indirekter freistoss

Presseschau für den kritischen Fußballfreund

Donnerstag, 25. März 2004

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Bayerns Krise, Dortmunder Fans, Meyers Interview

Krise bei den Bayern; wer findet die Lösung? – Dortmunder Fans protestieren – taz-Interview mit Hans Meyer (Hertha BSC Berlin) (mehr …)

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Omnipotenz von Franz Beckenbauer

Die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung – nicht gerade für reflexhaftes Misstrauen gegenüber den Mächtigen dieses Landes bekannt – stößt sich an der Omnipotenz von Franz Beckenbauer, und die Süddeutsche Zeitung beleuchtet noch einmal die “Akte Fedor Radmann”.

Joachim Mölter (FAS 30.3.) kritisiert. „Franz Beckenbauer trägt die Gesamtverantwortung für das Organisationskomitee sowie für den deutschen Rekordmeister – und damit auch für die beiden derzeit größten Fußball-Affären. Aber niemand traut sich, ihn deswegen in die Verantwortung zu nehmen (…) Im deutschen Fußball gibt es niemanden, bei dem so viele Interessen so schadlos kollidieren wie bei ihm. Als Präsident des FC Bayern München wirbt Beckenbauer für die Deutsche Telekom, als Privatmann für das konkurrierende Unternehmen O2. Für den Verein muß er mit dem Großversicherer Allianz kooperieren, für das Organisationskomitee mit dessen Mitbewerber Hamburg-Mannheimer. Als Klubchef hat er den Bau eines neuen Stadions in München betrieben; als OK-Boß wird er es für die Fußball-WM anmieten. Und niemand traut sich, ihn aufzufordern, dieses Geschäftsgeflecht zu entwirren, um für klare, saubere Verhältnisse zu sorgen. Wer sollte das auch tun? Der Mann, den sie im Fußball den Kaiser nannten, hat sein Reich längst über das Spielfeld hinaus ausgedehnt. Der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber dient ihm beim FC Bayern als Vorsitzender des Beirats. Der Bundeskanzler Gerhard Schröder stand stramm und still hinter ihm, als die Entscheidung über die WM-Vergabe für 2006 fiel. Und als die beiden im vergangenen Jahr nach Afghanistan unterwegs waren und das Raketenabwehrsystem des Transall-Flugzeugs ausgelöst wurde, da stand Beckenbauer in den Schlagzeilen der Boulevardzeitungen; der Bundeskanzler stand im Kleingedruckten darunter. So wichtig ist Franz Beckenbauer mittlerweile also für Deutschland. Soll man da ernsthaft erwarten, daß der Innenminister Otto Schily, Aufsichtsratsmitglied des WM-Organisationskomitees, Beckenbauers Rolle in der Radmann-Affäre kritisch hinterfragt? Womöglich die Konsequenzen fordert, die in der freien Wirtschaft üblich sind, nämlich den Vorgesetzten Radmanns zur Rechenschaft zu ziehen, der über die Vorgänge hätte Bescheid wissen müssen? So müßte es sein, aber so wird es nicht kommen. Beckenbauer hat eine Medienmacht hinter sich: Bild, Premiere, RTL. Und der Kaiser dient so vielen Leuten, die mit ihm, durch ihn, dank ihm so gute Geschäfte machen, daß sie ihn nicht stürzen werden, sondern stützen.“

siehe auch: Eine direkte Leuchte ist er nicht

WM-OK-Vize Fedor Radmann unter Verdacht

Thomas Kistner (SZ 1.4.) untersucht die „Akte Fedor Radmann“. „Es gibt schon jetzt auffallend viele zufällige Geschäftsvernetzungen innerhalb der deutschen WM-Organisation. Auch spricht nicht direkt für ein modernes Geschäftsgebaren, wenn die bisher vier nationalen WM-Sponsoren zugleich auch den OK-Chef Beckenbauer auf der PR- Payroll führen oder führten. Was hat der DFB zum Erhalt dieser WM eigentlich versprochen: Deutschland macht’s möglich – oder Kaiser Franz allein macht sie möglich? Nun ist der OK-Chef auch noch Radmanns stärkste Stütze in all den Affären. Deshalb geht es am Dienstag auch um die Frage, wie das sportive Zukunftsmodell Deutschland aussieht: Mit Vollgas zurück ins Kaiserreich? Sollte Radmann erneut das Vertrauen des OK erhalten, könnte das Auswirkungen haben für die Aufsichtsräte; für Innenminister Schily, DFB-Chef Mayer-Vorfelder und Günter Netzer, Miteigner der WM-Fernsehrechte. Keiner wird behaupten können, er sei überzeugt, dass nun nichts mehr passieren werde. Nach allem, was vorliegt, und nach allem, was der Klärung bedarf, ist Gutgläubigkeit eine zu dünne Entscheidungsbasis. Wird dem OK-Vize noch einmal das Vertrauen erteilt, darf nichts mehr schiefgehen im weiten Feld seiner WM- Geschäfte. Insofern wird das Thema Radmann am Dienstag tatsächlich beendet. Ganz gleich, wie die Lösung aussieht.“

(28.3.)

Jan Christian Müller (FR 28.3.) stellt fest, dass die Rückendeckung für WM-OK-Vize Radmann schwindet. “Selbst im eigenen Haus, so scheint es inzwischen, verfolgt man Radmanns Umtriebigkeit mit zunehmendem, wenn auch öffentlich noch verhalten verlautbartem Argwohn. Dass Politiker gerade in Zeiten dramatisch zusammenbrechender Steuereinnahmen unangenehme Fragen stellen, wenn sie von den möglicherweise erquicklichen Verästelungen im weit verzweigten Geschäftsgeflecht des Fedor Radmann hören, darf den Schattenmann hinter Beckenbauer nicht verwundern. Eine Fußball-WM ist ein gigantisches Geschäft für wenige, für das viele zur Kasse gebeten werden. Allein das WM-Kulturprogramm soll bis zu 60 Millionen Euro an Steuergeldern verschlingen. Radmann begegnet den unbehaglichen Nachfragen mit Brachialrhetorik: Das schlägt angesichts der weltpolitischen Lage dem Fass den Boden aus. Wenn er da mal nicht wieder einen Schritt zu weit gegangen ist.“

(27.3.)

Jens Weinreich (BLZ 27.3.) porträtiert. „Fedor Radmann hat Stil, keine Frage. Der distinguierte Grauschopf parliert in mehreren Sprachen. Er weiß die Vorzüge erlesener Weine zu schätzen. Und wer sich je von ihm in ein fremdländisches Restaurant einladen ließ, hat es nicht bereut. Es war ein Genuss. Ach ja, und außerdem kennt sich der 58-jährige Radmann gut aus in der Sportpolitik. So gut, dass er an der Seite seines bayerischen Landsmannes Franz Beckenbauer im Sommer 2000 zwölf von 24 Stimmen des Fifa-Exekutivkomitees für Deutschlands Bewerbung um die Fußball-WM 2006 gewinnen konnte. Doch nur weil Neuseelands Jack Dempsey damals in Zürich aus mysteriösen Gründen der Abstimmung fernblieb, erhielt Deutschland die WM – bei einem 12:12 wäre Südafrika Gastgeber geworden. Seither tourt Radmann wie ein kleiner Fürst durch die Welt. Kumpel Franz präsidiert das deutsche WM-Organisationskomitee (OK). Kumpel Fedor, ein Freund der schönen Künste, fungiert als Vizepräsident, für Kultur und Marketing – welch lustige Kombination. Unter Radmanns Agide wurde – ohne Ausschreibung und von der Agentur seines Freundes und Geschäftspartners Andreas Abold – ein WM-Logo erstellt, über dessen Qualitäten im Ausland bloß gelacht wird. Drei Jahre vor der WM hat das OK nun allerlei Sponsoren verpflichten können, für manche fungiert Beckenbauer gleichzeitig als persönlicher Werbeträger – oder ist das umgekehrt? Beckenbauer ist Beckenbauer. Radmann aber ist nur Radmann, und deshalb werden seine Geschäfte weniger gnädig beäugt.“

Joachim Mölter (FAZ 27.3.) kritisiert die Verschwiegenheit des WM-OK-Vizes im Hinblick auf die öffentlichen Anschuldigungen. „Was Radmann nicht mitteilte, war seine Beteiligung an einer Münchner Agentur, die an sich nicht anrüchig ist. Brisant wird sie erst dadurch, daß auch der Münchner Andreas Abold Anteile daran hält, und Abold wiederum für das Organisationskomitee arbeitet: Er hat unter anderem das umstrittene WM-Logo entworfen (…) Der Ärger erreicht sogar politische Dimensionen. Radmann ist im OK auch zuständig für das Kulturprogramm, und das wird mit Steuergeldern finanziert: Dreißig Millionen Euro sind vom Bund zugesagt, die Länder haben bis zu weiteren dreißig Millionen in Aussicht gestellt. Wir verfolgen die Situation mit steigendem Argwohn, sagt Dagmar Freitag, die sportpolitische Sprecherin der SPD-Fraktion im Bundestag. Auch ihrem CDU-Kollegen Klaus Riegert ist nicht recht wohl bei der Sache. Zum einen hält er die Summe generell für zu hoch, zum anderen irritiert ihn, daß die WM-Organisatoren unlängst selbst auf Nachfrage, wofür sie das viele Geld verwenden wollten, nur Gedanken, keine Konzeption, keine Details mitteilten. Außerdem gab der Abgeordnete aus Göppingen zu bedenken: Jeder, der einen Auftrag von Radmann erhält, steht jetzt unter Generalverdacht. Das können die besten Büros sein, das kann alles in Ordnung sein, aber es wird immer ein G’schmäckle haben (…) Wer am Mittwoch gar nichts sagte, war OK-Präsident Franz Beckenbauer. Nur dem mußte Radmann bei seiner Anstellung im OK von vornherein alle Geschäftsverbindungen offenlegen. Beckenbauer hätte also Bescheid wissen müssen, und wenn er es getan hat, stellt sich die Frage nach seiner Rolle in Radmanns weitverzweigtem Geschäftsgeflecht.“

„Schily will mit Radmann sprechen“ SZ

siehe auch:

Wie weit reicht die Kirch-Affäre?

Der Geheimvertrag Kirch/Bayern

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VfL Bochum – Borussia Dortmund 3:0

Sonntags-Spiele in Bochum und Leverkusen – Neururers „Wunder von Bochum“ (FAS) – Neururer wird und wirkt erwachsen – Leverkusen zwischen Bescheidenheit und Anspruch – die Machtfülle von Hertha-Manager Dieter Hoeneß

VfL Bochum – Borussia Dortmund 3:0

Kein Vergleich mit Winfried Schäfer

Martin Hägele (NZZ 28.10.) meldet gute Aussichten für den VfL Bochum: „In der aktuellen Statistik liegen die Bochumer sieben Punkte vor den hundertmal berühmteren Rivalen aus Gelsenkirchen – würde man nur die letzten sieben Spieltage rechnen, wäre das oft als Graue-Maus-Team verspottete VfL-Team sogar Leader der Bundesliga. Dieter Meinhold soll diesen Aufstieg und die tolle Serie nun verkaufen. Deshalb wurde der Marketing-Experte von Opel geholt. In den fünf Monaten, die der Vorstand für die Lizenzspieler, Marketing und Öffentlichkeitsarbeit bei seinem neuen Arbeitgeber werkelt, ist ihm bald klar geworden, dass der VfL Bochum ganz dringend ein Image braucht, um in der Konkurrenz mit zwei der grössten deutschen Traditionsvereine zu überleben. „Wir müssen uns klein, fein und antastbar präsentieren“, sagt Meinhold deshalb, denn Schalke und Borussia Dortmund seien mittlerweile schon so riesig geworden, dass die Kundenbetreuung fast anonym verlaufe. Peter Neururer hat nicht nur im Jahr nach dem Wiederaufstieg in die Bundesliga, sondern erst recht in dieser Saison ein äusserst effektives Ensemble zusammengestellt. Wer etwa hätte gedacht, dass der Coach den Verlust von Bundesliga-Topskorer Christiansen (zu Hannover 96) und des VfL-Urgesteins Schindzielorz (1.FC Köln) nicht nur kompensieren, sondern sogar vergessen lassen würde durch die Integration des dänischen Internationalen Madsen sowie des Polen Szdebel, eines alten Bekannten Neururers, den der Trainer aus der Türkei geholt hat? Die Offensive, vor allem die Konter der Bochumer, ist inzwischen noch um einiges variabler und giftiger geworden (…) Die grösste Gefahr droht momentan jedenfalls durch die Euphorie im und um das Team, weshalb Neururer schon überlegt, wie er den ersten Anzeichen von Selbstgefälligkeit begegnet. Er müsse sich in psychologischer Hinsicht etwas einfallen lassen, so der Coach, dem allerdings auch selbst der Hang zum Abheben nachgesagt wird. Er wolle sich nicht mehr länger über grosse Sprüche definieren, hat Neururer („Ich war der Schrecken aller Präsidenten“) versprochen. Auch Meinhold stellt die absolute Seriosität seines Kollegen heraus. Ein Fachmann in Mannschaftsführung, Trainingslehre, Sportmedizin, kurzum auf allen Gebieten, die zum Fussball gehörten, sagt Meinhold: „Kein Vergleich etwa mit Winfried Schäfer, mit dem ich als Manager im Karlsruher SC gearbeitet habe.“ Neururer wird sich über dieses Kompliment sicher freuen.“

Christoph Biermann (SZ 28.10.) sieht das genauso: „Neururer war klar, dass der 3:0-Erfolg über Borussia Dortmund nur sieben Tage nach dem 2:0 bei Schalke 04 zu den schöneren Erfolgen in der Geschichte des VfL Bochum gehörte. Doch der Coach blieb im Moment des Glücks bei seiner Stop-and-go-Rhetorik, die er in den letzten Wochen entwickelt hat. Die Siege in den Revierderbys kündigte er vor den Partien quasi an („So groß, wie Dortmund sich fühlt, spielen wir Fußball“), um anschließend auf die eigenen Schwächen hinzuweisen. Auch nach der partiell furiosen Partie gegen Dortmund kritisierte er sein Team. „Wir haben den Ball teilweise nicht unseren Verhältnissen entsprechend laufen lassen“, sagte Neururer. Da hatten sich die Bochumer an ihren eigenen Tricks berauscht, wo sie lange kühl und sehr abgeklärt die Überzahl nach dem Platzverweis von Sebastian Kehl ausgenutzt hatten (…) Spielentscheidend war die Rote Karte für Kehl, denn selbst in Unterzahl zeigten die auf fremden Plätzen instabilen Dortmunder eine sehr gute Auswärtsleistung. Kehl versuchte den Schaden seiner erneuten Herausstellung zu mindern, nachdem er vor drei Monaten im Ligapokal Schiedsrichter Aust attackiert hatte und für sechs Wochen gesperrt worden war. „Du siehst den Roten Karton und denkst: Was ist denn hier wieder los?“, sagte Kehl. Los war jedoch seine Unbeherrschtheit, als er gegen Zdebel nachzutreten versuchte. Wiederholungstäter Kehl wird ihm nun einige Wochen fehlen, und damit ist der 23-jährige Nationalspieler erst einmal auf dem Tiefpunkt seiner Karriere angekommen.“

Er will endlich als seriöser Fachmann geschätzt werden

Richard Leipold (FAS 26.10.) lobt die Arbeit Peter Neururers: „Die Akzeptanz in der Öffentlichkeit wird immer größer, sagt Neururer. Wenn diese Akzeptanz sich zum Respekt steigern ließe, wäre das für einen oft belächelten Trainer wie ihn der größte Erfolg in seiner an Stationen so reichen Karriere. Insofern steht der Übungsleiter exemplarisch für den ganzen Verein. Auch Neururer giert nach Anerkennung. Er will endlich als seriöser Fachmann geschätzt werden und versucht mit aller Kraft, aus der Schublade auszubrechen, in die er auch deshalb geraten ist, weil er viel zu lange Effekthascherei nach Art eines Staubsaugervertreters betrieben hat. Für den Kampf um ein besseres Image ist Bochum der ideale Ort. Hier glauben sie ihm, daß er mehr kann als den Feuerwehrmann spielen. Hier haben sie ihm eine Chance gegeben, als die Rückkehr in die Bundesliga für den Trainer Neururer fast unerreichbar schien. In Bochum genießt er das, was er so lange vermißt hat: Vertrauen und Respekt. Neururer nimmt das kleine Glück demütig an. Ich bin sehr erfreut über das, was ich hier erleben darf. In der Bochumer Geborgenheit scheint Neururer sich zum Strategen zu entwickeln. Seinen Vorgesetzten, besonders dem Präsidenten Werner Altegoer, dankt er, indem er sie bei jeder Gelegenheit als die Väter seines Erfolges hinstellt. Neururer arbeitet nach der Devise, teile (das Lob) und herrsche. Es fällt ihm um so leichter, da weder ein Sportdirektor noch sonst eine sportliche Instanz seine Kompetenzen beschneidet. In der Mannschaft hat Neururer eine Hierarchie geschaffen und gefestigt. Zuerst lastete die meiste Verantwortung auf Kapitän Dariusz Wosz und Torwart Rein van Duijnhoven; in der Rückrunde der vergangenen Saison kam der frühere Dortmunder Sunday Oliseh dazu. Als Trainer oft vorzeitig entlassen, setzt Neururer bei seinen Führungsspielern auf Kontinuität. An Wosz etwa hält er seit Wochen fest, obwohl der Regisseur meist unter Form gespielt hat. Wenn Wosz in die Kritik gerät, fährt der Trainer sämtliche Schutzschilde aus und erfindet kurzerhand taktische Aufgaben im linken Mittelfeld oder sonstwo, die den Genius daran gehindert hätten zu glänzen. Oliseh hat der Trainer aus seinem goldenen Käfig in Dortmund befreit. Im Gegenzug kann Neururer, der bald sein zweijähriges Dienstjubiläum in Bochum feiert, sich auf die Loyalität der Führungsspieler verlassen, die in ihm einen berechenbaren Partner sehen.Um das Führungstrio und den aufstrebenden Nationalspieler Paul Freier herum hat er eine Mannschaft gebaut, die offenbar genug Substanz besitzt, Neururers Halbwertzeit als Erfolgstrainer zu verlängern.“

