umgebaute Stadion und irgendwann auch eine wettbewerbsfähige Geschäftsstelle sollen Hannover 96 zu einem ständigen Mitglied der ersten Gesellschaft werden lassen. Das ist Kinds Traum. Deswegen wird er auch schnell nervös, wenn die Punkte fehlen. Er verweist gern auf die Wirtschaft, wenn er Rangnick wieder mal kritisiert hat: Wer dort versagt, werde ja auch angeprangert. Oder gar entlassen. Rangnick aber hat gezeigt, daß er mit der Dauerkritik des Präsidenten leben kann. Wenn er sie nicht vielleicht sogar braucht, so hat er sich daran gewöhnt.“

Steht Hannover 96 dank der „tschechischen Achse“ Simak und Stajner vor einem sportlichen Höhenflug?, fragt Jörg Marwedel (SZ 9.8.). „Eigentlich hatte Rangnick sich die Sache anders gedacht. Gern hätte es der Trainer von Hannover 96 gesehen, wenn Jan Simak, 24, dauerhaft ins selbe Hotel wie er gezogen wäre. Man hätte gemeinsam frühstücken können und Rangnick hätte stets gemerkt, ob der nach einem Jahr heimgekehrte Profi noch immer „Probleme mit der Freizeitgestaltung“ hat oder schön solide war in der Nacht zuvor. Doch Simak lehnte ab. Auch die mütterliche 96-Anhängerin, die ihn aufnehmen und bekochen wollte, „damit der Junge gesünder lebt“, erhielt einen Korb. Nun wohnt Jan Simak wieder mit seinem tschechischen Kumpel Mirek zusammen. Mit dem ist er damals zuweilen bis zum Abwinken durch die Bars der Stadt gezogen. Und jetzt ist noch Jiri Stajner, 27, zur landsmannschaftlichen Runde gestoßen, was durchaus Anlass zur Sorge geben könnte, denn auch Stajner ist Getränken nicht abgeneigt und wieder solo, seit ihm Freundin Irina abhanden kam. Verblüffender Weise aber hat die neue Verbindung bislang nur positive Auswirkungen. „Wie ausgewechselt“ erleben Beobachter nicht nur Stajner. Beim 3:0-Sieg beim HamburgerSV wirbelte die Tschechen-Connection die HSV-Abwehr durcheinander wie eine Reihe Statisten. Bei jeder Aktion war so viel Freude an Spiel und Finten spürbar, dass Bayern-Trainer Ottmar Hitzfeld Hannover – etwas voreilig – zur „Spitzenmannschaft“ ausrief. „Jan und Jiri“, sagt Assistenztrainer Mirko Slomka, „sind Partner auf einer Wellenlänge“. Das klingt, als handele es sich um ein glückliches Paar, das sich gesucht und gefunden hat. Tatsächlich gehen die beiden gern zusammen Essen, trinken auch mal ein paar Bier, wie dieser Tage beim Maschseefest. Aber mehr? Nicht, dass sie wüssten in Hannover. Sie wissen überhaupt noch immer nicht viel über Jiri Stajner. Klar, sie kennen seine Vorgeschichte. Dass er, wie er selbst sagt, „in jugendlichem Leichtsinn“ das Profileben in vollen Zügen genoss und während seiner wilden Jahre in Prag beinahe die Karriere verfeiert hätte. Sie wissen, dass er im vergangenen Spätherbst, als fehlende Fitness und Frust ihn plagten, oft einsam in der Bhagwan-Disco am Raschplatz saß und den Schmerz mit Alkohol zu lindern suchte. Es war jene Zeit, als Rangnick zweifelte, „ob die nicht den Zwillingsbruder geschickt haben“.“

Vitalität dieses immer noch begeisterungsfähigen Trainers

Roland Zorn (FAZ 9.8.) gratuliert Otto Rehhagel zum 65. Geburtstag. „Zunächst als sogenannter Feuerwehrmann beim 1. FC Saarbrücken, den Offenbacher Kickers, Werder Bremen, Borussia Dortmund, Arminia Bielefeld und Fortuna Düsseldorf, danach als Langzeitprojektleiter bei seinem zweiten Engagement in Bremen. Diese 14 Jahre zwischen 1981 und 1995 prägten Ruhm und Ruf eines Fußball-Lehrers, der längst eine Institution seiner Gilde ist. Rehhagel, einst ein frecher, manchmal unbedacht aggressiver, sprücheklopfender Herausforderer des deutschen Trainer-Establishments, entwickelte sich in seiner Bremer Ära zu einem Mann, der den Kollektivgedanken nicht nur predigte und so aus Außenseitern Meisterprofis machte. Mit Werder bot Rehhagel den großen Bayern die Stirn und gewann dabei zwei deutsche Meisterschaften (1988 und 1993), zweimal den DFB-Pokal (1991 und 1994) und dazu den Europapokal der Pokalsieger (1992). Eine Bilanz, die den von sich und seinem großfamiliär angelegten Arbeitsstil (ich bin ein demokratischer Diktator) überzeugten Trainer bis an die Spitze seiner Gilde führte. Daß er nach der, wie er glaubte, Vollendung seines Lebenswerks Werder der Verlockung nicht widerstehen mochte, auch einmal ein Stück der ewigen Erfolgsgeschichte des FC Bayern München mitzuschreiben, war allzu verständlich. An der Säbener Straße jedoch stieß Rehhagel, obwohl sportlich leidlich erfolgreich, an Grenzen. Inmitten der damals für chic gehaltenen Selbstinszenierung eines Klubs als FC Hollywood störte der als Hüter tradierter Werte gekommene Rehhagel nur. Der Bremer Alleinherrscher scheiterte an den für ihn letztlich unübersichtlichen Machtverhältnissen und Einflußsphären. Der an der Weser noch prinzipienfeste Medien- und Moralkritiker hatte sich zudem ohne Not zu Gefälligkeiten gegenüber dem Boulevard hinreißen lassen, die ihm niemand dankte. Nach nicht einmal einem Jahr mußte Rehhagel sein Experiment, auch bei einem Großverein das Gesetz des Handelns mitzubestimmen, abbrechen (…) Seit August 2001 betreut der Essener auch ohne spezifische Kenntnis der Landessprache die griechische Nationalmannschaft. Dem zunächst mit Skepsis begegneten Deutschen liegen die Hellenen inzwischen zu Füßen. Rehhagel ist spätestens seit dem 1:0-Sieg seiner Elf in Spanien auf dem Weg zur Europameisterschafts-Endrunde 2004 in Portugal. Wer gesehen hat, mit welcher Begeisterung Rehhagels junge Griechen mit ihrem deutschen Lehrmeister die jüngsten Erfolge gefeiert haben, spürte die Vitalität, die diesem immer noch begeisterungsfähigen Trainer eigen ist.“

Betriebswirtschaftliche Wahrnehmungsstörung

Thomas Kistner (SZ 9.8.) schüttelt den Kopf. „Barça verschenkt Fußballer, für die der Klub vor kurzem noch Millionen ausgegeben hatte. Der Brasilianer Geovanni, für 21 Millionen Euro geholt, durfte gratis zu Benfica Lissabon wechseln. Der Franzose Christanval (17 Mio. Euro) ging ablösefrei zu Marseille. Die Stürmer Pérez (15 Mio.) und Riquelme (11 Mio.) wurden ausrangiert. Also zugelangt, solange der Vorrat reicht! Andererseits, man muss nichts überstürzen. Die Baisse im großen Fußballgeschäft wird eine Weile anhalten, viele Spitzenklubs haben ja noch nicht kapiert, wohin die Reise geht. Barcelona liefert die schönste Fallstudie für jene betriebswirtschaftliche Wahrnehmungsstörung, die eben erst beim Londoner FC Chelsea kuriert werden musste. Dort wurde der Doktor Abramowitsch zu Hilfe gerufen, ein russischer Oligarch mit Geldschrankkoffern nicht restlos nachvollziehbarer Herkunft (… Barcelona) steht hochverdient am Rand des Bankrotts. Stark anzunehmen nur, dass der nicht eintritt. Dafür dürften diejenigen sorgen, die unter der ruinösen Einkaufspolitik im mediterranen Raum am heftigsten zu leiden haben, Klubs wie der FC Bayern. Wenn 2004 die Uefa eine Lizenzprüfung für ihre europäischen Cup-Teilnehmer einführt, wäre die große Chance ja da, notorische Raubritter wie die Katalanen rauszuschmeißen. Aber die werden sich zu verschanzen wissen – in der G14 nämlich, jenem Konvent der Großkopferten, ohne den die Uefa nicht ihre dicken TV-Gelder erlösen könnte. Man wird sich weiter schlagen und vertragen, bis der Konkursverwalter kommt. Oder der Doktor Abramowitsch. Bis dahin viel Spaß am Wühltisch.“