Die größten Sprüche klopft Neururer vor dem Spiel

Andreas Morbach (FTD 28.10.) ergänzt: “Einer unter den rund 50 tippenden Journalisten hatte das Ergebnis tatsächlich exakt vorhergesagt: Bochum schlägt Dortmund 3:0. Ein cooler Tipp. Fand auch Peter Neururer, deshalb rief er den Mann, ständiger Begleiter der VfL-Geschicke, am Sonntagabend vor dem Gang zum Siegestrunk anerkennend zu: „Nicht schlecht. Die Presse wächst offensichtlich mit meiner Mannschaft mit.“ Was nichts anderes hieß als: Das ist kein Zufall hier, sondern ein stetiger Marsch nach oben. Das zu betonen, wagte Bochums Trainer auch nach dem spektakulären Sieg in einem attraktiven Derby noch. Ansonsten galt wie immer: Die größten Sprüche klopft Neururer vor dem Spiel.“

Bayer Leverkusen – Borussia Mönchengladbach 1:0

Erwartungshaltung an die Ästhetik

Daniel Theweleit (BLZ 28.10.) bemerkt zur Leverkusener Bescheidenheit: „Er wurde mal wieder deutlich, der Unterschied zwischen Bayer Leverkusen und dem ewigen Rivalen FC Bayern. In München feiern sie nach einem Arbeitssieg gegen Kaiserslautern den Killerinstinkt ihres Stürmers Roy Makaay, sie huldigen dem Genie von Sebastian Deisler und preisen die Gewinnermentalität. In Leverkusen, beim Tabellenführer, kam nach dem glücklichen und hart erkämpften 1:0 gegen den Tabellenvorletzten ein schlechtes Gewissen zum Vorschein. Ich habe jetzt schon das Gefühl, mich entschuldigen zu müssen, verkündete Trainer Klaus Augenthaler mit bitterem Unterton. Man hatte den Gegner diesmal nicht an die Wand gespielt wie die bisherigen Teams, die in der Bay-Arena zu Gast waren, und der Trainer hatte das Gefühl, sich dafür verteidigen zu müssen. Obwohl ihm niemand einen Vorwurf gemacht hatte. Aber in Augenthalers Satz kam die Erwartungshaltung zum Vorschein, die man beim Fast-Absteiger der vergangenen Saison schon wieder an die Ästhetik des eigenen Spiels entwickelt hat. Und doch zeigte der Trainer ein wenig des bayerischen Fußballcharakters, von dem er durchdrungen sein müsste. In Leverkusen wird nun immer unverhüllter von einer möglichen Meisterschaft gesprochen. Sie beginnen also langsam zu träumen, nach dem Trauma des vergangenen Jahres, und Jens Nowotny verkörpert diese Rückkehr aus der Depression wie kein anderer.“

Der Trainer war in dieser Situation richtig für uns

Erik Eggers (FTD 28.10.) vermutet, dass Klaus Augenthaler Bayer gut tut: „Augenthaler ist wohl der Vater des neuerlichen Erfolgs. Seine staubtrockene Sachlichkeit, die minimalistische Rhetorik und sein ausgeprägter Sinn für Gerechtigkeit scheint dem mit Stars gespickten Kader gut zu tun. Von Beginn an hat Augenthaler klar gemacht, dass bei ihm – das war bei Klaus Toppmöller anders – auch Weltmeister keine Extrawürste bekommen. So musste Lucio, obwohl er um ein paar Tage Extraurlaub bat, pünktlich zum Sommertrainingslager in die Schweiz anrücken. Und wer über die Medien aufbegehrt, den watscht Augenthaler prompt und auf demselben Wege ab. So erging es etwa Hanno Balitsch und Jens Nowotny. Balitsch maulte via „Express“, er fühle sich nicht so wohl auf der Position des rechten Außenverteidigers – und las in der nächsten Ausgabe dieses Blattes: „Der kann froh sein, wenn er überhaupt spielt.“ Quelle: Augenthaler. Seitdem schweigt Balitsch gegenüber dem Boulevard. Auch in anderen Details äußert sich die Handschrift des Trainers. Er protestierte zum Beispiel, als der Klub, allen voran der in den Medien kaum noch präsente Sportdirektor Jürgen Kohler, den als Fehleinkauf titulierten Franca loswerden wollte. Der Brasilianer spielte schlecht und war sogar schon ausgelacht worden von den eigenen Fans. „Den kriege ich wieder hin“, glaubte hingegen Augenthaler, und nun sorgt der schmächtige Stürmer mit seinen Vorlagen für große Torgefahr in einer Mannschaft, in der bereits zwölf verschiedene Spieler getroffen haben. „Der Trainer war in dieser Situation richtig für uns“, lobt Holzhäuser – wie gut ein Trainer aber wirklich sei, zeige sich erst in Krisen. Was aber geschieht, wenn sich in dieser Saison keine einstellt in Leverkusen? Dann könnte er verfliegen, der Fluch vom „Ewigen Zweiten“.“

Stefan Hermanns (Tsp 28.10.) schildert die Machtfülle von Dieter Hoeneß: „Seit sieben Jahren arbeitet Dieter Hoeneß für Hertha BSC. Er hat 1996 als eine Art Frühstücksdirektor beim damaligen Zweitligisten angefangen, trug den offiziellen Titel Vizepräsident, wurde später Manager mit operativen Befugnissen und leitet heute als Vorsitzender der Geschäftsführung der Kommanditgesellschaft mit beschränkter Haftung auf Aktien die Geschicke des Klubs. Herthas Organisationsstruktur ist so übersichtlich wie ein Burda-Moden-Schnittmuster, aber die Öffentlichkeit interessiert sich ohnehin nicht für komplizierte Organigramme: Für sie ist Hertha Hoeneß. Und umgekehrt. In diesen Wochen, in denen für den Verein und seinen Macher einiges auf dem Spiel steht, wird das wieder verstärkt so empfunden. Hoeneß hat sich mit seiner ganzen Macht dafür eingesetzt, dass Huub Stevens Trainer des Fußball-Bundesligisten bleiben darf. Als fast die ganze Stadt, die meisten Medien und auch Teile der vergleichsweise machtlosen Vereinsgremien gegen den Niederländer waren, hat Hoeneß einen Abend lang nachgedacht und dann eine Lösung präsentiert, die er seitdem als Vereinbarung mit Stevens verkauft. In der Öffentlichkeit aber wird diese Abmachung vor allem als Ultimatum an den Trainer wahrgenommen. Die Stimmung scheint zu kippen. Die „Bild“-Zeitung hat das Ultimatum jetzt als „menschenverachtend“ bezeichnet, was Rupert Scholz, den Aufsichtsratsvorsitzenden, zu der Aussage bewogen hat: „Das ist hier wie in Schilda.“ Hoeneß weist darauf hin, dass die Lösung „nicht gegen Huub Stevens gerichtet“ war. Die einzige andere Möglichkeit wäre schließlich gewesen, ihn gleich zu entlassen. Hoeneß hat dies verhindert, und das hat noch einmal gezeigt, welche Macht und welchen Einfluss der Manager im Verein Hertha BSC besitzt.”

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Zum Auftritt der Russen bei der 2:3-Niederlage gegen Belgien

Zum Auftritt der Russen bei der 2:3-Niederlage gegen Belgien bemerkt die NZZ (15.6.). „Auch wenn den Russen das Glück nicht hold war: Ihre Heimreise erfolgt nicht zufällig. Zu oft hat Romantsew (Trainer ,of) die Formation variiert, und zu unglücklich scheint die Mischung zwischen Jung und Alt zu sein.“

Ronald Reng (FR 15.6.) über den 3:2-Sieg Belgiens gegen Russland. „Wut kann eine Energiequelle sein; Belgien schöpfte daraus gegen Russland tief. Es war vor allem Zorn auf sich selbst und die erschreckend schwache Vorführung gegen Tunesien (1:1). Doch Fußballer sind in ihrer Enttäuschung nicht anders als andere Menschen, sie tun sich schwer, die Schuld bei sich selbst zu suchen, und so begann das Fingerzeigen: Spieler lästerten untereinander und bei Journalisten über den Trainer und über Wilmots, der mit seiner doch sehr staatsmännischen Art als Kapitän eine leichte Zielscheibe für Neid ist. Der Konflikt war nach mehreren blutleeren WM-Testspielen wie dem 2:3 gegen Griechenland schon seit Monaten in der Schwebe. Nach dem Offenbarungseid gegen Tunesien brach er offen aus.“

Zur öffentlichen Euphorie in Japan bemerkt Anne Scheppen (FAZ 15.6.). „Das Stadion in Osaka – blau wie die See. Blau sind die Straßen in Tokio, in Yokohama, in Sendai. Zehntausende in den Trikots der Nationalmannschaft, lachend und singend. Manche weinen. Wer wird jetzt noch behaupten dürfen, die Japaner seien ein kontrolliertes Inselvolk, das nichts vom Feiern, nichts vom öffentlichen Freuen versteht? Wer wird jetzt noch das Vorurteil bemühen können, die Koreaner wären die Italiener und die Japaner die Eskimos Asiens? Japan freut sich ungezwungen über einen Erfolg, den es sich lang ersehnt und redlich erspielt hat. In nur einer Woche ist die Fußballwelle über das Land geschwappt, hat alle mitgerissen: Alte und Kinder, Männer und Frauen. Menschen, die den Ballsport lieben, und Menschen, die ihr Land lieben und es siegen sehen wollen. Ob es ein Omen war, dass am Mittag unter Tokio die Erde wackelte, erschüttert von einem – glücklicherweise harmlosen – Beben der Stärke fünf?“

Die NZZ (11.6.) zum Spiel Belgien gegen Tunesien (1:1). „Das tiefst kotierte Team der Gruppe H, die Nationalmannschaft Tunesiens, hat der favorisierten Auswahl Belgiens in Oita im Stadium Big Eye ein 1:1 abgerungen. Und große Augen machten vor allem die Europäer, denn angesichts der dürftigen Offensivkraft (1 Tor in den letzten 9 Spielen) der Maghrebiner kommt das Remis mehr als nur einem Achtungserfolg gleich. Die Belgier enttäuschten, offenbarten eklatante Abstimmungsprobleme in der Defensive (…) Abgesehen von der ansehnlichen Startviertelstunde haben beide Teams jedoch alles unternommen, den Ruf der Gruppe zu zementieren: Mit Ausnahme von den Vorstellungen Japans hat die Runde nämlich noch zu keiner nachhaltigen Attraktivitätssteigerung an dieser WM-Endrunde beitragen können.“

Die NZZ (10.6.) über das Spiel Japan gegen Russland (1:0). „Weshalb di Asiaten anfänglich mit langen, hohen Bällen in Richtung russischer Strafraum das Heil suchten, blieb das Geheimnis von Trainer Troussier. Erst als seine Equipe mit raschen Kurzpasskombinationen die unbeweglichen Abwehrrecken auf der Gegenseite außer Atem zu bringen versuchte, waren den Bemühungen vermehrt Erfolg beschieden. Die Osteuropäer taten sich mit gemächlichem Ballgeschiebe vor der Pause keinen Gefallen. Als es dann galt, nach rund einer Stunde einen Rückstand aufzuholen, mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass das Umschalten von Lethargie auf Schnelligkeit nicht wie auf Knopfdruck gelingt.“

Die Bedeutung der japanischen Zuschauerunterstützung unterstreicht Martin Hägele (taz 10.6.). „Sie brauchen allerdings auch diese Kräfte von draußen, denn wie schon gegen Belgien mussten die Japaner auch diesmal physische Handicaps wettmachen. Bei Kopfbällen springen die kleinen Asiaten meist etwas kürzer als die Modellathleten aus Europa. Immer wieder solch verlorenen Luftduellen hinterherzurennen kostet Kraft, weshalb sie in der Schlussphase regelmäßig in die Bredouille geraten.“

Nach einem schwachen Spiel, das Russland mit 2:0 gegen Tunesien gewann, prognostiziert Peter B. Birrer (NZZ 6.6.) für den weiteren Turnierverlauf. „Das russische Team ist in Fernost praktisch ohne „Mittelbau“ unterwegs. Entweder sind die Spieler am Ende der Karriere angelangt oder erst um die 20 Jahre alt (…) Die Jahrgänge dazwischen fehlen indessen fast gänzlich. So durchmischt sich die reiche Erfahrung mit spritziger Jugendlichkeit, aber ob dies an einer Endrunde reicht, steht auf einem ganz anderen Blatt (…) Die Nordafrikaner werden sich wohl wie erwartet nach drei Spielen verabschieden, und Russland wird kaum große Stricke zerreißen.“

Der Auftritt Japans beim 2:2 gegen Belgien hat Frank Ketterer (taz 5.6.) imponiert. „Bewiesen hat dieses erste Spiel des Teilgastgebers auch, dass der große Auftrag des Volkes, mindestens das Achtelfinale zu erreichen, so vermessen gar nicht ist. Japan bot gegen Belgien nämlich Fußball moderner Prägung, bisweilen flott im Tempo und von feiner Technik, über weite Strecken nicht schlecht organisiert vorgetragen. Besonders auffällig aber war die Einsatzbereitschaft und Leidenschaft, mit der Troussiers Männer zu Werke gingen und mit der sie auch den 0:1-Rückstand aufholten (…) Das freilich ist der wichtigste Punkt von allen: dass neben dem Selbstvertrauen auch die Hoffnung gewachsen ist, die Sache mit dem Achtelfinale tatsächlich realisieren zu können. Und letztendlich geht es dabei nicht nur um die Zukunft bei diesem Turnier, sondern auch um die Zukunft des Fußballs im Lande allgemein. Der war in letzter Zeit nämlich ein bisschen unrund über die Felder der J-League, der japanischen Profiliga, gerollt.“

Martin Hägele (Tsp 5.6.) über die Reaktionen des japanischen Teams nach dem Rückstand durch den Belgier Wilmots. „Nach diesem 1:0 im Auftaktspiel der Gruppe H schien das Turnier für den Gastgeber beendet zu sein. Von solch einem Schock erholen sich nicht viele Teams. Für die „blue army“ aber war das akrobatische Kunststück des belgischen Vorturners das Signal, nun endlich mit der WM zu beginnen. Und auch für Wilmots begann nun ein Erlebnis, für das es sich gelohnt hatte, 33 Jahre alt zuwerden und elfmal auf dem Operationstisch zu liegen und sich trotzdem noch in die gegnerischen Strafräume zu hauen. „Dieser Sieg über mich selbst“, wie Wilmots das selbst nennt, hat ihm nun diesen Traum ermöglicht: „Vor solch einem Publikum zu spielen, das gibt es normalnicht.“ Die Kulisse, ein brodelndes blaues Meer aus Zuschauern, aber trotz all nationaler Leidenschaft, unglaublich fair.“

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Real Madrids Verschwörungstheorie

Real Madrids Verschwörungstheorie – taz-Rezension eines Buches über Schikanen der Polizei gegenüber Fans – Ottmar Walter wird 80 u.v.m.

Roland Zorn (FAZ 6.3.) gratuliert Ottmar Walter zum Achtzigsten: „Der robuste Ottes und der sensible Fritz – die beiden bildeten auf dem Fußballplatz das vielleicht eindrucksvollste Brüderpaar der Fußball-Geschichte. So etwas wie Neid des kleinen auf den großen Bruder drang nie nach außen. Dennoch dürfte Ottmar Walter so mancher Bericht gegrämt haben, in dem wieder einmal Fritz Walter für alles positiv verantwortlich gemacht wurde und er als bloßer Nutznießer genialer Vorleistungen seines Bruders dargestellt wurde. Wenn wir hoch gewannen und ich drei, vier Tore geschossen hatte, erinnert sich Ottmar Walter, hat es meistens geheißen, daß mir der Fritz die Bälle so hingelegt hat, daß ich sie nur noch reinmachen mußte. Er der Arbeiter, sein dreieinhalb Jahre älterer Bruder der Künstler: Ganz so einfach und eindeutig seien die Verhältnisse untereinander nie gewesen, beharrt Ottmar Walter. Beide hatten als torgefährliche Halbstürmer angefangen, die Welt des Fußballs auf ihre Art zu erobern, bis der Fritz dem Ottmar bedeutete: Wir brauchen vorne einen, der ein bißchen aufräumt. Von da an waren alle familiären Wettbewerbsfragen gelöst und ein Mittelstürmer von internationaler Klasse geboren. Der heute Achtzigjährige erzählt gern und mit immer noch leuchtenden Augen aus seinem ereignisreichen Leben. So denkt Ottmar Walter mit Freude an das erste deutsche Nachkriegsländerspiel am 22. November 1950 gegen die Schweiz in Stuttgart zurück. Damals war Fritz Walter verletzt und er ein Angreifer ohne Lobby. Bundestrainer Herberger aber entschied sich für Walter, den Jüngeren, und lag damit wie so oft richtig. Sie können auch ohne den Fritz spielen, habe ihm Bundestrainer Sepp Herberger eingeflüstert, und das sei das Höchste gewesen, was mir passieren konnte.“

Horrorstories

Andreas Rüttenauer (taz 6.3.) liest Geschichten von Fans, die die Polizei schikaniert hat: „Ein Gutes hatte ja das erste Geisterspiel im deutschen Profifußball, das unlängst zwischen Alemannia Aachen und dem 1. FC Nürnberg ausgetragen wurde. Denn eine Feststellung fand sich in allen Berichten über die Begegnung vor leeren Rängen: Ohne Fans macht Fußball keinen Spaß. Dass die gespenstische Veranstaltung überhaupt durchgeführt werden musste, dafür sind allerdings auch Menschen verantwortlich, deren Fehlen so beklagt wurde: Fans. Natürlich sind es immer nur Einzeltäter, die ihre Trinkbecher, Sitzkissen und Feuerzeuge zu Wurfgeschossen machen. Wahrgenommen werden die Anhänger aus den Kurven jedoch meist nur als Mob. Wer in größeren Gruppen zu Auswärtsspielen des Vereins seiner Wahl reist, gilt prinzipiell als verdächtig. Dieser Eindruck drängt sich zumindest bei der Lektüre des Buches Die 100 ,schönsten‘ Schikanen gegen Fußballfans auf, das vom Bündnis aktiver Fußballfans (Baff) herausgegeben wurde. In dem Buch kommen die Fans selbst zu Wort. Die Texte wurden zumeist in Fanzines oder ähnlichen Organen bereits veröffentlicht. Anekdotenhaft berichten die Anhänger darüber, wie sie von Polizei und Ordnungskräften be- bzw. misshandelt wurden. Von Freiheitsberaubung ist des Öfteren die Rede, weil Gästefans in einem Block des Stadions regelrecht eingesperrt werden und nicht einmal zur Verrichtung ihrer Notdurft herausgelassen werden. Von unverhältnismäßigen Personenkontrollen wird berichtet, bei denen sich Fans bis auf die Unterhose ausziehen mussten, obwohl nichts gegen sie vorlag, und es werden Prügelorgien geschildert, die von der Polizei ausgehen oder von Ordnungskräften, von denen die Autoren nicht selten vermuten, dass sie aus der Hooliganszene rekrutiert würden. Erzählt sind diese Horrorstories in einer launigen, anekdotenhaften Art, ohne jede Larmoyanz, beinahe so, als wären die Opfer ein wenig stolz darauf, dass sie in Konflikt mit der Polizei geraten sind. (…) Aus Schweinfurt berichtet ein Fan von Hannover 96, dass man DNA-Analysen von Fingerabdrücken an Trinkbechern, die aufs Feld geworfen worden waren, durchgeführt habe. Ob diese Daten auch schon gespeichert werden? Wundern würde es die Leser des Baff-Buches sicher nicht. Mit dem Argument, den Hooliganismus in Europas Stadien zu bekämpfen, sind weitreichende Einschränkungen der Bürgerrechte durchgesetzt worden. Die Fans fühlen sich, das wird in beinahe jedem Beitrag des Buches deutlich, provoziert. Überdies sind viele der Meinung, dass die überreagierenden Sicherheitskräfte selbst zur Gewalt in den Stadien beitragen. Ein St.-Pauli-Fan drückt das so aus: Und dann ist es tatsächlich nicht mehr weit, bis man halt auch mal selbst so weit ist, dass man diesen Knüppelschlag nicht mehr abwartet, sondern sich selbst mal Schienbeinschoner anlegt.“

Besprochenes Buch: Baff (Hrsg.): Die 100 ,schönsten‘ Schikanen gegen Fußballfans. Trotzdem Verlagsgenossenschaft 2004, 10 Euro.

Leo Wieland (FAZ 5.3.) besucht EM-Stätten: „Ein Winter des portugiesischen Mißvergnügens neigt sich dem Ende zu. Nach Monaten politischer Depression und zwei Jahren wirtschaftlicher Rezession hellen die Fußballgötter allmählich den lusitanischen Horizont auf. Noch vor den Frühlingsblumen setzen die Monumentalplakate ihrer Nationalmannschaft und der renommierten Klubs aus Lissabon, Porto oder Braga unübersehbar ihre bunten Akzente auf den Fassaden der Hauptstadt. Das Leitmotiv Wir haben einen Traum, nämlich den, im Sommer die Europameisterschaft zu gewinnen, wurde dem schwarzen Amerikaner Martin Luther King gewissermaßen aus dem Munde genommen. Die übrigen Mutmacherparolen könnten die Politiker des Landes erfunden haben: Wir haben den Ehrgeiz, Wir haben die Leidenschaft, Wir haben die Mannschaft. Unterstützt wird die Werbekampagne symbolträchtig von dem Banco Espírito Santo, der in eigener Sache nicht ganz selbstlos mitwirkenden Bank des Heiligen Geistes. Die berüchtigt melancholischen Portugiesen zählen nicht gerade zu den größten Optimisten in der Europäischen Union. Die Demoskopen, die ihnen gerade auf vielfältige Weise den Stimmungspuls fühlten, fanden heraus, daß die Bevölkerung, offenkundig unter dem Eindruck der ökonomischen Schwierigkeiten, im EU-Vergleich am untersten Ende der Zuversichtsskala rangiert. Sind im europäischen Durchschnitt mehr als zwei Drittel mit ihrem Leben zufrieden – im prosperierenden benachbarten Spanien gar mehr als siebzig Prozent –, wollten das nur 56 Prozent der Portugiesen von sich behaupten. Sogar eine absolute Mehrheit meint, daß das Fußballfest Portugal letztlich wenig einbringen und der ganze Aufwand es vielleicht sogar noch ärmer machen werde. Schon als der Vorgänger des jetzigen konservativen Ministerpräsidenten Durão Barroso, der Sozialist Guterres, sich erfolgreich um die EM bemühte, lagen die Pessimisten mit ihren Rivalen nahezu gleichauf. Die Tourismusindustrie, die mit mehr als drei Millionen Besuchern rechnet, verspricht sich dennoch einen spürbaren wirtschaftlichen Bonus.“

Ballschrank

„Stille Nacht ohne Leben und Leidenschaft“

„Stille Nacht ohne Leben und Leidenschaft“, titelt die FAZ über die 0:1-Heimniederlage von Meister Dortmund gegen den AC Mailand – stellvertretend für die allgemeine Enttäuschung über das auf dem holprigen Rasen des Westfalenstadion gezeigte. „Herzlos, stupide, berechenbar“, beschreibt die SZ das mutlose Auftreten der Borussia am „Abend der Angst vor dem Risiko“. Die Financial Times Deutschland sah eine „blutleere und uninspirierte“ Elf. Für den Fall, dass man in Dortmund höhere europäische Ziele erreichen wolle, rät die FAZ Trainer Matthias Sammer seine Mannschaft „aufs neue zu befeuern und mit einer Art Furor teutonicus beseelen“.

Auch der zweite deutsche Chapions-League-Teilnehmer musste den Platz als Verlierer verlassen. Beim 2:3 Leverkusens in Mailand sah die SZ ein Spiel, „das zu den ansehnlichsten, fairsten und lebendigsten dieser Saison gehörte“, während die taz hingegen Überlegenheit des italienischen Kontrahenten ausmachte, jedoch auch immerhin ein Lob für die Bayer-Elf übrig hatte: „Dass sich die Leverkusener tatsächlich in schier aussichtsloser Lage wieder reinkämpften in dieses Spiel – das honorierten nicht nur der Trainer und die etwa 500 mitgereisten Fans, das war die eigentliche Erkenntnis aus diesem Spiel.“

Roland Zorn (FAZ 13.12.) zieht ein Europapokalfazit aus deutscher Sicht. „Selbst wenn sich die Bundesliga nun zügig von Europa abkoppelte und auf die heimischen Gefilde zurückziehen müßte, wäre deshalb noch nicht der nationale Fußball-Notstand auszurufen. Eine atypisch schwache Saison haben schon andere europäische Fußballmächte erlebt – zuletzt die Italiener im Vorjahr. Die hochgelobten Spanier müssen sich in dieser Spielzeit erst noch von ihrem Wintertief befreien. Die Serie A, das belegen die Champions-League-Erfolge von Milan, Inter und Juventus Turin, hat sich dagegen eindrucksvoll zurückgemeldet. Die Bundesliga muß aus den bisher leidvollen Erfahrungen mit dieser Spielzeit, in der der FC Bayern München erstmals seit langem nur eine internationale Komparsenrolle spielte, soviel lernen: Prozentfußball mag in der Bundesliga zuweilen reichen, in der Champions League, auch im Uefa-Pokal, rächen sich falsch dosierte Auftritte, scheinprofessionelle Attitüden umstandslos. Und das nicht nur in den Zweikämpfen mit den Riesen der Szene. Wisla Krakau hat es vorgemacht. Mit mehr Mut und unverklemmtem Eroberungsdrang ist auch Favoriten wirksam beizukommen – eine Anleitung zum Handeln, die Borussia Dortmund kennt und schon glanzvoll umgesetzt hat. Zuletzt am 4. April dieses Jahres beim 4:0-Heimsieg über den AC Mailand im Halbfinale der Uefa-Pokalkonkurrenz. Das ist, den Skeptikern zum Trost, noch nicht lange her und verweist in wünschenswerter Deutlichkeit auf das keineswegs ungewöhnliche Auf und Ab im Tagesgeschäft Fußball.“

Borussia Dortmund – AC Milan 0:1

Zu den Ursachen der Dortmunder Niederlage heißt es bei Freddie Röckenhaus (SZ 12.12.). „Das Stadion wimmelte von Menschen, die Konjunktive wie Eisblöcke durch die Kälte schoben. Dortmunds 0:1 gegen den AC Milan war einer dieser typischen Abende, an denen man sich vorwerfen darf, das Mögliche nicht möglich gemacht zu haben. Vor nur acht Monaten hatte der BVB im Uefa-Cup-Halbfinale gegen denselben Gegner ganz anders aufgespielt, Milan mit 4:0 regelrecht vom Feld geblasen, ungestüm auf Alles oder Nichts gespielt. Das war im Frühling. So entschied in dem Duell zweier Mannschaften, die allzu sehr auf Fehler des Gegners und auf Genieblitze ihres Spitzen-Personals setzten, die individuelle mentale Stärke (…) Bis zum Gruppenspiel bei Real Madrid am 19. Februar ist viel Zeit für Sammer, die richtige Risiko-Einschätzung zu justieren Am Mittwoch im Eiskeller aber wollte Dortmunds Truppe.“ offenbar cooler daher kommen als die coolen Italiener, auf Fehler des Gegners warten, sich nicht locken lassen, vor allem aber eigene Blößen vermeiden. Bei diesem Poker zog Dortmund den Kürzeren.“

Roland Zorn (FAZ 13.12.) ist vom Spiel enttäuscht. „Von Phantasie war bei minus zehn Grad hüben wie drüben nichts zu spüren. Vor der Pause blockierten sich die beiden Formationen gegenseitig; nach dem Wechsel taute die Partie aus dem Tiefkühlfach des Fußballs wegen Inzaghis frühem Treffer ein wenig auf, doch von einem lebendigen Fußballabend konnte unter den Augen des deutschen Kanzlers und Borussen-Liebhabers Gerhard Schröder und des italienischen Ministerpräsidenten und Vereinspräsidenten des AC Mailand, Silvio Berlusconi, nie die Rede sein (…) Milan hätte sich an diesem Abend des publikumsunfreundlichen Fußballs vermutlich sogar mit einem Remis beschieden und konnte am Ende doch darauf verweisen, alles richtig gemacht zu haben: Verstecken gespielt, Dortmund im einzigen Augenblick der Unkonzentriertheit erwischt und danach den Sieg verwaltet, das war die perfekte italienische Lösung, wie sie der AC Mailand und andere Spitzenmannschaften der Serie A daheim in der Meisterschaft immer wieder bevorzugen.“

Ulrich Hesse-Lichtenberger (taz 13.12.) schreibt. „Eine Stunde vor Anpfiff landete der Hubschrauber des Kanzlers auf dem Rasen der Anlage Rote Erde, gleich neben dem Westfalenstadion. Dabei verbreitete das Fluggerät einen solch üblen Kerosingeruch, dass einige Fans an einen Giftgasangriff glaubten. Andere vertrauten der Weisheit Wos zum Himmel stinkt, ist Silvio Berlusconi nicht weit und eilten zum Absperrgitter, um einen Blick auf den italienischen Staatslenker und Präsidenten des AC zu werfen. Der aber war längst in der Kabine seiner kickenden Angestellten und machte ihnen wohl klar, dass er nicht zum ersten Mal seit sieben Jahren zu einem Auswärtsspiel mitgekommen war, um ein ähnliches Debakel zu erleben wie vor acht Monaten, als Milan in Dortmund mit 0:4 unterging. Ganz im Gegensatz zu Schröder widersetzt man sich Berlusconi nur selten.“

Internazionale – Bayer Leverkusen 3:2

Toppmöllers positive Bewertung seiner Mannschaft nach der Niederlage in Mailand kommentiert Birgit Schönau (SZ12.12.). „Dem Trainer hatte sich vom Spielfeldrand offensichtlich ein ganz anderes Bild ergeben als dem Publikum von der Tribüne. Aus der Vogelperspektive der oberen Ränge des Meazza-Stadions nämlich sah man eine sehr geordnete, aber nur mäßig selbstbewusste Leverkusener Mannschaft, die abgesehen von einer Viertelstunde der zweiten Halbzeit nach Kräften litt, aber bis zum Schluss nicht aufgab. Die Mailänder Internazionale, sonst eine Meisterin des zelebrierten Leidens, machte das Spiel, zuerst druckvoll, dann cool, schließlich ein wenig zu lässig. Und Toppmöller blieben nur die Konjunktive: „Wenn Berbatov in der zweiten Minute das Führungstor gelungen wäre…wenn wir bei Recobas Ecke besser aufgepasst hätten.. .wenn Hansjörg Butt den Ball nur festgehalten hätte…“ Inter lebte in der Gegenwart, und das zahlte sich aus. Leverkusen sei nicht mehr die Mannschaft, die noch vor kurzem im Finale der Champions League gestanden habe, hatte die Gazzetta dello Sport vor der Partie vorschnell entwarnt. Das stimmte nur zum Teil. Bayers Abwehr war über weite Strecken überfordert, doch die Leverkusener Konter blieben nicht zuletzt durch die Überzahl im Mittelfeld immer gefährlich. Schneider zeigte einige Kabinettstückchen, der unermüdliche Läufer Bastürk wurde zum Schluss von seinem Landsmann Emre getröstet – aber vielleicht waren es auch nur Komplimente, die sie austauschten, denn zeitweise wirkte die Partie dank ihrer Präsenz wie ein türkisches Derby. Schnell, fantasievoll, manchmal genialisch, aber auch mit einem Hauch Egozentrik gaben Bastürk und Emre einem Spiel Pfeffer, das zu den ansehnlichsten, fairsten und lebendigsten dieser Saison gehörte.“

Aus Sicht Erik Eggers´ (taz 12.12.) ist Bayer noch glimpflich davongekommen. „Angesichts der bestehenden Kräfteverhältnisse wunderte sich niemand wirklich, dass Inter schon nach einer halben Stunde glaubte, die Partie für sich entschieden zu haben. Da nämlich hatte der überragende Di Biagio die sich ihm bietenden zwei Chancen eiskalt zur 2:0-Führung genutzt. Dass die Schwarz-Blauen fortan ihren Gast nicht mehr ernst nahmen, zeigte sich in vielen Miniaturen. So etwa in einem schmuckvoll verziertem Dribbling Zanettis, tief in der eigenen Hälfte, das vier Leverkusener Akteure als Slalomstangen missbrauchten: Das also waren die Szenen, die von den Interisti lautstark bejubelt wurden und die mehr als die Tore in die Erzählungen der nächsten Tage eingehen werden. Wie sehr es Internationale danach schon auf künstlerischen Wert ankam, das bewies auch Crespo, als er völlig freistehend einen Kopfball über das Tor jagte und nicht kühl abtropfen ließ. Es hatte seine guten Gründe, dass die Gäste in der Pause eine Vorführung durch Inter befürchten mussten. Dass sich die Leverkusener tatsächlich in schier aussichtsloser Lage wieder reinkämpften in dieses Spiel – das honorierten nicht nur der Trainer und die etwa 500 mitgereisten Fans, das war die eigentliche Erkenntnis aus diesem Spiel.“

FC Barcelona – Newcastle United 3:1

Ronald Reng (taz 13.12.). „Dass Barca zehn Europacuppartien in Folge gewann, was in der Geschichte der Champions League nur dem AC Mailand 1992/93 gelang, ist nicht mehr als Schminke auf einer Narbe. In der spanischen Liga liegt der Verein nur auf Rang zehn, fünf von sieben Auswärtsspielen wurden verloren, die Spitzengruppe ist außer Sicht. Als Champions-League-Gewinner 1995 mit Ajax Amsterdam erlangte van Gaal zu Recht die Reputation eines der besten Strategen im Profifußball. Wie systematisch, erfolgreich und gleichzeitig schön Ajax spielte, ist bis heute unerreicht. In einer ersten Etappe in Barcelona, von 1997 bis 2000, verfestigte van Gaal als zweimaliger spanischer Meister sein Image, und noch immer verschiebt er die Akteure wie Schachfiguren, der spanische Nationalspieler Gaizka Mendieta etwa begann gegen Newcastle auf der Ersatzbank, kam als linker Verteidiger ins Spiel und beendete es im rechten Mittelfeld. Allein, van Gaals Manöver wirken häufig nur noch theoretisch. Van Gaal übersieht, dass sein Team erst einmal wieder die Grundstufe der Taktik beherrschen muss. Irgendwo zwischen seinen ständigen Schachzügen ist die Klarheit und Natürlichkeit im Spiel verloren gegangen.“

Weiteres

Spielbericht Juventus – FC Basel (4:0) NZZ

Reaktionen der italienischen Presse NZZ

Über die 1:4-Niederlage Schalkes im Uefa-Cup schreibt Richard Leipold (FAZ 12.12.). „Im Elfmeterschießen gegen die Bayern verloren zu haben wurde allseits als verzeihlich gewertet. Die Heimniederlage gegen Wisla Krakau aber trug Züge einer Demütigung, nicht nur im Ergebnis, auch dem äußeren Anschein nach. Schalke erlebte die schwerste Stunde seit dem Umzug in die prächtige Arena, in der das kickende Traditionsunternehmen bisher nur architektonisch, nicht aber sportlich internationale Maßstäbe zu setzen vermochte. Mit dem Stadion, diesem Monument, das längst zum Wahrzeichen der Stadt geworden ist, sind auch die Ansprüche an das Team stark gewachsen, zu stark, wie es scheint. Nach dem traumatischen Erlebnis auf dem Rasen wurden der neuen Mannschaft und ihrem neuen Trainer Frank Neubarth imaginäre Gegenspieler gegenübergestellt: jene Helden aus der Vergangenheit, die nun zum Vergleich herangezogen werden, weil sie mit geringeren Mitteln als die aktuelle Mannschaft den Europapokal gewonnen hatten. Die Eurofighter sind als Team aufgetreten, sagt Assauer.“

Schalker Reaktionen SZ

Christian Eichler (FAZ 12.12.) porträtiert den FC Fulham (gegen Hertha im Uefa-Cup ausgeschieden). „Das Geld des Milliardärs hat den Fußballklub, schon 1879 gegründet, aber stets nur eine Randerscheinung des englischen Profifußballs, aus der Drittklassigkeit in die Premier League gehievt, wo der FC Fulham als sechstes Londoner Team sonst kaum existieren könnte. Doch der weitere Aufstieg stockt. In der vergangenen Saison träumte der französische Trainer Jean Tigana davon, einmal gegen Real Madrid zu spielen. Doch als Dreizehnter mußte der Aufsteiger froh sein, mangels Interesses der Bessergestellten im UI-Cup starten zu dürfen (…) Al-Fayed wird ungeduldig. Der Marsch des ägyptischen Emporkömmlings in die europäische Elite, den Fulham ihm ermöglichen soll, gestaltet sich zäher als gedacht. Und teurer. Fast hundert Millionen Pfund von meinem eigenen Geld, rechnete er unzufriedenen Fans vor, habe er seit 1997 schon in den Klub gesteckt. Doch im überdrehten europäischen Transfermarkt der letzten Jahre bekam man für viel Geld zu wenig Klasse. So investierte Fulham im Sommer 2001 mehr als fünfzig Millionen Euro, davon allein 18 Millionen für Stürmer Steve Marlet, ohne die gewünschte Wirkung zu erzielen. Marlet ist einer von sechs Franzosen im mit vierzig Profis überblähten Kader. Kein anderes Team der Liga setzte so sehr auf Franzosen, doch die Besten spielen bei den besseren Klubs. Für gewöhnlich investiert al-Fayed sein Geld in erste Adressen. Daß es bei seinem Fußball-Engagement anders war, zeigt, wie schwer Einfluß bei den Großen dieser populären Branche zu gewinnen ist. Um nicht auf halber Strecke stehenzubleiben, hat er angekündigt, nun noch mehr Geld in den Klub zu stecken, zugleich aber angedeutet, daß seine Geduld endlich sei.“

Spielbericht FC Fulham – Hertha Berlin (0:0) Tsp

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Die Liga schießt sich wach

„Am zweiten Spieltag hat die Bundesliga das Tempo und die Zahl der Tore erhöht, im Vergleich mit der lauen Saison-Premiere hatten Publikum und Fans viel zu diskutieren an diesem Wochenende. Die Liga schießt sich wach“, resümiert die NZZ das Geschehen auf den Spielplätzen in Bochum, Leverkusen und München, wo am Wochenende attraktive Spiele und schöne Tore zu bewundern waren. „Der Bundesliga ist jedenfalls, beflügelt von der WM-Euphorie, ein Bilderbuchstart in die delikate Spar-Saison gelungen“, zeigt sich die SZ ebenfalls begeistert.