Ein ziemlich frommer Wunsch

Klaus Ott (SZ 9.8.). „Beckenbauer muss bei Premiere kürzer treten und sich auf wenige Auftritte beschränken. Das verlangt jedenfalls ZDF-Intendant Markus Schächter von dem meinungsfreudigen Vielredner, dem die gebührenfinanzierte Anstalt mit Hilfe des Sponsors Deutsche Postbank für seine Weisheiten („Schau mer mal“) fünf bis sechs Millionen Euro bietet. Beckenbauer soll im ZDF Länder- und Pokalspiele, die Europameisterschaft 2004, die Mini-WM 2005 (Confederations Cup) und am Ende auch die Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland kommentieren. Die Unterzeichnung des Vertrages ist für kommende Woche angesetzt, der erste ZDF-Auftritt Beckenbauers im Dienste der Bank ist für die Partie der Deutschen gegen Italien am 20. August geplant. Bei einem Treffen in München sagte Schächter zu Beckenbauer, das ZDF wolle ihn für das viele Geld möglichst exklusiv haben. Premiere hätte Beckenbauer am liebsten bis zur WM 2006 an sich gebunden und bei allen 13 Spieltagen der Champions-League pro Saison eingesetzt. Nun darf der begehrte Experte höchstens jedes zweite Mal ran, und das auch nur bis 2005. Er käme auf vielleicht zwölf Auftritte im Abofernsehen, Kofler zahlt dafür weniger als eine Million Euro. Ab Mitte 2005 ist Schluss bei Premiere. Dann will das ZDF Beckenbauer für sich alleine haben. Ein ziemlich frommer Wunsch.“

Stefan Hermanns (Tsp 9.8.) sucht nach Ursachen für die vielen Verletzungen der letzen Wochen. „In wirtschaftlichen Krisenzeiten wie dieser, in denen rund 200 Fußballprofis arbeitslos sind, scheint die Risikobereitschaft höher zu sein als früher. Die führt offensichtlich nicht nur zu Kreuzbandrissen, sondern auch zu vielen anderen Verletzungen. Rund 50 Spieler fehlen den 18 Bundesligisten zurzeit. Dabei ist die Saison gerade eine Woche alt. Im vergangenen Jahr war es nicht anders. An der zu hohen Belastung durch Liga-, Länder- und Europacupspiele kann das in diesem Stadium der Saison eigentlich nicht liegen. Ewald Lienen, Trainer von Borussia Mönchengladbach, hat die kurze Regenerationsphase nach Saisonende und die „zerrissene Vorbereitung“ heftig kritisiert: „Für mich ist es eine eklatante Fehlplanung, wenn nach dem Saisonende noch EM-Qualifikationsspiele angesetzt werden, und es ist völlig unverständlich, dass in Deutschland bereits Anfang August die Saison wieder beginnt.“ In anderen Ländern dauere die Sommerpause schließlich auch einige Wochen länger. Durch die Länderspiele hat der Urlaub für die Nationalspieler erst Mitte Juni begonnen, Ende des Monats haben die ersten Vereine schon wieder das Training aufgenommen. Die Nationalspieler, die ohnehin stärkeren Belastungen ausgesetzt sind, hatten dadurch noch weniger Urlaub. Wilfried Kindermann sagt: „Die Sommerpause, sprich der Urlaub, sollte mindestens drei Wochen, günstigstenfalls vier Wochen betragen.“ Das aber wird durch den dichten Terminplan immer unrealistischer. In diesem Jahr fand von Mitte bis Ende Juni auch noch der Konföderationencup statt. „Lächerlicher kann man es doch nicht machen“, sagt Lienen. Eine geordnete Vorbereitung war für viele Vereine gar nicht möglich.“

Tsp-Interview mit Felix Magath

SpOn-Interview mit Dieter Hoeneß (Manager Hertha Berlin)

Die FAZ (8.8.) meldet. „Fußball-Clubs widmen sich immer mehr auch dem Geschäft mit Sparanlagen oder Kreditkarten. Jüngst vereinbarte der deutsche Meister Bayern München eine Zusammenarbeit mit der Hypo-Vereinsbank (HVB) und eifert damit dem englischen Rivalen Manchester United (ManU) nach, der schon seit Jahren auf seiner Internet-Seite Sparverträge, Autoversicherungen oder Darlehen anbietet. „Wir gehen im deutschen Fußball in Sachen Finanzen neue Wege“, sagte Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge. Das erste gemeinsame Produkt soll im Herbst auf den Markt kommen. In der Branche herrscht noch Skepsis vor. Thomas Dörflinger von der Landesbank Baden-Württemberg glaubt nicht an große Wirkungen durch solche Partnerschaften zwischen Bank und Club. „Für den normalen Fan ist das kein Grund die Bank zu wechseln“, sagte er. Die Geldanlage mit Extra-Verzinsung, die zum Beispiel ManU anbietet, ist für ihn zum Beispiel „eine Spielerei, eine neue Wette auf sportliche Ergebnisse“. Für die Bank werde es erst interessant, wenn es um Unternehmenskäufe oder einen Börsengang ihres Partner-Clubs gehe, sagte er. Nach Aussagen von Rummenigge würde die HVB als neue Hausbank des FCB im Fall eines Börsengangs „den Leadpart“ übernehmen. Der englische Meister bietet einige Beispiele, was im Bereich Finanzen und Fußball möglich ist. So zahlte ManU in Zusammenarbeit mit der MBNA Europa Bank den Anlegern in der vergangenen Saison eine Bonusverzinsung von 0,5 Prozent für das Erreichen des Viertelfinales in der Champions League und gewährt in diesem Jahr einen Nachlaß von zehn Pfund auf die Autoversicherung, wenn das Team mindestens 40Auswärtstore erzielt. Einen speziellen Anreiz bietet das Projekt „RedRewards“. Je nach Kreditkartenumsatz gibt es Lose und damit die Chance, Preise wie eine Führung durch das Old-Trafford-Stadion oder ein handsigniertes Trikot zu gewinnen.“

Michael Eder (FAZ 9.8.). „Die Sonne verwandelt den Lebensrhythmus, es ist erstaunlich, was eine Hitzewelle so alles auftauen kann: Gefühle, ganze Menschen, auch den Sport. Sogar Felix Magath, den einst knüppelharten Quälix, hat sie weich bekommen. Der Stuttgarter Fußball-Lehrer hat seinen Spielern am Nachmittag hitzefrei gegeben. Man hat mehr vom Leben, wenn die Sonne scheint, nicht nur, wenn man in Stuttgart Fußball spielt. Die Tage werden länger und die Nächte auch, und schon finden in den Amateurligen viele Fußballspiele am Abend statt, so wie es in Portugal, in Spanien, in Brasilien seit Menschengedenken üblich ist. Die Copacabana liegt am Baggersee, in den Schwimmbädern kicken sie auf Sand, und wenn wir noch drei solche Sommer haben, dann werden unsere Kinder wieder barfuß Fußball spielen und das Bällchen hochhalten wie die Brasilianer. Die Dortmunder müßten nicht mehr in Rio einkaufen, sondern könnten das um die Ecke erledigen, und überhaupt wäre es das Ende des teutonischen Klumpfüßers und vielleicht auch der deutschen Fußballtugenden.“

Gewinnspiel für Experten

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Saisonvorbereitung in Leverkusen, München – Trainerentlassung in Kaiserslautern – europäische Finanzkrise und andere Themen

Zur Saisonvorbereitung der Bundesliga meint Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 24.7.). „Die Krisenmeldungen kommen aus jenen Regionen, wo am Ende der Spielzeit die Enttäuschten ins Ziel kamen. Vom 1. FC Kaiserslautern etwa, der, lange auf Champions-League-Kurs liegend, nur einen UI-Cup-Platz erreichte. Vom Hamburger SV, der nah dran war, in akute Abstiegsgefahr verwickelt zu werden. Der Rauswurf von Reinhard Stumpf ist wohl in erster Linie als Vergangenheitsbewältigung zu begreifen. Beim HSV ist die Zerreißprobe zwischen dem Vorsitzenden Werner Hackmann und dem Aufsichtsvorderen Udo Bandow nur vertagt. Mit einem neuen Sportdirektor für den im Januar 2003 scheidenden Holger Hieronymus soll alles besser werden. Hackmann aber fühlt sich übergangen. Erst bei der Entscheidung kontra Hieronymus, jetzt bei der Kontaktaufnahme mit Dietmar Beiersdorfer. Und die Bayern, seit Jahren der Musterbetrieb der Liga? Wieder haben sie ihre Floßgaudi mit Musi auf der Isar gehabt, aber der übliche bayerische Mir-san-mir-Frohsinn will nicht aufkommen. Ohne den nationalen Meistertitel im Rücken reicht es gerade mal zum Hohlkreuz.“