Beim 1:1 zwischen Leverkusen und Dortmund sah die SZ die „Andeutung eines Spitzenspiels“, während die FAZ die ungewöhnlich freundschaftliche Atmosphäre in der BayArena für berichtenswert erachtet: „Der Kampf zweier Größen der Bundesliga endete, als wäre der Tag des rheinisch-westfälischen Friedens ausgerufen worden.“ Im Olympiastadion „tanzte das edelweiße Ballett“ (SZ) der bayerischen Hausherren. Allen voran der vierfache Torschütze Giovane Elber deutete die Ambitionen des letztjährigen Ligadritten an.

Nahezu alle überregionalen Tageszeitungen vertreten heute die Annahme, dass die Ablösung des FCK-Vorstandsvorsitzenden Jürgen Friedrich noch diese Woche bevorsteht. Diese Spekulation erfuhr durch den gestrigen TV-Auftritt des Aufsichtsratsvorsitzenden Wieschemann im DSF-Fußballtalk Doppelpass zusätzlich Nahrung, dessen wortlose Hilflosigkeit als sicheres Zeichen zu werten ist. Am Schicksal Friedrich hängt vermutlich auch dasjenige des Teamchefs Andreas Brehme. Gerüchte um einen Nachfolger kursieren auf dem Betzenberg. „Wo könnte ein charismatischer Typ wie der wegen seines Kokain-Skandals als Bundestrainer gestürzte Daum schneller und unbehelligter sein Image korrigieren als dort, wo schon immer und mit ungeheurem Fanatismus Fußball-Revolutionen in der Bundesliga betrieben wurden?“ (NZZ).

Außerdem Thema: Der Wechsel von Stefan Effenberg, “dem letzten Vertreter der Ich-AG” (FAS), nach Wolfsburg wird von vielen Experten skeptisch bewertet. Das Team mit dem Image „Graue Maus“ wird jedoch an öffentlicher Aufmerksamkeit kräftig hinzugewinnen. In der gestrigen Tagesschau wurde sodann eine Spezie über das Wesen des ehemaligen Bayern-Stars befragt, deren Existenz man bisher anzuzweifeln hatte. Es gibt ihn aber doch: den VfL-Wolfsburg-Fan.

Zur Lage

Josef Kelnberger (SZ 19.8.) meint zur Gesamtlage. „Bayern und Bochum, verbunden in inniger Fan-Freundschaft, zaubern Seite an Seite, am Samstag Sieger mit 6:2 respektive 5:0, angeleitet von den Trainer-Titanen Hitzfeld und Neururer, beflügelt von Giovane Elber (vier Tore gegen Bielefeld) und Thomas Christiansen (fünf Tore in zwei Spielen). Groß und Klein Hand in Hand, so muss das sein in diesen Zeiten. Krise, welche Krise? (…) Auch dank Rudis Image-Kampagne ist die immer noch üppig versorgte Bundesliga, trotz Wirtschaftskrise, von Sozialneid bislang verschont geblieben.“

Jörg Hahn (FAZ 19.8.) bezeichnet das Anfangsstadium der Saison als „Schmusephase“. „Üblicherweise wird den Neuen und den neuformierten Teams eine Anlaufzeit zugestanden. Auf den Prüfstand kommen alte Lieben und gerade erst begonnene Verhältnisse noch nicht am zweiten Spieltag. Erst im Herbst kann und wird es für den einen oder anderen so richtig ungemütlich werden. Fußball-Anhänger sind vergesslich. Das ist meist ein großes Glück, wenn die Reizfiguren der Vergangenheit die Seiten gewechselt haben und sich Pfiffe verbieten, weil sie sich ja gegen die eigene Mannschaft richten würden. Wolfsburg und Effenberg – dass dies eine glückliche Liaison werden soll, will allerdings nicht jedem einleuchten. Ein Mann des Volkes war dieser Spieler noch nie (…) Wenn die Augusthitze und die Trägheit weichen, werden die normalen Reflexe zurückkehren. Und die Liga braucht sie auch. Zur Belebung des Geschäfts müssen die alten Kriegsbeile ausgegraben werden. Borussia gegen S 04, Bayer gegen Bayern, Nord gegen Süd, Kahn gegen den Rest der Welt – wer würde denn lange hinschauen, hätten sich plötzlich alle nur noch lieb?“

Bayer Leverkusen – Borussia Dortmund 1:1

Roland Zorn (FAZ 19.8.). „Die großen Rivalen von gestern teilten am Samstag Nachmittag in der Bullenhitze der BayArena Freud und Leid und hoben danach die kleinen Gemeinsamkeiten hervor. Die erste Halbzeit schien allein den Leverkusenern, dem unglücklichen Zweiten der vergangenen Saison, zu gehören, die zweite Hälfte stand im Zeichen des Meisters, der sich wie ein Spätaufsteher in diesen Sommertag vorgetastet hatte. Bayer wie Borussia hatten angedeutet, dass in ein paar Wochen wieder mit ihnen zu rechnen ist (…) Noch also fehlt den beiden besten Teams des Vorjahrs die Fähigkeit, ihre derzeit begrenzten Energiereserven so ökonomisch und sinnvoll wie möglich auszuschöpfen. Kein Wunder, wenn man bedenkt, dass acht deutsche, ein brasilianischer und ein türkischer Nationalspieler auf dem Platz standen, die bei der Weltmeisterschaft bis zum großen und kleinen Finale dabei waren. So viel aber konnten die 22.500 Zuschauer im ausverkauften Stadion sehen: Toppmöller und sein Künstlerkollektiv werden ihrem wagemutigen, kreativen Stil treu bleiben. Dafür garantieren filigrane Artisten wie Schneider, Bastürk und der aus Hannover frisch und tatendurstig dazugekommene Simak; Sammer und seine zielstrebigen Dortmunder dagegen bleiben ihrer zweckdienlichen, selbst im Hitzestau cool wirkenden Spielweise verhaftet. Der Stilprobe vom Samstag werden, darauf darf gewettet werden, meisterhafte Exempel folgen.“

„Trotz unübersehbarer Konditionsrückstände deuten Leverkusen und Dortmund ihre Klasse an“ lesen wir von Christoph Biermann (SZ 19.8.). „Am Ende des Spiels, beim Erstellen der Analysen und Bilanzen, war selbst bei Bernd Schneider nicht zu übersehen, dass seine großen Momente im Laufe der Partie immer rarer wurden. Allein war er damit nicht, denn in beiden Mannschaften passte es am zweiten Spieltag der Bundesliga noch nicht so richtig zusammen. Leverkusens Trainer Klaus Toppmöller durfte sich zwar über eine „phantastische erste Halbzeit“ seiner Mannschaft freuen. Aber im weiteren Verlauf des Spiels „haben vor allem die Nationalspieler nachgelassen“. Ob Schneider oder Bastürk, Lúcio oder Ramelow, Neuville oder Placente, keiner von ihnen war bereits in der körperlichen Verfassung, sein Spiel über neunzig Minuten stabil zu halten. Beim Gegner war es ähnlich, wenn auch in umgekehrter Reihenfolge (…) Auch wenn es keiner der Trainer deutlich sagen wollte: So richtig lassen sich die Spitzenteams erst am vierten Spieltag messen. In dreieinhalb Wochen, nach Pokalrunde und Länderspiel.“

Dahingegen meint Bernd Müllender (FR 19.8.). „Auch ohne die beliebten Ausreden ließ einen das Topspiel zwischen dem Vorjahreszweiten Leverkusen und den Titeldieben aus Dortmund, weil es von so unterschiedlichen Phasen gekennzeichnet war, einigermaßen ratlos zurück. In der ersten Halbzeit hatte Bayer schier begeistert: Feiner Kombinationsfußball, variabel, giftig, flink, tolle Chancen (…) Nach der Pause waren Bayers Künste dann wie weggeblasen. Der BVB verschob das Spiel, ohne zu glänzen, stückweise nach vorne, Leverkusens Spieler wie Zuschauer wurden ungeduldiger. Die Fans bejubelten nicht mehr Dimitar Berbatows Lieblingsübung, sich tolle Chancen zu erlaufen, sondern stöhnten und schimpften, wie sie der versierte Chancentod, der Gelegenheiten-Meuchler vergeigte.“

Ullrich Hesse-Lichtenberger (taz 19.8.). „Trotzdem ist es auch in den Zeiten der durch Terminhatz erschöpften Helden nicht einfach so, dass Dortmund und Leverkusen mit ihren jeweiligen Fußball-Entwürfen allein an den Umständen scheitern. Borussias von Geistesblitzen lebender Stil hängt weiterhin zu sehr an der Tagesform der Schlüsselspieler; Bayers anspruchsvollem „Miles More“-Fußball fehlt noch immer der Bonus eines Vollstreckers.“

Bayern München – Arminia Bielefeld 6:2

Andreas Burkert (SZ 19.8.). „Direkt hinter dem Olympiastadion hat sich am Samstagnachmittag ein Riesenrad gedreht, darüber schillerte der Himmel in sehr kitschigem Blau, und unten auf der grünen Bühne zeigten die Fußballprofis aus München kunstvolle Pirouetten; sie streichelten den Ball mit ihren Fußspitzen und Stiefelabsätzen, als präsentiere hier gerade das bayrische Tanztheater ein Freestyle-Programm. Willkommen also im neuen Wunderland des FC Bayern, in dem die Protagonisten neuerdings edle Kleider tragen (…) Nun sind die bescheidenen Bielefelder kein Maßstab für das neu arrangierte Ensemble der Jongleure und Popstars gewesen, und dennoch haben die Münchner und ihr euphorisierter Anhang die Premierengala als Beginn einer glanzvollen Spielzeit erlebt (…) So etwas haben sie ja auch in München lange nicht mehr gesehen, so einen anspruchsvollen Gesamtauftritt, dutzendfach bestückt mit verspielten Details. Es schien fast so, als habe Hitzfeld seinem Team unter der Woche bei Androhung von 24 Stunden Handyverbot befohlen, wenigstens alle drei Minuten einen Trick zu zeigen.“

Elisabeth Schlammerl (FAZ 19.8.). „Nur einem Münchner schien das Spiel am Samstag keinen großen Spaß gemacht zu haben: Oliver Kahn. Missmutig verschwand der Torhüter nach dem Schlusspfiff rasch in der Kabine. Kein Wunder: Zweimal gaben die Bielefelder einen Schuss auf sein Tor ab, zweimal landete der Ball im Netz. Zwar war Kahn bei den Treffern von Wichniarek und Diabang chancenlos, aber das konnte seine Laune auch nicht heben. Obendrein zog er sich beim Zusammenstoß mit Diabang beim zweiten Bielefelder Tor, das kurz vor Schluss fiel, eine Knieprellung zu. Drei Tage wird er mit dem Training pausieren, und mit der Nationalmannschaft darf er auch nicht nach Sofia zum Testländerspiel gegen Bulgarien fliegen. Oder besser: Er muss nicht mit. Ein Kurzurlaub statt einer nicht ganz so wichtigen Dienstreise – vielleicht hat sich Kahn doch noch ein bisschen gefreut am Samstag Abend, später, als keiner mehr hingeschaut hat.“

1. FC Kaiserslautern – Schalke 04 1:3

Hans-Joachim Leyenberg (FAZ 19.8.). „Der erste Sieg von Schalke 04 auf dem Betzenberg seit 26 Bundesliga-Jahren fällt mit dem Sforza-Comeback zusammen. Ein Menetekel für diesen Fußballprofi – auch eines für die Pfalz? Als Heilsbringer war er verpflichtet worden, als derjenige, der das Spiel der Mannschaft beleben oder stabilisieren soll (Friedrich). Aber der als Führungsspieler annoncierte Schweizer zeigte nichts, was nicht auch andere könnten. Als Libero praktizierte er vorwiegend den sicheren Pass, Hektik ist ihm fremd, Temperament allerdings auch. In Wort und Gestik gab er den Führungsspieler. Er redete und gestikulierte viel. Kaum war das Führungstor erzielt, rief Brehme seinen alten Spezi an die Außenlinie und gab ihm die Instruktionen für den weiteren Lauf der Dinge. Es kam ganz anders. Weil die Schalker mit einem Mann weniger den Ernst der Lage verinnerlichten, während die Pfälzer die Schönwetterphase als stabil einschätzten.“

Martin Hägele (SZ 19.8.) spekuliert. „Wahrscheinlich schon am Donnerstag wird der Boutiquenbesitzer und ehemalige Profi Jürgen Friedrich seinen Vorstandsposten räumen. Da der Chef vom Betzenberg jüngst in mehreren Interviews seinen Job auch mit dem Schicksal des auf seine Initiative installierten Sportdirektors Brehme verwoben hatte, dürfte zugleich auch das Engagement des Weltmeisters in der Pfalz beendet sein (…) Den Namen des geheimnisvollen Vorstandsvorsitzenden mit der Superkompetenz hat (Aufsichtsratschef des FCK, of) Wieschemann nicht verraten. Doch wer die Historie des Traditionsvereins und die Vorliebe seiner Mandatsträger kennt, die Verantwortung für alles Sportliche an autoritäre Führungspersonen abzugeben, der stößt beim großen Ratespiel und angesichts jener Leute, die sich derzeit frei auf dem Markt befinden, auf eine interessante Konstellation. Wo könnte ein charismatischer Typ schneller und unbehelligter sein Image korrigieren als dort, wo man schon immer und mit ungeheurem Fanatismus Fußball-Revolutionen gepflegt hat: Der Kaiserslauterner Betzenberg wäre die ideale Bühne für einen wie Christoph Daum. Verhandlungen laufen bereits.“

Jan Christian Müller (FR 19.8.) fasst zusammen. „Die ganze Hilflosigkeit dieser entnervten Lauterer Fußballmannschaft dokumentierte der Tritt des Außenverteidigers Dimitrios Grammozis, der in der Schlussphase derart rabiat gegen Jörg Böhme einstieg, dass dieser für das Länderspiel in Bulgarien wegen einer schweren Prellung absagen musste. Es gab Zeiten, da verteilte der 1. FC Kaiserslautern in den Schlussminuten statt Tritten Tore. Der einst gefürchtetste Berg der Republik hat seinen Schrecken verloren.“

VfL Bochum – Energie Cottbus 5:0

Richard Leipold (FAZ 19.8.). „Die pure Lust der Bochumer auf Fußball spiegelt sich auch in der Tabelle. Im 28. Jahr als Erstligaklub darf der oft von oben herab behandelte VfL zum ersten Mal eine ganze Woche lang vom höchsten Punkt auf siebzehn Konkurrenten blicken. Nach zwei Runden mag die Tabelle wie eine eher zufällige Zahlenkombination wirken – für die Bochumer ist sie ein Dokument, das die Fans eines Tages vermutlich als Sammlerstück handeln werden wie Philatelisten eine seltene Briefmarke. Während Bochum sich auf eine Woche im sportlichen Ausnahmezustand freut, warnt Neururer, eine sonst zum Überschwang neigende Natur, vor Risiken und Nebenwirkungen des Höhenfluges. Der 47 Jahre alte Fußball-Lehrer, der manchen Sturz miterlebt hat, sieht die Tabelle als „schöne Momentaufnahme“. Diese Metapher passt zum Stimmungsbild in einer Stadt, die es gewohnt ist, ihren bekanntesten Sportverein im unteren Drittel zu suchen und manchmal in der zweiten Liga wiederzufinden. Viele Menschen werden an diesem Montag die Tabelle in der Zeitung fotografieren oder – wie VfL-Torwart Rein van Duijnhoven – das Objektiv auf die betreffende Seite des Videotextes richten. Nach dem Starterfolg in Nürnberg waren die Bochumer am vergangenen Sonntag noch von Arminia Bielefeld abgefangen worden. Diesmal beträgt die Mindesthaltbarkeit der Tabelle eine Woche.“

Hannover 96 – 1860 München 1:3

Raimund Witkop (FAZ 19.8.) über Hannoveraner Schwächen. „Viele der 42 000 Besucher bei Hannovers Heimpremiere fragten sich, warum sich die Vereinsführung ausgerechnet einen Flirt mit dem rumänischen Stürmerstar Adrian Ilie geleistet hat, da doch die Defizite so offensichtlich am anderen Ende des Spielfelds liegen. Der wie Sievers bald 37 Jahre alte Carsten Linke, der zwei Jahre jüngere Marc van Hintum und der Pole Dariusz Zuraw mögen in der zweiten Liga manches Duell bestanden haben, eine Etage höher wirken sie zu oft überfordert (…) Wenn es die bei Aufsteigern so gern zitierte, wenn auch von (Trainer) Rangnick dementierte „euphorische Stimmung“ in Hannover gegeben hat, dann ist sie womöglich schon aufgebraucht. Die in leuchtendes Rot gehüllten Fans wandten sich in der zweiten Halbzeit gewohnten Ritualen zu, etwa Beschimpfungen des niedersächsischen Rivalen Eintracht Braunschweig, der aber eine Liga tiefer spielt. Dabei spielte ihre Mannschaft unter drückender Hitze wie gewohnt das, was man früher einen „gepflegten Ball“ nannte, mit geschickten Kombinationen und technisch ansprechenden Szenen. Aber zugleich haftet diesem von Rangnick als supermodern propagierten Stil in der Praxis manchmal etwas Lasches und sogar Altväterliches an, recht weit entfernt von der Aggressivität und Dynamik des aktuellen Fußballs.“

Christian Zaschke (SZ 19.8.) über den Löwen-Sieg. „Dabei hatte es zwischen der fünften und der 90. Minuten lange nicht so ausgesehen, als würden die Münchner so munter nach Hause fliegen. Zwischenzeitlich erhielten sie vom Aufsteiger eine Lehrstunde im Flügelspiel. Zwischen der 15. und der 27. Minute hatten die Hannoveraner fünf Gelegenheiten, ein Tor zu erzielen. Selten standen die Löwen so unter Druck, und selten kündigt sich ein Tor so deutlich an wie jenes, das Jiri Stajner in der 27. Minute zum 1:1 erzielte.“

Hansa Rostock – 1. FC Nürnberg 2:0

Zur Situation Nürnbergs schreibt Javier Cáceres (SZ 19.8.). „Nürnberg hat zum ersten Mal seit 19 Jahren die ersten beiden Spiele einer Bundesligasaison verloren, und die Analogien, die Statistiker zogen, sind eher unerquicklich. Damals stieg der Club nämlich ab, als Tabellenletzter. Die Saison ist noch jung, aber dass in den nächsten Tagen allerlei Pessimismus zu ertragen sein wird, sah Torsteher Kampa schon als gesichert an, als die Archivdaten noch erhoben wurden. Bereits im vergangenen Jahr habe die Presse den Club „totgeschrieben“, und er meinte sich zu erinnern, dass damals alles noch schlimmer war. Nach 17 Spielen hatte Nürnberg 12 Punkte; der Club stieg dennoch nicht ab.“

Hertha Berlin – VfB Stuttgart 1:1

Friedhard Teuffel (FAZ 19.8.). „In den letzten zwanzig Spielminuten gegen den VfB Stuttgart ist Hertha BSC zu einer vollständigen Spitzenmannschaft geworden. In der 70. Minute lief nämlich der Brasilianer Luizão für die Hertha aufs Feld, ein Weltmeister. Der hatte den Berlinern noch gefehlt in ihrer Mannschaft, die ansonsten aus einigen Nationalspielern besteht und anderen Spielern, die das in absehbarer Zeit einmal werden könnten. Ein Weltmeister kann dem Gegner Furcht einflößen und die eigenen Leute stolz und stark machen.“

Weiteres

Uwe Marx (FAS 18.8.) porträtiert die Wolfsburger Neuverpflichtung. „Effenberg ist eine Art Dinosaurier des Fußballs, eine spezielle, vom Aussterben bedrohte Spezies. Als die Ich-AG noch nicht erfunden war, hatte sie im Fußball schon starke Vertreter; und er ist einer davon. Inzwischen scheint es allerdings so, als gebe es immer weniger dieser eigenwilligen Spieler, die die Belastbarkeit ihres Umfelds – Verein, Mitspieler, Anhängerschaft – stets aufs Neue testen. Für Reizfiguren, die das Betriebsklima belasten, ist kaum noch Platz (…) Es scheint also, als hätten es charakterlich labile Profis immer schwerer. Effenbergs lange Suche nach einem neuen Verein ist ein Beleg dafür. Auch international ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit unberechenbaren Stars geringer geworden.“

Dazu heißt es bei Jörg Marwedel (SZ 19.8.). „Immer deutlicher wird dagegen, wie sehr der vom Volkswagen-Konzern gesponserte Klub dem Vorbild von Bayer Leverkusen nacheifert. Auch die Leverkusener begannen ihren schwierigen Weg vom Plastikklub ohne Flair und Fans bis zur international anerkannten Fußballgröße mit der Verpflichtung zweier Alt-Idole. 1993 kam Bernd Schuster (damals 34), ein Jahr später Rudi Völler (34). Das Signal blieb nicht ohne Wirkung. Dass es auch mit Schuster Streit gab und ein unrühmliches Ende nahm, schadete dem Klub nicht. Im Gegenteil – Bayer war fortan an den Stammtischen der Republik in aller Munde, die BayArena gilt stets als ausverkauft.“

Thomas Kilchenstein (FR 19.8.). „Und doch wirkt es fast wie ein Treppenwitz. Ein Effenberg, der nach seinen Jahren beim FC Bayern nie mehr in der Bundesliga spielen wollte, der so furchtbar gerne mit den Großen und ganz Großen verkehrte und, muss das Ende seiner Karriere mit Leuten verbringen, mit denen er früher nicht mal ein Bier getrunken hätte. Ein Vorteil hat Wolfsburg aber allemal: Hier gibt es keine betrunkenen Penner, denen man sich mittels eines Fußtritts entledigen kann, hier gibt es wenig glamoröse Discotheken, in denen man Frauen Ohrfeigen verpassen kann, wenn sie einem den reservierten Platz versperren.“

Gewinnspiel für Experten

Ballschrank

Anti-Club

SpVgg. Greuther Fürth, „der Anti-Club“ (FAZ) und TSG Hoffenheim, zwei Teilnehmer im Viertelfinale des DFB-Pokals – über die Faszination von Derbys (FAS) – Paris St. Germain, „ein besseres Feindbild gibt es nicht“ (SZ) – „unerwartetes und deutliches Erstarken der arabischen Nationen“ (NZZaS) beim Afrika Cup – das Streiflicht (SZ) zieht Handball den „Waschlappenfußballern“ vor u.v.m.

Anti-Club

Gerd Schneider (FAZ 3.2.) erinnert die Freunde der Spielvereinigung Greuther Fürth, Pokal-Gegner Werder Bremens heute, an den “14. August 1994, jenen Tag, als der Dorfverein zu einer Berühmtheit wurde, weil er den FC Bayern München aus dem Pokal warf. Doch Helmut Hack, einer der Geschäftsführer einer Teefabrik, hat an diesem Morgen keine Zeit. Nicht für den schönen Blick und auch nicht für romantische Erinnerungen. Damals, sagt er, war alles viel gemütlicher, auch im Fußball. Jetzt ist alles hektisch und extrem. Heute gebietet Hack über zahlreiche Betriebe im In- und Ausland und über einen Fußballklub, der seine merkwürdige Geschichte schon im Namen trägt: Spielvereinigung Greuther Fürth. Das Familienunternehmen aus dem 400-Seelen-Dorf im Mittelfränkischen hat eine stürmische Entwicklung hinter sich, es beschäftigt inzwischen 2500 Menschen in zehn Ländern. Die Geschichte der Spielvereinigung Greuther Fürth, auf die wieder einmal das Licht der Öffentlichkeit fällt, ist auch eine Erfolgsgeschichte, allerdings nicht ganz so spektakulär. Vielleicht liegt das auch daran, daß Attribute wie redlich, seriös und solide, die Hack wie eine Litanei herunterbetet, auf der Fußball-Showbühne nicht gerade gefragt sind. Dabei galt das, was Hack als Vorsitzender des damaligen Bayernliga-Klubs ein Jahr nach der Pokalsensation anzettelte, vielen als aberwitziges Unterfangen. Die Hochzeit eines erfolgreichen Dorfvereins mit dem heruntergekommenen Traditionsklub einer 40 Kilometer entfernten Stadt, das konnte doch nicht gutgehen. Hack ließ sich nicht beirren. Schon ein Jahr später folgte der Aufstieg in die zweite Liga. Seitdem gehört Greuther Fürth zum Inventar dieser Klasse, ein Klub, der selten Schlagzeilen macht und erst beim näheren Hinsehen seine Skurrilitäten offenbart. Wo gibt es das schon, daß es im Stadion nach Tee riecht? Der Duft zieht von dem Teegeschäft herüber, das vor einigen Jahren im alten Ronhof eröffnet wurde und so gut läuft, daß man es kürzlich erweitert hat. Dort gibt es Mixturen, die Frankenpower heißen oder 1:0-Tee, eine Reminiszenz an den großen Tag der Vestenbergsgreuther. Gerade am Ronhof läßt sich diese Spannung spüren, die entsteht, wenn Tradition und Fußball-Moderne aufeinandertreffen. Das Stadion heißt jetzt, benannt nach einem Sponsor, Playmobilstadion. Aber für die alteingesessenen Fürther ist es weiter der Ronhof, ein beinahe heiliger Boden, wo die Spielvereinigung in ihren besten Zeiten drei Meistertitel gewann (…) Anders als der unberechenbare Nachbar 1. FC Nürnberg, der von den Bauch-Entscheidungen seines allmächtigen Präsidenten Michael A. Roth geprägt ist, wird Greuther Fürth nach dem Prinzip der Rationalität geführt. Hack sagt, er fühle sich einer alten kaufmännischen Grundregel verpflichtet: Gib nicht mehr Geld aus, als du hast. Das alles macht die Spielvereinigung zu einer Art Anti-Club.“

Markus Schäflein (SZ 2.2.) stellt den Fürther Trainer Thomas Kost vor: “Es stand ein junger Mann an der Auslinie, 34 Jahre alt, von unscheinbarer Gestalt. Vielleicht ein Reservespieler, der auf seinen Einsatz wartete, ein Co-Trainer oder der Schwiegersohn des Vereinspräsidenten. Plötzlich begann der junge Mann wild zu gestikulieren und Anweisungen aufs Feld zu brüllen, da war klar: Es handelte sich um Thomas Kost, den neuen Cheftrainer der SpVgg Greuther Fürth. Auch für ihn selbst war das Angebot aus Fürth überraschend gekommen. „Es stürzt einiges auf einen ein, an das man sich erst gewöhnen muss“, sagt Kost. Am Samstag fielen mittelgroße Geröllbrocken, denn seine Mannschaft verlor zum Start nach der Winterpause 1:3 bei der SpVgg Unterhaching. „Wir hatten keinen Mut, zu spielen und uns zu zeigen“, stellte Kost fest. Seinen Tadel äußerte er mit ruhiger und leiser Stimme, aber er wählte harte Worte. „Wir haben uns überhaupt nicht gewehrt und uns mit den einfachsten Mitteln schlagen lassen.“ Deutliche Kritik wird ihm helfen, sich in einer Mannschaft Respekt zu verschaffen, in der einige Spieler kaum jünger sind als er und viele den Übergangscoach Werner Dreßel gerne als Chef behalten hätten. Aber Präsident Helmut Hack entschied sich für Kost, der in der Saison 2001/2002 Amateurtrainer in Fürth war und danach Scout bei Arsenal London. Hack sieht Kost als Idealbesetzung für sein Nachwuchs-Konzept. Und nach Eugen Hach wollte er vor allem keinen gefühlsbeladenen Exzentriker mehr, sondern einen sachlichen und ruhigen Ausbilder.“

Understatement ist ein zentraler Begriff in Hoffenheim

Tobias Schächter (taz 3.2.) befasst sich mit der TSG Hoffenheim, Pokal-Gegner des VfB Lübeck: „Das ist so ganz nach dem Geschmack des Dietmar Hopp. Der 63-Jährige, der die nordbadische Software-Schmiede SAP gründete und zum Weltmarktführer machte, steht hinter dem Aufstieg des Dorfklubs aus dem Kraichgau. Mit Hilfe des Geldes des berühmtesten Sohnes des 600-Einwohner-Dörfchens stürmte die Turn- und Sportgemeinschaft innerhalb von zehn Jahren von der A-Klasse in die Regionalliga. Hopp ist einer der reichsten Männer der Republik und wollte Anfang der 90er-Jahre einfach nicht mehr zusehen, wie seine TSG den Bach runterging. Jetzt, knapp 14 Jahre später, steht in Hoffe ein 5.600 Zuschauer fassendes Stadion. Es trägt selbstverständlich ebenso den Namen des Geldgebers wie ein tausend Quadratmeter großes Jugendförderzentrum im benachbarten Zuzenhausen. Der Golfplatz in St. Leon-Rot, auf dem Hopp gerne mit Tiger Woods das Eisen schwingt, ist ebenfalls mit seinen Mitteln erbaut. Das Konzept der TSG erklärte der Mäzen jahrelang so: Wir wollen mit Spielern aus der Region bodenständigen Amateurfußball bieten. Von diesem Dogma ist Hopp freilich nicht erst seit dem 3:2 gegen Bayer Leverkusen im Pokal-Achtelfinale abgekommen. Nun ist ab der nächsten Saison Vollprofitum angesagt. Mit durchgesetzt hat dies TSG-Trainer Hans-Dieter Flick, den alle Hansi nennen. Seit knapp vier Jahren ist der ehemalige Bayern-Profi Trainer im Garten Eden. Flick machte vor kurzem seinen Fußballlehrer und will bis 2006 – so lange läuft sein Vertrag – mit der TSG in die zweite Liga. Auf jeden Fall möchte der ehrgeizige Flick nach Platz 13 im ersten und Rang fünf im zweiten Regionalligajahr nicht mehr so weiterwurschteln wie bisher. Rund 100 bis 150 Stunden mehr Trainingszeit forderte er für seine jungen Spieler beim Gönner ein, um mit Erfurt und Saarbrücken auf Augenhöhe zu konkurrieren. Über den Etat schweigt man sich aus, Understatement ist ein zentraler Begriff in Hoffenheim, den auch der intelligente Flick verinnerlicht hat. Dennoch: Die Erfolge in Verbindung mit den Millionen von Hopp brachte den Fußballern der TSG schnell den abwertend gemeinten Ruf ein, die Bayern des Kraichgaus zu sein.“

Ein Fehler im Derby wird dir dein Leben lang nachgetragen

Christian Eichler (FAS 1.2.) erkundet die Faszination von Derbys: „Barcelona, Espanyol gegen FC: sechs Rote Karten, spanischer Rekord. Birmingham, Aston Villa gegen City: spuckende Spieler, prügelnde Fans. Sevilla, FC gegen Betis: Hooligan-Attacke auf den Betis-Torwart. Liverpool, Everton gegen FC: Gerrard grätscht Naysmith beidfüßig gestreckt. Malta, Valletta gegen Floriana: Massenkeilerei auf dem Feld. Glasgow, Celtic gegen Rangers: Im Hospital, so eine Krankenschwester, sah es danach aus wie in Vietnam. Sechs Momentaufnahmen aus 15 Monaten – sechs Gründe für den 12. Earl of Derby, sich in der Familiengruft umzudrehen. Als er seinen Namen vor gut 200 Jahren für sportliche Zwecke hergab, erschien das unbedenklich: Es ging um Pferderennen. Bis der Fußball das Wort aufnahm und weltweit exportierte. Von Riga bis Rio heißt das spezielle Spiel, in dem zwei um ein Territorium kämpfen, Derby. Und überall in einer globalisierten Welt weckt es lokale Leidenschaft. Warum läßt es Sicherungen cooler Profis immer noch durchbrennen? Weil du genau weißt: Ein Fehler im Derby wird dir dein Leben lang nachgetragen. Das sagt einer, der Derby-Geschichte schrieb: Jens Lehmann, der für Schalke in Dortmund das erste Feldtor eines Bundesliga-Torwarts köpfte und für Dortmund in Schalke vom Platz flog. Inzwischen erlebt er beim FC Arsenal englische Derby-Atmosphäre möglichst locker: Als Genießer. Es gibt auch wissenschaftliche Erklärungen für den schmalen Grat zwischen Lust und Kontrollverlust. Der englische Psychologe Nick Neave fand heraus, daß Fußballer vor eigenem Publikum mit aller Kraft ihr Territorium verteidigen. Die Konzentration des männlichen Sexualhormons Testosteron ist vor Heimspielen viel höher als auswärts, wie bei Tieren, die ihr Revier verteidigen. Ein Derby ist für beide Teams ein Heimspiel. So addiert sich der kollektive Hormonspiegel wie sonst nie. Da sich das auf die Fans überträgt, die mit den Rivalen denselben Lebensraum teilen – Büros, Lokale, Plätze –, sind echte Derbys, die keine Stadtgrenze überschreiten, selten sozialverträglich. Fast kann man da von Glück reden, daß Deutschland kein Weltklasse-Derby hervorbrachte. Kaum ein Stadtduell, in dem sich zwei Rivalen auf Dauer erstklassig auf Augenhöhe begegnen. Die Löwen sind den Bayern kein Gegner und haben einen Präsidenten, der Mitglied beim Rivalen ist – undenkbar im Rest der Derby-Welt. Berlin, Hamburg, Köln, Stuttgart, Frankfurt besaßen nie dauerhaft mehr als einen erstklassigen Klub. Und das vielleicht hitzigste Duell, VfB Leipzig gegen FC Sachsen, ist nur noch ein drittklassiger Fall. Dortmund gegen Schalke muß da als Ersatzdroge herhalten.“