Die Entlassung von Kaiserslauterns Trainer Stumpf kommentiert Elke Rutschmann (SZ 24.7.). „Jetzt soll Brehme als Solist die verlorene Einigkeit wiederherstellen. Ob der eher introvertierte Weltmeister dafür der Richtige ist? Seine Ausdrucksweise hat ihm manchmal Gelächter bei seiner Belegschaft eingetragen (…) Trotz seiner Quasi-Beförderung zum alleinigen Chef muss der 41-Jährige um den Rückhalt bangen. Es ist seine letzte Chance. Falls Lautern am Samstag im UI-Cup gegen Teplice scheitern sollte, könnten ganz schnell wieder die Namen Daum, Röber, Pagelsdorf oder Kunz als Nachfolger ins Gespräch kommen. Brehme weiß, dass er seinen Arbeitsplatz auch dem Umstand verdankt, dass der FCK im vergangenen Herbst seinen Vertrag bis 2004 verlängert hat und nach der Kirch-Krise in massiven finanziellen Problemen steckt.“

Zur europäischen Finanzkrise schreibt Thomas Klemm (FAS 21.7.). „Viele Klubs sind dazu übergegangen, in bislang weniger beachteten Ländern nach guten und günstigen Spielern zu suchen. Weil die Weltmeisterschaft keine außergewöhnlichen Stars hervorgebracht habe, behauptete Alex Fynn, würden die Vereine nun auch nach Südkorea oder Senegal blicken. „Die Preise für diese Spieler sind das Glücksspiel wert“, sagte der englische Berater. Nur Italien mag diesen Trend nicht mitmachen. Weil den Südeuropäern die sportliche Krise nicht minder große Sorgen bereitet wie die wirtschaftliche, beschlossen sie am Donnerstag, von der kommenden Saison an nur noch einen Nicht-EU-Ausländer pro Klub zu erlauben. Schon 1966, als der dortige Fußball darniederlag, hat man den einheimischen Markt für Ausländer geschlossen – bis die Squadra Azzura 1982 Weltmeister wurde. Ein Schritt zurück nach vorne – darauf wird man sich wohl in ganz Europa einstellen müssen.“

Über die Saisonvorbereitung Bayer Leverkusens heißt es bei Uwe Marx (FAS 21.7.). „Es gab einige, die den Verein verließen, als sie für unverzichtbar gehalten wurden: Wörns, Emerson, Jorginho, Sergio, zuletzt Robert Kovac. Der kroatische Verteidiger ging vor einem Jahr den Weg, den nun Ballack und Zé Roberto gegangen sind. Die Bayern überwiesen 16,7 Millionen Mark nach Leverkusen und wähnten den besten Manndecker der Bundesliga in ihren Reihen. Am Ende schnitt Bayer trotzdem in allen Wettbewerben besser ab. Die jüngsten Transfers wären bei aller Zurückhaltung dazu angetan, die Phantasie der Verantwortlichen zu beflügeln. Kein Ligakonkurrent gab mehr Geld aus als Bayer Leverkusen (…) Zusätzlich gönnt sich der nach außen bescheidene Meisterschaftszweite eine Verjüngung de luxe. Mit Bierofka, Balitsch und Preuß ergänzen drei der begehrtesten deutschen Talente Toppmöllers Kader; Bierofka ist bereits Nationalspieler, die beiden anderen sollen es bald werden.“

Dario Venutti (NZZaS 21.7.) über die Arbeitsweise eines schweizerischen Spielervermittlers. „Nicolas Geiger hat sich von Anfang an auf afrikanische Spieler spezialisiert. Er ist überzeugt, dass sich Schwarze im Fußball auf lange Sicht ebenso durchsetzen werden wie im nordamerikanischen Basketball. Die athletische Überlegenheit der Schwarzen sei naturgegeben, dagegen könne man nichts machen (…) Geigers Projektionen entsprechen einer bei Europäern verbreiteten Sicht von Afrika und dem afrikanischen Fußball. Seit der Kolonialzeit werden Afrikaner als minderwertig betrachtet, einsetzbar in physisch anstrengenden Arbeiten. Diese Optik hat sich nicht grundlegend verändert und zeigt sich nun im Fußball respektive in den Afrikanern zugeschriebenen Fähigkeiten. Laut Geiger sind es die Lebensumstände in Afrika, welche die Fußballer besonders qualifizierten: Afrikaner würden sich besser ernähren (sic!), sie würden statt mit dem Auto zu Fuß gehen und schwerere Lasten tragen.“

Philipp Selldorf (SZ 24.7.) bemerkt zum Engagements des Telekom an der Säbener Straße. „Vor kargen Zeiten braucht sich niemand zu fürchten. Als sich der Klub gestern an der Seite des neuen Hauptsponsors, der Deutschen Telekom, in seiner mit Teppich gefütterten Turnhalle vor wenigstens 200 geladenen Beobachtern präsentierte, wirkte er gesund und kraftvoll wie eh und je, zumal da mit Yello Strom ein weiterer sogenannter Premium Partner zum Rekordmeister gefunden hat. Rezession in Deutschland, aber auf der Sponsorentafel der Münchner wird’s eng (…) Dass Begriffe wie „mobile Endgeräte“ bei der Berichterstattung über ihren Klub auftauchen, daran werden sich die Bayern-Fans gewöhnen müssen. Dafür sind sie künftig in der Lage, per Internet in ihrem Handy ein Trikot zu bestellen, das „besten Feuchtigkeitstransport“ garantiert.“

Joachim Mölter (FAZ 24.7.) zum selben Thema. „Es hat den Anschein, als mutiere der ansonsten so selbstbewusste FC Bayern gerade zu einem Telekom-Team. Die offizielle Saisoneröffnung erweckte jedenfalls den Eindruck, dass das Kommunikationsunternehmen den Fußballverein als PR-Agentur missversteht. Als ob es nicht genug gewesen wäre, dass allüberall auf dem Klubgelände nun unübersehbar ein magentafarbenes T prangt, mussten die Fußball-Leute am Dienstag auch eifrig für die neuesten Errungenschaften der Telekommunikationstechnik werben, die künftig offensichtlich alle beim FC Bayern ausprobiert werden und die Fans zum Geldausgeben verleiten sollen. Bei dieser Präsentationsveranstaltung war der Sport nur von nachrangiger Bedeutung.“

Philipp Selldorf (SZ 20.7.) noch mal. „120 Millionen Euro zahlt Telekom dem Klub bis zum Jahre 2008, und es bleibt ein spannender Prozess, wie die Symbiose von Großunternehmen und Fußballmacht vonstatten geht. Im Sponsoring habe man „einen Standard gesetzt, den kein zweiter Verein in der Welt setzen konnte – auch nicht Real Madrid“, sagt Rummenigge. Doch nun hat Telekom-Boss Ron Sommer abgedankt, von dessen Charisma auch die Bayern so schwärmten, und dessen rechte Hand, PR-Chef Jürgen Kindervater, steht ebenso vor der Ablösung. Kindervater gilt als Schöpfer der Verbindung; über sein Motiv gehen die Hörensagenerzählungen auseinander. Es heißt, er habe Zugang zur Münchner Gesellschaft gesucht; andere mutmaßen, er habe durch die Hochzeit mit Edmund Stoibers Bayern präventiv Lobbyismus für den Regierungswechsel betreiben wollen. Kindervater selbst ließ wissen, er habe “Bekanntheitsgrad und Image” der Telekom im Blick.“

Michael Reinsch (FAZ 20.7.) über den Mythos Tour. „Wer der Veranstaltung Kommerzialisierung vorwirft, hat sie nicht verstanden. Sieben Jahre nach den Olympischen Spielen der Neuzeit entstanden, ist die Tour de France Prototyp des modernen Sports. Neben Nationalflaggen schwenken die Fans die Zeichen von Unternehmen, etwa das magentafarbene T der Deutschen Telekom. Anders als die Olympischen Spiele entschied sich die Tour für Professionalismus und gegen Amateursport; für hohe Siegprämien anstelle von Medaillen und rhetorischen Lorbeerkränzen. So wichtig die Finanzen sind bei der Tour – es hilft doch sehr, die Tour als Radrennen und Sommerfest genießen zu können, wenn man an Wunder glaubt. Seit fast einem Jahrhundert produziert sie so die tollsten Geschichten. Das lieben die Fans; Geschichte und Legende sind ein bedeutender Teil der Tour. Anderes aber wollen die Zuschauer nicht so genau wissen.“

Zum fünften Weltmeistertitel Michael Schumachers bemerkt René Hofmann (SZ 22.7.). „Schumacher hat es geschafft, immer um Siege mitfahren zu können. Zu einem großen Teil hat er bei Ferrari selbst dafür gesorgt, dass ein homogenes Team wuchs. Konsequenter als jeder andere vor ihm hat er seinen Körper fürs Rennfahren trainiert. Er hat dem Spektakel einen Aspekt gebracht, den es vorher kaum kannte: die körperliche Fitness. Konsequenter als jeder andere hat er sich seinen Nummer-eins-Status in die Verträge schreiben lassen, und konsequenter als jeder andere jagt er den Triumph. Im Rennen um den Titel fuhr er seinen Konkurrenten Damon Hill und Jacques Villeneuve einst in die Autos, im vergangenen und in diesem Jahr nahm er die Hilfe seines Teamkollegen Rubens Barrichello bereitwillig an. Auch in dieser Disziplin hat Schumacher der Formel 1 eine neue Dimension gebracht. Als großer Sportsmann wird er deshalb nie gelten können. Als großer Rennfahrer schon.“

Gewinnspiel für Experten

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Duell um die Tabellenführung

am Sonntag siegten die Spitzenteams Bremen und Leverkusen im „Duell um die Tabellenführung“ (NZZ) – „Unterhaltungsfußball“ (FAZ) in Bremen auch dank Johan Micoud, Bremens – Comeback Nowotnys – Armin Veh tritt zurück

Duell um die Tabellenführung

Martin Hägele (NZZ 7.10.) fasst den Bundesliga-Sonntag zusammen, an dem zwei Spitzenteams ihre Ambitionen unterstrichen: „Am 8.Spieltag meldete die „Sportschau“ einen neuen TV-Rekord: 6,3 Millionen Haushalte waren zu den sieben Partien am Samstagnachmittag zugeschaltet. Dazu kamen am Sonntag noch die Tor-Festivals von Bremen und Leverkusen. Vor allem das Niveau dieser beiden Begegnungen tat dem Ruf der Bundesliga gut. Bisher zeichneten sich die Sonntagsspiele nämlich durch schwache Qualität aus. Unter dem Motto „Duell um die Tabellenführung“ wurde sowohl das Bayer-Team als auch das Werder-Ensemble den Erwartungen gerecht, die seit einigen Wochen im Umfeld der beiden Mannschaften gewachsen sind. Einmal davon abgesehen, dass die Bundesliga generell Imagewerbung nötig hat, verlangt heuer speziell die Kundschaft am Rand der Weser und unterm Bayer-Kreuz nach besonderer Rehabilitierung. Unter Retter Augenthaler trumpft die durchsortierte und neu geordnete Equipe um den Weltmeister-Libero Lucio fast wie zu jenen Zeiten auf, als sich Bayer als Spitzenkraft der Liga etablierte und die Fussball-Lehrer Daum und Toppmöller mit als die wichtigsten Dozenten der Bundesliga galten. Augenthaler hat dem Bayer-Spiel wieder eine klare Ordnung verliehen: Alles ist etwas nüchterner geworden (…) Auch die Norddeutschen haben schwere Zeiten hinter sich. Selten zuvor hat sich ein Bundesliga-Vertreter solche Demütigungen gefallen lassen müssen wie die Werderaner nach ihrem K.o. im UI-Cup gegen den FC Superpfund Pasching. Wer die Schützlinge des stocknüchternen Trainers Schaaf heute spielen sieht, kann sich beim besten Willen nicht mehr vorstellen, dass sich diese Leute von der österreichischen Provinzmannschaft blamieren und auslachen liessen. Nach der Gala gegen den VfL Wolfsburg sagte Manager Allofs spontan dem Rekordmeister aus München den Kampf an: „Jetzt ist sogar der Titel drin, ja die Meisterschaft ist möglich.“ Manche im Weserstadion fühlten sich in diesem Augenblick zurückversetzt in die Zeiten, in denen Guru Rehhagel den „Millionarios von der Isar“ den Krieg erklärte. Schon damals gehörte die Psychologie des Underdogs zu den Strategien der Bremer.

Werder Bremen – VfL Wolfsburg 5:3

Unterhaltungsfußball

Frank Heike (FAZ 7.10.) ist freudetrunken: Nach 65 Minuten schien es, als blickten die Darsteller dieses wunderbaren Schauspiels auf die Dramaturgie der Ereignisse in dem Empfinden zurück: Genug, wir haben alles gezeigt und gegeben, was an diesem Abend möglich ist, jetzt bieten wir den Zuschauern ein gemächlicheres Ende an. Denn mit Miroslav Karhans Tor zum Endstand von 3:5 in ebendieser Minute war das torreichste und faszinierendste Spiel dieser Bundesliga-Saison beendet, obwohl noch 25 Minuten zu spielen waren. Für den Rest der Zeit egalisierten sich die beiden Teams und hielten sich einigermaßen an die taktischen Vorgaben der Trainer. Niemand unter den 32 000 Zuschauern im Weserstadion verübelte den Profis die nun fehlende Zielstrebigkeit. Denn was das Publikum zwischen der 21. und 65. Minute gesehen hatte, war die ganze Schönheit des Fußballs, die sich dann offenbart, wenn zwei Mannschaften ihre taktischen Fesseln abstreifen und ein Spiel einfach laufen lassen. Sieben Tore in 44 Minuten, darunter einige Treffer aus dem Lehrbuch des Fußballs, eine spektakuläre Torfolge, Slapstick in den Abwehrreihen, zwei völlig verschiedene Mittelfeldregisseure als Hauptdarsteller – darüber gab es so viel zu erzählen, daß der neue Presseraum des SV Werder noch eine halbe Stunde nach Spielschluß mit diskutierenden Verantwortlichen und fragenden Reportern gefüllt war. Und irgendwie schienen nicht nur die Spitzenreiter aus Bremen glücklich zu sein, an diesem Spiel mit einer Fülle rundum erfreulicher Momente teilgenommen zu haben. Auch die Wolfsburger verhehlten nicht ihren Stolz, daß ihr Fußball zum derzeit attraktivsten der Liga gehört – Unterhaltungsfußball.

Markus Jox (taz 7.10.) teilt Bremer Selbstbewusstsein mit: „Klaus Allofs hatte den Mund sehr voll genommen. Für seine Verhältnisse sogar übervoll. In seiner wöchentlichen Prä-Spiel-Kolumne, die in einem Bremer Anzeigenblättchen erscheint, hatte der sonst eher distinguierte Sportdirektor des SV Werder mal so richtig vom Leder gezogen. Auch wenn wir uns manchmal noch ein bisschen mehr Beachtung wünschen, formulierte Allofs nachgerade verwegen, macht Erfolg eben sexy. Deswegen erfülle der Verein im Moment alle Wünsche: Ob Premiere, DSF, Sportstudio, Sportblitz oder Sportclub – alle wollen Studiogäste vom SV Werder. Am Sonntag hätte dieser neue Bremer Sexappeal um ein Haar sogar Thomas Schaaf erfasst. Nach dem nie gefährdeten 5:3 im einmal mehr nicht ausverkauften Weserstadion, wählte selbst der spröde, aber doch wundersam witzige Trainer des neuen Bundesliga-Tabellenführers große Worte: Diese Platzierung spiegelt genau die Leistung wider, die das Team zu Saisonbeginn gezeigt hat, schwärmte Schaaf. Er freue sich bereits auf das Spitzenspiel gegen den VfB Stuttgart in zwei Wochen und hoffe, dass die Hütte dann ausverkauft sein wird. Rasch hatte Schaaf seine Emotionen wieder im Griff und gab, ganz wie gewohnt, den Georg Christoph Lichtenberg des deutschen Fußballs: Drei Gegentore zu Hause sind zu viel – das geht eben gut aus, wenn man fünf schießen kann. Viel kann man dieser aphoristischen Analyse nicht hinzufügen. Allein: Es war eine bemerkenswerte, vielleicht sogar typische Partie für den SV Werder dieser Bundesliga-Hinrunde 2003. Denn in Momenten, in denen die Mannschaft in der Vorsaison noch in arge Bedrängnis gekommen wäre, blieben die Schaafianer am Sonntag kaltschnäuzig, cool – und konstant am Drücker. Zweimal war den wackeren Wolfsburgern der Anschlusstreffer geglückt, und zweimal kam die Bremer Antwort prompt.“