PSG, ein besseres Feindbild gibt es nicht

Josef Kelnberger (SZ 2.2.) schildert die Situation bei Paris St. Germain: „Da sind sie schon wieder, die Verschwörungstheorien. Ein reguläres Tor aberkannt, ein Elfmeter nicht gegeben, ein absichtliches Handspiel nicht geahndet – es sei den Spielern schwer zu erklären, warum sie nicht gewonnen hatten, klagte Didier Deschamps, Trainer des AS Monaco, nach einem unglücklichen 1:1. Sein Spieler Patrice Evra erklärte, dem AS Monaco sei „Unrecht zugefügt worden“ vom Schiedsrichter und fügte hinzu, er wolle „nicht behaupten, dass man verhindern will, dass wir Meister werden“. Aber genau darauf wollte er natürlich anspielen. Verschwörung? Davon ist im französischen Fußball meist die Rede, wenn es gegen Paris St. Germain geht, gegen die Hauptstädter, voll gepumpt mit Geld vom Medienkonzern Canal plus, der auch die Übertragungsrechte an der obersten Profiliga besitzt. PSG, ein besseres Feindbild gibt es nicht. Wenn man im französischen Fußball nach einem Synonym für Geldverbrennen sucht, der exemplarischen Kombination von Größenwahn und Erfolglosigkeit, ist man in Paris an der richtigen Adresse. Vor zehn Jahren gewann der Klub seinen letzten nationalen Titel, 1996 den europäischen Pokal der Pokalsieger, und seither nichts Wesentliches. Nun jedoch ist von Rekonstruktion die Rede, und das 1:1 in Monaco wollen die Verantwortlichen als weiteren Schritt der Konsolidierung verstehen. „Die Meisterschaft ist wieder offen“, sagte Trainer Vahid Halihodzic, den man der Einfachheit halber Coach Vahid nennt. Die Chancen auf einen Platz, der zur Teilnahme an der Champions League berechtigt, blieben intakt. Nicht schlecht für einen Klub, der vergangene Saison in der Abstiegszone dümpelte unter dem zerstrittenen Führungsduo Laurent Perpère (Präsident) und Luis Fernandez (Trainer) (…) Francis Graille, Präsident seit Sommer 2003, führte zusammen mit Coach Vahid vor drei Jahren den OSC Lille in die Champions League, sie sind seither befreundet. Der Unternehmer aus der Video-Branche ist nun erster PSG-Präsident, der nicht aus dem Hause Canal plus kommt. Der Konzern will ihm 15 Prozent der Anteile verkaufen, Graille will im Gegenzug aus PSG ein Unternehmen machen, das auf eigenen Beinen steht. In seinen Worten: „den Mammut abspecken“. Als er sein Amt antrat, hatte er den Eindruck, „in Disneyland angekommen zu sein“. Er fand einen Klub mit 290 Angestellten vor, von denen er inzwischen 110 auf die Straße gesetzt hat. Weitere 80 Angestellte durften zwar ihre Büros behalten, stehen aber nicht mehr auf der Gehaltsliste des Vereins, weil man Marketing-Aktivitäten („Marketing-Aktivitäten“ ?! als ob es auch passives Marketing geben würde, of) an die Agentur Sportfive und an Nike übertrug. 39 Profis standen im Kader, jetzt sind es 23.“

NZZ: „Kampfansage an Englands Spieleragenten“

Europas Fußball vom Wochenende: Ergebnisse, Tabellen, Torschützen, Zuschauer NZZ

Silvano Speranza (NZZaS 1.2.) resümiert den bisherigen Verlauf des Afrika Cups: “Der bisherige Turnierverlauf deutet an, dass die Kräfteverhältnisse im afrikanischen Fussball im Umbruch sind. Das letzte Jahrzehnt stand im Zeichen der westafrikanischen Fussballhochburgen Nigeria, Kamerun und neuerdings Senegal. Dazu gesellte sich Südafrika, welches sich nach der Apartheid im Rekordtempo an der Spitze etablierte. Zur ersten Austragung des Afrika-Cups in Nordafrika seit zehn Jahren (Tunesien 1994) ist nun ein unerwartetes, jedoch deutliches Erstarken der arabischen Nationen festzustellen. Es scheint, als würde der Heimvorteil Tunesiens auch auf die Nachbarländer Algerien und Marokko übergreifen. Baumeister dieser jüngsten maghrebinischen Fussballherrlichkeit sind Teams ohne arrivierte Superstars, in denen sich erfahrene Elemente und ein paar herausragende neue Namen ergänzen. „Some exciting new strikers“, nennt ein nigerianischer BBC-Journalist das Unübersetzbare präzis beim Namen. Wo sind sie geblieben, die Abwehrrecken vom Format eines Taribo West oder Mark Fish? Ganze Abwehrformationen, einst der Stolz afrikanischer Spitzenteams, geraten in Panik und beginnen zu patzen.“

Weibischer und unaufrichtiger Charakter von Fußballern und ihren Trainern

Das Streiflicht (SZ 3.2.) kennt den Unterschied zwischen Handball und Fußball in Deutschland: „Wie monoton ein Fußballspiel ist! Wie lange es dauert, ehe ein Abstoß ausgeführt ist, der zu allem Unglück auch noch im Aus landet! Und wie einfallslos das Personal sich den Ball am eigenen Strafraum zuschiebt! Am verwerflichsten jedoch erscheint Freunden des Handballspiels der ebenso weibische wie unaufrichtige Charakter von Fußballern und ihren Trainern, wir sagen nur: Frings und Sammer. Freitagabend, Frings lässt sich vor dem herrlich leeren Tor fallen, um einen Elfmeter zu schinden, und Sammer macht ihn nicht zur Minna, sondern belobigt ihn noch als Schlitzohr. Unter ihren Schädeldecken muss sich etwas so verschoben haben, dass der Drang zum Betrügen sogar den Drang zum Torschuss überlagert. Wir sind gerade Europameister geworden. Wir dürfen uns diese Grundsatzkritik erlauben. Nehmen jetzt aber den erhobenen Zeigefinger herunter. Führen ihn vors Videogerät. Play. Gespeichert wurden in elf Tagen acht Spiele der deutschen Handballer; wir können uns das Gejammere von Völlers Mädels gut vorstellen, wenn sie acht Spiele in elf Tagen zu bestreiten hätten, doch das nur nebenbei. Band läuft. Was ist das? Bitte, was soll das sein? Zu sehen ist grüner Rasen. Ja richtig, wir erinnern uns, dies ist ein englisches Fußballspiel, aufgenommen zu Weihnachten, nie gelöscht, weil: hin- und herrollende Wellen, stürmisch und klar. Campbell an die Außenlinie zu Bergkamp, dieser könnte sich in seinen Gegner hineindrehen, dann bekäme er Freistoß, aber ein solcher Gedanke ist ihm fremd, Bergkamp lässt den Ball über den Außenrist zu Henry fluppen, Doppelpass mit Parlour, und schon ist Henry frei vor dem Tor; er hat das ähnlich fabelhaft gemacht wie Jansen, unser übers Parkett fliegender Junge. Ach, wie schön, in England gibt es keine Waschlappenfußballer. Außerdem gibt es dort keine Handballer. Wenn es aber in England Waschlappenfußballer gäbe, brauchte auch England zum Ausgleich Handballer. Capito?“

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„Hassduell“

Das vermeintliche Spitzenspiel und „Hassduell“ der vergangenen Jahre zwischen Meister Dortmund und Tabellenführer Bayern München verlief derart gehaltlos, dass sämtliche Kommentatoren ihre den Großteil ihrer Aufmerksamkeit der hervorragenden Spielleitung von Markus Merk widmeten; statt dem sportlichen Geschehen: „Der österliche Konvent der Nationalspieler trägt trotz des Dortmunder Sieges über den FC Bayern den Charakter eines Friedensgipfels und dient als Abbild einer von künstlicher Spannung dominierten Meisterschaft“, langweilte sich die SZ.

Leidenschaftsloser Osterspaziergang

Roland Zorn (FAZ 22.4.) sah kein aufregendes Spiel. „Oliver Kahn hatte alle Hände voll zu tun. Aber nur vor dem Anpfiff des Bundesliga-Gipfels. Da mußte der Münchner Fußball-Nationaltorwart wie alle Jahre wieder die Südfrüchtchen einsammeln, die ihm von der Südtribüne des Westfalenstadions zugeworfen worden waren. Möglich, daß sich Kahn in diesen Augenblicken der Revierreinigung wieder einmal wie in einer Bananen-Republik vorkam, doch als der Obsttag vorbei war und endlich der Ball rollen konnte, hatte der in Dortmund schon bissiger aufgetretene Schlußmann alle Zeit und Muße der Welt, einen Langweiler zwischen dem Tabellenführer und dem Tabellendritten zu beobachten. Wo sonst die Funken sprühen und Verwarnungen und Platzverweise an der Tagesordnung sind, passierte diesmal fast gar nichts. Daß die Borussia seit dem 1. Oktober 1995 mal wieder ein Heimspiel gegen die Bayern gewinnen konnte, regte am Ende auch niemanden so richtig auf (…) Aus dem Haßduell der Vergangenheit war ein friedlicher, leidenschaftsloser Osterspaziergang geworden. Nur eine einzige Szene gab anschließend noch zu kontroversen Diskussionen Anlaß: der Moment, in dem Schiedsrichter Merk auf Strafstoß für den BVB entschied. Mit Adleraugen hatte der Pfälzer nämlich gesehen, daß sich nach einer Stunde des westfälisch-bajuwarischen Patts eine Münchner Faust gen Himmel gehoben hatte, die den Ball nach einem Eckstoß von Rosicky weggeboxt hatte. Es war die Hand Kovacs, die zeitgleich mit einem Stubser des gelb-schwarzen Widersachers Kehl zum Ball ging. Von dieser entscheidenden Szene abgesehen, hatten die beiden defensiv denkenden und handelnden Teams zuerst sich selbst und dann auch den Gegner unter Kontrolle.“

Sorge um das Startrecht an der europäischen Zasterliga

Andreas Burkert (SZ 22.4.) kommentiert Reaktionen. „Bayern-Manager Uli Hoeneß unterbrach kurz seine Flucht vor den TV-Kameras und analysierte jene Minibaisse, die seine Angestellten der Gesellschaft auf Aktien im April beschert haben. „Unsere Leistung war okay“, sprach er milde, „wenn man personelle Probleme hat wie wir, kann man schon zufrieden sein.“ Das waren auch die Dortmunder nach diesem „quasi Nullnull-Spiel“ (Kahn), denn die Sorge um das Startrecht an der europäischen Zasterliga hatte ihnen zuletzt arg zugesetzt. So kam es, dass sich ihnen nach verkrampftem Vortrag erst in der 86. Minute eine echte Torchance eröffnet hatte (Kopfball Koller) – sehr lange hatte die Borussia keine Idee davon gehabt, wie den Stoikern aus Bayern beizukommen sei. Und das war nun die eigentliche Lehre dieses Friedensgipfels, der nach knapp einer Stunde die erste Gelbe Karte (Wörns) und die Premiere eines Eckballs erlebte: Das letzte Aufgebot der Münchner kontrollierte die Situation, wenige Kontereinlagen reichten ihnen, um die besseren Gelegenheiten zu produzieren. Ansonsten, so wirkte es, diente ihre vornehme Zurückhaltung dazu, den ökonomisch auf Augenhöhe wirkenden Lieblingsfeind dezent zu demoralisieren. Am Ende hatten sie sich natürlich ein paar Kratzer geholt, doch tags darauf verlor wie bestellt Verfolger Stuttgart. „Acht Punkte Vorsprung ist immer noch sehr viel“, rechnete der gelernte Mathematiker Hitzfeld am Samstag. Am Sonntag stand fest: es bleiben elf. So halten sich die Münchner nun schon seit dem vierten Spieltag ganz oben im Tableau, die einzige erinnernswerte Höchstleistung glückte ihnen übrigens außer Konkurrenz: nur zwei Punkte in der Champions League. Das liegt lange zurück, und vielleicht klang Hitzfeld nach dem soften Rückschlag von Dortmund deshalb fast erfreut. Er erwarte in Wolfsburg „eine gewaltige Reaktion“, sagte er.“

Kommunikation statt Konfrontation

Roland Zorn (FAZ 22.4.) schreibt über den besten Mann auf dem Spielfeld. „Der Fifa-Schiedsrichter aus Kaiserslautern mußte im Westfalenstadion darauf gefaßt sein, als eine Art Löwenbändiger in die Arena zu ziehen. Denn wäre aufs neue wahr geworden, was dem Duell zwischen Borussia Dortmund und Bayern München von jeher nachgesagt wird, hätte Merk den Oberaufseher beim alljährlichen Haßgipfel der Fußball-Bundesliga geben müssen. Von Haß, Antipathie und Vorurteilen konnte im nachhinein keine Rede mehr sein: Markus Merk kam mit zwei Gelben Kärtchen und stand doch im Blickpunkt. Einerseits, weil er es mit bemerkenswerter Gelassenheit verstanden hatte, die Betriebstemperatur auf dem Platz bei Bedarf abzukühlen, andererseits, weil er mit scharfem Blick wie fast niemand sonst im Stadion erkannte, daß Kovac den Ball vor Amorosos Elfmetertor mit der Hand gespielt hatte. Kommunikation statt Konfrontation lautet einer der Grundsätze des 41 Jahre alten Pfälzers, der auch international aus der allerersten Reihe pfeift. Diesem Prinzip fühlte sich Merk, als Zahnarzt von Berufs wegen feinfühlig, gerade in dem Stadion verpflichtet, in dem sein Kollege Hartmut Strampe vor zwei Jahren einen Bundesligarekord aufgestellt hatte: Der Niedersachse schickte beim Klassiker Dortmund gegen Bayern drei Spieler vom Platz und sprach dazu zehn Verwarnungen aus. Solche Bestleistungen strebt Merk nicht an, der es inzwischen besser als jeder andere deutsche Unparteiische versteht, streitende Spieler zu beruhigen und miteinander zu versöhnen. So wie er, mit einer Mischung aus fachlich schwer angreifbarer Autorität und loyalem Umgang mit den Spielern, erfüllen die Spitzenschiedsrichter in England und Italien seit langem ihre kniffligsten Aufträge.“

Stadionatmosphärisches taz

Antizyklisch

Felix Meininghaus (FTD 22.4.) blickt nach vorn. „Man kann von Matthias Sammer ja halten was man will, aber konsequent ist der Mann. Das Unerwartete zu sagen und zu tun, hat er sich zum Prinzip gemacht. Und das zieht er so beharrlich durch, dass es schon wieder berechenbar ist. Sammer hat mal von sich gesagt, er denke und handele antizyklisch. So hat sich Borussia Dortmunds Trainer in den trostlosen Zeiten fußballerischer Armut der vergangenen Wochen lange vor seine Spieler gestellt – viel zu lange, wie Kritiker bemängelten. Am Samstag, nach dem 1:0 gegen Bayern München, las Sammer seinen Stars die Leviten. Trotz des ersten Erfolgs gegen den großen Rivalen seit dem 1. Oktober 1995 laufe es weiterhin sehr, sehr zäh. Wir haben heute gefightet, aber noch lange nicht gut gespielt, sagte Sammer, der den ersten Sieg als Trainer gegen seinen einstigen Lehrmeister Hitzfeld feiern konnte. Bis zum Ende der Saison haben wir noch viel Arbeit. Die Spieler müssen sich so verhalten, wie es einem Profi gebührt – vor allem in der Denkweise. Klare Worte waren das, die deutlich machten, wie sehr das Auftreten des Noch-Meisters alle im Dortmunder Lager ins Grübeln gebracht hat. Nach dem Ausscheiden in der Champions League sei die Mannschaft ziellos gewesen, räumt Manager Michael Meier ein. Das uninspirierte Gekicke hat viele auf den Plan gerufen, die nun verkünden, das Team benötige dringend eine personelle Auffrischung. Flugs fielen die Namen Slavo Freier, Miroslav Klose und Bernd Schneider, auch am Finnen Mikael Forssell sei das Interesse lebhaft. Derzeit sind das lediglich Gerüchte, die von Meier in den Katakomben des Westfalenstadions nicht dementiert wurden.“

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Rising Stars

Raphael Honigstein (taz 18.9.) weint mit den Stuttgartern um eine verpasste Chance nach. „Ein paar Sekunden nachdem Kevin Kuranyis Abstauber zum 0:1 das vor archaischem Lärm berstende Ibrox urplötzlich in ein ganz normales Stadion verwandelt hatte, kam ein Mann mit einer blauen Lostrommel auf den Platz. Die bedröppelten Anhänger der Rangers wurden noch stiller. Auf der Videoleinwand leuchteten die Wörter Rising Stars auf, dann griff der Herr in den sechseckigen Behälter, und für einen Moment war man sicher, dass er gleich die Namen Kuranyi, Hleb oder Hildebrand verlesen würde – die jungen Wilden vom VfB Stuttgart schienen an diesem dramatischen Abend wirklich zu Sternen am europäischen Fußball-Firmanent werden zu können. Begonnen hatten die Schwaben hingegen da, wo sie sich nach der unnötigen Niederlage wiederfanden: am Boden. Von den riesigen Schallwellen der Kulisse aus der Bahn geworfen, war der VfB auf dem glitschigen Rasen gleich arg ins Schleudern geraten; die falsche Wahl des Schuhwerks hatte die Sache nicht leichter gemacht. Erst nach zwei famosen Paraden von Hildebrand gegen Mitte der ersten Hälfte hatte Felix Magaths Elf bemerkt, dass sie dem Gegner taktisch und technisch einiges voraushat: Kuranyis Treffer nach Bordons Freistoß an den Pfosten war keineswegs unverdient, wie Rangers-Trainer Alex McLeish hinterher befand; in Wahrheit hätte man gegen die ideenlosen Gäste mit konsequenterem Spiel nach vorne in der zweiten Halbzeit noch das eine oder andere Tor schießen müssen. Stuttgart war dem schottischen Meister deutlich überlegen, bewies Qualität und Reife. Zumindest bis 15 Minuten vor dem Ende.“