Sven Bremer (FTD 7.10.) fügt hinzu: „Der Hardcore-Fan schreckt vor nichts zurück. Um seinen SV Werder ganz oben in der Tabelle der Fußball-Bundesliga zu sehen, hat ein Anhänger der Grün-Weißen einen „Johan-Micoud-Gebetsschrein“ ins Internet gestellt. Mit der Bitte an die Besucher seiner Homepage, doch eine Kerze für den französischen Mittelfeldspieler zu entzünden. Das Abspielen der Marseillaise gibt’s gratis dazu. Es scheinen so einige Werder-Fans auf die Seite gesurft zu sein – Micoud führte wieder einmal göttlich Regie (…) Sportdirektor Klaus Allofs ist entspannt, trotz der stockenden Vertragsverhandlungen mit den Leistungsträgern Ailton und Mladen Krstajic. „Wenn sie nicht unterschreiben, sind sie eben weg“, sagt er lakonisch. Werder sei an seine Grenzen gegangen. „Ich glaube, das Ailton bleiben will“, sagt Allofs und kokettiert mit dem Gezerre um Gehälter und Prämien: „Reich ist er sowieso, ein bisschen weniger reich reicht doch auch, oder?“ Manager Allofs, dem Max Merkel einst bescheinigt hatte, „der würde woanders nicht einmal die Parkschranke öffnen“, kann trotz des bescheidenen Budgets auf eine hervorragende Personalpolitik verweisen. Er hat im vergangenen Jahr den Coup mit Micoud eingefädelt, es folgten zu Saisonbeginn Andreas Reinke, der zum Nulltarif aus Murcia kam, sowie die Leihgaben Valérien Ismael und Ümit Davala. All drei sind schon Stammspieler.“

Jörg Marwedel (SZ 7.10.) porträtiert Johan Micoud: „Es hat nicht nur sonnige Tage für Johan Micoud gegeben in den bald 14 Monaten, die er jetzt in Bremen ist. Manchmal hat er gehadert mit der Taktik des Trainers Thomas Schaaf, manchmal mit sich selbst. Und jedesmal, wenn der SV Werder das Aus in Uefa- und UI-Cup beklagte, versetzte es ihm einen Stich. Die internationale Bühne ohne ihn, den französischen Star, das bedeutete Frust hoch drei, schlechte Karten für die Nationalelf und zuweilen ein Motivationsproblem. Nicht wenige haben ihn deshalb als ziemlich launischen Typ eingestuft. Womöglich ist aber am Sonntag eine neue Phase seines Wirkens bei Werder sichtbar geworden: ein herrliches Spektakel. Micoud hat mächtig Spaß gehabt bei dem Duell der Regisseure mit Wolfsburgs Andrés D’Alessandro. Zum einen natürlich, weil er dieses Duell klar gewonnen hat; zum anderen, weil er sich überhaupt „gern mit außergewöhnlichen Fußballern misst“. Zu denen zählt er D’Alessandro, seit er ihn unlängst im Fernsehen beobachtet hat. Bremens Sportdirektor Klaus Allofs kann noch viele Argumente aufzählen, weshalb sich diesmal nicht wiederholen werde, was sich in den vergangenen beiden Spielzeiten mit Werder und mit Micoud abspielte – dass man nach einer begeisternden Vorrunde wieder abstürzt in jene Region kurz vor dem Niemandsland: die gewachsene Routine, die bessere Balance im Kader, in dem nun auch ein Stürmer wie Ivan Klasnic die Geduld des Trainers Schaaf belohnt und zum internen Konkurrenzkampf beiträgt. Allofs’ wichtigstes Argument aber heißt Micoud. Über den Spielmacher sagt der Sportdirektor: „Johan ist der Gradmesser für die neue Beständigkeit. Er ist noch mehr Führungsspieler geworden.“ Micoud fiel gegen Wolfsburg nicht nur als gewohnt glänzender Passgeber und Torschütze mit Augenmaß auf, sondern auch durch seinen Einsatz.“

Typische Wellentäler zwischen Superstar und Depp

Frank Heike (FAS 5.10.) fügt hinzu: „Im Frühjahr war der Unersetzliche noch der Querulant. Es lief mal wieder gar nicht beim SV Werder; eine Niederlagenserie hatte die erfolgreiche Vorrunde vergessen gemacht, und der gefeierte Mann der späten Monate 2002 war der Störenfried der frühen Monate 2003 – Johan Micoud. Er spielte nicht mehr so gut wie im Herbst, er geriet mit einem Boulevardreporter aneinander, er kritisierte die mangelnde interne Kommunikation mit Sportdirektor Klaus Allofs, speziell mit Trainer Thomas Schaaf. Das tat er öffentlich, in einem Interview. Das ärgerte gerade Schaaf besonders. Für ihn ist Diskretion alles. Plötzlich hatten alle diejenigen Futter, die sowieso nie verstehen konnten, warum ein französischer Nationalspieler vom AC Parma an die Weser gewechselt war. Weil er eben ein schwieriger Typ sei, so die Antwort der Auguren, die es in Bremen zwar weniger zahlreich als anderswo in Bundesliga-Deutschland, aber durchaus auch gibt. Micoud überstand das Frühlings-Unwetter an der Weser, vielleicht auch deswegen, weil er nicht ungeschickt von sich und seinem Fehlverhalten auf und außerhalb des Feldes ablenkte und mit dem FC Schalke 04 und dem FC Liverpool flirtete. Vielleicht muß ein Profi aus dem Ausland erst das Wirkungsgefüge in einem deutschen Klub und seinem medialen Umfeld mit diesen typischen Wellentälern zwischen Superstar und Depp durchleiden, bevor er seine volle Qualität entfalten kann. Micoud steht als auffälligster Mittelfeldspieler der Bundesliga da; die Bremer haben ihren Höhenflug längst untrennbar mit Micoud verknüpft: Er gilt als unersetzlich.“

Bayer Leverkusen – Hansa Rostock 3:0

Christoph Biermann (SZ 7.10.) berichtet Jens Nowotnys Comeback in der Bundesliga: „„Ich hätte aber wohl nicht gespielt, wenn Juan fit gewesen wäre“, sagte Nowotny und irrte. Es mochte ihm so erscheinen, dass er nur für den Brasilianer einsprang, der eine Angina auskuriert. Doch schon nach der Partie in Wolfsburg hatte Klaus Augenthaler in kleinem Kreis davon gesprochen, den Rekonvaleszenten gegen Hansa spielen zu lassen. Außerdem stellte er Nowotnys Kollegen auf seine Rückkehr richtig ein. „Ich habe an die Mannschaft appelliert, dass sie ihn nicht im Regen stehen lässt“, sagte Augenthaler. Das war besonders Carsten Ramelow anzumerken. Nowotnys bester Freund im Team warf sich im defensiven Mittelfeld so entschieden dazwischen, als wolle er seinem Hintermann jeden Zweikampf ersparen. Lucio, Nowotnys Partner in der Innenverteidigung, arbeitete mit ähnlichem Eifer, so dass der Rückkehrer kaum einmal geprüft wurde. „Er hat keine gravierenden Fehler“, sagte Augenthaler, was man als Kritik hätte missverstehen können, denn viele Gelegenheiten für Fehler hatte Nowotny eben nicht. Doch der Trainer von Bayer hat sich entschlossen – und das ist schon eine kleine Sensation – , Nowotny seinen Platz auf Dauer zurückzugeben. „Wenn er sich nicht verletzt, wird er in Berlin auf dieser Position spielen“, sagte Augenthaler, „wer auf der rechten Seite zum Einsatz kommt, werden wir sehen.“ Das dürfte Juan sein, einer von Bayers Besten in dieser Spielzeit.“

Er ist einer, der an der Ostsee etwas versuchen wollte

Dirk Böttcher Udo Muras (Welt 7.10.) bedauern den Rücktritt Amin Vehs: „Der Augsburger, der wohl einem Rauswurf zuvorkam, bleibt sich treu. Er geht, weil er ehrlich zu sich selbst bleiben wollte – und weil er kaum noch Argumente besaß. Die Vereinsführung hatte zwar mehrmals verkündet, mit Veh auch in die Zweite Liga zu gehen, aber sie war sich auch nicht mehr einig. Veh geht nun vielleicht sogar zum Regionalligisten FC Augsburg. Die für Dienstag angekündigte Trainervorstellung wurde dort gerade um eine Woche verschoben, und Veh teilte mit, dass er definitiv zu keinem größeren Verein wechseln werde. Zu Augsburg habe er hingegen immer ein Verhältnis. Walter Seinsch, Augsburgs Vereinspräsident, sagte bereits, für Veh würde er von Augsburg nach Rostock zu Fuß gehen. Als Veh ging, standen sämtliche Journalisten Spalier, der Abschied fiel schwer. Mit dem Umfeld kam der emotionale Typ besser zurecht als mit seinen Spielern, die ihm Unberechenbarkeit vorhielten. Unvergesslich seine Ausbrüche unter der Woche, wenn er etlichen Profis die Bundesligatauglichkeit absprach und sie samstags dann doch wieder auflaufen ließ. Mit dem Vorstand harmonierte er. Besser kann das Verhältnis gar nicht sein, sagte Veh. Vorstandsmitglied Rainer Jarohs hatte einmal gesagt: Man muss aufpassen, ihn nicht zu doll zu mögen. Denn einmal wird dieser Tag kommen. Veh aber hat diesen Tag des Rauswurfs verhindert. Nicht einmal stand er auf einem Abstiegsplatz, aber er kam auch nicht viel höher hinaus. Die Lage ist hier nicht aussichtslos, sagte er noch und dass er der Mannschaft Erfolg wünsche. Denn der fehlte. Den Vorstandsauftrag, endlich schöneren Fußball spielen zu lassen, hatte Veh sehr wohl erfüllt. Wer nicht sieht, welche Entwicklung diese Mannschaft gemacht hat, der sollte sich einen anderen Beruf suchen – als Journalist, sagte er noch vor dem Spiel in Leverkusen. Aber uns fehlen Ergebnisse. Weil dem so war, hatte Aufsichtsratschef Horst Klinkmann angeblich zwei Punkte gefordert aus den Spielen in Leverkusen und Wolfsburg, was als Ultimatum ausgelegt wurde. Rostock verliert durch Veh an Glanz und Charakter. Der Gladbacher Ex-Profi war einer, der an der Ostsee etwas versuchen wollte. Auch wenn die Kasse leer war.“

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Modisch elegante Trennlinie

Christian Ewers (FAZ 5.5.) berichtet ein schwaches Spiel. “So ein Trenchcoat ist das richtige Kleidungsstück für ungemütliche Momente. Man kann sich tief in ihm vergraben, die Hände in die Taschen stecken und den Kragen hochschlagen, wenn der Wind pfeift. Dietmar Beiersdorfer wußte die Vorteile seines blauen Mantels zu schätzen, als er am Samstag nachmittag in die zugige Mixedzone des Cottbuser Stadions kam. Der Trenchcoat hielt Beiersdorfer nicht nur warm, er zog auch eine modisch elegante Trennlinie zu einigen anderen Besuchern der Zone. In Beiersdorfers Rücken zum Beispiel stand in kurzen Hosen Bernd Hollerbach, Abwehrspieler des Hamburger SV, und sagte: Wir haben alles versucht. Der Mannschaft kann man keinen Vorwurf machen. Und wenige Meter neben Hollerbach gab Kurt Jara ein Interview. Der HSV-Trainer sagte: Nach der ersten halben Stunde haben wir uns von Minute zu Minute gesteigert und den Gegner kontrolliert. Mit diesen Meinungsäußerungen konnte Beiersdorfer überhaupt nichts anfangen. Das Remis hatte den Sportdirektor des Hamburger SV tief frustriert. Beiersdorfer war zu enttäuscht, um sich laut zu empören – es sprach die kalte Wut aus ihm. Als er gefragt wurde, ob der schwache Auftritt des HSV auf einen Mangel an Persönlichkeiten zurückzuführen sei, holte Beiersdorfer tief Luft und sagte: Ich habe heute keinen einzigen Spieler gesehen, der sich von den anderen abgehoben hat. Die Zweikämpfe seien alibimäßig geführt worden, klagte Beiersdorfer, und überhaupt sei die Lustlosigkeit nicht nachvollziehbar, da die Möglichlichkeit, in der nächsten Saison international zu spielen, Anreiz genug sein müßte, alles zu geben. Tatsächlich hat der Hamburger SV eine günstige Gelegenheit verpaßt, sich im Kampf um einen Uefa-Cup-Platz etwas Luft zu verschaffen.“

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„Easy going“ in Stuttgart

„easy going“ in Stuttgart – Bayern München fehle Teamgeist (SZ, NZZ) – Portrait Clarence Seedorf (AC Milan) – Arsenal London, in England gut, in Europa schlecht – AS Monaco im Aufschwung

Peter Heß (FAZ 4.11.) berichtet leichtes Leben in Stuttgart: “Wenn Felix Magath im Rentenalter auf seine Karriere zurückblicken wird, werden ihm die Tage und Monate des Herbstes 2003 als eine der glücklichsten Zeiten seiner Trainerlaufbahn einfallen. Wann kann ein Fußball-Lehrer vor einem wichtigen Auftritt schon sagen: Das Spiel hat nicht die große Bedeutung. Und wann reduzieren sich die Schwierigkeiten seines Berufes auf den Satz: Meine Hauptaufgabe ist es, die Spieler bei Laune zu halten. An diesem Dienstag tritt der VfB Stuttgart am vierten Spieltag der Champions League bei Panathinaikos Athen an, und die Mannschaft ist schon so weit in Vorleistung getreten, daß nicht einmal eine Niederlage den angestrebten Einzug ins Achtelfinale aus den Augen geraten ließe. Aber an Mißerfolge denkt derzeit in Stuttgart ohnehin niemand. Der Tabellenführer der Bundesliga weist eine außerordentliche Saisonbilanz auf. Zwölf Siegen in der Liga und den Pokalwettbewerben stehen gerade mal drei Unentschieden und eine Niederlage gegenüber. Die Erfolgswelle trägt und trägt, und Magath muß nur darauf achten, daß unzufriedene Ersatzspieler den Frieden nicht stören.“

Tsp: „Magath kehrt zurück in die Stadt seines größten Triumphs

Mangel an Leidenschaft und Entschlossenheit

Philipp Selldorf (SZ 4.11.) sorgt sich um den FC Bayern: „Wie gut ist die Gemeinschaft in der Mannschaft? Als starke Gemeinschaft hatte der FC Bayern vor zwei Jahren die Champions League gewonnen und dabei besser besetzte Teams wie Real Madrid und Manchester United besiegt. In der laufenden Saison arbeitet Trainer Ottmar Hitzfeld mit einer Ansammlung erstklassiger Spezialisten, um deren Möglichkeiten ihn die Kollegen in der ganzen Bundesliga beneiden. Pizarro, Zé Roberto, Demichelis, Ballack oder Deisler, die Nachfahren von Effenberg, Jancker, Fink, Tarnat, Sergio oder Andersson, heben fußballerisch das Niveau. Das sagt allerdings noch nichts darüber aus, ob sie den gleichen Ehrgeiz zum Erfolg besitzen. Mittelfeldspieler Jens Jeremies deutete jetzt im kicker an, dass er Zweifel hegt: „Die jetzige Mannschaft hat eindeutig mehr Potenzial als die von 2001, auch in spielerischer Hinsicht“, meinte er, „aber ob sie den gleichen Erfolg haben will, werden wir sehen.“ Tatsächlich gab es in den vergangenen Wochen kaum ein Spiel, nach dem Trainer, Vorstandschef oder Manager nicht den Mangel an Leidenschaft und Entschlossenheit beklagt hätten. Die jüngsten Partien in Lyon und gegen Kaiserslautern, gegen Nürnberg und in Schalke, geben den Beobachtungen und Grübeleien der tief besorgten Verantwortlichen recht. Die Vereinzelung der Spezialisten blieb ein ständig wiederkehrendes Symptom: Michael Ballack versucht vergeblich, als Kopf des Teams aus dem Zentrum heraus das Spiel zu organisieren, und je verzweifelter er sich dabei anstrengt, umso wirkungsloser gerät sein Einsatz (…) Die Frage, ob die Mannschaft auch eine Gemeinschaft bildet, ist im Fall des Misserfolgs ein klassischer Bestandteil der Ursachenforschung. Beim FC Bayern, der im Begriff ist, eine neue Mannschaft aus unterschiedlichen Elementen und vielen Nationalitäten zu bilden, liegt sie dieser Tage besonders nahe. Dass es im Team Fraktionen gibt, dass Südamerikaner und Europäer zwei Welten bilden, dass Veteranen und das neue Establishment sich arrangieren müssen, ist unübersehbar.“