James Bond trank allein mit den Stuttgarter Vereinsbossen

Oliver Trust (Tsp 18.9.) fasst enttäuschte Stuttgarter Reaktionen zusammen. “Die meisten hasteten davon, als würden sie für jeden Meter extra bezahlt. Wortlos, mit leerem Blick und hängendem Kopf eilten die Profis des VfB Stuttgart in ihren Mannschaftsbus wie in eine Zone der Schweigsamkeit. Ein ganzer Verein schien in dieser Nacht auf der Flucht. Die Augen von Trainer Felix Magath sahen so gerötet aus als habe er ein paar Tränen vergossen, aber es waren nur die Kontaktlinsen, die seine Bindehaut reizten. Nach dem 1:2 im ersten Spiel der Champions League bei den Glasgow Rangers gaben sich die Schwaben alle Mühe, ihren Frust zu verbergen. Nicht einmal die Aussicht auf einen Whisky mit Sean Connery konnte die Stuttgarter dazu bewegen, auf der VIP-Party im Hotel Radisson vorbeizuschauen. Der schottische Schauspieler und Rangers-Fan, einem Millionenpublikum als James Bond bekannt, trank dann allein mit den Stuttgarter Vereinsbossen. Felix Magath saß mit seinen Spielern in einem Nebenraum und schaufelte lustlos in sich hinein. Zuvor hatte der Trainer seiner Verärgerung Luft gemacht und seine Mannschaft scharf kritisiert. „Beim 1:1 haben wir uns angestellt wie eine Amateurmannschaft. Solche Fehler werden sogar in der zweiten Liga bestraft, das 2:1 fälschte Bordon unhaltbar ab“, sagte der Trainer. Ruhe fanden sie in dieser Nacht der Enttäuschungen keine. In ein paar Minuten hatten sie einen sicher geglaubten Erfolg aus der Hand gegeben, das konnte keiner fassen.“

Wer immer noch behauptet, Beckham sei ein mittelmäßiger Fußballspieler, der hat keine Ahnung

Peter Burghardt (SZ 18.9.) schnalzt mit der Zunge. „Die Madrider Tore waren Folge eines vereinten Wutanfalls und individueller Ideen von Künstler Zidane, Roberto Carlos und Beckham. Wer immer noch behauptet, der Engländer sei ein großer Popstar, aber mittelmäßiger Fußballspieler, der hat keine Ahnung. Er half sogar selbstlos in der Abwehr aus, denn dort ist die Achillesferse der Madrider Risikogesellschaft zu finden. „In diesem Team gab es immer defensive Probleme“, sagt Ronaldo, der in fünf Pflichtspielen fünfmal getroffen hat. „Aber wir sind darauf vorbereitet.“ Wirklich? Man weiß nicht, was passiert, wenn technisch und taktisch bessere Gegner als Valladolid und Marseille vorstellig werden. Queiroz hält die Millionäre bisher bei Laune und auffällig in Schwung – Roberto Carlos rennt trotz zweier Länderspiele vergangene Woche in Südamerika wie aufgezogen über den Rasen, als Leichtathlet wäre er verdächtig. Doch der brave Manndecker Raul Bravo ist ein wackliger Ersatz für den verletzten Ivan Helguera und Francisco Pavon als Abwehrchef ein Frischling, spätestens zur Winterpause wird nach Verstärkung gefahndet. Die Geniestreiche der Offensive dürften ja nicht immer genügen. Andererseits machen die Zweifel den Reiz dieses Experiments aus – es ist ein Balanceakt ohne Netz, wie es sich für einen guten Zirkus gehört. Bislang bleibt Perez seinem Entwurf „Zidanes und Pavones“ treu, also Weltstars und Nachwuchsspieler in einer Elf zu binden. Am Ende standen sechs junge Männer auf dem Platz, die in Madrid geboren sind: Casillas, Bravo, Pavon, Guti, Raul, Portillo.”

Gute Kontakte zum organisierten Verbrechen

Dario Venutti (NZZ 18.9.) schildert die Verbindungen von Partizan Belgrad. “Die Symbolik des sportlichen Erfolgs fügt sich gut ein in einen generellen Trend, der in Serbien seit dem Sturz des Regimes Milosevic eingesetzt hat. „Europa“, „Europäisierung“ und „europäische Standards“ gehören zum festen Wortschatz der Phraseologie von Politikern und Unternehmern, die im Ancien Régime noch das Gegenteil postuliert hatten. Dasselbe gilt für Exponenten von Partizan Belgrad. Der Verein war früher regimetreu; man organisierte beispielsweise am zweiten Tag der Nato-Angriffe 1999 ein Spiel gegen AEK Athen als surreal anmutendes Happening. Die Symbiose ging so weit, dass der hohe Klubfunktionär Mirko Marjanovic eine Zeitlang das Amt des jugoslawischen Ministerpräsidenten bekleidete. Mit der Wende in der Politik gab sich auch der Verein ein neues Antlitz. Auf der mittleren Hierarchiestufe dominiert nicht mehr der zähe Apparatschik, der jedes Anliegen zunächst abschlägt, sondern der smarte und zuvorkommende Marketingmann. Partizan hat am Stadtrand von Zemun bei Belgrad ein modernes Trainingszentrum erstellt, das in sportlicher, medizinischer und infrastruktureller Hinsicht höchsten Ansprüchen genügt. Wie der Bau finanziert wurde, ist allerdings schleierhaft. Offiziell wurde dem Verein das Bauland gratis zur Verfügung gestellt. Belgrader Journalisten sind jedoch der Ansicht, dass Partizan gute Kontakte zum organisierten Verbrechen unterhält und von diesem Geld erhält. Beweisen kann dies freilich niemand. Ein weiteres Indiz für die Nähe zur Mafia ist die Tatsache, dass dem Verein gegen Ende der neunziger Jahre die finanzielle Basis wegbrach. 1945 als Armeeklub gegründet, war Partizan im sozialistischen Jugoslawien neben Roter Stern Belgrad, Dinamo Zagreb und Hajduk Split der erfolgreichste Klub und stand 1966 im Final des Meistercups (1:2 gegen Real Madrid). Weil das Geld der Armee ausblieb, gründete Partizan ein Import-Export-Unternehmen, das unter anderem mit Salz und Keramik handelt. Der Verein unterhält überdies ein eigenes Wettbüro. Diese euphemistisch Diversifizierungen genannten Geschäftsbereiche erlauben es dem Klub, sich in der Bundesrepublik Jugoslawien als sportliche Top-Adresse vor Roter Stern zu positionieren.“

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Allgemein

Portrait: Christoph Daum

Sehr lesenswert porträtiert Dario Venutti (NZZaS 1.6.) Christoph Daum. “Fast eineinhalb Jahre sind vergangen, seit Daum mit einer freiwilligen, positiven Haaranalyse, in der ihm der Konsum von Kokain nachgewiesen wurde, ein Eigentor geschossen hat. Die mediale Rezeption dieses Ereignisses spiegelte die eigene (und eigenartige) Vorstellung, die sich der Fussball von der Realität schafft. Die Kombination von Körperkult und bürgerlicher Moral bringt eine verlogene, scheinbar heile Welt hervor, an deren Ansprüchen die Involvierten nur scheitern können. Indem das Scheitern kriminalisiert wird, reproduziert sich aber das System Fussball. Die mediale Erhitzung war im Falle Daums auch deshalb so ausgeprägt, weil damals symbolisch nationale Interessen Deutschlands auf dem Spiel standen; Daum war als Bundestrainer schon so gut wie im Amt. So sendete die ARD am Tag, als die Nachricht von der positiven Haaranalyse bekannt wurde, einen „Brennpunkt“ – ein Sendegefäss, das sonst Kriegen und Katastrophen vorbehalten ist. Die Ereignisse führten zu einem Bruch im Leben Christoph Daums, auch wenn er ihretwegen keine gebrochene Persönlichkeit geworden ist. Christoph Daum ist sich bewusst, dass die juristischen Freisprüche – von der Anklage des Drogenerwerbs in 63 Fällen und von der Anstiftung zum Drogenhandel in zwölf Fällen – sein Bild in der Öffentlichkeit nicht korrigieren konnten. Die zeitliche Distanz und das vergleichsweise ruhige Arbeitsklima in Wien haben Daum noch deutlicher die Funktionsweise des Unterhaltungsbetriebs Fussball vor Augen geführt. Bereits vor dem „Skandal“ war er einer der wenigen Trainer, die die Mechanismen auf hohem Niveau reflektieren konnten. „Wenn du dich in dieser Scheinwelt normal verhältst, gehst du unter“, sagt Daum. Diese Erkenntnis, die inhaltlich auch von einem Sportsoziologen stammen könnte, meint den Umstand, dass Spitzensport systemimmanent Praktiken erfordert, die als abweichendes Verhalten (Doping) stigmatisiert werden. Auch Wirtschaftsführer greifen zu illegalen Mitteln, um dem Leistungsdruck standzuhalten, ohne aber öffentlich an den Pranger gestellt zu werden. Die Tragödie Daums liegt wohl darin begründet, dass er die Anforderungen des Fussballs, wie er in den neunziger Jahren geprägt wurde, wie kein anderer erfüllte und dennoch (oder gerade dadurch) zu seinem Opfer wurde. Der Fussball im abgelaufenen Jahrzehnt zeichnete sich durch eine Entfesselung der Marktkräfte (insbesondere der Privatisierung im TV-Bereich) aus, was einen historisch einmaligen kommerziellen Schub zur Folge hatte. Diese Entwicklung brachte auch einen neuen Idealtypus des Trainers hervor: immer auf der Hut, beredt, unterhaltsam, aggressiv, immer auf dem neuesten Stand, gnadenlos erfolgsorientiert. Der Schriftsteller Maxim Biller hat Daum in einer Polemik “den Helden des neuen Kapitalismus” genannt. Dessen Schmiermittel (des Kapitalismus) war das Kokain.“

Ballschrank

Sonstiges

Parvenü Karl-Heinz Wildmoser (inzwischen zurückgetreten), „Dumpfheit gepaart mit Dummheit“ (FR) – Lizenzverfahren der DFL beginnt – VfB Lübeck hofft auf Überraschung in Bremen – Mauschelei beim Hessischen Rundfunk u.v.m.

Es geht nicht um die Veruntreuung von Büroklammern

Klaus Hoeltzenbein (SZ 15.3.) hält Wildmoser senior nicht für entlastet: „Mit dem Geständnis sollte der Vater entlastet werden – befreit vom Vorwurf, zumindest grob fahrlässig gehandelt zu haben, ist er damit nicht. Ist doch Wildmoser junior nicht nur Sohn eines dominanten Vaters, sondern in vielerlei Hinsicht auch dessen Stellvertreter. Beim TSV 1860 läuft seit Jahren der Versuch, die Macht vom Vater auf den Sohn zu übereignen. Ähnlich gelagert ist die Situation bei der Dresdner Weißer Hirsch Immobilien GmbH, über die die Wildmosers im Osten tätig waren. Karl-Heinz junior soll dort, so die Aussage der Familie, souverän die Geschäfte geführt haben, Karl-Heinz senior aber bestätigte auf seinem Medien-Marathon in ZDF und DSF (¸Lesen Sie alles, was Sie unterschreiben?), Geschäftspapiere in Fiskalfragen gezeichnet zu haben. Darin sollen sich Hinweise auf die Schmiergeldzahlungen befunden haben, die über die Dresdner Geschäftskonten gelaufen sein. Für einen der Eigner des ¸Weißen Hirschen muss deshalb das Gleiche wie zum Beispiel für jeden Minister gelten: Wo seine Unterschrift drunter ist, dafür trägt er die Verantwortung. Mit entsprechender Konsequenz für einen Präsidenten eines gemeinnützigen Vereins, unabhängig vom Straftatbestand. Schließlich geht es nicht um die Veruntreuung von Büroklammern, sondern um 2,8 Millionen Euro. Die Wildmosers haben sich immer als Familienbetrieb definiert, im Sinne der Vereinshygiene wäre deshalb in der Beurteilung des Falles eine Sippenhaft statthaft. Mindestens ebenso entscheidend in der Präsidentenfrage ist das Verhältnis Wildmosers zum FC Bayern. Besonders im ZDF-Interview – jenseits aller Liebedienerei geführt von Moderator Rudi Cerne – wurde deutlich, welche Gräben sich zum Geschäftspartner auftun, mit dem gleichberechtigt das Stadion errichtet werden soll. Zum einen wurden in den oft wirren Ausführungen Wildmosers einige ¸Führungskräfte des FCB attackiert (¸Jetzt, wo es fertig wird, kommen ein paar und sagen, wir haben das schönste Stadion der Welt gebaut), zum anderen wurde auf eine historisch neue Tat verwiesen: ¸Ohne meine Arbeit, ohne meine Leistung gäbe es in München keine WM 2006. Die wäre an München vorbei gegangen. Bislang galt noch stets Beckenbauer als Motor der Bewerbung.“

SZ-Interview mit Münchens Oberbürgermeister Christian Ude, Aufsichtsratsmitglied bei 1860 München

SZ: Sie werden für Ihr Vorpreschen in der Wildmoser-Affäre heftig kritisiert.

CU: Ich habe in den letzten Tagen eine unglaubliche Stimmungsmache erlebt, als ob nicht die Schmiergelder ein Skandal wären, sondern die Gesetzestreue und Zusammenarbeit des Oberbürgermeisters mit der Staatsanwaltschaft. Das haben manche schon als Vorverurteilung angeprangert.

SZ: Wildmoser muss weg als Präsident – bleiben Sie dabei?

CU: Ja. Inzwischen hat der Sohn eingeräumt, dass Millionen geflossen sind – laut Staatsanwaltschaft in eine Firma, in der der Senior Gesellschafter und Geschäftsführer ist. Ob das mit oder ohne sein Wissen oder Tun geschehen ist, ist doch zweitrangig. Ich halte das für einen absoluten Zwang zum Neubeginn.

SZ: Ist das nicht auch eine Form der Vorverurteilung?

CU: Das hat mit strafrechtlicher Beurteilung nichts zu tun. Der Verein, der bislang nicht beteiligt ist, darf jetzt nicht verwickelt werden, indem er an Wildmoser festhält. Ob jemand dem Verein nützt oder schadet, ist eine vollkommen andere Frage als die strafrechtliche Beurteilung. Die Idee einer Familiendynastie ist gescheitert: Der Senior wollte alle Geschäfte des Vereins in die Hände seines Sohnes legen. Das ist aus und vorbei, nicht durch mich, sondern durch den Junior. Man wird niemandem erklären können, dass jemand Präsident bleiben kann, auf dessen Firmenkonto Schmiergeldmillionen eingegangen sind.

Es ist kein gutes Zeichen, wenn schon Cerne auf einen eindrischt

Peter Unfried (taz 15.3.) hat am Wochenende TV gesehen: „Wildmoser, mit seinem gleichnamigen, aber geständigen Sohn angeklagt der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit dem Münchener Stadionbau, kam am Freitagnachmittag zum Hintereingang raus. Dort wartete eine Art Reporter vom DSF. Um den Charakter Wildmosers zu beschreiben, wird gern erzählt, er habe einen Untergebenen, der ihm seine runtergerauchten Zigarettenstummel abnehme und im Aschenbecher ausdrücke. Um den Charakter dieses DSF-Journalisten zu beschreiben: Er überbot den Stummelausdrücker. Wildmoser gab sich entsprechend lustig und entspannt, lobte die Unterkunft und die netten Vollzugsbeamten in Stadelheim. Alles prima, nur einmal, so formulierte das der Vater neutral, wurden Fehler gemacht. Soweit man den Vater versteht, war der Fehler offenbar ein geschäftliches Dilettieren des Juniors (40), aus dem akute Geldnot entstand, die er dann illegal lindern wollte. Wildmosers Darbietung wurde dann – wie beim Fußball ja notwendig – von einer Experten-Runde im Studio aufgearbeitet und analysiert. Wie auch die Vater-Sohn-Beziehung. Es stellte sich jedenfalls heraus, dass Wildmoser senior einst auch als Laienschauspieler große Erfolge feierte. Letztlich aber, so urteilte Deutschlands Branchenchefkritiker Paul Breitner, sei Wildmosers Auftritt absolut glaubwürdig gewesen. Damit war der Senior praktisch freigesprochen (…) Es ist kein gutes Zeichen, wenn schon ein Cerne auf einen eindrischt. Und so eilte Wildmoser zurück zum DSF, und zwar zum Stammtisch, wo man ihm gestern morgen duzend (Kicker-Chefredakteur Holzschuh) versicherte, wie lange man sich schon kenne. Teils wurden aber auch sachliche Antworten verlangt, worauf Wildmoser sich beleidigt über den dicken Bauch strich.“

Dumpfheit gepaart mit Dummheit

Peter Michalzik (FR 11.3.) porträtiert den Parvenü Wildmoser: „Von nun an sieht Karl-Heinz Wildmoser, der in München Stadelheim wegen Korruptionsverdacht einsitzt, so aus, als habe man es schon immer gewusst. Als habe man schon immer seine kriminelle Energie gespürt. Das zerfurchte und verlebte Antlitz, man weiß nicht, was es gesehen hat, aber man meint es zu ahnen. Leibesumfang, Bierbauch, umpftata, das ganze Auftreten. Diese Kaltschnäuzigkeit, die aus der wegwischenden Verachtung aller Konkurrenten erwächst und die sich sogar bis zum Witz steigern kann, zu dessen intellektuellem Vollzug der Mann eigentlich gar nicht fähig scheint. Diese umfassende Dumpfheit kann man sich nur gepaart mit Dummheit vorstellen, einer Dummheit, die Indolenz zu nennen schon zu feingeistig erscheint. Man glaubt sie jetzt in Wildmoser noch einmal wiederzuerkennen, diese Männer, die eigentlich schon ausgestorben schienen, für die der hartnäckige Kampf die einzig legitime Form des Daseins ist, für die Betrug ein Kavaliersdelikt, Bereicherung Ehrensache und ein dicker Bauch Zeichen von Potenz ist. Dass solche Menschen Steuern, demokratische Mehrheiten, saubere Vergabemodi, überhaupt jedwede Form geregelter Verfahren und übertriebener Öffentlichkeit für ein Grundübel ansehen, für Zeitverschwendung im besten Fall, für ein Geschäftshindernis im Normalfall und für eine persönliche Beleidigung im schlechtesten Fall, das meinen wir, wenn wir ihn jetzt sehen, fast von selbst zu verstehen. Und doch muss in jener absoluten Negation von allem Ästhetischen eine eigenartige Form von Kraft liegen, die uns fremd ist. Sie widersteht seit je intellektueller Aufarbeitung. Und doch glauben wir sie zu kennen, diese Dietrichs, Martins, Xavers, Siegfrieds, die vorzugsweise Karl-Heinz heißen. Es ist wirklich erstaunlich, wie sehr das allzu Offensichtliche manchmal mit dem Tatsächlichen in eins fällt und zu unmittelbarer Evidenz führt.“