Martin Hägele (NZZ 4.11.) sieht das ähnlich: „Fussball aber ist nun einmal ein Kampf- und Mannschaftssport, speziell in Deutschland. Und nur wenn sich der Top-Repräsentant der Bundesliga auf diese Tugenden konzentriert, kann er weiterhin mit berechtigten Hoffnungen Real Madrid herausfordern – die einzige Mannschaft, an welcher sich der deutsche Rekordmeister derzeit misst. Mit der Nonchalance und Überheblichkeit der vergangenen Wochen aber lässt sich die Konkurrenz in der Liga nicht länger auf Distanz halten – vom 19.Meistertitel ist der haushohe Favorit schon ein ordentliches Stück weg, zumal er sich nicht nur wie gewohnt mit einem Hauptkonkurrenten, sondern mit einer ganzen Meute von Rivalen herumschlagen muss: Es sind dies die hartnäckigen Stuttgarter, die erst zwei Tore und immer noch keine Niederlage kassierten; die Dortmunder, die selbst mit einer Mischung aus Reserve und A-Jugend punkten; die Bremer, die bereits den Verkauf ihres Goalgetters Ailton und auch den baldigen Verlust Kristajics verwunden haben; die Bayer-Truppe aus Leverkusen, die vom Ex-Bayern Augenthaler wieder auf Vordermann getrimmt wurde – und letztere drei Teams können sich ausschliesslich auf die Bundesliga konzentrieren. Vom negativen Trend ist es nicht mehr weit bis zur Krise oder zum Fehlstart. Und weil an solch sportlichen Miseren nie alle schuld sein können, hat nun in München die Suche nach einem oder mehreren Sündenböcken begonnen. Dafür bieten sich, Ironie des Schicksals, gleich zwei Leute an, die bis vor kurzem dem FC Bayern der Saison 03/04 ihren Stempel aufzudrücken schienen. Plötzlich stehen Michael Ballack und Rekordtransfer Roy Makaay im Mittelpunkt einer System-Debatte.“

Und was willst du hier? Etwa den Ball? Vergiss es!

Wolfram Eilenberger (Tsp 4.11.) porträtiert Clarence Seedorf: „Man könnte es Arroganz nennen. Aber Arroganz ist eine Form der Dummheit. Und Clarence Seedorf spielt nicht dumm. Ganz im Gegenteil. In Sachen Aktionsgeschick, Passabwägung und Situationskontrolle dürfte es derzeit kaum einen Mittelfeldspieler geben, der es mit den Fähigkeiten von Seedorf aufnehmen kann. „Derzeit“ bedeutet im Karrierekontext: die letzten zehn Jahre europäischer Spitzenfußball. Wohlgemerkt, Seedorf ist heute 27 Jahre alt. Der Niederländer in Diensten des AC Mailand sieht damit einer Entwicklungsphase entgegen, in der ein ganz normaler Mittelfeldstar erst beginnt, sich seiner Fähigkeiten voll bewusst zu werden. Im Falle Seedorfs, der als einziger Spieler mit drei unterschiedlichen Vereinen die Champions League gewonnen hat, bleibt hingegen zunächst unklar, welche seiner Stärken er noch für sich entdecken und verfeinern könnte. Denn Seedorf wusste schon als 18-jähriger Profi in Diensten von Ajax Amsterdam ganz genau um die außergewöhnliche Höhe seines spielerischen Intelligenzquotienten. Von Beginn an stilisierte er dies Wissen konsequent in seinen Bewegungsabläufen. Mit jeder lockenden Ballbefühlung, jeder öffnenden Wendung, jedem verschleppten Dribbling und jedem gelangweilten Präzisionspass scheint er seinen Gegenspieler zu fragen: „Und was willst du hier? Etwa den Ball? Vergiss es!“ Nicht nur dieser offensiven Selbstsicherheit wegen ist Seedorf eine Reizfigur, an der sich die Geister und mitunter konkrete Spielverläufe schieden. Gleich seinen kongenialen Kumpels aus der Amsterdamer Goldkette – Edgar Davids und Patrick Kluivert – haftet auch an Seedorf der Verdacht, mit der frühen spielerischen Vollkommenheit sei eine gewisse Verkommenheit einhergegangen. Sieht man einmal vom Schicksal der holländischen Nationalmannschaft ab, lässt sich diese Einschätzung auf dem Platz allerdings nicht bestätigen. Obgleich vom einen oder anderen Konzentrationsloch geplagt, führte Seedorfs Präsenz noch in jeder seiner ausgesucht feinen Karrierestationen – nach Amsterdam bald Real Madrid, über Inter Mailand schließlich zum Lokalrivalen AC – zu einer verlässlichen Steigerung des Leistungsniveaus.“

In London fragt sich Stefan Coppell (FAS 2.11.): “Warum nehmen die Leistungs- und Erfolgskurven Arsenals in Europa und in England einen solch unterschiedlichen Verlauf? Während sich der dienstälteste Klub in der obersten englischen Liga (seit 1919) in den vergangenen sechs, sieben Jahren ein oft faszinierendes und erbittert-robustes Duell um die Vorherrschaft mit Manchester United geliefert hat, 1998 und 2002 Meister und sonst hinter ManU Zweiter wurde, sprang in der Champions League seit 1996 nur eine Viertelfinal-Teilnahme heraus. Dagegen stand United in diesem Zeitraum immer zumindest in der Runde der letzten acht und gewann 1999 das Finale gegen Bayern München. Das nagt am Selbstverständnis von Arsene Wenger, der noch im Sommer 2002 einen Machtwechsel zugunsten Arsenals erkennen wollte. Doch in den letzten zwölf Spielen der Champions League sprang nur ein Sieg heraus, setzte es Heimniederlagen gegen La Coruna, Auxerre und Inter Mailand. Und die in der englischen Liga so viel und zu recht gerühmte Offensivabteilung um die Franzosen Henry, Wiltord, Pires und Vieira, die Brasilianer Edu und Gilberto sowie den Schweden Ljungberg und den Niederländer Bergkamp brachte es nur auf neun Treffer, von denen allein Henry sechs erzielte. Dem überragenden Welt- und Europameister fehlt offenbar ein kongenialer Partner. Bei all der technischen Brillanz, die Arsenal in vielen Spielen ausstrahlt, ist nicht zu übersehen, daß die Rot-Weißen oft allzu selbstverliebt den Ball durch die Reihen tanzen lassen und auf den letzten Metern ihrer oft atemraubenden und blitzschnellen Ball-Stafetten bisweilen der Killer-Effekt abhanden kommt. Und gerade beim deprimierenden 0:3 gegen Inter Mailand vor einigen Wochen hat sich gezeigt, daß die Nachfolger der legendären Viererkette (vor Seaman verteidigten rund ein Jahrzehnt lang Dixon, Adams, Bould/Keown, Winterburn) noch nicht jene granitene Stabilität verbreiten.“

Sven Gartung (FAZ 3.11.) befasst sich mit dem wiedererstarkten AS Monaco: „Nicht alle goutieren in Frankreich den durch den Morientes-Transfer ausgelösten Höhenflug der AS Monaco. Nach dem zwischenzeitlich verordneten Zwangsabstieg wegen Überschuldung nun Erster in der Meisterschaft, dazu in der Champions League auf Zwischenrundenkurs, das geht vor allem den Vereinspräsidenten der großen Klubs gehörig gegen den Strich. In Frage gestellt werden die Bedingungen, unter denen der Verein aus dem souveränen Fürstentum am Meisterschaftsbetrieb teilnimmt. Ausländische Spieler etwa zahlen keine Steuern, Lohn- und Sozialabgaben sind im Gegensatz zur französischen Wirklichkeit minimal oder fallen gar ganz weg. Dadurch verschafft sich die AS Monaco laut einer Studie in ihrem Budget jährlich Vorteile in Höhe von rund zwanzig Millionen Euro gegenüber französischen Vereinen. Zudem beklagen sich andere Klubs, voran Olympique Marseille, daß Monaco trotz seines ungebührlichen Finanzgebarens seinen internationalen Platz in der Ligue 1 behalten habe – dadurch entgehe anderen Klubs noch mehr Geld. Unsere Erfolge haben wir auf rein sportlichem Wege erreicht, die anderen hätten nur gegen uns gewinnen müssen, kontert Monacos neuer Präsident, Pierre Svara, die Vorwürfe. In der Tat ist die Association Sportive de Monaco einer der vier erfolgreichsten französischen Vereine in den letzten zwanzig Jahren. Der Klub hat über das Punktesystem der Europäischen Fußball-Union erheblich mit dazu beigetragen, daß der französische Fußball über drei Startplätze in der Champions League verfügt. Die Zahl der Nationalspieler, die der Verein bisher gestellt hat, beläuft sich auf derzeit 53. Auch das ist ein Spitzenwert im Vergleich zur Konkurrenz.“

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Japan und Südkorea

Japan und Südkorea verfügen jeweils über moderne rechtsstaatliche Demokratieapparate. Zudem unterhalten sie seit geraumer Zeit politische, wirtschaftliche und militärische Bündnisse zu den gleichen – westlichen – Partnerländern. Doch das „Erbe einer schweren Geschichte“ (NZZ) belastet das Verhältnis der beiden Gastgeberländer. Von 1909 bis 1945 wütete Japan als „brutale Kolonialmacht“ auf der koreanischen Halbinsel. Wird die Fußball-Weltmeisterschaft frischen Wind in die nachbarliche Beziehung wehen?

Obwohl er unter massiver und gleichzeitig vielfältiger Kritik stand (if 29.5.), ist der Schweizer Joseph Blatter mit deutlicher Mehrheit zum Fifa-Präsidenten wiedergewählt worden. Wird er künftig seinen Führungsstil ändern?

„Das Mikrofon ist rund“. Michael Horeni (FAZ) klärt uns über mediale Strategien der deutschen Nationalspieler auf. Von stereotypen Vorstellungen über einen rhetorisch unterentwickelten Berufsstand müssen wir uns demnach ebenso verabschieden wie vom Leitbild des unpolitischen Fußballprofi.

Außerdem: über die Perspektiven von Titelverteidiger Frankreich und neues über Frauen und Fußball.

Ralf Wiegand (SZ 29.5.) berichtet vom „Kampf der Kontinente“. „Es wird zum ersten Mal keine der beiden Fußballschulen einen Heimvorteil haben: Noch nie fand eine WM nicht auf dem amerikanischen oder europäischen Kontinent statt. Die Wahrheit liegt also erstmals auf neutralem Platz, in Asien. Auf den ersten Blick ist der europäische Fußball viel stärker vom südamerikanischen beeinflusst als umgekehrt. Das liegt schon allein daran, dass der Spielerfluss sehr einseitig verläuft, heraus aus den riesigen Talentreservoirs von Rio bis Buenos Aires, hinein in die zahlungskräftigen Top-Ligen Europas (…) Womöglich kommt Asien den Südamerikanern entgegen, durch die zu erwartende Hitze zum Beispiel oder die Neigung vieler Brasilianer, ihre Karriere in der japanischen J-League ausklingen zu lassen. Doch längst halten die Experten den europäischen Fußball nicht nur von der Disziplin und der Taktik her für mindestens ebenbürtig, auch technisch müssen sich nicht mehr alle Nationen hinter den Ballkünstlern aus der südlichen Hemisphäre verstecken.“

Urs Schoettli (NZZ 30.5.) erinnert an die Verbrechen der japanischen Kolonialmacht in Korea. „Nicht nur wurden Unabhängigkeitsbewegungen blutig unterdrückt, die Japaner lancierten auch gezielte Kampagnen, die koreanische Kultur und Sprache auszulöschen. Noch heute sieht man Zeugnisse davon. Vor manchem historischem Gebäude in Seoul steht eine Tafel, der zu entnehmen ist, dass es während der japanischen Besatzung zerstört wurde. Häufig handelt es sich dabei um Tempel und Palastanlagen, die keinen militärischen Wert besaßen. Während sie über Korea herrschten, ließen die Japaner vor allem während des Zweiten Weltkriegs, als die eigenen Männer von der Armee eingezogen wurden, zahlreiche Koreaner als Zwangsarbeiter nach Japan überführen. Koreanische Frauen wurden als Prostituierte für die japanischen Truppen zwangsrekrutiert. Beide Gruppen kämpfen bisher ohne Erfolg um Kompensationen für das erlittene Unrecht“

Josef Kelnbeger (SZ 29.5.) befasst sich mit den Perspektiven des amtierenden Welt- und Europameisters. „Sieht man genau hin, haben sich in ihr Spiel Anzeichen von Arroganz geschlichen. Sie könnten am Ende ihres Weges sein (…) Sie sind fast schon zu gut geworden, zu groß, schon jetzt Legenden des Fußballs. Sie haben die französische Schule zu einem Modell für die Welt gemacht (…) Sie können mit grandiosen Toren Weltmeister werden, sie können aber auch grandios abstürzen. Sie hängen an einem seidenen Faden, wie sie beim 3:2 im Test gegen Südkorea zeigten, so fein wie eine Muskelfaser von Zinedine Zidane.“

Michael Horeni (FAZ 29.5.) über den Fußballprofi in der Mediengesellschaft. „Mit der unmittelbaren Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft, die für die Deutschen im besten Fall bis zum Endspiel am 1. Juli dauert, werden die prominentesten der Nationalspieler wie in einem Brennglas für rund einen Monat – noch mehr als sonst – zu öffentlichen Personen. Ihre Äußerungen werden genauestens registriert und exzessiv interpretiert, als müssten die Profis keine Fußballspiele gewinnen, sondern einen Wahlkampf. Vor allem dann, wenn sie über Dinge sprechen, die weit über den Fußball hinausreichen (…) Manche Stars autorisieren ihre Interviews selbst, andere bitten bei womöglich heiklen Aussagen um professionelle Hilfe aus der Presseabteilung. Doch da geht es fast nie um Beiträge von potentiell politischen Dimensionen. Gefürchtet wird vielmehr, dass zuviel Ehrlichkeit über den einen oder anderen Kollegen durchrutscht oder auch nur ein missverständlicher Halbsatz, der für Ärger in der Mannschaft, im Heimatklub oder beim Management führen könnte. Denn Fußballklatsch führt garantiert zu Schlagzeilen in dem vor allem in Deutschland leidenschaftlich betriebenen Spielchen zwischen Medien und Fußballprofis: Wer sagt was über wen und wo.“

Zu Fußball und Technik halten Frauen – um es mit einem politischen Modewort zu sagen – Äquidistanz. So will es zumindest das Klischee. Dass ein Tor aber, wenn es von einer Frau geschossen wurde, nicht die gleiche Qualität haben soll wie das eines Mannes, diese bittere Erfahrung machte Mareen Linnartz (FR 25.5.) in ihrer Kindheit. Sie beneidete die Jungs in ihrer Nachbarschaft, denn: „Sie haben Fußball. Und wir haben das nicht.“ Wir, das sind die Mädchen die eben keinen Sport haben, „den man immer und auf fast jedem Belag (Rasen, Beton, Sand) ausüben kann, bei dem sogar eine Hauswand reicht, wenn gerade niemand da ist und der einen so großen Kreis von Eingeweihten kennt, dass man sich selbst mit vietnamesischen Taxifahrern über Franz Beckenbauer unterhalten kann.“ Linnartz vermisst „diese geheime Verbundenheit“ zwischen Mädchen und wünscht sich, genau wie die Jungen „einen Abend lang in Andeutungen wie „damals in Cordoba“ oder dieses „2:1 in Barcelona“ verlieren zu können.“ Lennartz macht es nichts aus, dass ihre Welt nicht so überschaubar daher kommt wie die der fußballbegeisterten Männer; eine Welt, in der „Freunde und Feinde an der Farbe ihrer Trikots auszumachen sind.“ Aber traurig ist sie schon, zwar mal „gönnerhaft“ an den Ball gelassen worden zu sein, ohne je wirklich dazugehören zu können.

Ein Shopping-Versuch der Azzuri an ihrem ersten freien Tag in Sendai ist im Gedränge unerwartet leidenschaftlicher japanischer Fans erstickt worden, meldet die italienische Tageszeitung La Repubblica (28.5.). In kleinen Gruppen hatten Totti, Cannavaro und seine Teamkollegen versucht, einen Bummel durch die Shopping Mall der City zu machen, als plötzlich Hunderte hauptsächlich weiblicher Anhänger auf der Jagd nach Autogrammen und Erinnerungsfotos sie dermaßen bedrängten, dass ihnen nur noch die Flucht im Taxi übrig blieb.

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