We are blue, we are white, we are FC Bayern light

Sehr lesenswert! Jörg Schallenberg (taz 13.3.) meint, dass das Mittelmaß Karl-Heinz Wildmosers auf 1860 München abgefärbt hat: „Einerseits ist unbekannt, ob Karl-Heinz Wildmoser schon mal von Andy Warhol gehört hat. Andererseits ist es doch wenigstens möglich, dass dessen schöner Ausspruch von den 15 Minuten Ruhm, die jedem zustünden, auch ins Löwenstüberl oder ins Café Hinterbrühl gedrungen ist. Denn in deren Räumen spann Wildmoser, zwischen Weißbierschaum und Nikotinschwaden, seine Vision von einem strahlenden, global anerkannten Münchner Fußballvereins. Einer, zu dessen Heimspielen die Massen durch die Stadiontore drängen. Nur: Den gibts längst. Er heißt bloß nicht TSV 1860 München. Und wird auch nie so heißen. Ebendas war die Tragik dieses früheren Boxers, Wiesnwirts, Metzgers, und Mietspekulanten. Irgendwann wird das selbst Karl-Heinz Wildmoser begriffen haben. Dann hat er zusammen mit seinem Sohn, den man nur Heinzi nennt, beschlossen, lieber einen krachenden Abgang zu inszenieren, als weiter das Unmögliche zu fantasieren. Einen Abgang, der den TSV 1860 München wenigstens einmal noch in die Schlagzeilen katapultieren würde. Der TSV 1860 ist heute, nach zwölf Jahren Wildmoser-Diktatur, nur noch ein, den Vereinsfarben gemäß, babyblaues Nichts. Es gibt interessantere Vereine. Den VfL Wolfsburg zum Beispiel. Oder, bayerisch betrachtet, die Spielvereinigung Unterhaching. Das Verschwinden des einstigen Mythos 1860 hat viel, wenn nicht alles damit zu tun, dass der Club von Menschen wie Karl-Heinz Wildmoser geleitet wurde, die einfach nicht begreifen konnten, dass es den FC Bayern nur einmal geben kann. Und die Zeit für Vereine wie 1860 abgelaufen war. Das muss irgendwann im Frühjahr 1967 gewesen sein. Da belegen die Sechziger zwar noch den dritten Platz in der Bundesliga, aber die Bayern gewinnen gleichzeitig gegen die Glasgow Rangers den Europacup der Pokalsieger. Zwei Jahre zuvor hat 1860 vor 100.000 Zuschauern in London das Finale gegen West Ham United verloren. 1966 dann, in dem Jahr, in dem die Beatles Revolver veröffentlichen, wird 1860 mit tollem Sturmspiel Deutscher Meister. Einen Moment scheint es, als könnte der Arbeiterverein aus dem Proletenviertel Giesing einen Hauch der Pop-Ära in den deutschen Fußball einbringen. Der geniale Stürmer und schwere Säufer Rudi Brunnenmeier lebt einen Stil vor, den George Best später in Manchester perfektionieren sollte, der Torwart Petar Radenkovic startet mit dem Ball Sololäufe übers Spielfeld und singt sich mit Bin i Radi, bin i König als erster Fußballer in die Hitlisten. Doch der Niedergang der Blauen ist bereits zu ahnen. Denn der Lokalrivale und kleinere Verein FC Bayern ist bereits einen Tick cleverer. Bei der WM 1966 in England wird nicht Brunnenmeier, sondern ein 20-Jähriger namens Franz Beckenbauer zum Star. Und der junge Bayern-Torwart Sepp Maier lässt den großen Radenkovic auflaufen: Bin i Radi, bin i Depp, König ist der Maier Sepp. Da staunt man bei 1860, und bekommt den Mund in den folgenden Jahren gar nicht mehr zu. Ungläubig sieht man mit an, wie die Bayern sportlich davonziehen. Im Gegensatz zum etwas muffigen blauen Stadtviertelclub waren die Roten ohnehin schon immer polyglott aufgetreten – weltläufig statt beheimatet, wie ein Politologe schrieb. Gegründet von Schwabinger Künstlern im Jahr 1900, also vierzig Jahre nach den natürlich unvergleichlich traditionsreichen Sechzigern, galt der FC Bayern als Treffpunkt der Intellektuellen, offen nach allen Seiten, wenig klassenbewusst. Dem 1933 durch die Nazis abgesetzten jüdischen Präsidenten Kurt Landauer hielt man im Verein die Treue und holte ihn bald nach dem Krieg zurück. Die Zeit schrieb einmal: Sollte Hitler einen Münchner Lieblingsverein gehabt haben, so muss man davon ausgehen, dass es der Lokalrivale 1860 war, der so genannte Arbeiterverein, der schon von 1934 an SA-Männer an der Führungsspitze hatte. 1970 jedenfalls, als der FC Bayern das Fußballgeschäft längst betriebswirtschaftlich-kühl analysierte, verabschiedete sich der TSV 1860 aus der Bundesliga – von der Ära Brunnenmeier war nichts mehr übrig. Zweimal steigt man wieder auf und schnell wieder ab, ehe sich der Verein nach einem Lizenzentzug 1981 in der Bayernliga wieder findet. Doch in diesen Untiefen erfindet sich der Mythos der Sechzigerlöwen neu, dieses Mal als sympathischer Underdog, dessen Fans ihre Identität wesentlich aus dem erbitterten Gegensatz zu den Großkopferten des FC Bayern beziehen, der längst zum Weltverein aufgestiegen ist. Zu Heimspielen gegen Fürth oder Schweinfurt kommen über 30.000 Zuschauer. Lokalblätter widmen den Amateuren ebenso viel Platz wie den Bayern, die da schon mit dem Gedanken an eine Europaliga liebäugeln. Mit dem Präsidenten Wildmoser steigt 1860 München 1994 wieder in die Bundesliga auf, er war der Beweis, dass der Traum, dem FC Bayern auf Augenhöhe zu begegnen, nicht vergebens geträumt war. Welch Irrtum: Ihr Präsident verkündet lauthals, wie sehr er den Kollegen Franz Beckenbauer bewundert, sitzt bei den Spielen der Bayern auf deren Ehrentribüne und outet sich gar als Bayern-Mitglied. Zwei Jahre nach dem Aufstieg verkündet er, ein Albtraum: Wir sind wie der FC Bayern, wir heißen nur anders – und verfrachtet seine Giesinger Stammkundschaft vom Stadion an der Grünwalder Straße für Heimspiele ans andere Ende der Stadt – ins Olympiastadion, das auf jeder Pore seines Betons nichts als FC Bayern atmet. We are blue, we are white, we are FC Bayern light, skandieren seitdem die Fans. Wildmoser ließ sich nicht beirren, er, der schon äußerlich so überhaupt nicht an die Coolness der Hoeneß und Beckenbauers herankam, vereinbarte mit dem FC Bayern, die neue Allianz-Arena zu bauen. Was die Löwen dort wollen, weiß niemand, aber der größenwahnsinnige Wildmoser hatte sich, womöglich von Minderwertigkeitskomplexen getrieben, längst in Fieberträume verloren, in denen er als Volkstribun mit den seinen und dem FC Bayern in ein gemeinsames Stadion hochzieht. Endlich sollte er dabei sein – zwischen Audi, Adidas und Allianz. Dabei verkörpert der fleischige Wildmoser selbst am besten die Unmöglichkeit seines Strebens. Verzweifelt bemüht sich der mittelprächtige Gastronom, der hinterfotzig agierte, als ob an seinen Händen immer der Geruch von Metzgerblut kleben würde, um den Einstieg in die Münchner feine Gesellschaft. Und begreift nicht, dass verächtliche Sprüche über eigene Spieler nicht das Gleiche sind wie das Gepolter Beckenbauers über Rumpelfußball. Oder dass man für einen professionell geführten Verein samt lukrativen Kirch-Geheimverträgen keinen Heinzi, sondern einen Hoeneß braucht.

Harald Schwarz (SZ 15.3.) ist auf die Lizenzvergabe der DFL gespannt: „An diesem Montag müssen die Profiklubs ihre Lizenzanträge für die kommende Saison 2004/05 bei der DFL in Frankfurt eingereicht haben. Viele der Vereine absolvieren wegen finanzieller Probleme die laufende Spielzeit nur mit einer unter Auflagen erteilten Lizenz. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung trifft dies in 17 der 36 Fälle zu. Für Hiobsbotschaften hatten zuletzt aus der Kicker-Branche Borussia Dortmund mit drohenden Verlusten von nahezu 60 Millionen Euro im Geschäftsjahr 2003/04 (Ende Juni) und der Korruptionsskandal um das neue Münchner Fußballstadion gesorgt, das der FC Bayern München und TSV 1860 München gemeinsam bauen. Zu Einzelfällen wollte sich Creditreform-Chef Helmut Rödl im Gespräch mit der SZ zwar nicht äußern. Doch stellte er fest, die Finanzkrise im deutschen Fußball halte an. Es gebe noch keinen Grund für eine Entwarnung. Zwar seien hierzulande „keine italienischen Verhältnisse und wohl auch nicht Pleiten von Klubs zu befürchten. Doch seien die Zeiten der Vereinsmeierei und der sprudelnden Fernseheinnahmen nach dem Zusammenbruch des Medienimperiums von Leo Kirch endgültig vorbei. Die Pleite von Kirch vor drei Jahren will Rödl nicht mehr als Argument für Geldnöte in den Vereinen gelten lassen. Er sagte: „Das Thema ist vorbei. Ins Management der Klubs gehörten „keine kaufmännisch begeisterten Fußballfachleute, sondern fußballbegeisterte Kaufleute. So ließen sich die Mängel an betriebswirtschaftlichem Wissen an der Spitze eines Vereins lösen. Creditreform registriere bei aller Kritik an der bisherigen Praxis inzwischen „positive und konkrete Anzeichen für eine Verbesserung auf diesem Gebiet, weil man „die Zeichen der Zeit erkannt habe. Beispiele seien der FC Bayern München, der VFB Stuttgart, Werder Bremen und der VfL Bochum.“

Ronny Blaschke (SZ 15.3.) wünscht dem VfB Lübeck beim Halbfinale in Bremen alles Gute: „Historisches lässt sich oft an Zahlen bemessen, an großen Zahlen mit vielen Nullen. In Lübeck werfen sie zurzeit mit Zahlen nur so um sich. Auf Plakaten, in der lokalen Presse, überall Zahlen. Sie erzählen die Geschichte einer erfolgreichen Exkursion, die am morgigen Dienstag ihr Ende finden könnte, aber daran wollen sie in Lübeck noch gar nicht denken. Sie haben etwas Besonderes vollbracht beim VfB, dem ansässigen Fußball-Klub, manche sprechen von Sport-Geschichte. Und das wollen sie genießen. 10 000 Lübecker werden am Dienstag nach Bremen fahren, wenn der Tabellenführer der Bundesliga dem Zweitligisten im Halbfinale des DFB-Pokals eine Audienz gewährt. Eine imposante Zahl, zumal im eigenen Stadion im Schnitt nur 6200 Zuschauer zusehen. Nie zuvor sollen mehr Fans eines Gästeteams das Weserstadion aufgesucht haben. Einige von ihnen werden die Bahn benutzen, auf 400 Meter soll sich der Sonderzug erstrecken, 14 Waggons wird er zählen. In Schleswig-Holstein hat es so etwas noch nicht gegeben. „Die ganze Stadt, die ganze Region freut sich auf dieses Spiel, sagt Jürgen Springer, der Geschäftsführer des VfB. Mehr als 60 Jahre ist es her, dass ein Team aus Schleswig-Holstein ins Halbfinale des Pokal-Wettbewerbs vorgedrungen war. Holstein Kiel hatte es 1941 mit Schalke 04 zu tun, 0:6 lautete das Ergebnis, es war ein schmerzhaftes Vergnügen. In Lübeck hofft man nun auf einen freundlicheren Ausgang, Historie soll schließlich Spaß machen. (…) Der Tagesausflug auf die große Bühne soll das Renommee mehren, im heimeligen Lübeck, am Rande der Republik. Der VfB hat sich zu einem neuen Werbeträger erhoben, in einer Stadt, die seit 1987 dem Weltkulturerbe angehört, für Marzipan bekannt ist und für das Buddenbrookhaus, aber nicht für Fußballkunst. „Wir wollen die Lücke zwischen Hamburg und Rostock schließen, sagt Dieter Hecking. Der stete Aufstieg verdankt sich Fügung, Besonnenheit und hanseatischem Kaufmannsgeist. 7,1 Millionen Euro beträgt der Etat, die Vereinsoberen sparen, wo sie nur können, der Klub ist schuldenfrei.“

Frank Heike (FAZ 16.3.) fügt hinzu: „Grundlegend geändert, ja, ein professionelles Gerüst bekommen hat der VfB Lübeck erst, seit der ehemalige Profi im Juli 2001 kam und den Klub sofort von der Regionalliga in die zweite Liga führte. Hecking, 39 Jahre alt, ist ein ruhiger Fußball-Lehrer mit schmalem Mund und klaren Vorstellungen vom Fußballspiel. Er mag offensive Außenverteidiger, er mag es, den Ball rollen zu sehen. Er läßt gern einen flotten Offensivfußball spielen. Spielmacher Ferydoon Zandi, umworben vom 1. FC Kaiserslautern und München 1860, steht für Heckings System. Als es zu Beginn der Rückrunde sehr gut lief – der VfB holte sieben Punkte aus drei Spielen, stand den Aufstiegsrängen nahe und erreichte das Halbfinale – fiel manchem Fußballreporter in Deutschland auf, daß bei den Lübeckern fast nur Deutsche und auch viele junge Profis spielen. Plötzlich stand der VfB als Vorbild da: Ein Klub, der mit wenig Geld (der Etat beträgt etwa sieben Millionen Euro), Besonnenheit und geschicktem Mitteleinsatz viel herausholt. (…) Die Trainingsplätze sind nicht profitauglich, bald soll Kunstrasen verlegt werden an der Lohmühle. Die Lohmühle ist Stadion und Heimat des VfB; schon in der Verbandsliga haben hier auf den grasbewachsen Tribünen die Fans auf die Pauke gehauen. Inzwischen haben die Lübecker eine richtige Haupttribüne mit feinem Restaurant, Auslegware und Vip-Bereich. Sie haben sogar Logen. Der Rest des Stadions ist marode. Fußball ist hier vor allem der Zeitvertreib zwischen der nächsten Bratwurst und dem nächsten Bier. Und so richtig gewürdigt worden ist der Aufstieg auch nicht von den Lübeckern: 6000 Fans kommen im Schnitt. Gerade auf den Stehtrassen gibt es eine ausgeprägte Kultur des Schimpfens und Meckerns, so daß echte Fußball-Stimmung nur selten aufkommt.“

René Martens (FTD 16.3.) ergänzt: „Als Willi Gerdau Mitte Februar 75 Jahre alt wurde, gab es kaum eine Würdigung in den Zeitungen. Da er nur ein einziges Mal für die deutsche Fußball-Nationalmannschaft gespielt hatte, mag es manchen auch nicht wundern. Trotzdem ist dieses eine Länderspiel gerade seinetwegen von historischer Bedeutung: Als Deutschland im Mai 1957 vor 76 000 Zuschauern in Stuttgart 1:3 gegen Schottland verlor, stand mit dem Abwehrspieler des Heider SV zum bisher einzigen Mal nach dem Zweiten Weltkrieg ein Spieler eines schleswig-holsteinischen Klubs in der A-Auswahl des DFB. Die Regionalpatrioten unter den schleswig-holsteinischen Fußballfans sind stolz auf solche Episoden, und das kann man gut verstehen. Denn als Ausgleich dafür, dass das nördlichste Bundesland zu einer international bekannten Handball-Hochburg geworden ist, hat der Schicksalsgott des Sports die dortigen Fußballteams jahrzehntelang in der Bedeutungslosigkeit versinken lassen. Als die Partie gegen Werder ausgelost wurde, war schnell von einem Nordderby die Rede. Geografisch gesehen ist das korrekt, aber den typischen Charakter solcher Duelle hat die Begegnung nicht. In einer Liga spielten die beiden Mannschaften zuletzt vor 41 Jahren, in der letzten Saison, bevor die Bundesliga eingeführt wurde. Als Werder seine beste Zeit hatte – 1988 wurde der Klub Deutscher Meister, 1992 Sieger im Europacup der Pokalsieger –, kickte der VfB nur in der viertklassigen Verbandsliga.“

Wolfgang Hettfleisch (FR 16.3.) berichtet Mauschelei beim Hessischen Rundfunk: „Wer beim Tresen-Talk in Frankfurt und Umgebung mit dem Ausdruck äußerster Geringschätzung den Namen Jürgen Emig hervorpresst, hat gute Chancen, sich neue Freunde zu machen. Der Sportchef des HRs ist in des Senders Stammlanden nicht sonderlich populär. Was nicht zuletzt daran liegen könnte, dass das vermeintliche Flaggschiff im Geschwader der HR-Formate für Leibesertüchtigung, der sonntägliche Sportkalender, als abgetakelte Schaluppe daherkommt. So versprachen Auftritte des jüngst aus der Moderatoren-Rotation ausgeschiedenen Dauergrinsers Dirk Schmitt stets hohen Satirefaktor. Der gelernte Anwalt und freie HR-Mitarbeiter scheute sich nicht, schon mal Fußballer zum Interview zu laden, die er selbst nebenberuflich beriet. Legion sind die lustigen Versprecher des notorischen Endsilben-Vernichters Werner Damm. Und Elemente wie die hausbackene Wahl der Miss Hessensport machen die Sendung vollends kabaretttauglich. Doch Emig sieht sich mit mehr als barscher Medienkritik konfrontiert. Die HR-Redaktion unter Leitung des promovierten Tour-de-France-Berichterstatters, der Etappen gern mit Volkshochschul-Wissen über Land und Leute würzt, soll kleinere Vereine und Verbände weniger populärer Sportarten für Übertragungen zur Kasse bitten. Überdies wird Emig vorgeworfen, in HR-Sportsendungen fänden sich seit Jahren Hinweise auf Firmen, die zur Kundschaft der Agentur seiner Frau Atlanta Killinger-Emig zählen. Eine Verquickung, die schon einmal ARD-Kontrolleure auf den Plan rief.“

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